Nach dem starrsinnigen Beharren der Bundesregierung auf dem Lockdown kommt die deutsche Wirtschaft nicht mehr richtig auf die Füße
Ein Kommentar von Hermann Ploppa.
So schnell kann der Traum vom eigenen Haus vorbei sein: da hat der Bauherr die Planung schon fertig. Kredite sind bewilligt. Die Baufirma kann anrücken. Genehmigungen sind in trockenen Tüchern. Und dann der Knall: das Haus kann nicht gebaut werden. Es gibt in Deutschland schlicht kein Bauholz mehr! (1). Das ist Realität im Jahr Eins nach Corona-Beginn.
Während in Deutschland die Wirtschaft in Fesseln liegt, brummt die Konjunktur in Ostasien, und nach der Lizenz zum hemmungslosen Gelddrucken neuerdings auch in den USA. Diese Länder sind derart gedopt, dass sie für Bauholz jeden Preis der Welt zahlen. Für Konstruktionsholz blättern die Kunden das Doppelte, und für Dachlatten gar das Dreifache des Vor-Corona-Preises auf den Tisch (2). Auch Holzpaletten, Träger der meisten Waren auf dieser Welt, sind selber Mangelware geworden.
Schon tummeln sich die Holzhändler bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier zur Holz-Runde. Im Gespräch ist, Einschlagbegrenzungen für Fichtenholz, die bis zum September gelten, aufzuheben und die Bäume jetzt schon zu fällen. Da stoßen die Holzunternehmer allerdings an die nächste Grenze. Zum einen setzen Naturschutzgesetze dem Baumeinschlag in den Sommermonaten enge Grenzen. Zum anderen sind jahrelang die deutschen Wälder derart unsachgemäß mit so genannten Harvester-Baumschälmaschinen ruiniert worden, dass Dürre und Käferbefall den traurigen Forst-Resten massiv zu schaffen machen (3). Der Traum vom Eigenheim ist an dieser Stelle leider oft ausgeträumt. Denn auch alternative Baustoffe sind stark verteuert. Selbst für Metallschrott muss man jetzt 62.7 Prozent mehr hinlegen als vor einem Jahr (4).
Der Schluck Benzin an der Tanksäule für das eigene Auto kostet mittlerweile ein Drittel mehr als vor Corona. Das liegt daran, dass der Öldurst in Fernost enorm zugenommen hat, und die großen Öllieferanten wie Russland und Saudi-Arabien sich augenblicklich nicht gegenseitig unter Druck setzen, ihre Förderquoten zu erhöhen. Aus Öl macht man Polyethylen, und daraus wird Plastik. Achtzig Prozent aller Unternehmen in Deutschland klagen über einen schmerzhaften Mangel an Kunststoff. Die Lieferzeiten für das synthetische Material erstrecken sich auf vierzehn bis sechzehn Wochen.
Mara Hancker, Sprecherin der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen: „… aktuell steht die Partnerschaft von Erzeugern und Verarbeitern unter Stress. Denn Rohstoffe nahezu aller Kunstofftypen sind knapp und die Preise explosionsartig gestiegen. Der Boom in Asien saugt Rohstoffe geradezu auf.” (5).
Der Hase und der Igel. Deutschland und China. Zu spät aus dem Corona-Winterschlaf aufgewacht. Der Lockdown-Wahn als empfindlich spürbarer Wettbewerbsnachteil, um in der Sprache der Ökonomen zu bleiben.
Und weil im letzten Jahr der Seetransport durch Corona-Beschränkungen in den Boden gestampft wurde, kommen die Container-Kapazitäten jetzt nur mühsam wieder in Fahrt. So kostet der Container-Transport von einem beliebigen chinesischen Hafen nach Amsterdam jetzt achtmal so viel wie vor Corona. Das zahlt selbstverständlich der Endverbraucher.
Am Mangel an Halbleitern leidet nun allerdings auch die Wirtschaft der Volksrepublik China (6).
Bei Halbleitern haben Produktionsstätten in Taiwan und Südkorea die Nase vorn. Festlandschina hinkt in der Halbleiterproduktion um zwei Entwicklungsgenerationen hinter Taiwan und Südkorea hinterher. Die Digitalisierung durch Corona bescherte China im Jahre 2020 dagegen ein Nachfrageplus von dreizehn Prozent. Da mittlerweile jede elektrische Zahnbürste über ein digitales Gehirn verfügt, ist der Hunger nach Halbleitern nicht mehr zu stillen. Auf die Lieferung von Halbleitern muss man weltweit zwölf Monate warten. Das Problem ist verschärft dadurch, dass Spekulanten Halbleiter horten, um sie in einem günstigen Augenblick zu verhökern. Was wiederum die Lieferengpässe weiter verschärft.
Jahrzehntelang hat der Welthandel die Lagerung von Waren immer weiter heruntergefahren. Die engere Vernetzung und die zunehmende Digitalisierung haben es ermöglicht, die Zeit und den Weg vom Hersteller zum Abnehmer immer weiter zu verkürzen. Und damit den Gewinn immer weiter zu erhöhen, indem man Lagerkosten einsparte. Die Transporter wurden selber zum Lager. Wovon sich jeder selber ein Bild machen kann, der am Wochenende Autobahnrastplätze ansteuert und vor lauter Kühl-LKWs dort kaum wieder herauskommt. Diese Unsitte der so genannten Schlanken Produktion (Lean Production) und des Anlieferns exakt zum Zeitpunkt des Bedarfs (Just in Time) verschlimmert jetzt gerade radikal die Lieferkrise. Es gibt einfach keine Reserven mehr. Und die Wirtschaft gerät in den Modus der Schnappatmung.
Bei Lebensmitteln kommt zu den genannten Faktoren noch die Psychologie der Verbraucher hinzu. Denn in Erwartung möglicher kommender Lieferengpässe horten manche Verbraucher schon jetzt Lebensmittel, bevorzugt in der Tiefkühltruhe – was wiederum nicht so toll ist für die Umweltbilanz. Allerdings können sich in ärmeren Gegenden dieser Welt die Leute keine Tiefkühltruhe leisten. Sie leben von der Hand in den Mund. Entsprechend existentiell fallen hier die Preissteigerungen in der Corona-Welt aus: die FAO, die Nahrungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, stellt für März 2021 einen um 30.8 Prozent höheren Nahrungsmittelindex fest als im Vorjahr (7).
Getreide ist auf diese Weise in diesem April um 26 Prozent teurer gewesen als vor einem Jahr, Mais ist in der selben Zeit sogar um zwei Drittel teurer geworden. Die Experten sind sich einig, dass die Corona-Kampagnen den Hunger auf dieser Welt radikal verschlimmern werden. Die genauen Zahlen der Hungernden weiß man nicht. Oder man will sie nicht wissen. Sicher ist, dass schon vor Corona auf diesem Globus 690 Millionen Menschen an Hunger litten, und zwei Milliarden Menschen sind der Mangelernährung ausgesetzt gewesen (8).
Wie schon in früheren Jahrhunderten, so spielt auch jetzt die widerwärtige Spekulation mit Nahrungsmitteln neben den oben schon genannten Ursachen eine Hauptrolle (9).
Immer mehr Menschen erkennen indes, dass es gar nicht so schwer ist, diesem Hamsterrad der künstlichen Verelendung zu entkommen. Immer öfter finden Lebensmittelhersteller und Lebensmittelabnehmer wieder den direkten Weg zueinander und umgehen die oftmals parasitären Zwischenstationen.
Sogar große Discounter gehen mittlerweile den vernünftigen Weg zu regionalen Produzenten. Not macht erfinderisch.
Quellen und Anmerkungen:
- Das Beispiel beruht auf einem ganz konkreten Ereignis im unmittelbaren Umfeld des Autors.
- Handelsblatt, Nr. 101 2021, 28.-30.Mai, S.8: Bedrohter Aufschwung – Viele Betriebe sorgen sich wegen steigender Rohstoffpreise um ihr Geschäft. Die Preissprünge könnten Vorboten einer langfristigen Entwicklung sein.
- Hermann Ploppa: Der christdemokratische Waldgipfel
https://kenfm.de/tagesdosis-3-8-2019-der-christdemokratische-waldgipfel/ - siehe Anm. 2
- Mara Hancker: Rohstoffknappheit: Verpackungshersteller in Sorge. Wir hier. Die Chemieunternehmen in Rheinland-Pfalz.- https://www.wir-hier.de/politik-und-wirtschaft/unser-chemiestandort/detail/kommentar-knappheit-bei-kunststoff-beenden/
- https://www.gtai.de/gtai-de/trade/branchen/branchenbericht/china/firmen-in-china-leiden-unter-lieferengpaessen-bei-halbleitern-637752
- http://www.fao.org/worldfoodsituation/foodpricesindex/en/
- https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/presse/2020/un-report-nahrungssicherheit-hunger/221914
- https://www.weed-online.org/themen/finanzen/nahrungsmittelspekulation/index.html
Der Artikel erschien zuerst in der Wochenzeitung Demokratischer Widerstand Nummer 50. Er wurde für diese Tagesdosis geringfügig überarbeitet.
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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