Wollt Ihr den totalen Selenskyj?
Ein Meinungsbeitrag von Uli Gellermann.
Die andauernden Selenskyj-Festwochen in den deutschen Medien haben auf der Berlinale, dem wesentlichen deutschen Filmfestival, einen neuen Höhepunkt erreicht. Er durfte das Festival eröffnen, den Russen „die Stimme des Bösen“ zuweisen und bekam dafür vom Publikum im Filmpalast stehende Ovationen. Das „Festival della Canzone Italiana“ in Sanremo, die FAZ nennt es „das jährliche Lagerfeuer der Populärkultur, bei dem sich die Nation ihrer selbst vergewissert“, sah die Aktion deutlich anders. Eine Petition gegen die „Militarisierung“ des Festivals ist im Umlauf, die Zahl der Unterzeichner unter Künstlern, Intellektuellen und Diplomaten wächst.
Ukraine zurück zur Atommacht
Dass der Präsident der Ukraine im Januar ein Dekret gegen Verhandlungen mit Russlands Staatschef erlassen hat und damit den Krieg weiter verschärfte, interessierte das Berlinale Publikum offenkundig nicht. Auch, dass der ukrainische Botschafter in Berlin, Olexij Makejew, es für notwendig hält, dass sein Land zu seinem Status als Atommacht zurückkehrt, wollen die Cineasten nicht wahrnehmen: Man fährt im luxuriösen Schlafwagen in den Atomkrieg. Hier ein Häppchen, dort ein Filmchen, zwischendurch zieht man sich den totalen Selenskyj rein. Und warum soll das Berlinale-Publikum mehr Verantwortung zeigen als die deutsche Regierung?
Es begann mit einem Bürgerkrieg
Wer mag sich noch an den Beginn des Krieges erinnern? Er begann mit einem Bürgerkrieg gegen die russischsprachige Bevölkerung in der Ukraine, mit dem faktischen Verbot der russischen Sprache im April 2019. Verstöße gegen das Sprachgesetz wurden mit Bußgeldern bestraft. Als sich die mehrheitlich russischsprachige Bevölkerung des Donbas im April 2014 für autonom erklärte, bezeichnete die Kiewer Regierung die Kräfte im Donbas als „terroristisch“ und versuchte, die Autonomie-Bewegung mit Waffengewalt zu unterdrücken. Die Vereinten Nationen zählten im Ergebnis der Kiewer Intervention im November 2015 etwa 9.100 Tote und 20.700 Verletzte.
Minsker Friedensabkommen: Pause für Aufrüstung
Mit dem Minsker Friedensabkommen von 2015 – unterzeichnet von Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland – sollte der Krieg beendet werden. Es sollte eine Anerkennung der Autonomie des Donbas und eine entsprechende neue Verfassung der Ukraine verankern. Die Kiewer Regierung hielt sich nicht an das Abkommen. Im Gegenteil: Das Abkommen war, wie die Welt von Kanzlerin Merkel erfuhr, der Versuch gewesen, der Ukraine Zeit zu geben: “Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.” Aus dem Merkelschen übersetzt: Die NATO hat die Atempause genutzt, um die Ukraine aufzurüsten.
Zeitenwende für Aufrüstung
Es war immerhin Jürgen Habermas, der in diesen Tagen davor gewarnt hatte, „unbemerkt über die Schwelle zu einem dritten Weltkrieg hinausgetrieben zu werden“. Und in einer Umfrage für RTL/ntv im Juni hielt es die Hälfte der Bundesbürger für möglich, dass der Krieg in der Ukraine sich zu einem Konflikt zwischen Russland und der NATO ausweiten und in einen Dritten Weltkrieg münden könnte. Aber wenn Scholz & Co. von einer „Zeitenwende“ schwafeln, meint das nur, dass noch mehr Waffen in die Ukraine geliefert werden sollen. Und wenn die kulturellen Eliten des Landes auf der Berlinale Selenskyj beklatschten, dann ist das die öffentliche Solidarität mit einer NATO-Marionette, die uns alle dem nächsten Weltkrieg näher bringt.
Krieg verlangt Klartext
Wenn Habermas davon redet, man würde über eine Schwelle „hinausgetrieben“, dann blendet er die Treiber aus. Sein Text kennt keine Waffen-Industrie und keine grünen Scharfmacher. Der kommende Krieg kann nur mit der Wahrheit bekämpft werden: Mit der Wahrheit darüber, wie er begonnen hat und der Wahrheit darüber, wer sich Vorteile von ihm verspricht. Ein Text zum Ukraine-Krieg, in dem weder die Rolle der NATO noch die der USA beleuchtet wird, der bleibt unverbindlich; so verdienstvoll die Forderungen nach Verhandlungen auch sind, der Krieg verlangt Klartext.
TAZisten mit Atombunker?
Klartext schreibt die grün vergiftete TAZ zum Habermas-Text: „Die Ukraine ist undenkbar als amputierte Nation und neutraler Pufferstaat zwischen Ost und West; zu garantieren ist ihre Integrität und Unabhängigkeit nur als westliche Bündnisnation.“ Die grünen NATO-Lover wollen keinen „Pufferstaat zwischen Ost und West“, sie wollen Krieg. Als hätten sie einen eigenen Atombunker im Garten, fordern die TAZisten „Seitens des Westens muss man dennoch jeden noch so kleinen Keim des Widerstands fördern, mit der Aufnahme russischer Oppositioneller, mit dem Aufbau von Nachwuchskräften bis hin zu einer Exilregierung“. Die Kriegshetzer wollen nichts weniger als den Sturz Putins und die Liquidierung russischer Sicherheits-Interessen.
Fantasien, die im Atomsturm verglühen
Der Ton der TAZ wirkt geradezu regierungsamtlich: „Die Demokratisierung Russlands darf sich nicht auf die Abhaltung von regelmäßigen Wahlen ohne normativen und institutionellen Unterbau beschränken.“ Es ist der aus deutschen Medien bekannte Ton der Herrenmenschen: ‚Wir sagen dem Russen jetzt mal wo es langgeht‘. Man wähnt sich schon „danach“, nach dem Sieg der NATO. Das sind die gefährlichen Fantasien von Baerbock & Co. Das sind die Fantasien, die im Atomsturm verglühen, wenn wir die NATO-Agenten nicht stoppen.
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Dieser Beitrag wurde zuerst am 21.2.2023 auf dem Portal Rationalgalerie veröffentlicht.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: photocosmos1 / shutterstock
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Wieder ein Beispiel
wie Eitelkeit und gesicherter Wohlstand , dabei sein zu dürfen ,
alle ethischen und ideologischen Grundlagen überlagern .
Waren Künstler noch vor wenigen Jahren links, also gegen Totalitarismus und Krieg ,
sind sie heute weiter stramm links, aber für totalitäre Staatsmacht, Ausschaltung der Verschwörungstheoretiker und Schwurbler, für Frieden durch Krieg .
Naja, eigentlich hat der Krieg ja bereits mit dem Völkerrechtsbruch des Euromaidan-Putsches im Frühjahr 2014 begonnen. Das Verbot der russischen Sprache und der Beschuss des Donbass waren zwei der ersten Amtshandlungen der Putschregierung. Die Angabe des Kriegsbeginns 2019 oben im Artikel müsste ein Druckfehler sein.
Ich denke, dass allein die von Ihnen aufgeführten Punkte, alleine natürlich auch schon das Verbot der ukrainischen Sprache durch Russland in der Ukraine (ach sorry, dass war noch zu UDSSR Zeiten und wurde dann wieder zurückgenommen, weil die Ukrainer das so gut fanden), die spezielle Polizeioperation Russlands in der Ukraine rechtfertigt. Die paar Hansels, die da dummerweise draufgehen…Kollateralschaden halt.
Grandios Herr Gellermann! Sie haben absolut in allem was Sie sagen absolut Recht! Besser hätte es auch das großartige russiche Nachrichtenportal RT nicht beschreiben können! Auch der alternative Journalist Röper oder die wortgewaltige Frau Lipp kommen nicht an Ihre Klarheit der Darstellung der Sichtweise des Kreml heran!
Auch mir gefällt Ihre Polemik sehr gut, Herr Gellermann!!!
O…x, hoffnungslos an Ironie erkrankt. Aber wie soll man sich auch helfen, wenn alle Fakten gegen einen sprechen? Wenn längst offenbar wurde, was da wirklich vor sich geht?
Ironie gegen Fakten. Letztlich nichts als ein jämmerliches Geschrei!
"Krieg mit Russland war die Absicht, die der sogenannte Wertewesten von vornherein in und mit der Ukraine verfolgt hat. Das geht aus Interviews hervor, die Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel am 24. November 2022 und am 8. Dezember 2022 dem Spiegel und der Zeit gegeben hat. Offenbar um sich gegen Vorwürfe zu wehren, sie sei in ihrer Russland-Politik zu naiv und russlandfreundlich gewesen, sagte sie, das Minsker Abkommen von 2014 sei unterzeichnet worden, um der Ukraine „Zeit zu geben“, und die Kiewer Regierung habe die Zeit genutzt, „um stärker zu werden“. (9) Nachdem die Kiewer Ukraine – offensichtlich im Einvernehmen mit den USA – 2014 vor der Haustür Russlands Feuer gelegt hatte, wurde der Bürgerkrieg im Donbass so weit angeheizt, dass es zu einem Krieg mit Russland kommen musste. Demnach haben Deutschland, Frankreich, die Ukraine und die USA in den Jahren vor dem russischen Einmarsch doppeltes Spiel getrieben, das heißt intrigiert, gelogen und Kriegsvorbereitungen getroffen."
Text von Wolfgang Bittner
@Chela: Das Problem ist, das es zwei Gruppen gibt. Eine Gruppe, welche den alternativen Fakten des Kremls vertraut und eine Gruppe, die den Historiker:innen für osteuropäische Geschichte vertraut…
Natürlich hat Frau Merkel gesagt, dass das Minsker Abkommen (abgeschlossen zwischen Frankreich, Deutschland der Ukraine und den russischen Donbass Republiken ohne Russland als Vertragspartner) auch abgeschlossen wurde, um der Ukraine Zeit zu verschaffen, einem weiteren Angriff durch Russland standhalten zu können. Was ist daran seltsam? Die Ukraine war 2014 von Russland angegriffen worden, Russland hält seitdem Teile der Ukraine besetzt und natürlich wird die Ukraine nicht den Kopf in den Sand stecken und sich nicht auf einen weiteren Angriff von Russland vorbereiten. Das ist die Realität der Historiker:innen für osteuropäische Geschichte.
Natürlich hat Frau Merkel gesagt, dass das Minsker Abkommen (abgeschlossen zwischen Frankreich, Deutschland der Ukraine und den russischen Donbass Republiken ohne Russland als Vertragspartner) auch abgeschlossen wurde, um dum die Ukraine auf einen Angriff auf Russland vorzubereiten, Biowaffenlabore in der Ukraine aufzubauen und die Aufnahme in die NATO zu koordinieren. Das sind die alternativen Fakten des Kremls .