Schwindende Ressourcen, globaler Wirtschaftskrieg, wachsende Ausbeutung: Dichte Grenzen, »Ausländer raus«-Geschrei oder eine neue Kanzlerin sind keine Lösung.
Von Susan Bonath.
Das Kapital wankt zwischen Profit- und Verwertungskrise. Bei Monopoly 2016 gewinnen nur die Härtesten. Mittendrin der kleine Deutsche. Der empört sich: Über Flüchtlinge und Ausländer, die »den Sozialstaat« plünderten und deutschen Obdachlosen die Schlafplätze in schäbigen Mehrbettcontainern klauten, ganz so, als kämpfe er schon seit Jahrzehnten darum, dass es »Brückenpennern« besser geht. Vor allem empört sich der Empörte über Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die habe diese Ausländer schließlich reingelassen. Dass die alle schon längst auf dem Weg waren, weil es in den türkischen und libanesischen Lagern kaum noch was zu essen gab, ist Nebensache. Und dass an den EU-Grenzen inzwischen die Politik des wirtschaftstreuen dunkelbraunen Flügels der kaum minder braunen CDU namens AfD umgesetzt wird: Geschenkt. »Merkel muss weg!«, lautet des deutschen »Widerständlers« Schlachtruf.
Bekräftigt wird die Parole gerne mit eifriger Wahlwerbung für die AfD, mit »Wir sind das Volk«-Rufen zwischen Deutschlandfähnchen, oder auch mit Steinen, Molotowcocktails neuerdings auch scharfen Patronen. Flüchtlingsbusse und -heime werden blockiert und Frauke Schießbefehl-Petry als neue Kanzlerin ausgerufen. Mancher glaubt tatsächlich, so sein geliebtes Deutschland retten zu können. Nur hat er wohl die Wirklichkeit verpennt. Ein Blick über den Gartenzaun hinaus genügt: Die Krise des Systems ist längst global. Dass sie durch ein bisschen Nachbessern rasch wieder verschwindet, ist ausgeschlossen. Sie stellt die Menschheit vor den Scheideweg: Totaler Kollaps oder komplettes Umdenken. Die Ressourcen werden knapp. Ungezügelter Raubbau bedroht das ökologische System. Die Ozeane sind voller Müll. Lebensräume weichen Wüsten. Rund ein Drittel der Menschheit – 2,5 Milliarden – hat nicht genug zu essen und keinen Zugang zu sauberem Wasser. Die Ausbeutung Lohnabhängiger verschärft sich nicht nur in Bangladesch, sondern auch in Deutschland. Und mit der Automatisierung steigt die Zahl der Erwerbslosen, von CDUCSUSPDGRÜNEFDP und auch der AfD als »Faulpelze« oder »Minderleister« gebrandmarkt.
Terror und Imperialismus Hand in Hand
Aber da ist ja noch der Terror, der mit den Flüchtlingen ins schöne Deutschland eingeschleppt werde. Doch auch dieser Terror kam nicht über Nacht in unsere Welt. Gefüttert von deutschen, französischen, britischen, russischen, amerikanischen Rüstungskonzernen und Geheimdiensten, ist er mehr Produkt wirtschaftlicher Unterdrückung als irgendeiner Religion Seit Jahrhunderten benutzen interessierte Kreise Religionen, um eigene ökonomische Interessen durchzusetzen. IS und Co wollen eben auch zum Abschluss noch ein bisschen mitplündern am großen Markt. Und wo Verelendung und Ausgrenzung herrschen, wo Armut Bildung verhindert und fehlende Perspektiven Depressionen, Psychopathen oder Dschihadisten produzieren, greifen Opfer viel eher als anderswo zur Waffe. Dann wird die Terrororganisation zum Brötchengeber, Heilsbringer und letzten Strohhalm. Dann wird abgeräumt: Irre Glaubenskämpfer mit Bart gegen irre Glaubenskämpfer des Imperiums. Eine Ölquelle auf Zeit gegen 10.000 tote Kinder. Ruinenstädte und Millionen Ausgebombte für einen neuen Absatzmarkt für Antibiotikahähnchen aus Massentierhaltung. Feindbildpropaganda und Leichenberge für die Waffenindustrie. So und nicht anders geht Imperialismus. Je mehr das »ewige Wachstum« stagniert, desto brutaler wird der Kampf um Profite.
Wollen wir das stoppen, reicht es nicht, ein paar Tausend Rumänen, Polen, Spaniern oder Griechen die deutsche Sozialhilfe zu verweigern. Es reicht nicht, eine unliebsame Kanzlerin abzusetzen. Es reicht nicht, Flüchtlinge in blutige Kriege oder Hungergebiete zurückzuschicken oder ihnen beim Verrecken an umzäunten Grenzen zuzusehen. Wer kann das wollen für die maximale Hoffnung, auf einem kleinen Fleckchen Erde noch ein paar Jahre bis zum Versiegen der Rohstoffe so weiter zu machen wie bisher?
Mut zu massenhaftem Ungehorsam
Es hilft nichts. Wir müssen den tobenden Wirtschaftskrieg beenden, bevor das System die ganze Erde in Schutt und Asche legt. Wer nicht will, dass seine Kinder, Enkel und Urenkel auf Kosten der Profitmehrung einiger Weniger in naher Zukunft elendig zugrunde gehen, muss die Strukturen durchbrechen. Schluss mit dem tödlichen Monopoly. Alles in diesem Spiel hängt daran, wem was gehört. Für jegliche Ausbeutung ist nur eins vonnöten: Privateigentum. Wer Industrie, Fabriken, Banken, Ölquellen, Felder besitzt, ist sogar gezwungen, auszubeuten, um der Konkurrenz standzuhalten und seinen eigenen Absturz zu verhindern. Im Klartext: Wer wirklich etwas ändern will, muss über andere, über gesellschaftliche Produktionsprozesse nachdenken. Das ist unmöglich, wenn Grund, Boden, Ressourcen und Maschinen nur wenigen gehören.
Dafür eintreten können nur alle Lohnabhängigen gemeinsam, ob erwerbslos oder nicht, ob geflüchtet, immigriert oder einheimisch, ob weiß, gelb oder schwarz. Wir brauchen einen Plan, um zu retten, was noch zu retten ist. Wir brauchen Einigkeit. Und ein Ziel: Umverteilung zugunsten der gesamten Gesellschaft. Weg mit dem Konkurrenzprinzip. Plump gesagt: Bonzen enteignen. Kein bürgerliches Parlament wird dies je für uns tun, keine in Regierungsposten strebende Partei, keine neue Bundeskanzlerin. Wir müssen es schon selber machen. Schluss mit den Kämpfen unten gegen unten, Zeit uns kennen zu lernen, solidarisch zu sein. Die obdachlose Roma-Frau braucht genauso viel Hilfe wie der einheimische verarmte Rentner. Beide haben nur ihr kleines Leben – wie jeder von uns. Wir brauchen Mut, für Massendemos, Massenstreiks, millionenfachen Ungehorsam gegen von den Herrschenden aufgedrückte und vom Staatsapparat durchgesetzte Repressionen. Wir könnten Konzerne besetzen, Häuser besetzen, Felder besetzen. Wir könnten die interessengesteuerte Propaganda der Politik, von vielen Medien unhinterfragt abgeschrieben, ignorieren. Wir könnten rassistischen Hetzern, die kontraproduktiv spalten und dem System somit zum Überleben verhelfen, den Finger zeigen, wie auch der gesamten »Grundordnung«, die nur den Reichen dient. Wenn wir endlich einmal anerkennen würden, dass wir dieselben Probleme haben und wir sie nur gemeinsam lösen können. Der Kampf Reich gegen Arm tobt seit Ewigkeiten. 62 Menschen besitzen inzwischen so viel, wie die halbe Weltbevölkerung. Diesmal sind wir am Limit. Die Zeit drängt. Wir müssen den Spieß umdrehen: Unten gegen oben.
Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.
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