Der Linksaußenseiter drängt ins Zentrum

Von Prinz Chaos II.

Sie lagen alle falsch. Die Süddeutsche, der Spiegel und nahezu sämtliche ihrer US-amerikanischen Mainstreamkollegen, das Clinton-Lager, das sich für den großen, entscheidenden Schlag gegen Sanders rüstete – und ausnahmslos sämtliche Umfrageinstitute.

Nach dem „Super Tuesday“ hatten sie samt und sonders Bernie Sanders abgeschrieben. Das Internetportal „The Young Turks“ dagegen sah in Sanders Super-Tuesday-Siegen in Vermont, Oklahoma, Colorado und Minnesota und dem faktischen Unentschieden in Massachusetts das Signal für den nahenden Wendepunkt in der demokratischen Vorwahl. Wir selbst titelten: „Warum Bernie Sanders jetzt gewinnen kann“. (Hier: https://kenfm.de/warum-sanders-gewinnen-kann/)

Und genau das geschah. Sicherlich: seit dem Super Tuesday gewann Hillary Clinton in Louisiana und in Mississippi. Sie baute damit ihren Delegiertenvorsprung sogar leicht aus. Aber diese Staaten entsprechen exakt dem Profil ihrer bisherigen Hochburgen: Staaten des tiefen Südens mit einem hohen Anteil afro-amerikanischer Wähler.

Sanders dagegen bricht in neues Territorium auf und erobert neue Wählerschichten. Er gewann seither in Kansas (68% zu 32%), in Nebraska (55% zu 45%) und in Maine (64% zu 36%). Und jetzt holte er, völlig überraschend, den Sieg in Michigan mit 51% zu 49%. (Hier: https://socialistworker.co.uk/art/42328/Bernie+Sanders+shock+wins+keep+coming+in+US+election+race)

Dieser Sieg in Michigan sendet Schockwellen quer durch die politische Landschaft der USA. Denn der Durchschnitt (!) sämtlicher Umfragen sah Hillary Clinton satte 22% vor Bernie Sanders. Der Umfragepapst Nate Silver spricht deshalb vom “größten Demoskopiedesaster der Vorwahlgeschichte“. (Hier: http://fivethirtyeight.com/live-blog/michigan-mississippi-idaho-hawaii-primaries-presidential-election-2016/)

Was ist passiert? Offensichtlich etwas gänzlich unvorhergesehenes: Leute, die kein Institut auf dem Schirm hatte, sind in Scharen zu den Wahllokalen geströmt, um ihrer Wut auf das Establishment mit einer Stimme für den Linksaußenseiter Ausdruck zu verleihen. Rekordwahlbeteiligungen in den Staaten der großen Sanders-Erfolge ließen die üblichen Methoden der Umfrageinstitute ins Leere laufen.

Dies ist auch ein Sieg des Internets über die klassischen Medien. Diese sind im Besitz der großen Monopolisten und stehen klar auf Hillary Clintons Seite. Die Washington Post alleine veröffentlichte am Tag vor der Abstimmung in Michigan 16 negative Meldungen über Bernie Sanders innerhalb von 16 Stunden! (Hier: https://www.youtube.com/watch?v=WogDRFswQoQ)

Die Vorwahlen sind auch ein Siegeszug der „Millenials“, wie man in den USA all jene nennt, die vom neuen Jahrtausend und der Ära des Internets geprägt sind. Erneut gewann der 74jährige Sanders dramatisch unter den Wähler jünger als 45 Jahre. In dieser Gruppe holte er in Michigan erstmalig auch eine Mehrheit der afro-amerikanischen Wähler.

Und Du weißt, dass die Bush-Ära endgültig vorbei ist und eine Welle der Solidarität durch die USA geht, wenn der Jude Bernie Sanders seine allerbesten Wahlergebnisse in den muslimischen Communities Michigans einfährt. (Hier: https://www.youtube.com/watch?v=5j2Q5o9r8JE)

Sanders Botschaft „Alle zusammen gegen die Milliardäre“ zeigt damit das Potential, den Rassismus, der auch den Hauptmotor der Trump-Kampagne darstellt, zu überwinden. Aber Sanders “macht” diese Stimmung nicht. Er verleiht ihr Ausdruck und er dient ihr als Katalysator. Sie ist über die letzten Jahre entstanden und fand schon 2008 in der Wahl Obamas ihren Niederschlag.

Obama hat die Hoffnungen der Menschen dann brutal enttäuscht. Und diese Enttäuschung führte zu einer Lähmung, die sich erst mit Occupy Wall Street wieder zu lösen begann. Jetzt sehen wir, wie eine zweite, deutlich radikaler Welle der Kapitalismuskritik den Mainstream der US-Politik durcheinanderzuwirbeln beginnt.

Diese Welle der Rebellion ist nicht auf den erstaunlichen Erfolg von Sanders beschränkt. Vielmehr wären seine Erfolge nicht denkbar ohne die schwarze Revolte von Ferguson, ohne einen Aufschwung sozialer Kämpfe, ohne eine mächtiger werdende Umweltbewegung – und vor allem ohne die rasende Wut von Millionen auf die Machenschaften der Wall Street.

Allerdings: wir wollen noch nichts beschreien. Hillary liegt 200+ Delegierte vorn (ohne Superdelegierte) und es ist nicht leicht, diese Kluft zu schließen. Weiterhin ist es sehr gut möglich, dass Hillary Clinton als Siegerin aus diesen Vorwahlen hervorgeht.

Aber es geschieht etwas in Amerika. Etwas, womit die wenigsten gerechnet hätten. Amerika erlebt einen Aufschwung sozialer Kämpfe und eine antikapitalistische Massenmobilisierung!

 

Weitere Artikel von Prinz Chaos II. gibt es auf seinem Blog: https://prinzchaos.wordpress.com/

 

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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