Der Weltwächter | Von Tom-Oliver Regenauer

Der Big-Tech-Mogul Peter Thiel vereinigt so viel Macht auf sich wie kaum ein zweiter Mensch. Mit Palantir hat er für Militär, Geheimdienste und Konzerne ein alles ein- und vorhersehendes Überwachungssuperwerkzeug geschaffen.

Da sitzt der Mann am 16. August 2024 über drei Stunden lang im reichweitenstärksten Podcast der Welt, bei einem vermeintlich kritischen Geist — Joe Rogan —, und muss keine einzige Frage zu Palantir beantworten. Oder zu seiner Rolle im Steuerungskreis der Bilderberg-Konferenzen. Ganz zu schweigen von Thiels unsäglichen Versuchen, den Skandal um Jeffrey Epstein im Verlauf des Gesprächs zu marginalisieren. Unter anderem, indem er dessen unzählige Opfer als „minderjährige Mädchen“ bezeichnet — obwohl viele davon Kinder waren. Manche gerade einmal acht Jahre alt. Oder indem er, danach gefragt, wann man denn endlich die wahren Ausmaße von Epsteins dunklem Treiben nachvollziehen könne, lapidar entgegnet, dass man bis dato ja auch nicht wisse, was in puncto John F. Kennedy wirklich passiert war und die entsprechende Aufklärung wohl noch etwas auf sich warten lassen dürfte. Wer also bisher den Standpunkt vertrat, Joe Rogan sei an Wahrheitsfindung interessiert oder betreibe Journalismus, wurde spätestens am 16. August diesen Jahres eines Besseren belehrt.

Rogans Konversation mit Thiel war ein peinlicher PR-Auftritt. Und das nicht nur aufgrund von Thiels gefärbten Haaren. Siehe Kommentare unter dem entsprechenden Video. Der Podcast ist als Image-Design-Event für jemanden zu werten, dessen Protegé — JD Vance — unlängst von Donald Trump zum Kandidaten für die US-Vize-Präsidentschaft nominiert wurde. Dabei hätte es nur fünf Minuten und einer beliebigen Suchmaschine bedurft, um sich adäquat auf diese Unterredung vorzubereiten und Thiel wenigstens die oberflächlich brennenden Fragen stellen zu können. Vielleicht wollte oder konnte Rogan das aber auch gar nicht. In Anbetracht von Thiels Machtfülle wäre das kaum verwunderlich. Aber fangen wir vorne an.

Der am 11. Oktober 1967 in Frankfurt am Main geborene Thiel wanderte ein Jahr nach seiner Geburt mit seiner Familie in die USA aus. Bevor sie sich 1977 in Kalifornien niederließen, lebten die Thiels zeitweise in Südafrika und Namibia. Der junge Peter wechselte demzufolge häufig die Schule. In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit Computerspielen und Science-Fiction-Literatur. Sein Lieblingsautor ist J. R. R. Tolkien, dessen Klassiker „Herr der Ringe“ er nach eigenen Angaben mehr als zehn Mal gelesen hat. Obwohl er während seiner Schulzeit als Mathe-Ass von sich reden machte, studierte er an der Stanford University zunächst Philosophie. Anschließend schrieb er sich an der Stanford Law School ein, wo er 1992 den Juris Doctor erlangte. Mit diesem Abschluss in der Tasche arbeitete er zunächst für einen US-Bundesrichter, danach für eine Anwaltskanzlei in New York. Doch schon nach wenigen Monaten im juristischen Betrieb heuerte Thiel bei der Großbank Credit Suisse an, wurde Derivate-Händler. Im Jahr 1996 kehrte er nach Kalifornien zurück, wo er seinen ersten Anlagefonds Thiel Capital Management gründete — das Unternehmen, bei dem Eric Weinstein, der Bruder des Evolutionsbiologen und Mainstream-Resistance-Podcasters Bret Weinstein — als Managing Director beschäftigt ist.

Ab der Gründung seines ersten Fonds ging es steil aufwärts für den Exildeutschen. 1998 gründete er zusammen mit Max Levchin und Luke Nosek den Zahlungsdienstleister PayPal, den Thiel als CEO leitete, bis das Unternehmen 2002 für eineinhalb Milliarden US-Dollar an eBay verkauft wurde. Der Tech-Unternehmer galt seinerzeit als „der Pate“ der „PayPal-Mafia“, einer illustren Gruppe von Silicon-Valley-Entrepreneuren, deren auf Basis ihrer Umtriebigkeit selbst gewählter Spitzname durch einen Artikel des Forbes-Magazins aus dem Jahr 2007 weltweit bekannt wurde. Ein Artikel, für den sich die 13 Herren in Gangsterklamotten ablichten ließen. Mitglieder der Gruppe gründeten zum Beispiel YouTube, Yelp, Yammer, LinkedIn und Tesla.

Thiels PayPal-Kompagnon Levchin betätigt sich mittlerweile gerne als Regierungsmitarbeiter oder willfähriger Fürsprecher für die National Security Agency (NSA, Auslandsnachrichtendienst der USA). Nosek war unter anderem der erste institutionelle Investor von Elon Musks Space X, sitzt im Vorstand von ResearchGate und blieb mit Thiel über die gemeinsame Gründung des Founders Fund verbunden, der 2005 seine Arbeit aufnahm und, Stand 2023, zwölf Milliarden US-Dollar an Kapital verwaltet. Geld, das unter anderem Airbnb, Spotify, Facebook, Stripe, Lyft oder Neuralink grundfinanzierte. Rückblickend könnte man das mit der „Mafia“ also durchaus auf andere Aspekte als die Umtriebigkeit beziehen. Immerhin war Airbnb schon 2017 „größer“ als die fünf größten Hotelmarken kombiniert — ohne ein einziges Hotel zu besitzen. Und Spotify als weltgrößte Streaming-Plattform dominierte mit 83 Prozent Marktanteil schon 2020 die US-Musikindustrie, während es Künstler mit Cent-Beträgen abspeist und deren ursprüngliche Vertriebswege ruiniert.

Thiel selbst nutzte den enormen Gewinn aus dem PayPal-Verkauf für die Gründung von Clarium Capital, einem mäßig wirkungsvollen Hedge- und Investmentfonds, der drei Jahre vor dem Founders Fund ins Leben gerufen und 2013 aufgelöst wurde.

Ein Jahr nach dem Startschuss für Clarium Capital, 2003, gründete Thiel das Unternehmen, das ihn zu einem, wenn nicht gar dem einflussreichsten Tech-Unternehmer der Welt machen sollte: Palantir Technologies, heute wohl der mächtigste Überwachungs-, Spionage-, Big-Data- und Pre-Crime-Management-Konzern aller Zeiten.

Mit den Worten von CNBC „das CIA-unterstützte Start-up, das Palo Alto übernahm“. Schon 2017 attestierte der britische Guardian dem Unternehmen, „genauso viel Macht in der realen Welt zu haben wie Google, Microsoft, Facebook, Amazon und Apple“ in der digitalen. Palantir operiert im Gegensatz zu den vorgängig genannten allerdings mit absoluter Geheimhaltung und gilt als der verschwiegenste unter den Tech-Konzernen. Die Liste von Thiels wichtigsten Kunden liest sich dementsprechend: CIA, FBI, NSA, DHS, Center for Desease Control (CDC), Marine Corps, Air Force, Special Operations Command, IRS (US-Steuerbehörde), Morgan Stanley, Merck, Airbus, Fiat Chrysler Automobiles, Ferrari, Vereinte Nationen — um nur einige zu nennen. „Palantir weiß alles über Sie“, titelte Bloomberg am 19. April 2018. Und das ist vielleicht noch untertrieben.

Denn die CIA, die mittels ihres Venture-Capital-Ablegers In-Q-Tel zwei Millionen Dollar an Startkapital für Palantir beisteuerte, war von Beginn an involviert.

So überwacht Palantir heute im Auftrag der US-Geheimdienste alles und jeden, um Prognosen darüber zu erstellen, wer, wann, wo was macht. Oder denkt. Oder schreibt. Es ist die Realität gewordene Version von Steven Spielbergs „Minority Report“. Ob Betrüger, Terrorist, Menschenhändler, Waffenschieber, Aktivist, Finanzjongleur, Journalist, Dissident, oder „subversives Element“ — Palantir hat zu jeder relevanten Person, und das dürfte heute praktisch jeder sein, alle verfügbaren Daten konsolidiert. Alle.

Gesichert sind diese Daten per Blockchain, der auch mit fortgeschrittensten Hacker-Methoden nicht beizukommen ist. Die digitalen Zugangscodes zu den Daten sind auf Dutzende unabhängige Parteien verteilt, deren Identität wiederum per Blockchain geschützt wird. Palantir bietet abgesicherte Betriebssysteme, Software-Pakete und Daten-Plattformen zur Massenüberwachung, Finanzmarkt-Tools, die flächendeckend an der Wall Street genutzt werden, KI für Drohnen und Waffensysteme, fortgeschrittene Biometrie, Strahlungsblocker für Radio-, Telefon- und Internetsignale oder auch DNA-Datenbanken, über die US-Marines in Einsatzgebieten DNA-Proben hochladen und in Echtzeit mit Referenzdaten abgleichen können.

Prädiktive Sicherheitsanwendungen von Palantir, die das US-Militär dereinst erfolgreich im Irak und in Afghanistan benutzte, kommen seit 2013 im Stadtgebiet von Los Angeles zum Einsatz, wo die Polizei an Hotspots auftaucht, bevor dort überhaupt Tumult entsteht. Die Palantir-Algorithmen militarisieren Polizeiarbeit. Mit rassistischen Tendenzen. Siehe Operation LASER. Und nachdem Palantir 2013 im Mittelpunkt der Enthüllungen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden stand, wissen wir, dass die dahinterstehenden Datensammlungen, Analyse-Tools und Prognosemodelle längst auch international angewendet werden.

Im Februar 2017 sorgten Palantirs fragwürdige Methoden auch in Deutschland für Schlagzeilen. Nachdem der Polizei in Hamburg gestattet wurde, Analysesoftware von Palantir zu Fahndungs- und Überwachungszwecken einzusetzen, fürchteten Anwälte und Journalisten, die aus beruflichen Gründen mit Dissidenten oder Straftätern in Kontakt stehen, selbst permanenter Observation ausgesetzt zu sein.

Zu Recht. Denn die Gotham-Software des Unternehmens — Slogan: „Die Software ist das Waffensystem“ — erlaubt das Erstellen von detaillierten Netzwerkkarten mittels Telefon-, Social-Media- oder E-Mail-Kontakten einer überwachten Person.

2022 tauchte Thiels umstrittener Spionagekonzern wieder in den hiesigen Medien auf, weil das von Palantir entwickelte Analysesystem „Vera“ ab 2023 bei der bayerischen Polizei zum Einsatz kommen sollte, die Regierung des Freistaats aber Bedenken hatte, beim Einsatz der Software selbst zum Opfer von Palantirs Datenkrake zu werden. Trotz solcher Vorbehalte plädierten Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern im Rahmen der Innenministerkonferenz vom Juni 2023 in Berlin für eine bundesweite Einführung von Palantir-Software. Der Einsatz der Programme sei „zwingend erforderlich“, um die Analysefähigkeit der Polizeien des Bundes und der Länder „zeitnah spürbar zu verbessern“, zitierte die Tagesschau am 30. Juni 2023 die Beschlussvorlage. Wenige Tage nach der Konferenz ließ das Bundesinnenministerium verlauten, „keine seitens des Bundes betriebene Plattform einzurichten“. Das Ziel von Faesers Behörde sei eine „herstellerunabhängige Anwendungsbereitstellung“. Was auch immer das bedeuten soll. Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen hielten jedenfalls am Rahmenvertrag mit Palantir fest und nutzen die auf fragwürdigen Methoden basierenden Dienste des Unternehmens — auf die dank der Ausgestaltung des besagten Rahmenvertrages theoretisch auch alle anderen Bundesländer zugreifen könnten, wie das Bayerische Innenministerium betont.

Die Methodik von Palantirs Big-Data-Software beschrieb The Intercept am 22. Februar 2017 unter dem Titel „Wie Peter Thiels Palantir der NSA half, die ganze Welt auszuspionieren“ wie folgt:

„Während Palantir Metropolis auf quantitative Analysen für Wall-Street-Banken und Hedgefonds ausgerichtet ist, ist Gotham (ehemals Palantir Government) auf die Bedürfnisse von Geheimdiensten, Strafverfolgungsbehörden und innerer Sicherheit ausgerichtet. Gotham funktioniert, indem große Mengen strukturierter Daten (wie Tabellenkalkulationen) und unstrukturierter Daten (wie Bilder) in eine zentrale Datenbank importiert werden, in der alle Informationen in einem Arbeitsbereich visualisiert und analysiert werden können. Eine Demonstration aus dem Jahr 2010 zeigte beispielsweise, wie Palantir Government verwendet werden kann, um den Waffenfluss im Nahen Osten aufzuzeichnen, indem unterschiedliche Datenquellen wie Gerätechargennummern, Herstellerdaten und die Standorte der Hisbollah-Trainingslager importiert werden. Der Hauptvorteil von Palantirs Software besteht darin, dass sie nicht für eine bestimmte Aufgabe konzipiert, sondern flexibel und leistungsstark genug ist, um den Anforderungen jeder Organisation gerecht zu werden, die große Mengen sowohl persönlicher als auch abstrakter Daten verarbeiten muss.“

Das Vice Magazine hatte vor einigen Jahren Zugriff auf eines der Benutzerhandbücher von Palantirs Software. WIRED schrieb dazu am 12. Juli 2019:

„Durch eine Anfrage nach dem Freedom of Information Act erhielt Vice Zugriff auf eines der geheimen Benutzerhandbücher von Palantir für Strafverfolgungsbehörden. Das Handbuch zeigt, dass die Strafverfolgungsbehörden nur den Namen einer Person benötigen, um die familiären Beziehungen dieser Zielperson abzubilden und ihre Sozialversicherungsnummer, Adresse, Telefonnummer, Größe, Gewicht und Augenfarbe zu ermitteln. Fügt man noch ein Nummernschild hinzu, ermöglicht das System von Palantir den Strafverfolgungsbehörden, nachzuverfolgen, wo sich die Person während eines beliebigen Zeitraums aufgehalten hat (…), sodass die Strafverfolgungsbehörden nahezu omnipotentes Wissen über jeden Verdächtigen haben, den sie überwachen möchten.“

Doch damit nicht genug: Am 28. Januar 2022 berichtete die New York Times über Bemühungen des FBI, von einem israelischen Start-up, der NSO Group, die Spionagesoftware „Pegasus“ zu erwerben, um Android- und Apple-Smartphones der US-Bevölkerung ausspähen zu können. Die Software gilt als Nonplusultra in diesem Bereich. Die mexikanische Regierung nutzt sie, um Journalisten und Dissidenten zu überwachen. Auch der Drogenboss Joaquín Guzmán Loera, alias El Chapo, konnte nur mithilfe des Programms dingfest gemacht werden. In Saudi-Arabien kam Pegasus gegen Frauenrechtsaktivisten zum Einsatz. Polen, Ungarn, Indien und viele andere Länder nutzen Pegasus im Bereich innere Sicherheit.

„In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde Pegasus verwendet, um das Telefon eines Regierungskritikers, Ahmed Mansoor, zu hacken. Das E-Mail-Konto von Mansoor wurde gehackt, sein Standort wurde überwacht, von seinem Bankkonto wurden 140.000 Dollar gestohlen, er wurde entlassen, und Fremde schlugen ihn auf der Straße zusammen. Man beginnt zu glauben, dass jeder Schritt beobachtet wird, sagte Mansoor. 2018 wurde er wegen seiner Posts auf Facebook und Twitter zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt“, so die New York Times.

Da die Pegasus-Software der NSO Group in den Vereinigten Staaten auf der schwarzen Liste steht, die Strafverfolgungsbehörden sie also nicht offiziell verwenden dürfen, sprang ein amerikanisches Cyber-Warfare-Start-up ein, um seinem einzigen Kunden — der US-Regierung — aus dieser misslichen Lage zu helfen. Der Name des Unternehmens: Boldend. Und tatsächlich gelang es dieser Firma, WhatsApp und andere verschlüsselte Dienste zu hacken; das Forbes Magazine berichtete am 3. Februar 2022. Pikant: Finanziert wurde Boldend maßgeblich von Peter Thiels Founders Fund.

Der erste Investor von Facebook finanzierte also ein Unternehmen, das ein Facebook-Produkt hackt.

Dass Thiel dahingehend keine Skrupel hegt, zeigte sich bereits zuvor. Denn sein Founders Fund finanzierte auch die umstrittene Datenkrake ClearView AI, die für den Betrieb ihrer Biometrie-Produkte und Gesichtserkennungssoftware sämtliche von Benutzern auf Facebook und anderen Social-Media-Portalen hochgeladenen Fotos stahl, um diese zu analysieren und mittels Datenbanken diversen Strafverfolgungsbehörden und Kriegsparteien zur Verfügung zu stellen. Palantir und ClearView AI — laut New York Times „das Unternehmen, das der Privatsphäre, wie wir sie kennen, ein Ende bereiten könnte“ — profitieren selbstredend auch vom inflationären Einsatz von Gesichtserkennungssoftware in öffentlichen Räumen.

„Die Software ist das Waffensystem.“

Das zeigen auch die Aktivitäten von Palantir in Kriegsgebieten. Das TIME Magazine schrieb dazu am 10. Juli 2023 unter der Überschrift „Wie Palantir die Zukunft der Kriegsführung verändert“:

„Während die Ukraine mehrere, möglicherweise Dutzende von Vorstößen entlang der gesamten Frontlinie startet, muss Russland versteckte Reservekräfte mobilisieren. Diese kann die Ukraine mithilfe von Satelliten- und Drohnenbildern sowie visuellen Erkennungsalgorithmen in Echtzeit verfolgen und mit beispielloser Geschwindigkeit und Präzision anvisieren. (…) Bei meinem jüngsten Besuch im Londoner Büro, Palantirs größtem und wichtigstem Forschungszentrum außerhalb der USA, wurde mir als Erstes die Erdumlaufbahn gezeigt. Der Bildschirm an der Wand erweckt die Bilder von Tausenden von Satelliten in erdnaher Umlaufbahn zum Leben. Palantirs MetaConstellation-Plattform ermöglicht es dem Benutzer, diese Satelliten mit der Beantwortung einer bestimmten Frage zu beauftragen. Stellen Sie sich vor, Sie möchten wissen, was an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit in der Arktis passiert. Klicken Sie auf eine Schaltfläche, und MetaConstellation plant die richtige Kombination von Satelliten, um das angegebene Gebiet zu untersuchen. Bemerkenswerterweise kann die Software die Algorithmen so einsetzen, dass nur die Bilder heruntergeladen werden, bei denen die Algorithmen wertvolle Informationen finden.“

Natürlich steht Palantir auch „an der Seite Israels“, während die rechtsextreme, zionistische Regierung Netanjahus einen vom internationalen Gerichtshof bescheinigten Völkermord an der palästinensischen Zivilbevölkerung begeht — den „Gaza-Holocaust“, wie der Journalist James Corbett es nennt. Ungeachtet dessen hatte die Chefetage von Palantir kein Problem damit, ihr erstes Vorstandsmeeting des Jahres 2024 in Tel Aviv abzuhalten. Aus Solidarität. Immerhin ist man im gleichen Geschäft — industrialisiertes Töten.

So nutzt das israelische Militär Künstliche Intelligenz (KI) von Palantir, die auf Basis von Metadaten automatisiert Ziele im Gazastreifen auswählt und damit Entscheidungen über Leben und Tod trifft.

Dazu analysiert die Software von Thiels Unternehmen sämtliche E-Mails, Telefongespräche, Chatnachrichten, Geolokationsdaten und Social-Media-Inhalte der palästinensischen Bevölkerung. Auch Radiowellen, Funkverkehr, Satellitenbilder und Drohnenflüge werden ausgewertet. Das postulierte Ziel: chirurgische Präzision in der Kriegsführung. Die nackten Zahlen erzählen allerdings eine andere Geschichte. Nach Angaben von Reuters vom 15. August 2024 starben mittlerweile über 40.000 Menschen im Gazastreifen, 92.401 sind verwundet. Mindestens 83 Prozent der palästinensischen Bevölkerung sind auf der Flucht. Das sind 2,3 Millionen Menschen. 34.580 davon sind schwangere Frauen. 25.000 Kinder wurden getötet oder schwer verwundet. All diese Menschen werden nie mehr in ihr Zuhause zurückkehren können. Denn sie werden es nie mehr erreichen. Oder es ist nichts mehr davon übrig. Demnach ist das Postulat von der chirurgischen Kriegsführung eine Mär. Oder Palantirs Software absoluter Schrott, und davon ist in Anbetracht der Firmengeschichte kaum auszugehen.

Der vermeintlich libertäre Thiel steht über solch profanen Zahlen. Denn er verfolgt hehre Ziele. Das zeigt ein Projekt namens Próspera. Dabei handelt es sich um eine Start-up-City. Eine „Sonderentwicklungszone“ (ZEDE). Diese befindet sich auf der Insel Roatán im mittelamerikanischen Staat Honduras. Betrieben wird das Projekt von einem privaten Unternehmen aus den USA. Führende Financiers des Unterfangens: Peter Thiel, Sam Altman (OpenAI) und Marc Andreesen. In Próspera sollen nicht die Gesetze von Honduras gelten, sondern das Regelwerk der Betreibergesellschaft. Die Bewohner müssen einen Vertrag mit dem Betreiber abschließen, in dem sie zustimmen, die Volkssouveränität an die Próspera-ZEDE abzugeben. Durch die Privatisierung von Sicherheitsdienstleistungen, Justiz, Bildung und Gesundheitswesen sowie eine Einheitssteuer von zehn Prozent soll der Stadtstaat Unternehmen und Freigeister anziehen — vor allem solche, die es sich leisten können. Knapp 2.000 Personen und etwa 220 Unternehmen haben sich bereits angemeldet oder residieren auf der Insel.

Aufgrund nicht vorhandener Regulierung sind in Próspera derzeit vor allem experimentelle medizinische Eingriffe und pharmakologische Testreihen gefragt. Die New York Times erklärt dazu am 28. August 2024:

„Próspera ist besonders bekannt für die experimentellen medizinischen Einrichtungen der Zone, in denen klinische Studien durchgeführt werden, die nicht an FDA-Standards gebunden sind. In der Woche meines Besuchs wurde Patri Friedman, Enkel des Ökonomen Milton Friedman und Gründer eines Fonds für Start-up-Städte, der in Próspera investierte, ein Chip mit seinem Tesla-Schlüssel in die Hand implantiert. Bei einer früheren Reise ließ er seine Zähne mit gentechnisch veränderten Bakterien reinigen, die angeblich Karies vorbeugen sollen. Ein anderes Mal wurde ihm ein Protein-Booster injiziert, der ihn stärker und schneller machen sollte, wie er es an diesem Wochenende auf einer Konferenz in Roatán beschrieb.“

Stammzellenforschung, souveräne Cyborgs, Semaglutid-Injektionen und Biotechnologie, die „den Tod zur Option machen“ will.

Ein Umfeld, das bei Nachbargemeinden und der Regierung von Honduras auf wenig Begeisterung stößt. Hatten die Investoren doch zu Beginn davon gesprochen, ein normales Resort gründen zu wollen — keinen rechtsfreien Raum für Silicon-Valley-Granden, Biotech-Hasardeure und Anarchokapitalisten.

Die Latin America Working Group (LAWG), eine Nichtregierungsorganisation, die sich für soziale Gerechtigkeit in Lateinamerika engagiert, nennt Thiels ZEDE unumwunden eine „Zuflucht für Ausbeutung, Korruption und organisiertes Verbrechen“. Die vom Projekt betroffenen Inselbewohner sehen das ähnlich. Sie formierten eine Bürgerrechtsbewegung, die Proteste an den Zufahrtswegen von Próspera organisiert. „Die Krypto-Kolonialisten sollen verschwinden“, skandieren die von dem Projekt benachteiligten Einheimischen.

Auch der Regierung von Honduras erschien das Projekt zunehmend suspekt. Denn es bedrohe die nationale Souveränität. Im Rahmen einer TV-Ansprache warnte die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, unlängst davor, dass „die gleichen dunklen, externen Kräfte wie 2009 mit Unterstützung der internationalen Medien einen Coup d’État im Lande planen“. Im Lichte dieser Befürchtungen begann die Regierung von Honduras im Jahr 2022 damit, Próspera einige seiner Sonderrechte zu entziehen. Zum Beispiel die Steuerbefreiung. Darauf reagierte das Konsortium von Thiel, Altman und Andreesen mit einer Klage vor dem „International Center for Settlement of Investment Disputes“ (ICSID), dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, einer fragwürdigen Schiedsinstitution — man könnte es auch Tribunal nennen — unter Ägide der Weltbankgruppe. Streitwert der von Thiel und Co. angestrengten Klage: 10,775 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Das Bruttosozialprodukt des Gastlandes liegt bei knapp 34 Milliarden US-Dollar. Sollten Thiel und seine ZEDE-Investoren vor dem ICSID Recht bekommen — und das scheint nach Lage der Dinge sogar wahrscheinlich, weil das ICSID Tendenzen zeigt, im Sinne der klagenden Unternehmen zu entscheiden —, wäre Honduras bankrott.

Kein Einzelfall im Umgang mit Thiel. Mit erklagten Schadensersatzzahlungen in Höhe von 140 Millionen US-Dollar trieb er im Rahmen einer persönlichen Fehde bereits 2016 den Yellow-Press-Blog Gawker in die Insolvenz, weil dieser ihn als homosexuell geoutet hatte. Nur ein Jahr später heiratete Thiel dann aber seinen Lebensgefährten Matt Danzeisen. Das Gawker-Outing scheint ihm demnach nicht allzu viel Schaden zugefügt zu haben. Ganz anders erging es einem Liebhaber des Milliardärs. Thomas, so der Name des 35-jährigen Mannes, wurde am 8. März 2023 tot vor einem luxuriösen Apartmentkomplex in Miami aufgefunden. Obwohl Freunde, Kollegen und Follower von Thomas diesem eine durchweg positive Lebenseinstellung attestierten und Thomas noch am Todestag um 11:43 Uhr, wenige Stunden vor seinem überraschenden Ableben, Bilder eines entspannten Spa-Aufenthaltes auf Social Media postete, soll sich das männliche Model kurz nach dieser Relax-Einheit in den Tod gestürzt haben. Ohne erkennbares Motiv. Ohne Abschiedsbrief. Die Polizei stuft den Fall dennoch als Selbstmord ein. Eine Fremdeinwirkung sei nicht erkennbar.

Das ließen die Ermittlungsbehörden auch in Bezug auf den Tod des pädophilen Menschenhändlers Jeffrey Epstein verlauten — obwohl anhand seiner Todesumstände auch für Laien unschwer festzustellen ist, dass er sich kaum selbst das Leben nahm. Epstein wusste zu viel, führte über jeden seiner Kunden ein Dossier. Viele davon hatte er mittels Kompromat in der Hand. Aus diesem Grund waren Epsteins Villen, Häuser und Apartments mit Kameras und Mikrofonen gespickt. Leider verschwanden seine Aufzeichnungen, Dossiers und Dokumente, noch bevor die Behörden seine Besitztümer durchsuchten. Lediglich eines seiner Adressbücher und ein paar Flugpläne blieben der Öffentlichkeit erhalten, weil der Butler seines Anwesens in Palm Beach eine Kopie anfertigen und dem FBI übergeben konnte. Auf der Webseite www.epsteinsblackbook.com können diese Originale abgerufen werden. Peter Thiels Name taucht im Gegensatz zu Bill Clinton, Bill Gates oder Robert F. Kennedy Jr. weder in Epsteins Adressbuch noch in den Flugplänen seines „Lolita Express“ auf — dafür aber in diversen E-Mails von Epsteins Assistentin.

Nach Informationen der New York Times vom 18. Mai 2023 dürften sich Epstein und Thiel im Lauf des Jahres 2014 mehrfach zu Lunch und Dinner getroffen haben. Was dabei besprochen wurde, ist nicht bekannt.

Ein Artikel von Whitney Webb für die Mint Press News vom 6. September 2019 legt allerdings anhand einer Vielzahl von Quellen nahe, dass Peter Thiel zentraler Teil von Epsteins erweitertem Netzwerk war. Ein Netzwerk, das eng mit Mossad und CIA kollaborierte, um den supranationalen Observationskorporatismus der „neuen Normalität“ aufzugleisen. In Anbetracht von Palantirs heutigem Operationsrahmen eine durchaus plausible These.

Und auch sonst hatten Thiel und Epstein einiges gemeinsam. Beide waren besonders kreativ, wenn es darum ging, ihre Milliarden dem Zugriff der Steuerbehörden zu entziehen. Zu diesem Zweck missbrauchte Thiel unter anderem Roth IRA, eine dröge Rentenkasse, die Amerikaner zum Sparen für den Lebensabend motivieren soll, und verwandelte sie in ein steuerfreies Sparschwein. Das zeigen vertrauliche Daten der US-Steuerbehörde IRS. Über Aktiengeschäfte, die dem Normalbürger gar nicht zur Verfügung stehen, verwandelte Thiel ein Rentenkonto, das im Jahr 2009 noch einen Wert von weniger als 2.000 US-Dollar auswies, in ein steuerfreies Anlagekonto, das Mitte 2021 bereits fünf Milliarden Dollar wert war. Zum Vergleich: Zahlten alle 2,3 Millionen Einwohner von Houston/Texas heute gleichzeitig 2.000 US-Dollar auf ihr Roth IRA-Konto ein, wären diese Einlagen zusammengenommen noch immer nicht so viel wert wie Thiels persönliches Rentenkonto. Dass der gebürtige Frankfurter auch ohne sein IRA-Sparschwein bereits 12,2 Milliarden Dollar sein Eigen nennt und damit Rang 192 des Bloomberg-Milliardärsindex einnimmt, sei nur am Rande erwähnt.

Wer, wie Thiel, ein Händchen für die wundersame Vermehrung von Geld hat, mischt natürlich auch auf dem boomenden Kryptomarkt mit. Ein aktueller Artikel von Mark Goodwin für Unlimited Hangout widmet sich dem Thema und erklärt einleitend:

„Hier liegt das Geheimnis des erfolgreichsten Unternehmerkartells unserer Zeit, der PayPal-Mafia, auf ihrem fast 30-jährigen Weg zur totalen Vorherrschaft bei Onlinezahlungen im US-amerikanischen Regulierungssystem des Netzwerkzeitalters: Finde einen noch wenig erforschten Bereich und beherrsche ihn. Peter Thiel, der Gründer und erste CEO von PayPal, führte diese Idee noch einen Schritt weiter, indem er freien Wettbewerb als geschäftsschädigend bezeichnete — ein wesentliches Detail, um zwischen Marktliberalen und Kartellkapitalisten wie Thiel und seinen PayPal-Mafia-Buddys unterscheiden zu können. Diese Geschäftspraktiken veranlassten das deutsche Bundeskartellamt, wegen unlauterer Geschäftspraktiken gegen PayPal zu ermitteln (…). ‚Die meisten Wirtschaftsbücher sagen Ihnen, wie Sie effektiver konkurrieren können; meines nimmt eine andere Position ein und sagt Ihnen, dass Sie als Gründer oder Unternehmer nicht konkurrieren sollten. Ihr Ziel sollte immer sein, ein kreatives Monopol in einem neuen, noch unerforschten und unterentwickelten Bereich zu schaffen. Ich denke, das ist der Schlüssel zu großen Unternehmen‘, schreibt Thiel.“

Weiter führt Goodwin aus:

„FTX nahm ebenfalls die Dienste der US-Anwaltskanzlei Sullivan & Cromwell in Anspruch, die zuvor Thiel und Keith Rabois von der PayPal-Mafia beschäftigt hatte — ganz zu schweigen von der Anstellung des ehemaligen CIA-Direktors Allen Dulles. Die Verbindungen zu FTX (…) führten zu einer Klage, in der der Kanzlei vorgeworfen wurde, mit FTX konspiriert zu haben, um Investoren zu täuschen. Das Unternehmen verdiente mehr als 180 Millionen Dollar an Gebühren für seine Arbeit im FTX-Konkurs, was laut der Klage etwa 10 Prozent des Umsatzes im Jahr 2022 entspricht. Thiel selbst war Aktionär von FTX. Und PayPal investierte zusammen mit Alameda Research in die von Max Levchin beratene Anchorage Digital, die einzige von der OCC zugelassene Kryptobank. Anchorage Digital gab kürzlich bekannt, dass es Prämien für PayPals PYUSD ausgeben wird. Der Emittent von PYUSD, Paxos, wurde ebenfalls von Alameda Research finanziert.“

Im Zuge der Lektüre von Goodwins Text wird rasch klar, dass Thiel darum bemüht ist, das Finanzsystem neu auszurichten. Weg vom staatlichen Geldmonopol, hin zu privatwirtschaftlichen Strukturen. Wobei man diese Bemühungen nicht als libertär betrachten sollte. Denn Thiel geht es um Monopolbildung. Um einen digitalisierten Dollar. Um eine digitale Weltleitwährung, die er mit seinem Investmentnetzwerk dominiert. Dazu engagiert er sich massiv im Bereich Kryptowährungen beziehungsweise Stablecoins:

„Bitcoin hat möglicherweise die Diskussion darüber angestoßen, die Kapitalschöpfung wieder in die Hände der Menschen zu legen. Die Unfähigkeit von Bitcoin, einen Konsens über Änderungen zu erzielen, die erforderlich sind, um die Anforderungen eines wirklich globalen Zahlungssystems zu erfüllen, hat jedoch eine enorme Nachfrage nach dollargestützten Stablecoins geschaffen. Dieses neue Territorium wird vom herrschenden Finanzmarktkartell übernommen werden“, so Goodwin.

„Irgendwann werde ich vielleicht mehr über einen bestimmten Sparringspartner zu sagen haben. Aber Sie wissen ja, Glashäuser und so. Also sage ich jetzt erst einmal nur: Gut gespielt, du hast gewonnen“ (Sam Bankman-Fried, FTX, 10. November 2022).

Zu dem Zeitpunkt, als FTX zusammenbrach, wurde deutlich, dass vergleichbare strukturelle Probleme im Regionalbankensystem der USA bestanden. Es folgten die Insolvenzen von Silvergate, Signature und der Silicon Valley Bank. Bei genauerer Analyse dieser Vorgänge und Probleme zeigten sich rasch Verbindungen zu Peter Thiel, den Stablecoin-Herausgebern und Granden der Blockchain-Branche. Parallel wurde vom US-Senat ein Stablecoin-Gesetz diskutiert, das unter Einfluss von Lobbyisten des Coin Center entstand. Viele Passagen bezogen sich auf die Folgen der FTX-Pleite und Möglichkeiten, wie aus Sicht des herrschenden Finanzmarktkartells darauf reagiert werden muss. Wer von derartiger Legislatur profitieren würde, liegt nahe.

Ja, Thiel akkumuliert mit seinem Kapital eine ungeheure Macht. Und das nicht nur am Finanzmarkt: eine letale Macht. Getreu seinem Motto „Wettbewerb ist was für Verlierer“. Thiel will Monopole. Das ist seit über einem Jahrhundert auch die Maxime des Rockefeller-Clans. Das Ergebnis kennen wir. So erlauben Thiel seine diversen Investmentvehikel, massiven Einfluss auf die Tech-Industrie, auf Politik und Gesellschaft sowie die Entwicklung neuer Technologien zu nehmen und diese erfolgreich am Markt zu positionieren. Siehe Rumble. Sein Netzwerk ist der Markt.

Mit Palantir übernimmt er die Drecksarbeit für Militärs und Geheimdienste und setzt Projekte um, die für Staatsorgane verfassungsrechtlich problematisch sind. So dürfte er heute den mächtigsten Spionagekonzern der Welt besitzen.

Mit JD Vance hat er künftig vermutlich einen direkten Draht zum Weißen Haus. Seit 2007 hat Thiel zudem an jedem Bilderberg-Meeting teilgenommen. Themenschwerpunkt des diesjährigen Treffens in Madrid im Juni 2024: Krieg, KI — und mehr Krieg. Seit ein paar Jahren sitzt er zudem im Steuerkreis der verschwiegenen wie einflussreichen Geostrategen-Konferenz. Genau wie der ehemalige Google-CEO Eric Schmidt. Darüber hinaus ist Palantir seit 2017 regelmäßiger Gast der Münchner Sicherheitskonferenz. Und auch beim Weltwirtschaftsforum (WEF) darf Thiel natürlich nicht fehlen. Mit seinem Founders Fund ist er auf der WEF-Homepage als „Partner“ gelistet.

Über all diese Themen hätte Joe Rogan mit Thiel sprechen können. Getan hat er es nicht. Warum, wissen wohl nur er und Peter Thiel.

Thiels Biograf — Max Chafkin — hat aber offensichtlich triftige Gründe dafür, dass er im September 2021 im Rahmen eines Interviews beim TIME Magazine anmahnt, dass „

wir alle Angst vor der Macht von Peter Thiel haben sollten“.

 

Anmerkungen

 

Tom-Oliver Regenauer, Jahrgang 1978, war nach betriebswirtschaftlicher Ausbildung in verschiedenen Branchen und Rollen tätig, unter anderem als Betriebsleiter, Unternehmens- und Management-Berater sowie internationaler Projektmanager mit Einsätzen in über 20 Ländern. Seit Mitte der 90er-Jahre ist er zudem als Musikproduzent und Texter aktiv und betreibt ein unabhängiges Plattenlabel. Der in Deutschland geborene Autor lebt seit 2009 in der Schweiz. Zuletzt erschienen von ihm „Homo Demens — Texte zu Zeitenwende, Technokratie und Korporatismus“ (2023) und „Truman Show“ (2024). Weitere Informationen unter regenauer.press.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 28. September 2024 auf manova.news.

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Foto: mark reinstein /Shutterstock.com

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Kommentare (6)

6 Kommentare zu: “Der Weltwächter | Von Tom-Oliver Regenauer

  1. frifix sagt:

    Ach, ich bin mit 85 sowas von Oldscool, dass ich schon über mich selbst lachen muss.
    Meine Söhne haben mich ins Cinemaplex zu "Herr der Ringe, Teil 1" geschleppt.
    Ich war froh, als das Spektakel zu Ende war. Nix für mich! Ich nehme lieber am echten Leben teil. Wenn ich nun lese, dass Tolkien das liebste Studienobjekt vom Peter Thiel war, erfreu ich mich meiner Bescheidenheit. Für meine Enkel sehe ich ein schweres Erbe voraus!

  2. Quin Igitur sagt:

    Palantir?

    „[U]nd wie lange ist der Orthanc-Stein wohl schon so fest auf Barad-dũr ausgerichtet, dass jeder, der hineinblickt, in Gedanken und Sinnen sofort dorthin getragen wird, wenn er nicht einen adamantenen Willen besitzt? Und wie der Stein selbst jeden an sich zieht! Hab ich es nicht selbst gespürt? Auch jetzt noch wünsche ich von Herzen, meinen Willen daran zu erproben, zu sehen, ob ich ihm den Stein nicht entwinden und den Blick dorthin lenken könnte, wohin ich sehen möchte – über die Weiten der Meere und die Abgründe der Zeit hinweg auf das schöne Tirion, als der unbegreifliche Feanor dort schuf und dachte und der Weiße und der Goldene Baum noch in Blüte standen.“

    J.R.R. Tolkien, Der Herr der Ringe (Übers. Von Wolfgang Krege)

    Wer besitzt schon einen Willen aus Adamant? Selbst Gandalf traute sich nicht zu, unbeschadet in einen jener ursprünglich sieben Steine – Palantiri – zu blicken, durch welchen Saruman – ein ehemals mächtiger Istari – vom dunklen Herrscher korrumpiert wurde, dem Allsehenden Auge.

    Interessanterweise wurden die Palantiri keinesfalls von dunklen Kräften erschaffen. In einem gegenüber Peregrin von Gandalf zitierten alten Gedicht werden sie mit sieben Sternen assoziiert, ursprünglich himmlisch also – „Aber es gibt nichts, was Sauron nicht missbrauchen kann“ – so der Zauberer weiter. Und die Palantiri boten ihm perfekte Einfallstore in die Seelen jener, die zu früh zu viel wissen wollten. „Gefährlich für uns alle sind die Erfindungen einer Kunst, deren wir selbst nicht mächtig sind“.

    Und noch gefährlicher wird es wohl, wenn man anfängt, auf globaler (oder noch viel größerer) Ebene mit solchen Künsten zu spielen. Dass man sich dabei als Weltwächter fühlt, ändert nichts am Umstand.

    ———————————–

    Je mächtiger eine Organisation, desto bewusster wird ihr Name oder Symbol gewählt.
    Nomen est omen.

    • Nevyn sagt:

      Nichts ist der inneren Wahrheit näher als ein echter Mythos. Der Herr der Ringe zeigt uns, dass Kontrolle und freier Wille des Egos letztlich Illusionen sind, wie das Ego selbst und nur dazu dienen, den Menschen in Knechtschaft zu halten, während er sich selbst für gottähnlich hält.

      Alle Macht ist geliehene Macht und alles Wissen ist geliehenes Wissen. Wer das Lehen gibt, hat die Macht über mich. Wissen bindet, Nichtwissen befreit. Welchen der beiden Wege man geht, hängt davon ab, ob man sich für die weißen oder die schwarzen Spielsteine entschieden hat. Beide Wege komme am Ende am gleichen Turm an, doch sie unterscheiden sich grundlegend in ihren Schwierigkeiten und Gefahren.

      Jede Intitation und damit jeder echte Weg beginnt damit, dass der Mensch sich seiner Unwissenheit und Ohnmacht, seiner Blindheit und Dunkelheit bewusst wird. Darum sind alle, die in diesem Spiel wirklich wirken können, Initiierte, ob sie das nun von sich wissen oder nicht, ob sie nun weiß oder schwarz spielen. Und die Bünde finden ihre Mitglieder durch alle Inkarnationen wieder, heißt es. Daher sind alle, die wirklich wirken können, dort zu finden, obwohl es nur von wenigen bekannt sein dürfte. Man wisse, wo man steht!

      Die sieben Sterne sind die inneren, feinstoffliche Manifestationen der sieben Urprinzipien und versiegelt von der einen oder der anderen Seite. Hier greift man zu und durch.

      Die STS-Fraktion (service to self) lockt immer mit Geld und Macht und sie hält ihre Verträge auch ein. Das legt nahe, dass alle die, die allgemein so bewundert werden, für ihren Reichtum und ihre Fähigkeiten, in die Zukunft zu sehen, so einen Vertrag haben. Und sie verschweigen aus gutem Grund ihre Seite der Abmachung.

      Wer das weiß, schaut eher mit Mitgefühl auf diese armen Seelen.

      Übrigens: Der Name ist Programm. Wie etwas heißt, das steckt drin.

    • Quin Igitur sagt:

      Danke, Nevyn, für die wie immer inhaltsreiche Vertiefung. Der Herr der Ringe ist wohl in der Tat einer jener besonderen Texte, in denen man immer wieder neue und höher reichende Bedeutungsebenen findet – so kommen mir aus dem Kontext des Palantir einige Passagen in den Sinn, die sich in meiner Wahrnehmung sehr gut an Ihre Ausführungen anschließen lassen.

      Nehmen wir als Leitgedanken für unseren Tauchgang die interessante (und mich ganz persönlich immer wieder umtreibende) Frage, von welchem Punkt an es bei der Wahl der Spielsteine kein Zurück mehr gibt – den „point of no return“?

      Oder gibt es ihn eben nicht – weil man am Ende, spätestens nach vielen weiteren Inkarnationen, doch wieder beim selben Turm ankommt?

      Schauen wir mal auf die Szene in „Die Zwei Türme“ , die dem Palantir-Kapitel unmittelbar vorangestellt ist: Sarumans Festung wurde von den Ents eingenommen, er selbst sitzt in seinem schwarzen Turm gefangen. Vor dessen Tore kommt Gandalf mit seinen Begleitern angeritten, richtet das Wort an Saruman und bietet ihm – im Gegensatz zu König Theoden, welcher den Verräter am liebsten an einem Galgen sehen möchte – freies Geleit an. Der gefallene Istari könnte einfach gehen – er müsste dafür nur seinen Turm verlassen.

      Doch Saruman, der sie Sprache des Lugs und Trugs längst zu seiner eigenen gemacht hat, wittert da natürlich Verrat: „So dumm bin ich nicht Gandalf, dass ich dir traue.“

      Saruman möchte also am Ego und seinen Illusionen unbedingt festhalten, sich geradezu festkrallen – und merkt nicht, dass der einzige, der ihn nun gefangen hält, er selbst ist (vgl. etwa die 8 der Schwerter im Tarot). Das wird sehr deutlich in Gandalfs Antwort:

      „Aber wenn ich sage, ‚freies Geleit‘, meine ich, dass du frei bist: frei von Ketten, Pflichten oder Aufträgen, frei zu gehen, wohin du willst, ja sogar nach Mordor, Saruman, wenn es dich dahin zieht.“

      Und etwas später:

      „Du hast dich zum Narren gemacht, Saruman und doch tust du mir Leid. Noch jetzt hättest du dich von deiner Verblendung und vom Bösen abwenden und uns gute Dienste leisten können. Aber du ziehst es vor, hier zu bleiben und weiter im eigenen Gift zu schmoren. Bleib meinetwegen! Aber sei gewarnt: So leicht kommst du nicht wieder heraus.“

      Eben „Mitgefühl für die armen Seelen“. Das ist – ja, richtig, unser Austausch über nackte Seelen und ihre Richter – die Sprache von Sarastros Heiligen Hallen, wo „man die Rache nicht kennt“ und höchstens durch göttliche Kraft auf-richtet. Und mir kommen auch Ihre Worte aus einem anderen Kontext in den Sinn, dass man selbst Luzifer – wie Saruman, ein ehemaliges doch gefallenes Lichtwesen von einer anderen Welt – Achtung entgegen bringt und ihn an seine wahre Herkunft erinnert.

      Saruman indessen versteht das nicht – ihm ist diese Ebene (noch?) nicht zugänglich, denn:

      „Die Worte dieses Zauberers stehen Kopf. (…) Helfen heißt Verderben in der Sprache von Orthanc und retten heißt töten.“

      Hmmm… Kommt uns das nicht sehr bekannt vor? Babylonische Sprachverwirrung?

      Doch wann – hier schlage ich den Bogen zu meiner Ausgangsfrage zurück – wird der Punkt überschritten, nach dem man „so leicht nicht wieder herauskommt“, bis zu dem man also anders gesagt die Seite des Schachbretts noch wechseln könnte – „sich von seiner Verblendung und vom Bösen abwenden“?

      Schließlich spielen erfahrene Schachspieler, bevor sie sich an die Großen Partie wagen, viele Trainingsspiele – und zwar mit beiden Farben – wie könnten sie sonst ein wirkliches Verständnis vom Wesen des Spiels in seiner Ganzheit entwickeln?

    • Nevyn sagt:

      Weise Worte, Quin Igitur.
      War es eigentlich Gandalf der Graue oder schon Gandalf der Weiße, der Mitgefühl mit Saruman zeigte, seinem einstigen Lehrer?

      In den RA-Kontakten will der Fragensteller wissen, ob denn ein Mensch umso schwieriger die Polarität wechseln kann, je länger er auf einer Seite war.
      Ra äußert überraschend, es sei genau umgekehrt, je mehr und länger einer an einem Pol sich aufhalte und je bewusster er sei, umso größer sei die Wahrscheinlichkeit eines Wechsels.

      Meist wohl mit dem Wechsel der Inkarnation. Es ist für das "Spiel" eminent wichtig, dass der Spieler seine Rolle ganz annimmt und sich ganz verwickelt. Erst dann wird der Wert der Erfahrung voll sichtbar. Darum drängt das Schicksal den Menschen in die eine oder andere Richtung, warm oder kalt, nur nicht lau. RA nennt das "Katalyst". Man spielt zwar mit den schwarzen und mit den weißen Figuren und schafft so den Ausgleich. Aber man tut es über die Zeit. Man spielt entweder ganz mit Weiß oder ganz mit Schwarz. Darum wohl ist der Krieg der Vater aller Dinge, wie Heraklit äußerte. Er zwingt den Menschen, Farbe zu bekennen. Interessant ist das bei dem Computerspiel "Witcher", wo er ständig in Versuchung gerät, einer Seite dienen zu wollen und feststellt, dass es keine "richtige" und somit auch keine "falsche" Seite gibt. Jede Entscheidung hat Konsequenzen.

      Herr Thiel hat gewählt. Viele andere tun das nicht und treiben wie Blätter im Wind. Die meisten wissen nicht einmal, dass sie nicht gewählt haben. Sie laufen einfach dem Zeitgeist hinterher, der so launisch ist wie das Wetter.

      Saruman ist für seine Konsequenz zu loben. Er spielt seine Rolle bis zu Ende bei den Schwarzen. Dann wird er es das nächste Mal bei den Weißen auch tun.
      Das Bewusstsein darüber wird er aber vermutlich erst erlangen, wenn er seine sterbliche Hülle verlassen hat.

    • Quin Igitur sagt:

      O ja, Nevyn, die Anziehungskraft der Pole…

      Dass Sie auf „The Witcher“ verweisen, scheint mir sehr passend: Denn neben dem von Ihnen unterstrichenen Umstand, dass keine Seite letztendlich „richtig“ bzw. „falsch“ ist, illustriert uns das Spiel eben auch, dass es an manchen Stellen nicht möglich ist, „lau“ bzw. „neutral“ zu bleiben, man sich also, wie Sie betonen, verwickeln m u s s.

      So etwa in der Quest „Yaevinns Helden“ im dritten Kapitel. Hier kann Geralt entweder den Scioa'tael die Flucht aus der Bank erlauben – womit er sich gegen den Orden wendet und fortan nicht mehr über die Möglichkeit verfügen wird, sich diesem anzuschließen – oder aber sie am Ausbrechen hindern und kämpfen – dann wird Analoges für die Seite der „Rebellen“ gelten – einen dritten Weg gibt es nicht, so sehr Geralt sich das wohl mit seinem Hang zum „Unpolitischen“, zur Beobachterrolle, wünschen würde. Dies wäre somit der „point of no return“ – aber eben nur für d i e s e s Spiel. Nach den Credits, kann der Spieler ja von vorne anfangen und diesmal den anderen Pfad ausprobieren.

      Das Beispiel einer solchen Tertium-Non-Datur-„Quest“ aus unserer Zeit und Welt dürften die Co-Spritzen sein – oder gab es hier einen dritten Weg, außer sich das Zeug entweder verabreichen lassen oder nicht (Und ja, auch „nur eine Dosis“ gilt hier als verabreichen lassen)? Offen bleibt für mich die Frage, ob auch hier die Quest einen point of no return markierte.

      Herr Thiel, um auf ihn zurückzukommen, hat in der Tat sehr eindeutig gewählt. Höchst, wirklich h ö c h s t, aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang einer der im hier kommentierten Text verlinkten Artikel. Er zeigt explizit, dass Herrn Thiel nicht nur die Wahl einer Seite sehr bewusst ist, sondern er auch ganz genau weiß (wie vermutlich die allermeisten, die solche Positionen einnehmen), worum es bei diesem Spiel, dessen diverse Schlachtfelder immer sichtbarer werden, im Kern geht:

      https://www.telegraph.co.uk/technology/11098971/Peter-Thiel-the-billionaire-tech-entrepreneur-on-a-mission-to-cheat-death.html

      Themen u.a.: die Abschaffung des Todes, „Erlösung“ durch Technik und Schach als „eine gefährliche Sucht“.

      Babylon Berlin, werter Nevyn. Doch das ist vielleicht ein Gegenstand für einen anderen Austausch…

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