Von Evelyn Hecht-Galinski.
Wenn jüdische Bürgerrechtsorganisationen wie B`Tselem den illegalen Siedlungsbau des „Jüdischen Staates“ vor dem Weltsicherheitsrat kritisieren, dann ist das ein Grund, stolz zu sein auf diese „Nestbeschmutzer“. (1)
Dass Premier Netanjahu diese mutigen Aktivisten derart verunglimpft, zeigt doch nur, wie dieses Besatzungsregime sich nur noch mit gezielten Diffamierungsbegriffen zu wehren versucht, gegen unwiderlegbare Fakten. Diese kläglichen verbalen Entgleisungen sollten die kritischen Nestbeschmutzer und uns alle jedoch nicht davon abhalten, uns weiterhin öffentlich zu äußern. Wenn Netanjahu wieder einmal die altbekannten Lügen wiederholt, dass der „Konflikt“ mit den Palästinensern nichts zu tun hat mit dem Siedlungsbau, sondern das Grundübel die Weigerung der Palästinenser sei, Israel als „Jüdischen Staat“ anzuerkennen, dann sind wir damit tatsächlich beim Grundübel der zionistischen Expansionspolitik angelangt, den Palästinensern immer wieder neue Ansprüche, als Hindernis auf den Weg eines eigenen Staates in den Weg zu stellen.. Durch diese unannehmbare Forderung eines angeblich demokratischen Staates Israel versucht das Netanjahu-Regime zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Durch die Betonung auf „jüdisch“ wird der Alleinanspruch einer Religion in einem Staat verankert, was natürlich inakzeptabel ist als demokratische Grundlage eines friedlichen und normalen Zusammenlebens. Zum anderen wird der Begriff „jüdisch“ im Zusammenhang mit „Staat“ jede Israel-Kritik automatisch zu Antisemitismus, also Judenhass, stilisiert. Als Konsequenz daraus ergibt sich ein Maulkorberlass gegen Israel-Kritiker, der sie alle zum Schweigen bringen soll. Mit dieser weltweiten Strategie-Kampagne versucht der „Jüdische Staat“ und seine Diaspora Brigaden, die Sayanim, alles unter seine Kontrolle zu bekommen und eine Sprachlosigkeit und ein Klima der Einschüchterung zu erzeugen, welches seinesgleichen sucht.
Das betrifft inzwischen nicht nur deutsche Universitäten, Lehrer, Referenten, sondern ist auch gängige Praxis in Europa und den USA. Als Beispiel möchte ich eine Veranstaltung vom letzten Mai in einer öffentlichen Bücherei in den USA erwähnen. Dort hielt der ehemalige US-Diplomat und jüdische Nahost-Vermittler Dennis Ross einen Vortrag, als in der folgenden Diskussion der jüdische Teilnehmer Rothe-Kushel die Frage stellte, ob jüdische Amerikaner wie Rothe-Kushel nicht besorgt sein sollten wegen der U.S. und Israel-Aktionen, die das Ergebnis des „state-sponsored- terrorism“ darstellen. Daraufhin wurde Kushel unsanft von zwei jüdischen Sicherheitskräften nach draußen befördert. Eine Anklage hatte er auch noch zu erwarten. Daraufhin stellte der ebenfalls kritisierte Direktor der Bücherei R. Corby Kemper III sarkastisch fest, was für ein Land es wäre, wenn Menschen dafür verhaftet werden, wenn sie Fragen in einer Bücherei stellen, die sich daraus ergebende Konsequenz darauf sei, die Bücherei zu schließen. (2)
Hier ist die Frage zu stellen, wie kann man sich noch wehren gegen solche diktatorischen Eingriffe in die Meinungsfreiheit? Ja, in der Tat, diese weltweite Kampagne der Israel-Lobby versucht, die uneingeschränkte Deutungshoheit über alles, was Israel-Kritik betrifft und ob sie „erlaubt“ ist, zu gewinnen. Jeder, der diese weltweite Kampagne kritisiert, bekommt sofort das Etikett „antisemitisch“ verpasst.
Nein, es ist kein Antisemitismus, wenn diese Zusammenhänge deutlich angesprochen werden. Es ist auch keine „jüdische Weltverschwörung“, sondern es ist eine ganz gezielte Hass-Kampagne des „Jüdischen Staates“ gegen nicht genehme Personen, die das „jüdische Besatzungsnest“ beschmutzen. Allerdings wird dabei vergessen, dass der israelische „Nest-Schmutz“ von innen heraus kommt und selbst erzeugt ist.
Wenn über 7000 palästinensische Häftlinge in illegaler jüdischer Administrativhaft sitzen, wenn seit letztem Oktober 2015 schon mehr als 250 Palästinenser durch „Jüdische Verteidigungssoldaten ermordet wurden, wenn seit September 2016 mehr als 2000 illegale Siedlungseinheiten genehmigt wurden, wenn illegale Häuserzerstörungen und die Judaisierung von Jerusalem und Palästina zu neuen Höhen ansetzt, hat man doch die Pflicht, das alles zu kritisieren. Unschuldige palästinensische Kinder werden ermordet unter der illegalen Besatzung Palästinas, aber deutsche Medien schweigen und berichten nicht darüber! (3) (4)
Ebenso irreführend war die deutsche Berichterstattung über Israels Empörung und Zwist mit der UNESCO. Es geht bei der durch Israel beanstandeten Resolution eben nicht vorrangig um die „Leugnung jüdischer Bindungen zum Tempelberg“, sondern ganz klar die israelischen Aggressionen gegen die jordanische Waqf-Stiftung, die den Haram al-Sharif verwaltet. Die Resolution prangert die Repressalien gegen Muslime, die in der Al-Aqsa Moschee beten wollen und die ständigen Absperrungen an und die schleichende Änderung des Status Quo, und die ständigen Provokationen durch jüdische Extremisten, die noch z.B. unterstützt von Polizei und Armee, ihr Unwesen auf dem Gelände treiben. Es ist eine Anklage gegen das israelische Regime, das den Status von Jerusalem immer weiter verändert und die Judaisierung vorantreibt. Es sind archäologische Zerstörungen durch das israelische Regime, die ewigen Nadelstiche, und ihr Anspruch, einen neuen jüdischen Tempel auf dem Haram al-Sharif zu bauen. Die angebliche jüdische Bindung gibt es nicht und wird vom Netanjahu-Regime bewusst inszeniert, um den ganzen Haram al-Sharif zu judaisieren und zum Tempelberg umzufunktionieren. Allerdings bestritt sogar der israelische Archäologe Meir Ben Dov nach seinen Untersuchungen, dass es eine Verbindung zwischen al-Aqsa, und einer jüdischen Bindung gibt. (5) (6) (7)
Bedauerlicherweise wird diese israelische Propaganda/Hasbara-These von der US-Regierung, von beiden Präsidentschaftskandidaten und Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Litauen unterstützt, indem sie gegen die UNESCO Resolution stimmten, während Russland und China sie unterstützten. (8) (9)
Besonders erschreckend allerdings ist es, dass der überwiegende Teil der jüdischen Bevölkerung Israels diese Zustände unterstützt. Wenn ein Soldat der „jüdischen Verteidigungsarmee“, Elor Azaria, als Held gefeiert wird, und „Sohn aller Israelis“, der nur seine Pflicht tat, weil er einen „palästinensischen Terroristen“ getötet hat. Tatsächlich aber hat dieser Soldat den verletzt am Boden liegenden Palästinenser Abdul Fatah Al-Sharif kaltblütig ermordet. Für diesen Mörder veranstaltet man Demonstrationen und Spendenaufrufe. Was soll man dazu noch sagen, außer tiefer Verachtung? (10) (11)
Der „Jüdische Staat“ hat jeden Anspruch auf Moral verloren. Palästinensische Angreifer werden, wie schon so oft, verwundet oder ermordet, einfach wie Vieh liegen gelassen, oder der Leichnam als Eisblock eingefroren den Familien, wie gerade geschehen, nach Monaten übergeben. Es ist diese schreckliche Demütigung und Missachtung der Palästinenser, die diese jüdische Gesellschaft betreibt. Während die jungen Palästinenser in Hoffnungslosigkeit, Armut und Arbeitslosigkeit vegetieren und ihre Eltern dafür verachten, dass sie in Lethargie versinken, hat sich das korrupte Abbas-System ohne Mandat mit dem Netanjahu-Regime als Komplize des nicht mehr existenten Friedensprozesses arrangiert, um seine Existenz zu sichern. (12)
Diese jungen Palästinenser versuchen wenigstens, auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam zu machen und sich nicht widerstandslos aufzugeben. Gegen die Übermacht der Besatzer, natürlich ein schier aussichtsloses Unterfangen. Da haben wir es wieder mit den Doppelstandards zu tun: „Widerstand gegen Besatzung“ wird zu „Terrorismus“, aber nur, wenn man sich gegen die Besatzung des „Jüdischen Staats“ wehrt. Schließlich muss das „jüdische Volk“ in seinem „Sicherheitsbestreben“ unterstützt werden. Ein Hohn ist, wenn uns Israel als Vorbild angepriesen wird für Integration und Sicherheit!
Das ist die feige westliche Politik gegenüber dem „Jüdischen Staat“. Merkel, die vollmundig Russland-Sanktionen fordert wegen angeblicher Menschenrechtsverbrechen in Syrien und der Krim-Politik, sieht bei den Menschenrechtsverbrechen die der „Jüdische Staat“ begeht, keinerlei Handlungsbedarf, dagegen einzuschreiten.
Es kann deshalb gar nicht genug Nestbeschmutzer geben, die es wagen den Mund aufzumachen und diese Tatsachen laut und deutlich zu kritisieren. Wohlgemerkt: mit dem Begriff „Nestbeschmutzer“ meine ich nicht die rassistischen Hetzer, von denen es genügend gibt, hatten wir doch gerade bei den tausenden von Pegida-Versammelten in Dresden am letzten Sonntag das Phänomen der vielen Davidstern-Flaggen, die dort mitgetragen wurden. Es ist diese Verlogenheit der Politik, die einen verzweifeln lässt, diese kriegerische Aggressionspolitik, die uns immer mehr in diesen Teufelskreis von Aufrüstung, Nato und US-Interessenpolitik führt, und mit einer Kanzlerin, die sich europaweit dafür einsetzt und als Dank die Flüchtlinge aufnimmt, die wir vorher mit erzeugt haben.
Es ist eben diese heuchlerische christlich-jüdische Wertegemeinschaft, die alle Werte längst zerbombt hat und jegliche Glaubwürdigkeit verloren hat. Ein Hoch auf die kritischen und mutigen Nestbeschmutzer!
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