Wer wählt, bestätigt das Kartell der Parteien, das den deutschen Staat beherrscht.
von Jochen Mitschka.
Es ist schon seltsam, dass in Deutschland Menschen noch zur Wahl gehen. Dabei hat doch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schon im Jahr 2010 selbst erklärt, dass alle wichtigen politischen Entscheidungen durch die politischen Parteien gegen den Willen der Wähler durchgesetzt worden wären. Insofern sind Wahlen lediglich ein Abnicken der Politik der politischen Aristokratie, welche Deutschland, sekundiert von den Medien, wie früher die Aristokratie der Monarchen, das Land regiert. Dabei wäre es einfach, die Parteien zur Abgabe eines Teils ihrer Macht zu zwingen, und plebiszitäre Elemente einzufordern. Mit anderen Worten, die Macht des Souveräns wieder zurück auf den Wähler zu konzentrieren. Wenn die Wahlbeteiligung, also die Menge an Menschen, welche dem Parteienkartell die „Entlastung“ für die letzten Jahre erteilen, unter ein kritisches Maß fällt, kann die Parteienoligarchie nicht mehr behaupten, dass ihre Macht demokratisch legitimiert wäre. Das ist auch der Grund, warum parteienübergreifend fast verzweifelt für eine Teilnahme an Wahlen geworben wird. Und wenn man den Parteien Fragen vorhält, welche die Wahlbeteiligung grundsätzlich hinterfragt, scheuen sie sich, zu antworten.
Ich habe versucht, Stellungnahmen von Vertretern politischer Parteien zu grundsätzlichen Fragen, mit welchen Wahlverweigerer ihre Nichtteilnahme an Wahlen begründen, zu erhalten. Aber lediglich ein einziger Politiker war bereit, auf die schriftlich gestellten Fragen zu antworten. Es war Dr. Alexander Neu von der Partei „Die Linke“. Aber vielleicht ändert sich ja das Ignorieren nach diesem Artikel.
Interview mit Dr. Alexander Neu (Die Linke)
Jochen Mitschka: Vielen Dank Herr Dr. Neu für die Bereitschaft, zu einem Thema Stellung zu nehmen, das in letzter Zeit in den sozialen Medien zunehmend diskutiert wird. Es geht um die Frage, ob Wählen in der deutschen repräsentativen Demokratie für den normalen Wähler noch sinnvoll ist. Tatsache ist ja, dass der Anteil der Nichtwähler höher ist, als der Stimmenanteil, der auf die meisten Parteien entfallen, die anschließend die Regierung bilden, und so für vier Jahre die Aufgaben des Souveräns übernehmen. Während der Wähler am Wahltag einen Tag lang Souverän darstellen durfte, wie Kritiker sagen.
In immer mehr Veröffentlichungen wird bemängelt, dass die deutschen politischen Parteien sich den Staat untertan gemacht hätten. Es ist nicht der Wahlwille, sondern der Wille eines Parteienkonsens, der die deutsche Politik bestimmt. Hinzu kommt, so wird nicht nur vom ehemaligen Richter Udo Hochschild bemängelt, dass es in Deutschland keine Gewaltenteilung gibt, weshalb die Herrschaft der Parteien auch nicht hinterfragt wird. Während Herr Hochschild nachweist, dass die Justiz von der Exekutive abhängig ist, und daher keine unabhängige Säule der Gewaltenteilung, ist auch das Parlament nicht unabhängig. Anders als in Ländern, in denen der Regierungschef direkt gewählt wird, und die Hauptaufgabe des Parlaments darin besteht, die Regierung zu kontrollieren, sind es ja Absprachen im Parlament, durch welche die Regierung gebildet wird. Mit anderen Worten: Parlament, Regierung und Justiz sind nicht unabhängig, sondern hängen vom Konsens der Parteien ab. Nun zur Frage:
Wie stehen Sie zu der Forderung nach Realisierung echter Gewaltenteilung? – Also die Trennung von Justiz, Exekutive und Legislative.
Dr. Alexander Neu: Ich teile die Bewertung, demnach die Gewaltenteilung in Deutschland mehr einem Wunschdenken, denn der politischen und auch juristischen Realität darstellt. Wir brauchen tatsächlich die Unabhängigkeit der Justiz von der Politik, sei es das Amt des Generalbundesanwaltes oder auch die Berufung der RichterInnen des Bundesverfassungsgerichtes.
Auch das Selbstverständnis des Parlaments bzw. der Regierungsfraktionen kontrastiert sehr mit dem Anspruch der Gewaltenteilung. Die „Regierungsfraktionen“ kontrollieren nicht und entscheiden nicht frei, sondern sind das parlamentarische Exekutivorgan ihrer Regierung.
Jochen Mitschka: In den Kreisen frustrierter Wähler wird die Idee diskutiert, ob es Sinn macht, die Wahlbeteiligung weiter zu reduzieren, um diesem System die Legitimierung zu entziehen, und zu zwingen, Änderungen zuzulassen. Z.B. eine wirklich unabhängige Justiz, ohne ehemalige Berufspolitiker in Spitzenpositionen, und / oder eine direkt gewählte Regierung, die durch das Parlament kontrolliert wird. Während die Wahlbeteiligung bei Europawahlen in der Vergangenheit knapp über 40% lag, fordern die meisten Parlamente oder „Volksbefragungen“ ein Quorum von 50%, damit die Abstimmung überhaupt gewertet wird. Nun die Frage.
Warum wird die Europa-Wahl als gültig angesehen, in der weniger als 50% der Wähler ihre Stimme abgeben, obwohl für die meisten anderen Abstimmungen eine höhere Wahlbeteiligung, ein höheres Quorum für die Gültigkeit gefordert wird?
Dr. Alexander Neu: Nun, auf absehbare Zeit ist nicht zu erwarten, dass die Wahlbeteiligung zum EU-Parlament steigen wird. Würde man dann noch ein 50% Quorum einfordern, würde das Scheitern der EU im Sinne mangelnder Unterstützung durch die Menschen noch manifester.
Jochen Mitschka: Nichtwähler fordern, dass Elemente der direkten Demokratie sicherstellen, dass nicht Repräsentanten, sondern die Menschen selbst in wichtigen Entscheidungen das Sagen haben. Dazu würden Aspekte gehören wie internationale Verträge welche die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland einschränken, Entscheidungen über Kriegsbeteiligungen, grundsätzliche Veränderungen der Budgetpolitik, Grundsätze (nicht Höhe/Details) der Steuer und Sozialpolitik. Nun zur Frage:
Wie beurteilen Sie die Chance, Elemente der direkten Demokratie, ähnlich dem Vorbild in der Schweiz, in Deutschland einzuführen, um Nichtwähler wieder zum Wählen zu motivieren?
Dr. Alexander Neu: Zunächst einmal schließe ich mich genau dieser Forderung an. Wenn tatsächlich wichtige politische Entscheidungen direktdemokratisch entscheiden würden, würde Deutschland eine ganz andere Außen-und Sicherheitspolitik praktizieren. Aber genau das ist von den Herrschenden nicht gewollt. Politik, besonders Auswärtige Politik ist nichts fürs Volk, sondern nur für Eliten, die wissen, was richtig ist, so ist die Denkweise bei den Herrschenden.
Jochen Mitschka: In den Kreisen der von der Politik enttäuschten Wähler wird auch die Frage gestellt, warum man nicht zulässt, dass sich Deutsche, wie im Grundgesetz versprochen, nach der Wiedervereinigung eine Verfassung geben. Der Grund für die Forderung liegt nicht darin begründet, eine „rechte“ Verfassung durchsetzen zu wollen. Sondern viele fordern, dass der Geist des deutschen Grundgesetzes wieder stärker in den Vordergrund gerückt wird. Dass die vielen Gesetze, welche das Grundgesetz ausgehöhlt haben, auf den Prüfstand kommen können. Ein Beispiel ist sicher das grundgesetzliche Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges, dessen Strafrechtsparagraf in der Vergangenheit in drastischer Weise vergewaltigt worden war, und der zum 1.1.2017 ganz abgeschafft wurde. Ersetzt durch eine „EU-Harmonisierung“, die natürlich in keiner Weise Rücksicht auf den Geist und Text des deutschen Grundgesetzes nimmt. Ein anderes Beispiel ist der Bereich der Unverletzlichkeit der Privatsphäre. Während E-Mails eindeutig die moderne Form von Briefen sind, wird ihr Schutz in keiner Weise so stark betont, wie das früher für papiergebundene Korrespondenz war. Daher die Frage:
In allen demokratischen Ländern dürfen die Menschen über ihre Verfassung in einem Referendum beschließen. Im Iran werden sogar Änderungen der Verfassung durch ein Referendum legitimiert. Warum wird dies in Deutschland nicht zugelassen?
Dr. Alexander Neu: Weil das Denken in der deutschen Elite immer noch obrigkeitsstaatlich geprägt ist. Die Menschen sollen nicht zu viel entscheiden können bzw. mitentscheiden können. Direktdemokratische Entscheidungen würden in ihren Resultaten gewaltige soziale Veränderungen mit sich bringen.
Jochen Mitschka: Die Meinungsbildung durch Parteien, z.B. durch politische Stiftungen und Einfluss auf die Medien in Form des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, finanziert aus Steuergeldern und Zwangsgebühren, muss nach Ansicht der Kritiker der deutschen Parteien beendet werden. Öffentlich-rechtliche Medien sollten direkt von der Gesellschaft, den Wählern, bestimmt und kontrolliert werden, nicht durch den Parteienkonsens. In einem weiteren Schritt würde eine Medienreform benötigt, die den Status des Tendenzbetriebes der großen privaten Medienkonzerne aufhebt und in sein Gegenteil verkehrt. Meinungsbildende Großunternehmungen im Medienbereich sollten verpflichtet und kontrolliert werden, ein Abbild des gesamten Nachrichten- und Meinungsspektrums zu realisieren. Nun zur Frage:
Wenn Informationen, die durch die Medien vermittelt werden, entscheidend für eine demokratische Willensbildung ist, warum werden dann die oben genannten Forderungen nicht stärker diskutiert und berücksichtigt?
Dr. Alexander Neu: Auch hier gilt: Absicherung der Interessen der herrschenden. Medien, ob öffentlich-rechtliche oder Konzernmedien, simulieren häufig die „Vierte Gewalt“. Wenn es um harte Interessen geht, sind sie die kommunikativen Erfüllungsgehilfen der Wirtschaft und der Politik. Eine Diskussion darüber ist nicht erwünscht.
Jochen Mitschka: Es gibt eine Reihe von Vorwürfen, die Nichtwählern gemacht werden, auf die aber bewusste Nichtwähler auch eine Gegenposition beschrieben. Einige davon, ebenso wie die Gegenposition, habe ich zusammen gefasst. Mich würde Ihre Meinung zu den einzelnen Punkten interessieren:
a) Wer nicht wählt, wählt Rechts.
Gegenposition: Erscheint nach Ansicht der Nichtwähler unzutreffend, weil Nichtwähler aus dem gesamten Spektrum der Parteien zunehmen. Außerdem werden Nichtwähler als “Rechte” beschimpft. Wenn sie das wären, würde es einfacher sein, direkt rechts zu wählen, sagen sie.
Oft wird kolportiert, dass nicht wählen der AfD zugutekäme, weil insbesondere linke Wähler den Urnen fernblieben. Die Nichtwähler sagen, dass es eine irrwitzige Behauptung ist, denn das Gegenteil wäre der Fall. In Wahrheit hätte die AfD die meiste Angst vor Protest durch Nichtwahl, besonders vor der nächsten Bundestagswahl. Denn wenn die Protestwähler, die sie wählen, wenn die wegbrechen, weil sie erkennen, dass die AfD auch keine wirkliche Alternative ist, würde sich die Anzahl ihrer Wähler deutlich verringern.
Dr. Alexander Neu: Ich kann dazu nichts sagen, da ich die Statistiken und Argumente zu wenig kenne.
b) Man kann kleine Parteien wählen, die gegen den Konsens (erlaubte Diskussion) der “staatstragenden” Parteien stehen …
Gegenposition: Sobald diese Einfluss erhalten wollen, tun sie das nur, wenn sie dem Konsens des Parteienstaates beitreten. Siehe Grüne. Und auch die „Die Linke“, so die enttäuschten Nichtwähler, würden deutliche Zeichen aufweisen, den gleichen Weg zu gehen. Und, so die Kritik an den Kleinparteien, so lange sie das doch nicht tun, also ohne jeden Einfluss im Parlament bleiben, legitimieren sie nur das System.
Dr. Alexander Neu: Das kann man so sehen, muss es aber nicht. Welche anderen Möglichkeiten haben denn politische Akteure von den Medien wahrgenommen zu werden, wenn man nicht auch im Parlament sitzt? Um politische Botschaften verbreiten zu können, braucht man Massenmedien. Die bekommt man aber nicht, wenn man sektiererhaft in kleinen Gruppen irgendwo agiert.
c) Direkte Demokratie ist gefährlich für die Demokratie …
Gegenposition: Nichtwähler erklären, dass mit dieser Äußerung zugegeben würde, dass das bestehende System KEINE Demokratie ist. Denn Demokratie würde bedeuten, den Willen des Souveräns zu erfüllen, nicht durch eine Elite qualitativ das „Beste“ zu tun. Außerdem hätten sich “Repräsentanten”, sich selbst ein System der Immunität verschafft, weshalb sie nur durch Elemente der direkten Demokratie zur Verantwortung gezogen werden könnten.
Dr. Alexander Neu: Ich teile vollständig die Gegenposition.
d) Man muss wählen, um das Schlimmste zu verhindern, das geringere Übel zu wählen. …
Gegenposition: Durch Koalitionen ist es unmöglich, vorherzusagen, “was” das geringste Übel sein wird. Mit der Wahl übernimmt man die Verantwortung und legitimiert alles, was dieses Parteiensystem verursacht. Durch wählen wird man daher zur Verantwortung gezogen für etwas, auf das man keinen Einfluss hat.
Dr. Alexander Neu: „Wählen, um das Schlimmste zu verhindern“, ist eine schwache Argumentation. Mit jeder Stimme, die eine Partei bekommt, fühlt sie sich in ihrer Position bestätigt und nicht in Frage gestellt. Man macht ja kein Kreuz und schreibt dahinter: Diese Partei ist das geringste Übel.
e) Weimar scheiterte wegen direkter Demokratie …
Gegenposition: Die Weimarer Republik, so die Nichtwähler, scheiterte in Wirklichkeit nicht nur an dem ersten Weltkrieg, dem unrühmlichen Friedensvertrag und der Weltwirtschaftskrise, sondern an dem Versagen der demokratischen Parteien: SPD und Zentrum. Das Versagen der SPD hätte der Historiker Hans-Ulrich Wehler in seiner DEUTSCHEN GESELLSCHAFTSGESCHICHTE sehr deutlich beschrieben: „Jahrzehnte hatten die Sozialdemokraten die innere Reform der Monarchie als Zukunftsaufgabe angesehen, hatten aus dem >Beamtenstaat< einen >Volksstaat< machen wollen. In dem Augenblick aber, als Veränderung möglich wurde, behielten sie nicht nur das bürokratische Herrschaftssystem bei, sondern scheuten selbst vor dem kleinsten Einschnitt zurück.“ Die Bürger wünschten sich mehr Wohlstand, mehr Mitbestimmung und mehr Gerechtigkeit nach dem gescheiterten ersten Weltkrieg. Die Sozialdemokratie, schreibt der Parteienforscher Franz Walter in seiner Biografie Die SPD, hatte „außer Fatalismus nichts zu bieten“.
Dr. Alexander Neu: Volle Zustimmung.
f) Durch Populismus der direkten Demokratie kann Todesstrafe wieder eingeführt werden …
Gegenposition: Durch Verfassungsregeln können Grundsätze der Menschenrechte und des Völkerrechts so festgelegt werden, dass sie unveränderbar sind.
Dr. Alexander Neu: Zustimmung.
g) Mehr Mitbestimmung des Wählers fördert Extremismus …
Gegenposition: Nichtwähler behaupten, dass genau das Gegenteil der Fall wäre. Durch das Versagen der politischen Akteure und die Hilfslosigkeit der Masse würde Extremismus gefördert bzw. gestärkt. Menschen, die in den politischen Prozessen per Volksgesetzgebung nicht eingreifen könnten, versuchen in ihrer Verzweiflung, bei den Extremen ihre Wohlstandsverteidiger zu finden. Dort, wo die Menschen über Volksgesetzgebung jederzeit in die politischen Prozesse eingreifen und mitentscheiden könnten, hätte der politische Extremismus nachweislich kaum eine Chance.
Dr. Alexander Neu: Dann führen Wahlen insgesamt zu mehr Extremismus – sind demokratische Wahlen mithin schlecht für die Demokratie.
h) Politische Fragen sind zu komplex, um sie mit Ja oder Nein durch Wähler entscheiden zu lassen …
Gegenposition: Bei Abstimmungen im Bundestag muss der Bundestagspräsident gemäß § 46 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages die Frage so stellen, dass die Abgeordneten sie mit “JA” oder “NEIN” beantworten können. Bei der Volksgesetzgebung, so die Nichtwähler, ist das Volk in keiner anderen Situation als das Parlament. Nur in dem Verfahren vor der Gesetzgebung gäbe es Unterschiede, die Volksgesetzgebung wäre aufwendiger.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Erklärung des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Bülow, wie Entscheidungen von Abgeordneten im Parlament innerhalb einer so kurzen Zeit verlangt wurden, dass es unmöglich gewesen wäre, sich eine Meinung zu verschaffen. Es wurde einfach verlangt dem Parteienwillen zu folgen. Bei Einbezug der Wähler in das Prozedere wäre diese kurze Fristigkeit natürlich nicht durchsetzbar. Das würde dazu führen, dass die Regierung, sollte sie wirklich unter echtem, nicht selbst geschaffenen Zeitdruck handeln, als Bevollmächtigter ohne Vertretungsmacht handeln würde. D.h. sie würde Deutschland zwar verpflichten, müsste sich dann aber vom Wähler zur Verantwortung ziehen lassen, sollte er die Entscheidung nicht nachträglich legitimieren.
Dr. Alexander Neu: Es geht nicht darum, dass jede Kleinigkeit direktdemokratisch entschieden wird. Es geht um die großen Linien, die einer direktdemokratischen Entscheidung unterliegen müssen.
Und tatsächlich, über die meisten Entscheidungen im Bundestag, hat der MdB keine Wissenskompetenz, wenn sie nicht direkt seinem Fach entspringen.
i) Die Wähler sind nicht in der Lage Politik zu verstehen …
Gegenposition: Nichtwähler erklären, dass die Repräsentanten in einer repräsentativen Demokratie auch von ihrem sozialen Hintergrund her ein Spiegel der Gesellschaft sein sollten (was derzeit leider nicht der Fall wäre), ansonsten würden sie eben nicht die Menschen repräsentieren können. Deshalb: Wenn Fragen für Abgeordnete verständlich aufbereitet werden können, die im Parlament darüber entscheiden, müsste es auch möglich sein, sie für die Wähler entsprechend aufzubereiten.
Professor Andreas Urs Sommer schreibt für den Deutschlandfunk dazu: “Die eigentliche Lösung ist der Abschied von der einseitigen Parteienorientierung in unserem Demokratieverständnis und stattdessen die Hinwendung zur direkten Partizipation. Wenn man die Bürgerinnen und den Bürger als mündige Wesen ernst nimmt, gibt es keinen Grund, ihre direkte Beteiligung an allen relevanten politischen Sachentscheidungen zu fürchten. Was spricht denn dagegen, ihnen genau gleich viel gesunden Menschenverstand zuzutrauen wie den Berufspolitikern, die von den zahllosen Dingen, über die sie in den Parlamenten befinden, fachlich meist nicht viel mehr Ahnung haben als die Bürger auch?”
Nichtwähler führen weiter an, dass jemand, der ein komplexes Problem nicht einfach darstellen kann, dieses Problem selbst nicht verstanden hat. Außerdem würde die elitaristische Auffassung, dass der Wähler ein Kindermädchen braucht, was für das Kind, den Wähler, die Entscheidung fällt, dem Grundgesetz und den Menschenrechten widersprechen. Ebenso wie Urteile des Bundesverfassungsgerichtes zum Selbstbestimmungsrecht des Volkes in personellen wie auch in Sachfragen.
Dr. Alexander Neu: Vollständige Zustimmung zur Gegenposition und zur Erklärung von Prof. Sommer.
j) Wer nicht wählt, akzeptiert das Ergebnis …
Gegenposition: Nichtwähler sagen, dass in Wirklichkeit die Personen oder Personengruppen die sich an den Wahlen beteiligen, das System legitimieren und nicht die Nichtwähler. Dies würde auch Wikipedia klarstellen: „Diese Amts- oder Mandatsinhaber erhalten ihre Legitimation dadurch, dass eine Personengruppe in einem vorher festgelegten Verfahren ihren Willen äußert. Die Summe der Einzelentscheidungen führt zu der im Wahlergebnis abgebildeten Gesamtentscheidung.“ Mit anderen Worten: Nur wer wählt, legitimiert diejenigen, die über ihn herrschen.
Dr. Alexander Neu: Mit der Entscheidung zur Nichtwahl akzeptiert man eben nicht das Ergebnis, sondern drückt seinen Protest gegen die vorherrschende Politik und deren politische Parteien aus.
k) In anderen Ländern sterben Menschen, um das Recht auf Wählen durchzusetzen ….
Gegenposition: Nichtwähler erklären, dass diese Menschen für die Realisierung von Demokratie, in der Wahlen ein Werkzeug zur Festellung des Willen der Beherrschten ist, sterben. Sie kämpfen nicht in erster Linie darum, wählen zu dürfen. Wahlen an sich wären kein Beweis für Demokratie.
Dr. Alexander Neu: Ja, Wahlen und Demokratie sind nicht identisch. Wahlen sind auch eine technische Frage. Demokratie ist mehr als nur der technische Ablauf von Wahlen.
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