Die Verhandlung gegen Israels möglichen Völkermord | Von Jochen Mitschka

Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Denn sie werden frieren, ihre Arbeitsplätze und ihre Industrie verlieren, und “Fachkräfte” werden abwandern statt zuwandern.

Bevor wir in die beiden Tage der Anklage und Verteidigung einsteigen etwas Grundsätzliches. Für den Westen ist die Verhandlung vor dem ICJ in jedem Fall der Anfang vom Ende. Aber es gibt Unterschiede:

  1. Wird das Gericht ein klares Urteil gegen Israel fällen, hat die UN noch eine Chance in ähnlicher Weise weiter zu bestehen, allerdings mittelfristig mit den alten Kolonialländern, egal ob sie den 2. Weltkrieg gewonnen haben und Kernwaffen haben oder nicht, als ganz normale Mitglieder ohne Privilegien. Der Angriffskrieg gegen den Jemen, ein Land, das nur die Völkerrechtskonvention durchsetzen will, wird dann der Welt die verbrecherischen Intentionen der alten Imperien vor Augen halten und ihren Niedergang beschleunigen.
  2. Falls das Gericht den Erwartungen der meisten Fachleute zufolge ein Urteil fällt, welches Israel auch nur ansatzweise “frei spricht“, wird die Welt diese Form der UN mittelfristig aufgeben und durch eine neue Organisation ersetzen. Außerdem darf man dann erwarten, dass es zu dem lange befürchteten großen Krieg im Nahen und Mittleren Osten kommen wird. Dieser Krieg wird die USA und die NATO so weit schwächen, dass in der Folge kein Krieg mehr gegen Russland oder China möglich sein wird. Hauptleidtragende sind in dem Fall neben den Menschen im Nahen und Mittleren Osten die Menschen in der EU. Denn sie werden frieren, ihre Arbeitsplätze und ihre Industrie verlieren, und “Fachkräfte” werden abwandern statt zuwandern.

Zu dem Zeitpunkt, da dieser PodCast-Text vorbereitet wird, ist unklar, wie das Gericht urteilen wird. Aber mit jedem Tag werden Bomben weniger wichtig, denn die Menschen in Gaza sterben nun bald öfter durch Krankheiten, Verletzungen, Seuchen und Mangel- bzw. Fehlernährung, verschmutztes „Trink“Wasser. Und westliche Presseagenturen weisen schon vorsichtshalber darauf hin, dass ein endgültiges Urteil vermutlich Jahre benötigen wird.

Herauskommen könnte so etwas wie das Kosovo-Urteil (1). Ein Urteil, das damals die NATO-Staaten begrüßten, was ihnen aber auf den Fuß fiel, weil sich Russland bei seiner Anerkennung der Sezession der östlichen Provinzen der Ukraine darauf beruft. Weshalb Russland die Aufnahme in die Russische Föderation als mit dem Völkerrecht übereinstimmen ansieht. Ich hatte darüber berichtet (2).

Freiheit der Handelswege

Es ist schon lange her, da ein Bundespräsident zurücktrat, weil er die Politik aus dem Weißbuch der Bundeswehr erklärte, demzufolge die Bundeswehr auch Deutschlands Verteidigung der Handelswege garantieren müsse. Was seinerzeit noch von einigen unheilbaren Grundgesetzverteidigern als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen wurde. Und nun sehen wir, wie die Bundesregierung eines der ärmsten Länder der Welt hilft zu bombardieren, um angeblich die „Freiheit der Handelswege“ zu gewährleisten. Abgesehen davon, dass dies ein Verstoß gegen das Grundgesetz ist, das aber zahnlos wurde, als §80StGB gelöscht wurde, ist die Behauptung eine Lüge. Tatsächlich exekutiert der Jemen lediglich, was Israel seit Jahrzehnten gegenüber Gaza praktiziert: Eine Blockade! Israel hat dafür auch schon dutzende von Menschen getötet, nicht nur Fischer aus Gaza, sondern auch Aktivisten, welche mit humanitären Gütern versucht hatten, die Blockade zu durchbrechen.

Daraus ergibt sich, dass nicht für die „Freiheit der Handelswege“ der Jemen bombardiert wird, sondern für Israels Recht auf Massenmorde, oder sogar einen Völkermord in Gaza. Ich denke, ich muss bald eine Neuauflage meines Buches „Deutschlands Angriffskriege: Der verlorene Geist des Grundgesetzes“(3) fertig machen, denn seit 2019 sind einige neue Verbrechen gegen das Grundgesetz dazu gekommen.

Der erste Verhandlungstag

Zunächst muss man feststellen, dass die meinungsbildenden Massenmedien es ablehnten, den Tag der Anklagedefinition live zu übertragen. Was dann aber am zweiten Tag, als Israel versuchte, sich zu verteidigen, nicht mehr galt.

Craig Murray, ein ehemaliger Botschafter, der zum Systemkritiker wurde, war vor Ort, und seine Beschreibung ist ausführlich und besser als das stundenlange Anhören der Vorträge. (12) Er führt aus, wie klein und unscheinbar ein Gericht erscheint, dass über so wichtige Fragen wie Leben und Tod von vielen Menschen entscheidet. Aber er schreibt auch über seine grundsätzliche Meinung, die er von dem Gericht hat, die man in Anlage (5) lesen kann.

Nach dem Einzug der Richter in das Gericht begann das Verfahren mit der Vereidigung von zwei zusätzlichen, durch die Parteien benannte Richter, was nach Murray die erste israelische Lüge war, bevor das Verfahren überhaupt begonnen hatte.

„Die Ernennung von Aharon Barak zum israelischen Richter am Internationalen Gerichtshof ist außergewöhnlich, wenn man bedenkt, dass er sich als Präsident des Obersten Gerichtshofs Israels geweigert hat, das IGH-Urteil über die Unrechtmäßigkeit der Mauer umzusetzen, mit der Begründung, er kenne die Fakten besser als der IGH.“

(20) Barak gelte in Israel als “Liberaler” aber nur in Hinsicht auf den verfassungsrechtlichen Kampf zwischen Judikative und Exekutive. Dabei gehe es um die Möglichkeit, dass Netanjahus Korruption unangefochten bleibt, nicht um die Rechte der Palästinenser. Mit der Ernennung seines offensichtlichen Gegners Barak in den IGH habe Netanjahu seine typische Gerissenheit gezeigt. Wenn Barak gegen Israel entscheide, kann Netanjahu behaupten, seine innenpolitischen Gegner sei Verräter an der nationalen Sicherheit. Entscheidet Barak zu Gunsten Israels, kann Netanjahu behaupten, israelische Liberale würden die Zerstörung des Gazastreifens unterstützen.

Dann geht Murray auf die einzelnen Richter ein. Die Vorsitzende des Gerichts, Joan Donoghue, sei eine „Schreiberin des US-Außenministeriums und der Clintons“, die noch nie in ihrem Leben „eine originelle Idee“ gehabt habe, meint der Autor.

Keine nationale Elite habe sich so sehr gegen die Palästinenser gewehrt wie die deutsche. Anstatt ererbte Schuldgefühle in den Widerstand gegen Völkermord im Allgemeinen zu kanalisieren, scheinen sie zu dem Schluss gekommen zu sein,

„dass sie alternative Völkermorde fördern müssen, um Wiedergutmachung zu leisten“,

schreibt Murray in seinem Bericht. Hinzu komme, dass dem deutschen Richter am IGH, Nolte, kein liberaler Ruf vorauseile. Aber Freunde, so fügt er hinzu, hätten ihm erklärt, dass der Richter auf „intellektuelle Strenge“ achte. Weshalb das Urteil nicht vorhersagbar sei.

Uganda habe sich der Einstellung der USA angeschlossen, dass Palästina ja gar kein vollständiger Staat sei, und deshalb gar kein Verfahren vor dem IGH stattfinden könne. So dass unklar ist, wie der Richter aus Uganda entscheiden werde. Auch vom BRICS-Staat Indien befürchtet der Autor eine umstrittene Entscheidung, da die hindunationalistische Regierung islamophob sei. Allerdings sei die Haltung des Richters aus Indien unklar.

Dann berichtet Murray, dass Südafrika mit Erklärungen seines Botschafters und seines Justizministers Ronald Lamola die Sitzung eröffnete, und zwar mit einem Paukenschlag. Innerhalb der ersten dreißig Sekunden habe Südafrika sowohl das Wort “Nakba” als auch den Ausdruck “Apartheidstaat” gegen Israel ins Spiel gebracht. Justizminister Lamola habe den ersten denkwürdigen Satz des Prozesses vorgetragen. Die Palästinenser hätten “75 Jahre Apartheid, 56 Jahre Besatzung, 13 Jahre Blockade” erlitten. Diese Ungerechtigkeit und die Geschichte selbst haben nicht am 7. Oktober begonnen. Es habe noch einen zweiten wichtigen Punkt bei der Formulierung gegeben.

Südafrika betonte, dass in diesem Stadium nicht bewiesen werden müsse, dass Israel einen Völkermord begehe, damit dem Antrag auf “vorläufige Maßnahmen” stattgegeben werden könne. Es müsse lediglich nachgewiesen werden, dass die Handlungen Israels prima facie, also nur schon dem Anschein nach als Völkermord im Sinne der Völkermordkonvention einzustufen seien.

Das Anwaltsteam begann dann mit Dr. Adila Hassim. Sie legte dar, dass Israel gegen die Völkermordkonvention Artikel II a), b), c) und d) verstoßen hat. Einzelheiten findet man in Anhang (6).

Der nächste Anwalt, Tembeka Ngcukaitobi, habe sich mit der Frage des Völkermordvorsatzes befasst. Er hatte vielleicht die leichteste Aufgabe, meinte Murray, denn er konnte von zahlreichen Fällen berichten, in denen ranghohe israelische Minister, Beamte und Militäroffiziere die Palästinenser als “Tiere” bezeichneten und ihre vollständige Zerstörung sowie die des Gazastreifens selbst forderten, wobei sie betonten, dass es keine unschuldigen palästinensischen Zivilisten gebe.

Was Ngcukaitobi besonders gut gelungen sei, ist die effektive Weitergabe dieser völkermörderischen Ideen von hochrangigen Regierungsvertretern an die Truppen vor Ort, die dieselben Phrasen und völkermörderischen Ideen zitierten, als sie sich dabei filmten, wie sie Gräueltaten begingen und rechtfertigten. Er betont, dass die israelische Regierung ihre Verpflichtung ignoriert habe, die Aufstachelung zum Völkermord sowohl in der offiziellen als auch in der populären Kultur zu verhindern und dagegen vorzugehen.

Er habe sich insbesondere auf Netanjahus Beschwörung des Schicksals von Amalek konzentriert und die nachweislichen Auswirkungen dieses Vorgehens auf die Meinungen und Handlungen israelischer Soldaten beschrieben. Die israelischen Minister könnten die völkermörderische Absicht ihrer deutlichen Worte nicht mehr leugnen. Wenn sie es nicht so gemeint hätten, hätten sie es nicht sagen dürfen.

„Der ehrwürdige und angesehene Professor John Dugard, der in seinem leuchtend scharlachroten Talar eine auffallende Erscheinung war, ging dann auf Fragen der Zuständigkeit des Gerichts und des Status Südafrikas bei der Klageerhebung ein – es ist wahrscheinlich, dass Israel sich stark auf technische Argumente stützen wird, um den Richtern einen Ausweg zu bieten. Dugard wies auf die Verpflichtungen aller Vertragsparteien gemäß der Völkermordkonvention hin, Maßnahmen zur Verhinderung von Völkermord zu ergreifen, sowie auf das Urteil des Gerichtshofs. Dugard zitierte Artikel VIII der Völkermordkonvention und verlas den gesamten Absatz 431 des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Bosnien gegen Serbien.“ (4)

Dies bedeutet natürlich nicht, dass die Verpflichtung zur Verhütung von Völkermord erst dann entstehe, wenn die Begehung des Völkermordes beginnt; das wäre absurd, da der Sinn der Verpflichtung darin bestehe, die Begehung der Tat zu verhindern oder zu versuchen, sie zu verhindern. Die Verpflichtung eines Staates zur Verhinderung und die entsprechende Pflicht zum Handeln entstehen in dem Moment, in dem der Staat von der Existenz einer ernsthaften Gefahr eines Völkermordes erfährt oder normalerweise hätte erfahren müssen. Von diesem Zeitpunkt an ist der Staat, wenn ihm Mittel zur Verfügung stehen, die geeignet sind, eine abschreckende Wirkung auf diejenigen auszuüben, die der Vorbereitung eines Völkermordes verdächtigt werden oder bei denen der begründete Verdacht besteht, dass sie eine besondere Absicht hegen (dolus specialis), verpflichtet, von diesen Mitteln so weit Gebrauch zu machen, wie es die Umstände erlauben. Den Richtern hätten Dugards Argumente besonders gut gefallen, meint der Autor, sie hätten „begeistert“ in den Dokumenten gewühlt und die Dinge unterstrichen.

Das dürfte schwer auf Deutschland fallen, sollte es zu einer Verurteilung kommen.

Als Nächstes habe Professor Max du Plessis das Gericht aufgefordert, das grundlegendste aller Rechte zu schützen – das Recht, zu existieren. Mehr zur seiner Einlassung in Anhang (7)

Keine Gräuelfotos

Murray erklärt, dass die Klage Südafrikas auf der Achtung des Völkerrechts beruhe und rechtlich und faktisch begründet sei. Die Ankläger hätten beschlossen, dem Gericht keine Videos und Fotos von Gräueltaten zu zeigen, von denen es viele Tausende gab. Ihr Fall beruhe auf Recht und Fakten, sie hatten es nicht nötig, Schock und Emotionen zu erzeugen „und das Gericht in ein Theater zu verwandeln“. Im Gegensatz dazu hatte Israel auf einer Ausweitung der Anhörung auf 3 Stunden bestanden, um ein einstündiges Propagandavideo über „Hamas Gräueltaten“ dem Gericht vorzuführen.

Du Plessis sei dann zu dem Schluss gekommen, dass die Zerstörung der für das menschliche Leben wichtigen Infrastruktur Palästinas, die Vertreibung von 85 % der Einwohner in immer kleinere Gebiete, in denen sie weiterhin bombardiert wurden, eindeutige Beispiele für die Umsetzung völkermörderischer Absichten sind.

Doch der Höhepunkt des gesamten Vormittags sei der erstaunliche Vortrag der irischen KC(23) Blinne Ni Ghràlaigh gewesen. Ihre Aufgabe war es, aufzuzeigen, dass irreparabler Schaden entstehen würde, wenn der Gerichtshof keine “vorläufigen Maßnahmen” anordnet. Murrays Begeisterung liest man in Anhang (21)

Tatsächlich seien die einzigen Personen im Gerichtssaal, die sich besonders fragwürdig und schuldbewusst verhalten hatten, die Richter gewesen. Sie hätten absolut so ausgesehen, als ob sie wirklich nicht dort sein wollten. Sie schienen sich zutiefst unwohl zu fühlen, zappelten und fummelten viel mit Papieren herum und sahen den Anwälten nur selten direkt in die Augen. Wer die Methoden der Einschüchterung und Erpressung kennt, welche das Imperium in der Vergangenheit anwandte, der wird sich seinen Teil denken. (22)

Der letzte Redner für das südafrikanische Anwaltsteam sei Vaughn Lowe gewesen, und er hatte die heikle Aufgabe, Israels Verteidigung zu entgegnen, die vor dem Gericht geheim gehalten worden sei. Argumente zu widerlegen, die man noch nicht gesehen hat, ist ein heikles Unterfangen, und für den Autor war dies die juristische Glanzleistung des gesamten Vormittags.

Er habe damit begonnen, zu erklären, dass Südafrika klageberechtigt sei, und wiederholte Durands Ausführungen über die Pflicht der Staaten zur Verhinderung von Völkermord gemäß der Völkermordkonvention. Er sagte, es gebe einen Streit im Sinne der Konvention darüber, ob ein Völkermord stattgefunden habe oder nicht. Südafrika hatte diesen Streit in einer Reihe von diplomatischen Verbalnoten an die israelische Regierung formuliert, die nicht zufriedenstellend beantwortet wurden.

Lowe erklärte, es sei zwar bekannt, dass der Internationale Strafgerichtshof eine Reihe einzelner Vorfälle als Kriegsverbrechen untersuche, doch schließe das Vorhandensein anderer Verbrechen nicht aus, dass diese Teil eines umfassenderen Völkermordes seien. Völkermord sei ein Verbrechen, das naturgemäß mit anderen Kriegsverbrechen einhergehe, die zur Förderung des Völkermordes begangen würden.

Schließlich sagte Lowe, dass Völkermord niemals gerechtfertigt ist. Er ist absolut, ein Verbrechen an sich. Unabhängig davon, wie entsetzlich die von der Hamas an Israel oder israelischen Bürgern begangenen Gräueltaten seien, sei eine völkermörderische Reaktion nicht angemessen und könne es auch niemals sein.

Vaughn Lowe erklärte, dass Südafrika um Maßnahmen gegen Israel und nicht gegen die Hamas gebeten habe, weil die Hamas kein Staat sei und somit nicht der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliege. Die Tatsache, dass der Gerichtshof nicht gegen die Hamas vorgehen könne, dürfe ihn jedoch nicht daran hindern, gegen Israel vorzugehen, um die derzeitige dringende Gefahr eines Völkermords zu verhindern. Der Gerichtshof dürfe sich auch nicht von israelischen Angeboten zur freiwilligen Zurückhaltung beeinflussen lassen. Das Versäumnis Israels, jegliches Fehlverhalten beim “Zermahlen des Gazastreifens” einzugestehen, zeige, dass man sich nicht auf Zusicherungen Israels verlassen könne, sein Verhalten zu ändern, da es der Meinung sei, es habe nichts Falsches getan.

Die Sitzung endete damit, dass der südafrikanische Botschafter die vorläufigen Maßnahmen wiederholte, die Südafrika nun vom Gericht auferlegt haben möchte. Dies waren 9 Punkte, die aus Formatgründen bitte im Anhang (8) nachgelesen werden können. Sie gehen weit über die Forderung eines Waffenstillstandes hinaus. Mehr Details zu den diversen Einlassungen mit eindringlichen Erklärungen findet man in Anhang (9)

Die Antwort Israels

Während die Vorträge der klagenden Partei nicht live übertragen wurden, kaum inhaltlich daraus berichtet wurde, war das bei den Vorträgen Israels plötzlich normales Prozedere. Da das Format dieses PodCasts beschränkt ist, gehen wir asymmetrisch vor und beschränken uns auf einige Hinweise. Den Rest kann man in Anhang (13) nachlesen.

Murray berichtet, dass der bei Gericht für Israel akkreditierte [Tal] Becker gleich zu Beginn auf den Holocaust einging und sagte, dass niemand besser als Israel wisse, warum es die Völkermordkonvention gebe. Der südafrikanische Fall zielte auf die Delegitimierung des Staates Israel ab. Am 7. Oktober habe die Hamas Massaker, Verstümmelungen, Vergewaltigungen und Entführungen begangen. Hamas hätte einen Völkermord begangen, nicht Israel, und Südafrika sollte vor Gericht angeklagt sein, weil das Land die Hamas unterstützt. Mehr in Anhang (14).

Der nächste Redner war Professor Malcolm Shaw KC. Murrays vernichtende Meinung zu diesem „Menschenrechtsexperten“ lesen Sie in Anhang (15). Shaw habe ein langes Zitat der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, von Mitte Oktober vorgelegt, in dem sie erklärte, Israel habe eine terroristische Gräueltat erlitten und habe das Recht auf Selbstverteidigung. Er behauptete, es handelte sich nicht um einen Völkermord, sondern um einen bewaffneten Konflikt, dessen Zustand seit dem 7. Oktober bestehe.

Dann so vielleicht die wichtigste Argumentation, führte er aus, dass aus formalen Gründen das Gericht gar nicht zuständig sei. Und anscheinend hatte das die Richter interessiert. Wäre es doch eine Möglichkeit, sich vor einer Entscheidung zu drücken. Dann führte Shaw aus, dass keine Vertreibung, sondern eine Verbringung in sichere Bereiche stattgefunden habe. Und dass die Äußerungen von Ministern rein emotional, und nicht faktisch zu bewerten seien.

Die nächste Anwältin Israels war eine Dame namens Galit Raguan vom israelischen Justizministerium, berichtet Murray weiter. Sie sagte, die Realität vor Ort sei, dass Israel alles getan habe, um den Tod von Zivilisten zu minimieren und humanitäre Hilfe zu leisten. Für alles sei die Hamas verantwortlich. Mehr in Anhang (16).

Der nächste Redner war Rechtsanwalt Omri Sender. Er erklärte, dass nun mehr Lebensmittel-LKW pro Tag in den Gazastreifen einfuhren als vor dem 7. Oktober. Die Zahl der Lastwagen sei von 70 auf 109 Lastwagen pro Tag gestiegen. Die Versorgung mit Treibstoff, Gas und Strom sei gesichert, und Israel habe das Abwassersystem repariert. Mehr und die vernichtende Meinung von Murray dazu in Anhang (17). Die folgenden Redner hätten dann im Prinzip mit anderen Worten immer das Gleiche erzählt.

Im Wesentlichen scheint Israel auf verfahrenstechnische Argumente zu setzen, der Rest sei Propaganda für die Massen gewesen, meint Murray, und damit hat er wohl Recht. Was Murray zu Deutschland erklärt, lesen Sie in Anhang (18), und was er von dem Gericht erwartet, in Anhang (19).

Fazit

Auf Grund der Dringlichkeit auf Grund des Sterbens, des Hungerns, der drohenden Seuchen, kann man in diesen Tagen mit einer vorläufigen Entscheidung des Gerichtes rechnen, welches entweder einen sofortigen Waffenstillstand und Gazas Zugang zu unbeschränkter humanitärer Hilfe fordert, oder aber Israel die Freiheit gibt, den „Rest des Jobs“ durch Bombardieren, Aushungern und Krankheiten zu erledigen, bevor das siegreiche Israel auch diesen Bereich mit eigenen Siedlungen annektiert. Darüber wer welches Stück Land bekommt wird ja schon gestritten (10). Schließlich hat Israel ja „einen Krieg gewonnen“.

Interessanterweise wurde nun von Chile auch der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) / ICC angerufen (11). Er ist schon lange vor der seltsamen Entscheidung, einen Haftbefehl gegen Putin auszustellen, als Werkzeug der ehemaligen Kolonialländer entlarvt worden. Ich kenne mehrere gut dokumentierte Verfahren, sogar mit Angeboten von Kronzeugen, die nie eröffnet wurden, weil es um Verbündet der USA ging. Deshalb erwartet auch niemand mehr von diesem Gericht eine unabhängige Rechtsprechung. Aber auch dieses Verfahren wird weiter dazu dienen, den Schein zu zerstören, der immer noch mühsam versucht wird aufrecht zu erhalten. Der von den USA für den Nahen Osten genutzte Begriff „konstruktive Zerstörung“ in Anlehnung an Schumpeter bekommt im Moment eine ganz neue Bedeutung.

Interessant ist auch, dass in den letzten Tagen Nachrichten im Internet auftauchten, dass Südafrika auch Großbritannien und die USA anklagen werde. Sollte sich das bewahrheiten, könnte sich auch Deutschland bald in der Situation sehen, da die Bundesregierung sich entschloss, (sinngemäß) neben Israel auf der Anklagebank für einen Freispruch zu kämpfen.

Hinweise und Quellen:

Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://twitter.com/jochen_mitschka

(1) https://www.europa.steiermark.at/cms/beitrag/11308771/3084244/

(2) https://staging.apolut.net/regeln-oder-voelkerrecht-und-menschenrechte-von-jochen-mitschka/

(3) https://www.amazon.de/Deutschlands-Angriffskriege-verlorene-Geist-Grundgesetzes/dp/3864456878

(4) https://www.craigmurray.org.uk/archives/2024/01/your-man-in-the-hague-in-a-good-way/

(5) „Ich habe über mein Vertrauen in den Internationalen Gerichtshof geschrieben, in seine Geschichte der unparteiischen Rechtsprechung und in sein System der Wahl durch die UN-Generalversammlung. Der IGH ist durch den Ruf seiner viel jüngeren Schwester, des Internationalen Strafgerichtshofs, zu Unrecht in Verruf geraten. Der IStGH wird zu Recht als Werkzeug des Westens verspottet, aber das trifft auf den IGH wirklich nicht zu. Allein zu Palästina hat er entschieden, dass die israelische ‚Mauer‘ im Westjordanland illegal ist und dass Israel kein Recht auf Selbstverteidigung in dem Gebiet hat, dessen Besatzungsmacht es ist. Es hat entschieden, dass das Vereinigte Königreich die Chagos-Inseln entkolonialisieren muss, ein Anliegen, das mir sehr am Herzen liegt.“ (4)

(6) „Zu a), der Tötung von Palästinensern, nannte sie die einfachen Fakten ohne Beschönigung. 23.200 Palästinenser wurden getötet, 70 % davon waren Frauen und Kinder. Über 7.000 wurden vermisst, vermutlich tot unter den Trümmern. Über 200 Mal hatte Israel 2.000-Pfund-Bomben auf die Wohngebiete im südlichen Gazastreifen abgeworfen, in die die Palästinenser evakuiert werden sollten. 60.000 Menschen wurden schwer verwundet. 355.000 Häuser waren beschädigt oder zerstört worden. Es war ein umfangreiches Verhaltensmuster zu beobachten, das auf eine völkermörderische Absicht hinwies.

Dr. Hassim war auffallend ruhig und besonnen in ihren Worten und Ausführungen. Doch gelegentlich, wenn sie die Gräueltaten insbesondere an Kindern schilderte, zitterte ihre Stimme ein wenig vor Rührung. Die Richter, die im Allgemeinen sehr unruhig waren (dazu später mehr), sahen auf und hörten ihr genauer zu.“ (4)

(7) Die Palästinenser hätten 50 Jahre lang unter Unterdrückung gelitten, und Israel habe sich jahrzehntelang als über dem Recht stehend betrachtet und sowohl Urteile des IGH als auch Resolutionen des Sicherheitsrats ignoriert. Dieser Kontext ist wichtig. Palästinensische Einzelpersonen haben ein Recht auf Existenz, das als Mitglieder einer Gruppe im Sinne der Völkermordkonvention geschützt ist. (4)

(8) Siehe folgende 9 Punkte:

1) Der Staat Israel muss seine Militäroperationen in und gegen den Gazastreifen sofort einstellen.

2) Der Staat Israel stellt sicher, dass alle militärischen oder irregulären bewaffneten Einheiten, die von ihm geleitet, unterstützt oder beeinflusst werden können, sowie alle Organisationen und Personen, die seiner Kontrolle, Leitung oder seinem Einfluss unterliegen können, keine Schritte unternehmen, die die unter Nummer 1 genannten militärischen Operationen fördern.

3) Die Republik Südafrika und der Staat Israel ergreifen in Übereinstimmung mit ihren Verpflichtungen aus der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes in Bezug auf das palästinensische Volk alle in ihrer Macht stehenden angemessenen Maßnahmen, um Völkermord zu verhindern.

4) Der Staat Israel unterlässt in Übereinstimmung mit seinen Verpflichtungen aus der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes in Bezug auf das palästinensische Volk als einer durch die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes geschützten Gruppe alle Handlungen, die in den Anwendungsbereich von Artikel II der Konvention fallen, insbesondere:

 (a) die Tötung von Mitgliedern der Gruppe;

 (b) die Verursachung schwerer körperlicher oder seelischer Schäden bei den Mitgliedern der Gruppe;

 (c) der Gruppe vorsätzlich Lebensbedingungen aufzuerlegen, die ihre vollständige oder teilweise physische Vernichtung herbeiführen sollen, und

 (d) die Verhängung von Maßnahmen, die darauf abzielen, Geburten innerhalb der Gruppe zu verhindern.

5) Der Staat Israel unterlässt gemäß Absatz 4 Buchstabe c in Bezug auf Palästinenser alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen, einschließlich der Aufhebung einschlägiger Anordnungen, Beschränkungen und/oder Verbote, um Folgendes zu verhindern

 (a) die Vertreibung und Zwangsumsiedlung aus ihren Häusern;

 (b) den Entzug von:

  (i) Zugang zu angemessener Nahrung und Wasser

  (ii) den Zugang zu humanitärer Hilfe, einschließlich des Zugangs zu angemessenem Brennstoff, Unterkünften, Kleidung, Hygiene und sanitären Einrichtungen

  (iii) medizinischer Versorgung und Hilfe; und

 (c) die Zerstörung des palästinensischen Lebens in Gaza.

6) Der Staat Israel stellt in Bezug auf Palästinenser sicher, dass sein Militär sowie alle irregulären bewaffneten Einheiten oder Einzelpersonen, die von ihm geleitet, unterstützt oder anderweitig beeinflusst werden, und alle Organisationen und Personen, die seiner Kontrolle, Leitung oder seinem Einfluss unterliegen, keine der in den Absätzen (4) und (5) beschriebenen Handlungen begehen, oder sich an der direkten und öffentlichen Aufforderung zur Begehung von Völkermord, der Verschwörung zur Begehung von Völkermord, dem Versuch der Begehung von Völkermord oder der Komplizenschaft bei Völkermord beteiligen und, sofern sie sich daran beteiligen, Schritte zu ihrer Bestrafung gemäß den Artikeln I, II, III und IV der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes unternommen werden.

7) Der Staat Israel ergreift wirksame Maßnahmen, um die Zerstörung von Beweismaterial zu verhindern und die Erhaltung von Beweismaterial zu gewährleisten, das sich auf Anschuldigungen von Handlungen bezieht, die in den Anwendungsbereich von Artikel II des Übereinkommens über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes fallen; zu diesem Zweck wird der Staat Israel nichts unternehmen, um Untersuchungsmissionen, internationalen Mandaten und anderen Gremien den Zugang zum Gazastreifen zu verweigern oder anderweitig einzuschränken, um bei der Sicherstellung der Erhaltung und Aufbewahrung des genannten Beweismaterials zu helfen.

8) Der Staat Israel legt dem Gerichtshof innerhalb einer Woche ab dem Datum dieses Beschlusses und danach in regelmäßigen Abständen, die der Gerichtshof anordnet, einen Bericht über alle Maßnahmen vor, die zur Durchführung dieses Beschlusses ergriffen wurden, bis der Gerichtshof eine endgültige Entscheidung in der Sache trifft.

9) Der Staat Israel hat sich jeder Handlung zu enthalten und dafür zu sorgen, dass keine Maßnahmen ergriffen werden, die den Rechtsstreit vor dem Gerichtshof verschlimmern oder ausweiten oder seine Beilegung erschweren könnten. (4)

(9) https://publikumskonferenz.de/blog/internationaler-gerichtshof-suedafrika-gegen-israel-anhoerungen-zu-vorlaeufigen-massnahmen/ Details der juristischen Einlassungen auch mit Video-Beweisen und Link zur kompletten Sitzung.

(10) https://twitter.com/jochen_mitschka/status/1746415671393517771

(11) https://www.nachdenkseiten.de/?p=109414

(12) Murray war als Besucher auf der Besuchertribüne zugelassen und hatte einen direkten und körperlichen Eindruck von den Vorgängen. Kurioses Detail: Er berichtet, dass Schreibutensilien wie Bleistifte verboten waren, weil sie als Waffe benutzt werden könnten. Nicht jedoch für gewisse „ehrenhafte“ Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen. Er beschreibt das Auswahlverfahren, wer von den Bewerbern, die sich ab 2 Uhr am Morgen angestellt hatten, zu der außerordentlichen kleinen Besuchergruppe gehören durfte, welche auf die Besuchertribüne durfte.

(13) https://www.craigmurray.org.uk/archives/2024/01/your-man-in-the-hague-in-a-good-way-part-2/ Bitte lesen Sie im Original die Atmosphäre und die Eindrücke eines Beobachters.

Ein Beispiel für die Begegnung von Greg Murray:

„Ich fühlte mich noch peinlicher. Ich hatte gerade den Mann getroffen, der im Shifa-Krankenhaus operiert hatte, während israelische Bomben und Raketen einschlugen und israelische Scharfschützen durch die Fenster feuerten. Er hatte weiter operiert, ohne Strom, ohne Verbandszeug, ohne Antiseptikum, ohne Narkosemittel. Er arbeitete 20 Stunden am Tag, amputierte die Gliedmaßen von Kindern oder versuchte, sie wieder zusammenzusetzen. Er blieb und blieb und blieb, wochenlang unter Beschuss. Er tat dies aus Liebe: Er ist ein führender britischer plastischer Chirurg und hätte im Vereinigten Königreich Millionen verdienen können.

Ich habe mich zutiefst geschämt. Dieser Mann hatte so viel ertragen, so viel getan und so viel Leid gesehen. Und ich hatte aufgegeben, weil mir die Zehen weh taten, weil ich zu wenig Schlaf hatte und weil ich wichtig sein wollte. Ich hatte eine Erleuchtung; mir wurde klar, dass ich ein schrecklicher Egoist sein kann, und ich hasste mich dafür. Nichts hörte auf wehzutun, aber ich hatte einen neuen Adrenalinschub und beschloss, weiterzumachen. Vielleicht würde nichts von dem, was ich tat, dazu beitragen, einen Völkermord zu verhindern, aber wir alle müssen das tun, was in unserer Macht steht.“ (…)

(14) 1.200 Menschen seien getötet und 5.500 verstümmelt worden. Er erzählte mehrere abscheuliche Geschichten über einzelne Gräueltaten und spielte eine Aufnahme vor, auf der er behauptete, ein Hamas-Kämpfer habe sich auf WhatsApp gegenüber seinen Eltern damit gebrüstet, Massenmord, Vergewaltigung und Verstümmelung begangen zu haben. Der einzige Völkermord, der in diesem Fall begangen wurde, richtete sich gegen Israel. Die Hamas hat Israel weiterhin angegriffen, und wenn das Gericht vorläufige Maßnahmen ergreifen würde, würde es Israel das Recht auf Selbstverteidigung verweigern. Einstweilige Maßnahmen sollten vielmehr gegen Südafrika und dessen Versuch ergriffen werden, den Völkermord durch seine Beziehungen zur Hamas mit legalen Mitteln zu fördern. Der Gazastreifen war nicht besetzt: Israel hatte ihn mit großem Potenzial für einen politischen und wirtschaftlichen Erfolg verlassen. Stattdessen hatte sich die Hamas dafür entschieden, ihn zu einer Terroristenbasis zu machen.

Die Hamas war in der Zivilbevölkerung verankert und daher für den Tod von Zivilisten verantwortlich. Die Hamas hatte Tunnel unter Schulen, Krankenhäusern, Moscheen und UN-Einrichtungen sowie Tunneleingänge in diesen Einrichtungen. Sie beschlagnahmte medizinische Fahrzeuge für militärische Zwecke.

Südafrika hatte von zerstörten zivilen Gebäuden gesprochen, aber nicht gesagt, dass diese durch Sprengfallen der Hamas und Fehlschüsse von Hamas-Raketen zerstört worden waren.

Die von Südafrika genannten Opferzahlen stammten aus Hamas-Quellen und waren nicht zuverlässig. Es wurde nicht gesagt, wie viele davon Kämpfer waren. Wie viele der Kinder waren Kindersoldaten? Der Antrag Südafrikas war unbegründet und unmotiviert. Er war eine Verleumdung.

Dies war sicherlich ein harter und kompromissloser Beginn. Die Richter schienen ihm sehr aufmerksam zuzuhören, als er mit dem Argument der Selbstverteidigung am 7. Oktober begann, aber einige von ihnen begannen zu zappeln und fühlten sich unwohl, als er davon sprach, dass die Hamas von Krankenwagen und UN-Einrichtungen aus operiert. Kurz gesagt, er ging zu weit, und ich glaube, dass er an diesem Punkt sein Publikum verlor. (13)

(15) Shaw gilt als Autorität auf dem Gebiet des internationalen Rechts und ist Herausgeber des Standardwerkes zu diesem Thema. Dies ist ein interessanter Aspekt des Juristenberufs, bei dem Standardwerke zu bestimmten Themen regelmäßig aktualisiert werden, um wichtige Auszüge aus jüngsten Urteilen aufzunehmen und Passagen hinzuzufügen oder zu ändern, um die Auswirkungen dieser Urteile zu erläutern. Die Tätigkeit eines Herausgebers in diesem Bereich bietet einen Weg zur Bekanntheit für die Schwerfälligen und Pedanten.

Ich hatte Shaw in seiner Eigenschaft als Mitbegründer des Zentrums für Menschenrechte an der Universität Essex kennengelernt. Ich hatte dort vor etwa zwanzig Jahren eine Reihe von Vorträgen über die Angriffe auf die Menschenrechte im “Krieg gegen den Terror” und meine eigenen Erfahrungen als Whistleblower in Bezug auf Folter und außerordentliche Überstellungen gehalten. Für einen angeblichen Menschenrechtsexperten schien Shaw außerordentlich geneigt zu sein, die nationalen Sicherheitsinteressen des Staates über die individuelle Freiheit zu stellen.

Ich behaupte nicht, dass ich mir darüber viele Gedanken gemacht habe. Damals wusste ich noch nichts von Shaws Engagement als extremer Zionist und insbesondere von seinem langjährigen Interesse an der Unterdrückung der Rechte des palästinensischen Volkes. Nachdem 139 Staaten Palästina als Staat anerkannt haben, führte Shaw für Israel den juristischen Widerstand gegen die Mitgliedschaft Palästinas in internationalen Institutionen, einschließlich des Internationalen Strafgerichtshofs. Shaws eher uninspirierte Berufung auf die Konvention von Montevideo aus dem Jahr 1933 ist keine juristische Meisterleistung, und sie hat nicht funktioniert.

Jeder Verbrecher verdient eine Verteidigung, und niemand sollte es einem Anwalt übel nehmen, dass er einen Mörder oder Vergewaltiger verteidigt, denn es ist wichtig, dass Schuld oder Unschuld von einem Gericht geprüft wird. Aber ich denke, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Strafverteidiger im Allgemeinen nicht diejenigen verteidigen, die des Mordes beschuldigt werden, weil sie mit dem Mord einverstanden sind und wollen, dass ein Mörder weiter mordet. Das ist hier jedoch der Fall: Malcolm Shaw spricht für Israel, weil er eigentlich will, dass Israel weiterhin palästinensische Frauen und Kinder töten kann, um seiner Meinung nach die Sicherheit Israels zu verbessern.

Das ist der Unterschied zwischen diesem und anderen Fällen, auch vor dem IGH. Normalerweise würden die federführenden Anwälte gerne die Seiten wechseln, wenn die andere Seite sie zuerst engagiert hätte. Aber dies ist etwas völlig anderes. Hier glauben die Anwälte (mit der möglichen Ausnahme von Straker) zutiefst an den Fall, den sie unterstützen, und würden niemals für die andere Seite auftreten. Das ist nur ein weiterer Grund dafür, dass es sich hier um einen so außergewöhnlichen Fall handelt, mit so viel Dramatik und so entscheidenden Folgen, nicht zuletzt für die Zukunft des internationalen Rechts.

Aus dem soeben erläuterten Grund ist Shaws Rolle hier nicht die eines einfachen Anwalts, der seinem Beruf nachgeht. Sein Versuch, die Tötung auszuweiten, sollte ihn für den Rest seines zweifellos hochbezahlten Daseins bei anständigen Menschen überall als Paria erscheinen lassen.

Shaw sagte einleitend, dass im südafrikanischen Fall immer wieder von einem Kontext die Rede sei. Sie sprachen von den 75 Jahren der Existenz des Staates Israel. Warum dort aufhören? Warum nicht auf die Balfour-Erklärung oder das britische Mandat über Palästina zurückgehen? Nein, der Kontext dieser Ereignisse war das Massaker vom 7. Oktober und Israels anschließendes Recht auf Selbstverteidigung.

Dann wandte er sich der Frage des Völkermordes zu. Er argumentierte, dass Südafrika diesen Fall nicht einbringen könne und der IGH nicht zuständig sei, da es zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage keinen Streit zwischen Israel und Südafrika gegeben habe, über den der IGH entscheiden könne. Südafrika hatte Israel seine Ansichten mitgeteilt, aber Israel hatte keine substantielle Antwort gegeben. Daher bestand zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage noch keine Streitigkeit. Ein Streitfall muss eine Interaktion zwischen den Parteien beinhalten, und die Argumente waren nur auf einer Seite zu finden.

Noch begeisterter waren sie, als Shaw denselben Punkt ansprach. Das gab ihnen einen Ausweg! Der Fall könnte technisch ungültig sein, und dann müssten sie weder die westlichen Großmächte verärgern noch sich lächerlich machen, indem sie so taten, als ob ein Völkermord, den die ganze Welt gesehen hatte, nicht stattgefunden hätte. Eine Zeit lang sahen sie sichtlich erleichtert aus.

Shaw hätte aufgeben sollen, als er noch in Führung lag, aber er hat eine Stunde lang durchgehalten, mit einer gewissen Erleichterung, als er ständig seine Notizen durcheinanderbrachte. Es war ein interessanter Anblick, wie ein hochrangiger KC, der nicht in der Lage ist, zu improvisieren und sich zu erholen, immer wieder abbrach und das Papier hin und her schob.

Shaw argumentierte, dass die Messlatte für die Beurteilung der Frage, ob Südafrika einen Anscheinsbeweis habe, wegen der hohen militärischen und politischen Kosten für Israel, wenn das Gericht vorläufige Maßnahmen ergreife, deutlich höher liegen müsse. Außerdem müsse bereits in diesem Stadium der Völkermordvorsatz nachgewiesen werden. Ansonsten sei der Völkermord ein “Auto ohne Motor”. Wenn im Rahmen der gezielten israelischen Militäraktionen illegale Handlungen stattgefunden hätten, würden Israels eigene Militärgerichte diese untersuchen und entsprechend handeln.

Zufällige emotionale Äußerungen israelischer Minister und Beamter waren nicht wichtig. Die offizielle Politik zum Schutz der Zivilbevölkerung findet sich in den Protokollen des israelischen Kriegskabinetts und des nationalen Sicherheitsrats. Die Bemühungen Israels, die Zivilbevölkerung aus der Gefahrenzone zu bringen, seien eine vom internationalen Menschenrecht akzeptierte Maßnahme und sollten nicht als Massenvertreibung betrachtet werden.

Es war Südafrika, das sich in Zusammenarbeit mit der Hamas der Beihilfe zum Völkermord schuldig gemacht hat. Die Anschuldigungen Südafrikas gegen Israel “grenzen an Unverschämtheit”. (13)

(16) Der Krieg in den Städten habe immer Tote unter der Zivilbevölkerung zur Folge. Die Hamas sei für die Zerstörung von Gebäuden und Infrastruktur verantwortlich. Es gab überwältigende Beweise für die militärische Nutzung von Krankenhäusern durch die Hamas. In jedem einzelnen Krankenhaus in Gaza hatte die IDF Beweise für eine militärische Nutzung durch die Hamas. Die Massenevakuierung von Zivilisten war eine humanitäre und legale Maßnahme. Israel hatte Lebensmittel, Wasser und Medikamente in den Gazastreifen geliefert, aber die Lieferungen waren unter den Beschuss der Hamas geraten. Die Hamas stiehlt die Hilfsgüter für ihre Kämpfer. (13)

(17) Zu diesem Zeitpunkt hatte Israel die Richter wieder verloren. Ein oder zwei sahen den Mann sehr fragend an. Ein paar waren definitiv eingeschlafen – man kann wohl nur eine bestimmte Anzahl von Lügen verkraften, nehme ich an. Niemand machte sich Notizen über diesen Unsinn. Die Richter mögen einen Weg finden, Israel nicht zu verurteilen, aber man kann nicht erwarten, dass sie diesen außergewöhnlichen Unsinn mitmachen. Der Sender fuhr fort, dass der Umfang und die Intensität der Kämpfe nun abnehme, da die Operation in eine neue Phase eintrete.

Vielleicht weil ihm niemand glaubte, erklärte Sender, dass das Gericht keine vorläufigen Maßnahmen ergreifen könne, sondern aufgrund des Gesetzes über die einseitigen Erklärungen von Staaten das Wort Israels über seine guten Absichten akzeptieren müsse.

Ich muss gestehen, dass ich nicht wusste, dass dieses Stück Völkerrecht existiert. Aber es existiert, insbesondere in Bezug auf IGH-Verfahren. Auf den ersten Blick macht es eine einseitige Absichtserklärung vor dem IGH für den Staat, der sie abgibt, verbindlich. Ich kann nicht erkennen, dass sie den IGH zwingt, sie als ausreichend zu akzeptieren oder an ihre Aufrichtigkeit zu glauben. Es scheint ziemlich weit hergeholt zu sein, und ich habe mich gefragt, ob Israel nichts mehr zu sagen hat. (13)

(18) Während das Gericht tagte, kündigte Deutschland an, dass es in dem wichtigen Fall intervenieren wird, um Israel zu unterstützen. Sie argumentieren ausdrücklich, dass sie als größter Völkermörder der Welt in der einzigartigen Lage sind, zu urteilen. Es handelt sich im Grunde um eine Urheberrechtsklage. Sie schützen Deutschlands geistiges Eigentum an der Kunst des Völkermordes. Vielleicht werden sie in Zukunft Lizenzen für Völkermord vergeben oder Israel erlauben, den Völkermord auf Franchise-Basis fortzusetzen. (13)

(19) Ich bin mir sicher, dass die Richter sich aus der Sache herauswinden wollen, und sie werden sich vielleicht auf die verfahrensrechtlichen Aspekte konzentrieren. Aber es gibt ein echtes Problem mit Israels “unstreitigem” Argument. Wenn es akzeptiert wird, würde das bedeuten, dass ein Land, das Völkermord begeht, einfach nicht auf eine Anfechtung antworten kann, und dann sind keine rechtlichen Schritte möglich, weil keine Antwort “kein Streit” bedeutet. Ich hoffe, diese Absurdität ist den Richtern klar. Aber es kann natürlich sein, dass sie es nicht bemerken wollen…

Was wird meiner Meinung nach passieren? Eine Art “Kompromiss”. Die Richter werden vorläufige Maßnahmen erlassen, die vom Antrag Südafrikas abweichen und Israel auffordern, weiterhin Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu ergreifen, oder so einen Quatsch. Zweifellos hat das Außenministerium so etwas bereits für den Gerichtspräsidenten Donoghoe ausgearbeitet.

Ich hoffe, ich liege falsch. Ich würde das Völkerrecht nur ungern aufgeben. Eines weiß ich jedoch mit Sicherheit. Diese beiden Tage in Den Haag waren absolut entscheidend für die Frage, ob die Begriffe Völkerrecht und Menschenrechte überhaupt noch einen Sinn haben. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein Eingreifen des Gerichtshofs die USA und das Vereinigte Königreich zum Einlenken bewegen und ein gewisses Maß an Erleichterung schaffen könnte. Vorerst sollten wir alle, jeder auf seine Weise, für die Kinder in Gaza beten oder wünschen. (13)

(20) Barak habe eine sehr lange Geschichte, in der er alle Formen der Unterdrückung von Palästinensern durch die israelischen Verteidigungskräfte als legal für die “nationale Sicherheit” akzeptiert hat, und insbesondere habe er sich wiederholt geweigert, gegen das seit langem bestehende israelische Programm der Zerstörung palästinensischer Häuser als Kollektivstrafe zu entscheiden. Das lässt sich direkt auf die Zerstörung der zivilen Infrastruktur in Gaza übertragen. (13)

(21) „Ich kann Ihnen nicht angemessen vermitteln, welchen Eindruck sie in diesem Gerichtssaal hinterlassen hat. Wie der Rest des Teams verzichtete sie auf Grausamkeitspornos und legte die einfachen Fakten klar und elegant dar. Sie wandte den vom gesamten südafrikanischen Team angewandten Trick an, sich nicht selbst emotional auszudrücken, sondern ausführlich die sehr emotionalen Äußerungen hoher UN-Beamter zu zitieren. Ihre Auflistung der täglichen Todesfälle nach Art der Opfer war niederschmetternd.“ (4)

(22) „Mir kam der Gedanke, dass die Leute, die wirklich nicht im Gerichtssaal sein wollten, die Richter waren, denn in Wirklichkeit stehen die Richter und das Gericht selbst vor Gericht. Die Tatsache des Völkermordes ist unbestreitbar und wurde klar dargelegt. Aber einige der Richter versuchen verzweifelt, einen Weg zu finden, um es den USA und Israel recht zu machen, und vermeiden es, dem aktuellen zionistischen Narrativ zu widersprechen, dessen Annahme notwendig ist, um die Füße bequem unter den Tisch der Elite zu bekommen.“ (4)

(23) King’s Counsel (KC) sind Rechtsanwälte oder Staatsanwälte, die für ihre herausragende anwaltliche Tätigkeit ausgezeichnet wurden. Sie gelten oft als führend in ihrem Rechtsgebiet und übernehmen in der Regel komplexere Fälle, die ein höheres Maß an juristischem Fachwissen erfordern.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Ankor Light/shutterstock

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Kommentare (2)

2 Kommentare zu: “Die Verhandlung gegen Israels möglichen Völkermord | Von Jochen Mitschka

  1. zurfall sagt:

    wer die Macht in Händen hält wird nicht verurteilt. Derjenige kann morden, rauben und brandschatzen wie es ihm gefällt. Schuld sind immer die anderen und man beruft sich auf sein Recht zur Selbstverteidigung. Was man anderen jahrzehntelang angetan hat spielt natürlich keine Rolle. Im schlimmsten Fall wird der Holocaust bemüht und eine weitere längst überfällige Wiedergutmachung angemahnt. Wenn man für seine Untaten nie zur Verantwortung gezogen wird begeht man permanent neue. Das Staatengebilde gründet auf Massengräbern und dem Elend der Vertriebenen. Auch die Neuengländer haben die Ureinwohner massakriert und vertrieben ohne dafür bis heute die Verantwortung übernehmen zu müssen. Bei den Nachahmern macht dies Mut. Bei unseren´m Olaf hat sich die Chabad Lubawitscher Sekte ja auch schon rangewanzt

  2. coronistan.blogspot.com sagt:

    Anhörung, mehr ist es nicht.

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