Die Zeitenwende | Von Anke Behrend

Ein Standpunkt von Anke Behrend. 

„Der Mensch ist gemacht aus Staub, Kot und Asche. Geboren wird der Mensch, damit er arbeitet, sich ängstigt und leidet.“

Papst Innozenz III. Ende des 12. Jahrhunderts (1).

Das Mittelalter

Geprägt von feudalistischen Machtstrukturen, Leibeigenschaft, religiöser Dominanz und einem auf das Jenseits ausgerichteten, gottesfürchtigen Leben in Angst vor der Verdammnis, erstreckte sich das Mittelalter vom fünften bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Romantischen Verklärungen zum Trotz wird es als eine eher dunkle Epoche angesehen, die nur wenig zivilisatorischen Fortschritt hervorbrachte. Das Leben der Menschen war karg, beschwerlich und kurz. Kunst, Kultur und Technologie standen im Dienst der kirchlichen und kirchlich legitimierten Herrscher. Bildung und Wissenschaft fanden nur im Rahmen religiöser Institutionen und Dogmen statt. An die zivilisatorischen Traditionen der Antike konnte das Mittelalter nicht anknüpfen. Sinnfällig verkamen die Ruinen der Antike zu Steinbrüchen.

Kriege, Seuchen, Armut und Aberglaube zehrten an den mittelalterlichen Gesellschaften. Der Mensch galt als durch und durch sündig. Leid, Qualen und Tod waren die verdienten Strafen für seine pure Existenz. Erst im Paradies würde das wahre Leben auf ihn warten, zu erreichen durch Verzicht, Gehorsam und religiösen Eifer im diesseitigen Jammertal, bis der Tod ihn endlich erlöse. In den Darstellungen des Mittelalters wirken Menschen entsprechend schmal, krumm und kränklich. Bezeichnend inkorrekt fallen die Darstellungen der Füße aus: ihnen fehlt buchstäblich die Bodenhaftung. (2)

Das Klimaoptimum und die Gotik

Dennoch hat auch das Mittelalter bedeutende, vor allem sakrale Kunst und Architektur hervorgebracht. Die Kirchen, Klöster und Burgen der Romanik (3) blieben zwar noch weit hinter der architektonischen Meisterschaft der Antike zurück.

Doch mit dem mittelalterlichen Klimaoptimum (4) vom 10. bis 14. Jahrhundert erlebte das Mittelalter eine Blütezeit, die gleichzeitig in sein Ende führen sollte. Reiche Ernten, Bevölkerungszuwachs sowie die Entwicklung des Handwerks und der Städte ermöglichten nun einen völlig neuen einzigartigen Baustil: Die Gotik (5). Vom 12. bis 14. Jahrhundert entstanden zunächst in Frankreich gigantische Sakralbauten, die noch heute zu den eindrucksvollsten der Welt zählen (6). Mit ihren kunstvollen Bleiglasfenstern und filigranen Steinmetzarbeiten waren die lichtdurchfluteten Kathedralen der Gotik nicht nur einzigartige Kunstwerke. Sie galten in ihrer Zeit als Sinnbilder der Verheißung des Paradieses und der hochmittelalterlichen Allgegenwart des katholischen Glaubens, der Herrschaft von Priestern und Päpsten. Die Mittel für den Bau der mittelalterlichen Wolkenkratzer trieben die Bauherren über Spenden, Kollekten, Stiftungen reicher Bürger und Adelshäuser, später auch über Steuern und Ablasshandel ein.

Beginnend mit der 86 Meter hohen Basilika Saint-Denis (7), der ersten Kathedrale im gotischen Baustil, über die Großkirchen in Noyon (8), Beauvais (9), Notre-Dame de Chartres (10), Notre- Dame de Paris (11), Reims (12) und Amiens (13) breitete sich die Baukunst der Gotik über ganz Europa aus. Innerhalb von 100 Jahren sollten mehr als 20 gotische Kathedralen in der Region um Paris entstehen. In Deutschland finden sich die eindrucksvollen Zeugnisse der gotischen Kirchenarchitektur unter anderem in Köln, Ulm, Regensburg, Freiburg, Aachen und vielen weiteren Städten. (14)

Für diese rasante Entwicklung der Architektur benötigten die Baumeister der Gotik Kenntnisse in Statik und Physik, die sie oft nach dem Prinzip Versuch und Irrtum erlangten. So war die Kathedrale von Beauvais derart waghalsig und filigran in die Höhe getrieben worden, dass sie mehrmals in Teilen kollabierte und letztlich unvollendet bleiben musste. Heute wird sie durch moderne Stützkonstruktionen stabilisiert. (15)

Nicht nur die Macht der Kirche, sondern auch Handel, Handwerk, die Städte und das gerade im Entstehen begriffene Bürgertum profitierten von der technologischen Revolution durch den Bau der Kathedralen. Doch ausgerechnet dieses Bürgertum sollte bald für das Ende des Mittelalters sorgen, denn es förderte Bildung, Kunst, Handel, Wissenschaft und Kultur und führte zu einem blühenden intellektuellen und kulturellen Leben in städtischen Zentren wie Köln, Brügge und Florenz. Rund um die Ostsee entstand im 12. Jahrhundert ein frühes internationales Handelsnetzwerk, die Hanse (16). Sie umfasste über 200 Städte. Der Handel innerhalb Europas, später auch mit Russland und China brachte Reichtum in die europäischen Metropolen und verhalf dem Bürgertum zu Selbstbewusstsein.

Von Byzanz nach Florenz

Während in Europa mittelalterliche Verhältnisse herrschten, hatte sich in Konstantinopel, dem sogenannten Rom des Ostens, die Kultur der Antike teilweise bewahrt. Konstantinopel war eine multikulturelle und multiethnische Metropole und galt lange als uneinnehmbar. Im Verlauf des vierten Kreuzzuges jedoch wurde die Stadt 1204 eingenommen und geplündert (17). Viele europäischstämmige Künstler und Gelehrte, die sogenannten Lateiner, flohen daraufhin nach Italien, vornehmlich in die reiche und im Aufbruch befindliche Stadt Florenz, die ähnlich wie die anderen italienischen Stadtstaaten Rom, Venedig, Mailand und Neapel bereits in Form einer Republik von einem Gremium aus Magistraten verwaltet wurde. (18)

Die Einwanderer aus Byzanz trafen hier auf ein gut situiertes Bürgertum, dass der mittelalterlichen Düsternis überdrüssig geworden war und nach dem Wissen, der Kunst und Kultur der Antike dürstete. Man studierte die Schriften der alten Gelehrten, die teils von den aus Konstantinopel eingewanderten Intellektuellen mitgebracht, teils in Klöstern wieder entdeckt worden waren.

Die Oberschicht pflegte einen ausschweifenden Lebensstil, der auch um den Klerus keinen Bogen machte. So hielten sich Päpste des ausgehenden Mittelalters offen Mätressen und hatten Kinder, denen sie Ämter und Posten in klerikalen Umfeld verschafften. Ganz im Gegensatz zu christlichen Geboten herrschten allenthalben Korruption, Vetternwirtschaft, Sittenlosigkeit und Verschwendung. Widersacher im Kampf um Geld und Macht wurden skrupellos aus dem Weg geschafft. Es galt das Recht des Stärkeren.

Die Renaissance

Einhundert Jahre später herrschte in Florenz Cosimo de’ Medici, der Spross einer florentiner Bankiersfamilie. Sein Vater, Giovanni de’ Medici, hatte dem Papst Johannes XXIII. durch üppige finanzielle Zuwendungen auf den Stuhl Petri verholfen und war damit als „Bankier Gottes“ in die Machtelite von Florenz aufgestiegen. Von 1434 bis 1464 stand mit Cosimo eine der reichsten Familien in Florenz in Form einer informellen, auf persönlichen Beziehungen beruhenden Herrschaft an der Spitze der Macht, während die formelle Regierungsform eine Republik war.

In seiner Jugend in den 1430er Jahren hatte auch Cosimo de’ Medici begonnen, sich mit dem Wissen antiker Schriften zu beschäftigen und alte Bücher in Klöstern aufzuspüren. Das Werk „Der Name der Rose“ von Umberto Echo fängt den Beginn dieser Epoche meisterhaft ein. Es spielt in einem abgelegenen Benediktinerkloster im mittelalterlichen Italien des Jahres 1327 (19).

Als eines der ersten Resultate des neuen Geistes der Renaissance kann Filippo Brunelleschis Bau des Waisenhauses in Florenz (20) gelten, dem ersten neuzeitlichen Gebäude nach den Regeln der klassischen Baukunst. Nun war auch die Zeit gekommen, die Stadt Florenz endlich von einem Schandfleck zu erlösen: Der fehlenden Kuppel des Doms „Santa Maria del Fiore“, in den es seit über einhundert Jahren hineinregnete.

Kein Geringerer als Cosimo de’ Medici förderte als Mäzen den Bau der Kuppel, um den Ruhm seiner Familie zu mehren, seine Macht zu festigen und nicht zuletzt sich selbst ein Denkmal zu setzen. Die nun endlich durch Filippo Brunelleschi als Baumeister errichtete Kuppel des Doms wird oft als eines der ersten Bauwerke der Renaissance betrachtet, da sie innovative architektonische Prinzipien und Techniken der Antike wieder aufgriff und neue Standards setzte. Tatsächlich ist diese Lesart umstritten, denn die Kuppel weist auch bauliche Elemente der Gotik auf. Mit einem Durchmesser von 45,5 Metern ist sie die größte freitragende Kuppel der Christenheit und wurde von Michelangelos Kuppel des Petersdoms mit 42 Metern Durchmesser nicht übertroffen. Sie gilt noch heute als einer der bedeutendsten Kuppelbauten der Welt. (21)

Auch war es Brunelleschi, der die Zentralperspektive wieder entdeckte und so eine ganz neue räumliche Darstellung der Realität ermöglichte, die den Künstlern des Mittelalters nicht möglich war. Ihre Werke wirken flach und perspektivisch falsch, denn realitätsnahe Abbildungen entsprachen nicht ihrem Weltbild. (22)

Die nächste Generation der Medici unter Lorenzo de’ Medici baute das Mäzenatentum weiter aus. Künstler, Architekten und Gelehrte wie Michelangelo, Leonardo da Vinci, Raphael und Botticelli profitierten vom Reichtum der Familie und dem florierenden Kunstmarkt Norditaliens. Der „Palazzo Medici Riccardi“ in Florenz wurde von Michelozzo di Bartolomeo für die Medici in Stil der Renaissance erbaut.

Lorenzo de’ Medici, „der Prächtige“, herrschte von 1469 bis zu seinem Tod im Jahr 1492 in Florenz. Etliche weitere große Namen schmücken diese Jahrzehnte des Auf- und Umbruchs. Persönlichkeiten wie Niccolò Machiavelli, Christoph Columbus, Johannes Gutenberg, Thomas Morus und Martin Luther haben die Zeitenwende vom Mittelalter in die Renaissance geprägt. Ihre Erfindungen, Entdeckungen und humanistischen Ideen führten in die Neuzeit und prägen sie noch heute. (23) (24)

Der Endzeitprediger

Die gewaltigen Veränderungen im Florenz der beginnenden Renaissance, das ausschweifende Leben der Oberschicht und die gleichzeitige Armut der einfachen Menschen standen im krassen Gegensatz zu den christlichen Geboten. Bildung war nur den oberen Schichten vorbehalten. Die Menschen waren nach wie vor tief religiös und frönten allerlei Aberglauben. Sie sahen die Welt als Schauplatz für den Kampf zwischen Gut und Böse, Engeln und Dämonen. (25)

Brände, wie der von 1304, dem große Teile der Stadt Florenz zum Opfer gefallen waren, und die Pestepidemie, die zwischen 1347 und 1351 große Teile Europas heimgesucht hatte und auf ihrem Höhepunkt in Florenz mehrere Hundert Tote täglich gefordert haben soll, hatten sich tief ins gottesfürchtige Bewusstsein der Menschen eingeschrieben. Und so war es wenig verwunderlich, dass die Angst vor erneuten Strafen für die neue Lasterhaftigkeit die Menschen umtrieb. (25)

Es war die Zeit der Bußprediger. Mit eindringlichen Predigten und Katastrophenszenarien zogen sie durchs Land, riefen die Gläubigen zu Umkehr und Buße auf und prangerten die Ausschweifungen der Oberschicht sowie soziale Ungerechtigkeit an. Letzteres war bitter nötig, denn Doppelmoral und Dekadenz von Oberschicht und Klerus stanken buchstäblich zum Himmel, während das einfache Volk oft in bitterer Armut lebte.

Ein außergewöhnlich charismatischer Bußprediger Norditaliens machte mit besonders drastischen Prophezeiungen von sich reden: Girolamo Savonarola. Ab 1490 predigte er im Dom von Florenz zu tausenden Gläubigen, die gar nicht genug bekommen konnten von seinen düsteren Weltuntergangs-Prophezeiungen und ihn alsbald wie einen Heiligen verehrten.

Savonarola hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine beachtliche Karriere als Dominikaner Mönch hinter sich gebracht. Nach einem abgebrochenen Medizinstudium war er in ein Dominikaner Kloster eingetreten, hatte ein Studium Generale absolviert, war Novizenmeister in Ferrara und als Lektor im Kloster San Marco in Florenz tätig gewesen. 1484 soll er eigenen Angaben zu Folge Offenbarungen direkt von Gott erhalten haben und begann daraufhin sein Wirken als Endzeitprediger. Er prophezeite unter anderem den Tod des damaligen Papstes Innozenz III., Lorenzo de’ Medicis Tod und den baldigen Einmarsch der Franzosen unter Karl VIII., den er für einen Heilsbringer hielt, der Italien, speziell Florenz aber auch Klerus und Papst, von den Sünden befreien würde.

Das verängstigte Volk war begeistert, bekam es doch genau das von dem schwarzen Mönch gesagt, was es hören wollte. Seine Anhänger störten sich nicht daran, dass sowohl der Papst als auch Lorenzo de’ Medici bereits krank und ihr baldiger Tod absehbar war. Überdies waren die Pläne des französischen Königs allgemein bekannt. Dennoch wuchs die Reputation Savonarolas nach jeder eingetretenen Prophezeiung weiter. 1492, im Jahr als Christoph Columbus Amerika entdeckte, starb Lorenzo de’ Medici. Sein Nachfolger Piero hatte politisch keine glückliche Hand. Auch der Papst war wie prophezeit gestorben. An seine Stelle war der Borgia-Papst Alexander VI. berufen worden. Er hatte sieben Kinder von mehreren Frauen und diente mehr sich selbst und seiner Verwandtschaft, als Gott und der Kirche. Savonarola schrieb ihm: „Du hast den Wölfen den Weg geebnet und ihnen alle Macht gegeben, um dem Werk Christi Hindernisse in den Weg zu legen“. (27) (28)

Savonarola befand sich nun auf dem Höhepunkt seiner Macht. Ende 1494 jagten er und seine Gefolgschaft die Medici aus der Stadt und errichteten eine Art Gottesstaat unter der politischen und religiösen Führung Savonarolas.

Papst Alexander VI. wollte das Treiben des Mönchs nicht weiter dulden und beorderte Savonarola zu sich, doch der weigerte sich.

Daraufhin erteilte der Papst ihm zumindest Predigtverbot. Doch davon ließ der Prediger sich nicht beirren, im Gegenteil. Girolamo Savonarola wusste das verängstigte Volk hinter sich und setzte sich über das Wort des Papstes hinweg. Er legte dem Volk drakonische Regeln auf. Die Geschäfte mussten an Feiertagen schließen, es gab Aufforderungen zu fasten, kein Fleisch zu kaufen sowie sexuelle Enthaltsamkeit zu üben. Es war verboten, Frauen auf der Straße hinterher zu rufen und Karten zu spielen. Auf Betreiben Savonarolas wurden die Menschen aufgerufen, Verstöße gegen die Maßnahmen zu melden. Bei Zuwiderhandlungen drohte Folter.

Doch damit nicht genug. Savonarola rekrutierte Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 20 Jahren aus bürgerlichen Kreisen zu einer Art Kinderpolizei, die weiß gekleidet durch die Straßen zogen und im Namen Gottes Spenden für die Armen eintrieben. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Bald nahm diese Kinderpolizei den Händlern das Geld einfach ab. Sie raubten Frauen auf offener Straße ihren Schmuck und beschimpften sie. „Wie die Weiber der Mohammedaner sollen sie ihr Gesicht verhüllen“ (28), soll Savonarola gefordert haben. Homosexuelle wurden gefoltert, gebrandmarkt und mit dem Tode bedroht.
Die jugendlichen Fanatiker drangen in Häuser ein, um Luxusgüter und Geld aufzuspüren und zu stehlen. Weitere Verbote folgten. Bald standen auch Pferderennen, Tanz und Karneval unter Strafe. Das Volk sollte fasten, beten und büßen. Savonarolas Predigten wurden immer drastischer. Er war der Überzeugung, Florenz müsse ein Beispiel sein für die ganze Welt. Sein Licht müsse in die Welt leuchten und sogar Juden und Muslime würden sich bekehren. (28)

Am 7. Februar 1497 veranstaltete man in Florenz auf Betreiben Savonarolas das „Fegefeuer der Eitelkeiten“. Luxusgüter und Reichtümer, die die vandalierenden Horden der Kinderpolizei aus den Häusern der Florentiner gestohlen hatten, wurden auf der „Piazza della Signoria“ zu einem gigantischen Scheiterhaufen aufgeschichtet und angezündet. Bürger trugen sogar freiwillig ihre Habseligkeiten herbei. Auch der große Maler der Medici, Sandro Botticelli, war unter ihnen und warf einige seiner Gemälde in die Flammen. Später sollte er die Jahre unter Savonarolas Schreckensherrschaft als „Herabsendung Satans auf Erden“ bezeichnen. (28) (29)

Kurz darauf hatte der Papst genug vom Treiben des aufsässigen Mönchs in Florenz und exkommunizierte ihn am 13. Mai 1497 als „Ketzer und Verächter des Heiligen Stuhles“. Doch Savonarola war nicht zu stoppen.

Nun überschlugen sich die Ereignisse. Das zweite „Fegefeuer der Eitelkeiten“ fand fast ein Jahr später am 28. Februar 1498 statt. Aus Florenz war ein freudloses Jammertal geworden, ein totalitärer Gottesstaat. Und nun war auch noch die Pest zurück in der Stadt. Weniger schlimm als in den 1340er Jahren immerhin. Doch die Menschen deuteten dies als Strafe Gottes. Offensichtlich hatte Savonarola sie belogen.

Im April 1498 soll er sich einer Feuerprobe stellen, beweisen, dass er kein Ketzer ist. Dazu muss er durch eine Gasse aus brennenden Heuballen schreiten. Aber er zögert. Zweifelt er an der Unterstützung Gottes? Schließlich löscht ein Regenschauer das Feuer. Das Volk ist empört, fühlt sich betrogen. Die Stimmung in der Stadt wendet sich nun endgültig gegen den fanatischen Prediger. Im Mai 1498 zerrt eine Menschenmenge Girolamo Savonarola aus dem Kloster San Marco. Er wird verhaftet, gefoltert und als Ketzer zum Tode verurteilt. Auf der „Piazza della Signoria“, wo wenige Wochen zuvor noch die Reichtümer der Stadt in Flammen aufgegangen waren, wurde Girolamo Savonarola am 23. Mai 1498 gehenkt und sein Leichnam auf dem Scheiterhaufen verbrannt. (25) (29) (30)

Die Renaissance markiert den Schritt aus dem Mittelalter in die Neuzeit. Sie gilt als Beginn des Humanismus. Ihr folgten große Umwälzungen, darunter die Reformation, die Aufklärung, schließlich die modernen Demokratien und die Menschenrechte. Aus Savonarolas anfangs ehrenwertem Bemühen um soziale Gerechtigkeit war ein totalitärer Gottesstaat geworden. Doch den Lauf der Geschichte konnte der Weltuntergangsprophet nicht aufhalten.

Quellen und Anmerkungen

 

(1) https://www.fu-berlin.de/presse/publikationen/fundiert/archiv/ 2005_01/05-01_ertl/index.html

(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalter

(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Romanik

(4) https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/ 2022/09/klimawandel-im-mittelalter-vom-waermeoptimum-in-die-kaltzeit

(5) https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/ 2022/09/klimawandel-im-mittelalter-vom-waermeoptimum-in-die-kaltzeit

(6) https://www.nordfrankreich-erleben.com/darauf-habe-ich-lust/unsere-geschichte/7-gotische-kathedralen/

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Wir danken der Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Miti74 / shutterstock

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Kommentare (10)

10 Kommentare zu: “Die Zeitenwende | Von Anke Behrend

  1. wolfcgn sagt:

    Vielleicht doch eine "Zeitenwende"? Das schreckliche Leben unter Savonarola erinnert mich doch sehr an die Herrschaft der Grünen! Zerstörung von Kultur bis hin zum Fleischverbot, Vernichtung von Wohlstand, offene Kriegslüsternheit sowie die Aufstachelung der Kinder Fridays for Future!

    • _Box sagt:

      Phrasendrescherei zur Verschleierung von Machtverhältnissen. Die "Herrschaft" der Grünen, wohlgemerkt in Koalition mit SPD und 'Fahr doch Porsche,' und freundlich begleitet von der "Opposition," deren Funktion es ist tatsächlichen Widerstand aufzusaugen und in sichere Fahrwasser umzuleiten, die also den gleichen Herren dient, ergo, das gleiche Konzept , meist schriftlich, im Programm hat:

      "Westliche Demokratie" ist hohl: Reichtum regiert
      02. April 2018 Paul Schreyer

      Gedanken zu einer wenig beachteten und explosiven Regierungsstudie, die auf den Widerspruch zwischen Demokratie und konzentriertem Reichtum hinweist

      Manche Zusammenhänge sind so simpel und banal, dass sie leicht übersehen werden. Louis Brandeis, einer der einflussreichsten Juristen der USA und von 1916 bis 1939 Richter am Obersten Gerichtshof, formulierte es so: "Wir müssen uns entscheiden: Wir können eine Demokratie haben oder konzentrierten Reichtum in den Händen weniger – aber nicht beides."

      Hinter dieser Aussage stehen Erfahrung und Beobachtung, aber auch eine innere Logik: Wenn in einer Gesellschaft die meiste Energie darauf verwandt wird, Geld und Besitztümer anzuhäufen, dann sollte es niemanden überraschen, dass die reichsten Menschen an der Spitze stehen. Was wir als führendes Prinzip akzeptieren, das beschert uns auch entsprechende Führer. Und wo sich Erfolg an der Menge des privaten Vermögens bemisst, da können die Erfolgreichen mit gutem Grund ihren politischen Einfluss für recht und billig halten.

      Logisch erscheint es auch, wenn in einer solchen Gesellschaft die Regierung immer wieder gegen die Interessen der breiten Masse entscheidet.
      (…)
      Regierungsstudie untersucht Einfluss von Armen und Reichen

      Forscher vom Institut für Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück sind 2016 dieser Frage in einer aufwendigen empirischen Untersuchung nachgegangen. Ihre 60 Seiten lange Antwort lautet auf den Punkt gebracht: leider nein.

      Das Besondere daran: Die Studie wurde nicht von der Linkspartei, Attac oder den Gewerkschaften in Auftrag gegeben, sondern von der Bundesregierung selbst. Arbeitsministerin Andrea Nahles hatte 2015 den Anstoß gegeben. Sie wünschte sich eine solide Faktengrundlage für den damals in Vorbereitung befindlichen 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, in dem auch der politische Einfluss der Vermögenden wissenschaftlich untersucht werden sollte.

      Diesem Auftrag folgend hatte das Osnabrücker Forscherteam um Professor Armin Schäfer, Vizechef der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft, die "Responsivität" der deutschen Politik überprüft, also inwieweit die Regierung tatsächlich durch Beschlüsse und Gesetze dem Willen der Bevölkerung folgt.

      Diese Responsivität, oder "Bereitschaft zur Antwort", steht letztlich im Zentrum jeder Idee von Demokratie. Eine demokratische Regierung hat die Wünsche und Forderungen aller im Blick und handelt entsprechend. Der Auftrag der Bundesregierung, wissenschaftlich zu untersuchen, inwieweit sie diesen Anspruch selbst erfüllt, ließ aufmerken. Noch nie zuvor hatte eine deutsche Regierung das so grundlegend prüfen lassen.

      Die Autoren der Studie analysierten dabei zunächst anhand der regelmäßigen Meinungsumfragen von ARD-Deutschlandtrend die Ansichten der Bevölkerung in etwa 250 Sachfragen. Untersuchungszeitraum waren die Jahre von 1998 bis 2015. Dann glichen sie diese Ergebnisse mit dem Handeln der Regierung in den Jahren danach ab. Was wurde umgesetzt, was nicht?

      Die Analyse wies dazu noch einen entscheidenden Clou auf: Das Forscherteam unterschied die politischen Ansichten der Befragten gestaffelt nach deren Einkommen. Denn betrachtet man die Meinungen der einkommensschwächsten 10 Prozent (im Folgenden: "Arme") und die der einkommensstärksten 10 Prozent (im Folgenden: "Reiche"), dann ergeben sich teils drastische Unterschiede.

      So wurde etwa bei einer Deutschlandtrend-Umfrage im Jahr 1999 danach gefragt, ob Vermögende stärker zum Abbau der öffentlichen Verschuldung herangezogen werden sollten. 70 Prozent der Armen stimmten dem Vorschlag zu, aber nur 46 Prozent der Reichen. Die Regierung orientierte sich an Letzteren. Im Jahr 2000 wurde gefragt, ob das Rentenniveau gesenkt werden sollte. Nur 43 Prozent der Armen stimmten zu, jedoch 64 Prozent der Reichen. Ergebnis: Das Rentenniveau wurde per Gesetz gesenkt.

      2003, während der Diskussion um die Einführung der Hartz-Reformen, wurde gefragt, ob die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes gekürzt werden solle. Insgesamt gesehen war eine Mehrheit von 54 Prozent der Bevölkerung dafür. Betrachtete man aber die Einkommen getrennt, dann zeigte sich, dass zwar 69 Prozent der Reichen der Kürzung zustimmten, doch nur 44 Prozent der Armen. Gekürzt wurde trotzdem. Ein ähnliches Bild ergab sich bei der 2012 gestellten Frage, ob die Rente mit 67 rückgängig gemacht werden solle: 65 Prozent der Armen wollten das, aber bloß 33 Prozent der Reichen. Die Regierung folgte wieder dem Mehrheitswunsch der Wohlhabenden.

      Wie die Studie zeigt, existieren die zweitgrößten Meinungsunterschiede zwischen Armen und Reichen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Noch stärker sind die Differenzen bloß in der Außenpolitik. Als 2007 danach gefragt wurde, ob die Bundeswehr möglichst schnell aus Afghanistan abziehen solle, stimmten 75 Prozent der Armen zu, gegenüber 43 Prozent der Reichen. Die Regierung überging auch diesmal die Geringverdiener, der Militäreinsatz wurde zunächst sogar noch intensiviert.

      Je mehr Arme dafür sind, desto eher ist die Regierung dagegen

      Dass solche Beispiele, die man in der Studie nachlesen kann, keine Einzelfälle oder Ausnahmen sind, fanden die Forscher in akribischer Kleinarbeit heraus. Die Ergebnisse sind eindeutig. So heißt es in der Untersuchung:

      »Je höher das Einkommen, desto stärker stimmen politische Entscheidungen mit der Meinung der Befragten überein. (…) Was Bürger mit geringem Einkommen in besonders großer Zahl wollen, hatte in den Jahren von 1998 bis 2013 eine besonders niedrige Wahrscheinlichkeit, umgesetzt zu werden.«

      Mehr noch: Eine politische Regelung wurde nicht nur umso eher von der Regierung umgesetzt, je mehr Reiche sie unterstützten. Das hatte man ja fast schon erwartet. Nein, ein Vorschlag wurde von der Regierung auch umso eher abgelehnt, je mehr Arme dafür waren! Die Forscher sprechen hier von einem "negativen Zusammenhang". Sie schreiben wörtlich, dass "die Wahrscheinlichkeit auf Umsetzung sogar sinkt, wenn mehr Menschen aus der untersten Einkommensgruppe eine bestimmte politische Entscheidung befürworten." Das bedeutet, dass die Regierung die Armen nicht einfach nur ignoriert, sondern praktisch aktiv gegen sie arbeitet.

      Bei der Berücksichtigung der Ansichten der Mittelschicht sieht es laut der Studie ähnlich aus. Deren Forderungen werden von der Regierung annähernd im gleichen Maße ignoriert wie die der Armen. Das heißt konkret: Es ist für die Politik praktisch egal, wie viele Menschen aus der Mittelschicht eine bestimmte Veränderung wünschen. Es existiert jedenfalls so gut wie kein messbarer Zusammenhang zwischen der Zustimmungsrate für eine Forderung in der Mittelschicht und deren Umsetzung. Ein solcher Zusammenhang ist allein für die Wünsche der Einkommensstärksten nachweisbar, dort jedoch sehr deutlich.

      Was geschah nun mit diesen Forschungsergebnissen? Das Arbeitsministerium übernahm die Erkenntnisse der Studie nicht eins zu eins in den Armuts- und Reichtumsbericht, sondern fasste sie auf 18 Seiten zusammen und ordnete die Auszüge erklärend ein. Der ermittelte "negative Zusammenhang" zwischen Forderungen der Armen und deren Umsetzung wurde zwar kurz erwähnt, aber nicht weiter erläutert. Gleichwohl blieb die Kernaussage der Forschungsergebnisse zunächst erhalten.

      Das änderte sich allerdings, nachdem das Arbeitsministerium den Bericht im Oktober 2016 zur Abstimmung ans Bundeskanzleramt gesandt hatte. Dort zeigte man wenig Interesse an einer regierungsamtlichen Veröffentlichung solcher Tatsachen. Nicht dass die ermittelten Fakten angezweifelt worden wären, nein, wesentliche Teile des Berichtes wurden vom Kanzleramt einfach stillschweigend und ohne weitere Debatte gestrichen oder umgeschrieben.

      https://www.telepolis.de/features/Westliche-Demokratie-ist-hohl-Reichtum-regiert-4009334.html?seite=all

      Bei Einlassungen wie der ihren, geht es allein darum, andere Laufburschen am Futternapf wegzubeissen, um selbst dorthin zu gelangen. Also nicht darum die Sklaverei abzuschaffen, sondern um vom Sklaven zum Sklavenaufseher aufzusteigen.

    • wolfcgn sagt:

      "Das bedeutet, dass die Regierung die Armen nicht einfach nur ignoriert, sondern praktisch aktiv gegen sie arbeitet." ….. Dem kann ich einigermaßen folgen, weil ich nicht, wie Sie es darlegen, glaube, dass die Grünen uns regieren sondern die Geldmächtigen. und diese Geldmächtigen haben die von Ihnen beschriebene "Regierung" gekauft oder auf andere Art und Weise hörig gemacht. So leben wir denn ahnungslos mit der CO2-Lüge und der für sie lukrativen Kriegshysterie unter der grünen Knute, während die Geldmächtigen ihre Fluchtburgen auf der atomar weniger gefährdeten Südhalbkugel der Erde oder gar auf dem Mars suchen.
      ich denke, dass meine Chancen gering sind, an deren Futternapf zu gelangen ;-)

    • Nevyn sagt:

      «ich denke, dass meine Chancen gering sind, an deren Futternapf zu gelangen ;-)«

      Würden Sie das denn wollen?
      Kennen Sie den Preis dafür?

    • wolfcgn sagt:

      ich will doch nicht Box, Amilena etc dort verdrängen

    • _Box sagt:

      wolfcgn,

      plump, mit nationalistischer rassistischer Note. Wie sonst auch. Irgendwie süß, aber ich habe schon immer auf diese Funktionen, auch von Madame Baerbock, hier im Zusammenhang mit dem WEF, hingewiesen:

      »Zu den Auserwählten des Jahres 2020 gehörte Annalena Baerbock, Co-Vorsitzende der Grünen. Schon 2016 war neben dem heutigen französischen Präsidenten Emmanuel Macron auch der heutige Gesundheitsminister Jens Spahn in das Elite-Nachwuchsprogramm aufgenommen worden. Da die Welt groß ist und viele Eliten zu besetzen hat, gibt es entsprechend viele Young Leaders des Forums. Zu den über 1300 Mitgliedern und Absolventen des Programms zählen Vorstandschefs von Unternehmen, Regierungschefs, Minsiter und leitende Führungskräfte wichtiger gemeinnütziger Organisationen. Auch Gregor Hackmack, Mitbegründer und Geschäftsführer von abgeordnetenwatch.de und Deutschland-Chef von change.org, der weltweit größten Plattform für Online-Petitionen, gehört dazu. Er durchlief das Elite-Nachwuchsprogramm des Forums ab 2010.«

      https://staging.apolut.net/baerbocks-erfolg-in-kiew-von-thomas-roeper#comment-237404

      Nun, der Artikel von Anke Behrend ist zutiefst reaktionär und bleibt sehr an der Oberfläche, was sich nicht allein in der Wahl ihrer Quellen widerspiegelt. Der von ihnen kurze getätigte Kommentar, dessen Funktionweise ich dargelegt habe, verdeutlicht dies.

      Es war während des Lesens bereits offensichtlich, daß er nur einen Ausgang finden kann, die Auswahl der Person Savanolas, die Darstellung, der Einbau in oberflächliche historische Betrachtungen, diente allein der Diffamierung emanzipatorischer Anliegen und der Wahrung des Status quo, womit immer der aktuelle Status quo der Herrschenden, ungeachtet des permanent von diesen veranstalteten Gemetzels gemeint ist:

      »Die Renaissance markiert den Schritt aus dem Mittelalter in die Neuzeit. Sie gilt als Beginn des Humanismus. Ihr folgten große Umwälzungen, darunter die Reformation, die Aufklärung, schließlich die modernen Demokratien und die Menschenrechte. Aus Savonarolas anfangs ehrenwertem Bemühen um soziale Gerechtigkeit war ein totalitärer Gottesstaat geworden. Doch den Lauf der Geschichte konnte der Weltuntergangsprophet nicht aufhalten.«

      In diesem letzten Abschnitt diffamiert sie, besonders deutlich, jegliche Bemühung, bzw. Bewegung zur Verbesserung der Situation der Machtunterworfenen als ein Unterfangen das im Totalitarismus endet. Sie entdeckt irgendwo, also wo auch immer, Demokratien, ungeachtet der Tatsache, daß sie damit weit hinter aktuelle Erkenntnisse fällt. Und die Nennung der Reformation ist ein schlechter Witz, angesichts ihrer Natur eines innerelitären Zwists und Luthers Rolle bei der Beendigung als das angestrebte Ziel der Eliten erreicht war.

  2. _Box sagt:

    John Molyneux
    Ein Besuch im Museum – Anmerkungen zu Kultur und Barbarei
    (November 2014)

    »Denn die Kulturschätze, die er untersucht, haben ausnahmslos einen Ursprung, den er nicht ohne Entsetzen betrachten kann. Sie verdanken ihre Existenz nicht nur den Bemühungen der großen Geister und Talente, die sie geschaffen haben, sondern auch der anonymen Mühsal ihrer Zeitgenossen. Es gibt kein Dokument der Zivilisation, das nicht zugleich ein Dokument der Barbarei ist.«
    – Walter Benjamin, Thesen zur Philosophie der Geschichte

    Es liegt auf der Hand, dass Walter Benjamins Aussage über die so genannten Kulturschätze der Menschheit mit bestimmten Grundaussagen des historischen Materialismus übereinstimmt.

    Die gesamte Entstehung der "Zivilisation" beruhte auf der Spaltung der Gesellschaft in Klassen, d.h. auf Ausbeutung und Unterdrückung, und war mit dieser verbunden.Insbesondere die Entwicklung der "Kultur" und der "Künste", ob wir nun von Philosophie, Poesie, Drama, Architektur, Bildhauerei oder was auch immer sprechen, erforderte die Existenz einer sozialen Klasse, die von der Mühsal der Produktion ihrer eigenen Nahrung und anderer grundlegender materieller Bedürfnisse befreit war und somit in der Lage war, einen großen Teil ihrer Zeit gelehrten Beschäftigungen zu widmen, was wiederum voraussetzte, dass diese grundlegenden Tätigkeiten von anderen – Sklaven, Dienern und Bauern – für sie ausgeführt wurden.

    Darüber hinaus war die Aufrechterhaltung eines solchen Zustands nur mit der Entwicklung einer starken zentralen Autorität möglich, die über der Gesellschaft stand und praktisch das Monopol der entscheidenden physischen Gewalt ausübte, d. h. eines Staates, der bereit und in der Lage war, mit äußerster Barbarei zu handeln, wenn die Interessen der herrschenden Klasse es erforderten.

    Mir persönlich wurde jedoch erst durch den Besuch verschiedener Museen und Galerien klar, wie direkt und eng die Beziehung zwischen vielen der höchsten Errungenschaften der menschlichen Kultur und den Extremen der menschlichen Barbarei ist.

    Im Eremitage-Museum in St. Petersburg, einem Teil des Winterpalastes der Zaren, hängt Rembrandts Die Rückkehr des verlorenen Sohnes.

    Im Mittelpunkt dieses wunderbaren Gemäldes steht der Vater, der seine Hände auf den Rücken seines knienden Sohnes legt – eine Geste von außergewöhnlicher Zärtlichkeit, Liebe und Akzeptanz.

    Das Bild wurde 1766 von der Zarin Katharina der Großen für die Eremitage gekauft, die 1762 durch einen Staatsstreich gegen ihren Mann Paul III. auf den Thron kam und ihn ermorden ließ.

    Wenden Sie Ihren Blick von dem Gemälde ab und wenden Sie sich dem nahe gelegenen Fenster der Galerie zu. Es blickt auf die berüchtigte Peter-und-Paul-Festung, die sich direkt auf der anderen Seite der Newa befindet. Die Festung war natürlich der legendäre Ort, an dem politische Gefangene während des Zarenreichs inhaftiert waren. Im Jahr 1718 ließ Peter der Große dort seinen eigenen Sohn Alexej zu Tode foltern, weil er an einer Verschwörung beteiligt war.

    In Venedig gibt es die berühmte Seufzerbrücke, die vom Dogenpalast zu einem benachbarten Gebäude führt. Der Dogenpalast ist eines der wichtigsten Wahrzeichen Venedigs, das jährlich von Millionen Menschen besucht wird. Er enthält Werke von Tizian, Palladio, Tintoretto, Veronese, Tiepolo und vielen anderen Meistern. Die Seufzerbrücke ist ebenfalls eine berühmte Sehenswürdigkeit, unter der die Gondeln hindurchfahren.

    Aber nicht die romantischen Seufzer von Verliebten gaben der Brücke ihren Namen, sondern die Tatsache, dass die Brücke direkt vom Gerichtssaal im Palast zu den Kerkern und Folterkammern nebenan führte.

    Florenz ist die führende Stadt der Frührenaissance und eines der wichtigsten Kunstzentren der Welt – die Stadt von Giotto, Massaccio, Piero della Francesca, Botticelli, Leonardo und Michelangelo.

    Die Stadt hat zwei Hauptattraktionen: den außergewöhnlich schönen Dom mit seiner von Brunelleschi entworfenen Kuppel und dem von Giotto errichteten Campanile (Glockenturm) und die Piazza della Signoria mit einer Nachbildung von Michelangelos David, Cellinis großem Perseus und dem prächtigen Palazzo Vecchio.

    Im Jahr 1478 spitzte sich ein seit langem bestehender Konflikt zwischen der Familie Medici, die damals in Florenz herrschte, und ihren Bankiersrivalen, der Familie Pazzi, zu.

    Im Bündnis mit den Silviatis (päpstliche Bankiers in Florenz) und mit der stillschweigenden Unterstützung von Papst Sixtus IV. starteten die Pazzi einen Staatsstreich. Am Sonntag, dem 26. April, griffen sie während des Hochamtes im Dom vor 10.000 Menschen Lorenzo und Giuliano de Medici an. Giuliano wurde neunzehn Mal niedergestochen und verblutete auf dem Boden der Kathedrale, doch Lorenzo entkam verwundet und rief seine Anhänger zusammen, die zum Gegenangriff übergingen und die Verschwörer festnahmen und töteten. Einer von ihnen, Jacopo de Pazzi, wurde aus einem Fenster des Palazzo geworfen, nackt durch die Straßen geschleift und in den Fluss Arno geworfen. Andere wurden öffentlich an den Wänden des Palastes aufgehängt.

    Zwanzig Jahre später, 1498, wurde der radikale Prediger Girolamo Savanarola, der die Korruption der Kirche anprangerte und von Botticelli und Michelangelo sehr bewundert wurde, auf der Piazza della Signoria gehängt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt, nachdem er vom Strappado gefoltert worden war. [1]

    Diese Einheit der Gegensätze zwischen Kultur und Barbarei ist nirgendwo so deutlich wie in Rom. Das Rom der Hochrenaissance und der Sixtinischen Kapelle von Michelangelo war natürlich auch das Rom des Papsttums (das zu verschiedenen Zeiten von den Borgias, den Medicis, den Della Roveres und den Farnese ausgeübt wurde), das für seine Korruption, Dekadenz und mörderischen Intrigen legendär war und das zusammen mit den Jesuiten und der Inquisition auf dem Konzil von Trient im Jahr 1545 die Gegenreformation einleitete. Das Rom des Petersdoms und der Vatikanischen Museen ist also auch und gleichzeitig das Rom der brutalen Unterdrückung wie der öffentlichen Verbrennung von Giordano Bruno auf dem Campo de' Fiori wegen des "Verbrechens" der Ketzerei.

    Aber es sind die Ruinen und die Kunst des antiken Roms – das Kolosseum, das Forum, die Kapitolinischen Museen, die Thermen von Caracalla – die das Verhältnis von Kultur und Barbarei am deutlichsten verkörpern.

    Das liegt daran, dass sie so eng mit der Institution der Sklaverei verbunden waren und sind. Das Kolosseum, selbst in seinem zerstörten Zustand, ist ein Bauwerk von beeindruckender Pracht, aber der Zweck, dem es diente, war unsagbar: das systematische Abschlachten von Menschen und Tieren zum "Sport".

    Leider hat die Abhängigkeit der Kunst von der Barbarei bis heute nicht aufgehört, obwohl die Verbindungen eher indirekt und weniger offenkundig sind. Das New Yorker Museum of Modern Art, das allgemein als das einflussreichste Museum in der Geschichte der modernen Kunst gilt, wurde von der Rockefeller-Familie gegründet und geleitet, die ihr riesiges Vermögen mit Standard Oil (dem Vorläufer von ExxonMobile) anhäufte; kein Leser dieser Rezension sollte an die Verbindung zwischen Blut und Öl erinnert werden müssen. Ein weiteres der führenden amerikanischen Kunstmuseen, The Getty in Los Angeles, basiert ebenfalls auf Ölgeldern – in diesem Fall auf dem Vermögen, das Jean Paul Getty über die Getty Oil Company angehäuft hat. Das zweitwichtigste Museum für moderne Kunst in New York ist das Guggenheim, das in einem berühmten, von Frank Lloyd Wright entworfenen Gebäude untergebracht ist. Das Guggenheim unterscheidet sich vom MOMA und dem Getty dadurch, dass es nicht durch Ölgelder, sondern durch den Goldabbau im Yukon entstanden ist.

    Es stellt sich daher die Frage, welche Auswirkungen diese enge Verbindung zwischen Kultur und barbarischer Unterdrückung hat. Eine Ansicht, die von Tyrannen, Herrschern und ihren Vertretern und Apologeten gerne vertreten wird, ist, dass die kulturellen Errungenschaften die Barbarei rechtfertigen oder erlösen. Dies wurde von dem zutiefst zynischen Harry Lime in Der dritte Mann prägnant ausgedrückt.

    Wie der Mann sagt, gab es in Italien 30 Jahre lang unter den Borgias Krieg, Terror, Mord und Blutvergießen, aber sie brachten Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance hervor. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe – sie hatten 500 Jahre Demokratie und Frieden, und was hat das gebracht? Die Kuckucksuhr.

    Die gegenteilige und meines Erachtens vorzuziehende Position ist, dass keine noch so wunderbare Kunst auch nur ein einziges Menschenleben wert ist. Dann gibt es noch die in linken und radikalen Kreisen verbreitete Haltung, dass alle Kunst und Kultur der Vergangenheit und alle "etablierte" Kunst der Gegenwart so sehr von der Barbarei und Brutalität der herrschenden Klassen kontaminiert und darin verwickelt ist, dass sie zugunsten einer neuen "Volks-" oder Arbeiterkunst völlig abgelehnt werden sollte. Diese Ansicht vertraten beispielsweise die Dadaisten in Zürich während des Ersten Weltkriegs. Sie argumentierten, dass die Kultur und die Kunst der Vergangenheit zu dem Massengemetzel in den Schützengräben geführt hatten, das 10 Millionen oder mehr Menschenleben forderte, und dass sie es daher verdienten, abgeschafft und zerstört zu werden. Eine ähnliche Position vertrat die Bewegung der proletarischen Kultur (bekannt als Proletcult) in Russland unmittelbar nach der Revolution von 1917; sie lehnte alle "bürgerliche" Kunst im Namen einer neuen Kunst der Arbeiterklasse ab, die sie glaubte, gerade zu schaffen.

    Walter Benjamin selbst, mit dessen Beobachtung dieser Artikel begann, hielt sich nicht mit einer völligen Ablehnung auf, sondern kam zu dem Schluss, dass der historische Materialist die kulturellen Schätze der Vergangenheit "mit vorsichtiger Distanz betrachtet", weil sie "einen Ursprung haben, den er nicht ohne Schrecken betrachten kann".

    Die klassischen Marxisten wie Marx und Engels, Lenin, Trotzki und Rosa Luxemburg betrachteten die große Kunst der Vergangenheit jedoch etwas weniger distanziert und eher positiv.

    Sie vertraten die Auffassung, dass dieses kulturelle Erbe – trotz seiner Wurzeln in der Sklaven-, Feudal- und kapitalistischen Gesellschaft – etwas ist, das die moderne Arbeiterklasse nicht ablehnen oder zerstören, sondern von der Bourgeoisie übernehmen und den Massen zugänglich machen sollte. So ist bekannt, dass Marx ein großer Liebhaber der Literatur des antiken Griechenlands, insbesondere von Aischylos, und von Shakespeare war. Engels bewunderte Balzac (trotz seiner reaktionären Ansichten) besonders für seine realistische Darstellung der französischen Gesellschaft. Lenin hielt die Pläne des Proletkultes für einen eher jugendlichen Ultralinkismus, und Trotzki verteidigte Dante, Shakespeare und Puschkin mit der Begründung, dass die Lektüre ihrer Werke, unabhängig von ihrer offenen politischen Haltung, die menschliche Persönlichkeit und unser Verständnis des Lebens bereichern würde.

    Zur Untermauerung der letztgenannten Position möchte ich hinzufügen, dass das "kulturelle Erbe" der Menschheit zwar von den herrschenden Klassen beherrscht und weitgehend in deren Besitz war und ist und daher unvermeidlich mit ihrer Barbarei verbunden und von ihr befleckt ist, dass aber auch die Beziehung zwischen der Kunst (und den Künstlern) und den Herrschenden von vielen Widersprüchen geprägt ist.

    Die Familie Medici beispielsweise beherrschte Florenz während der Renaissance und danach [4] und war auch ein Gönner des jungen Michelangelo. Dennoch gab es auch Widerstand gegen die Herrschaft der Medici, und Michelangelos David wurde vom Stadtrat in Auftrag gegeben, um den Erfolg der Stadt bei der Absetzung der Medici zu feiern, und es ist klar, dass Michelangelo selbst den Medici feindlich gesinnt war, so wie er auch Konflikte mit Papst Julius II. hatte, der die Decke der Sixtinischen Kapelle in Auftrag gab. In ähnlicher Weise mögen die Zaren Gemälde von Rembrandt gekauft haben, aber Rembrandt selbst und seine Kunst waren ein Produkt der niederländischen Revolution, die im Großen und Ganzen antiimperialistisch und fortschrittlich eingestellt war. [5] Und das MOMA der Rockfeller-Familie in New York mag Picasso gefördert haben, aber Picasso war ein Linker und eine Zeit lang auch ein Kommunist. Selbst wenn die Künstler in keiner Weise radikal sind, verkörpern ihre Werke oft Werte, die weitaus humaner sind als die der skrupellosen Tyrannen und milliardenschweren Ausbeuter, für die sie schließlich arbeiten.

    Es ist die Klassengesellschaft, nicht die Kunst selbst, die dafür sorgt, dass künstlerische Errungenschaften auf barbarischen und ausbeuterischen Grundlagen beruhen, und obwohl Künstler auf verschiedene Weise darum kämpfen können und dies auch tun, um sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien, ist dies letztlich ein Widerspruch, der nur durch die Abschaffung der Klassengesellschaft gelöst werden kann.

    Ich bin sicher, dass wir nach der Revolution viele positive Verwendungszwecke für das ehrfurchtgebietende Kolosseum finden können, einschließlich einer Ausstellung über Spartacus und die großen Sklavenaufstände.

    https://www.marxists.org/history/etol/writers/molyneux/2014/11/museum.htm

    P.S.:
    Und danke Anke Behrend, Spannende Quellenlage, gibt es da auch mal eine glaubwürdige, die z.B. nicht völlig reaktionär ist? Wikipedia über Springers Welt Jan von Flocken, also Compact, sogar mit eisernem Kreuz auf'em Umschlag und Büchern zu Kriegern- und Feldherrenverehrung bis zum Deutschlandfunk.

    Und sicherlich konnten die "Indianer" ihr Glück kaum fassen bei der "Enteckung" durch Kolumbus, ebenso wenig wie die Bauern den Luther:

    »Der Esel will Schläge haben, und der Pöbel will mit Gewalt regiert sein. Das wusste Gott wohl; drum gab er der Obrigkeit nicht einen Fuchsschwanz, sondern ein Schwert in die Hand.«
    (Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, 1525)

  3. Quin Igitur sagt:

    Das hier skizzierte Bild des Mittelalters (bei dem anscheinend Wikipedia als Hauptquelle fungierte) entspricht zwar den gängigen Klischees – „nur wenig zivilisatorischen Fortschritt“, weitgehende Stagnation im Bereich der Wissenschaft und somit tausend Jahre „Durststrecke“ zwischen Altertum und Renaissance – wird in dieser verkürzenden Einseitigkeit in der Forschung jedoch kaum noch vertreten.

    Erstens verkennt die damit einhergehende Reduzierung eines immerhin ganzen Millenniums auf „Gottesfurcht, Aberglauben und kurze Lebenserwartung“ die zum Teil erheblichen regionalen wie kontextuellen Differenzen. Zweitens unterschlägt sie eine ganze Reihe höchst innovativer Ideen und Errungenschaften, die den späteren Renaissance-Gelehrten als die sprichwörtlichen Riesen-Schultern dienten, von denen ausgehend sie manche ihre Konzepte erst entwickeln konnten (namentlich die „Vorarbeit“ von Roger Bacon, Thomas von Aquin und zahlreichen Scholastikern war hier – auf jeweils unterschiedliche Weise – bedeutend). Drittens schließlich werden generalisierende Plattitüden nach Art von „Der Mensch galt als durch und durch sündig. Leid, Qualen und Tod waren die verdienten Strafen für seine pure Existenz.“ der Vielfältigkeit der mittelalterlichen Theologie und Philosophie nicht einmal ansatzweise gerecht.

    Das nur als ganz knappe Vorbemerkung (wobei sich diese „Problemliste“ noch gut weiterführen und vertiefen ließe), denn eigentlich möchte ich in erster Linie auf einen anderen interessanten Punkt hinaus, welcher unmittelbar an eine Diskussion anknüpft, die wir hier vor einigen Tagen in einem anderen Faden hatten. Dabei geht es um einen Aspekt, der zum einen den Denkstil der mittelalterlichen und der meisten großen Renaissance-Gelehrten verbindet (in d i e s e m Bereich lässt sich also bezogen auf die Zeit um 1500 mitnichten von einer klaren „Zeitenwende“ reden) und zum anderen gegenüber dem heutigen als „wissenschaftlich“ beworbenen Denken im schärfsten möglichen Kontrast steht.

    Und dieser Kontrast ist deshalb so scharf, weil er die grundlegendsten V o r a n n a h m e n betrifft, auf denen das gesamte Gebäude des jeweiligen wissenschaftlichen Weltbildes aufgebaut ist. Und im Mittelalter wie in der Renaissance war dieses vor allem ganzheitlich und sinnhaft.

    Ganzheitlich heißt in diesem Fall, dass einzelne Wissensbereiche nicht als getrennt voneinander behandelt wurden – deshalb musste ein damaliger discipulus auch so viele verschiedene „Künste“ studieren. Einem mittelalterlichen Gelehrten, und wohl auch einem Universtitätsabsolventen, wäre der Gedanke, dass alles n i c h t miteinander verbunden sein könnte, wahrscheinlich ganz und gar absurd vorgekommen. Was heute unter dem Namen „Interdisziplinarität“ wieder an Popularität gewinnt (aber auch nur in sehr eingeschränktem Maße), war in der damaligen Akademie selbstverständlich.

    Und dass dies so war, resultierte eben im Wesentlichen aus dem zweiten, genannten Merkmal, sprich der Sinnhaftigkeit. Für mittelalterliche und frühneuzeitliche Gelehrte war das Universum auf allen Ebenen (!) einem göttlichen Plan gemäß geordnet – nichts darin trug sich zu, „weil es sich halt zufällig so ergeben hat“. Sehr gut erkennbar wird dies an den großen „enzyklopädischen“ Werken der Zeit, also den Versuchen, das „gesamte Wissen“ der Welt an einem Ort zu vereinigen. Von den Etymologiae Isidors von Sevilla, über Rabanus‘ De rerum naturis bis hin zu Bacons Opus maius diente die Darstellung von Wissen und Informationen dem Aufzeigen und Erfüllen der heiligen Ordnung.

    Wenn wir uns nun vergegenwärtigen, dass die Entsprechung von Mikro- und Makrokosmos einer der wichtigsten Pfeiler dieser Ordnung war, werden wir vielleicht auch begreifen, weshalb die heute meist belächelte und in die Schamecke der „Pseudowissenschaften“ verdrängte Astrologie noch im 16. Jh. für viele Denker eine der „Königsdisziplinen“ der Wissenschaft darstellte, die für die Betrachtung von Geschichte oder Planung von Feldzügen als ebenso unabdingbar galt wie für medizinische Praxis. Wer allerdings davon ausgeht, dass Leben deshalb entstanden ist, weil halt irgendwann vor Milliarden von Jahren mal ein paar Atomkerne zufällig und grundlos irgendwie miteinander reagiert haben, wird mit solchen „überholten Relikten des Aberglaubens“ (passt freilich zur heutigen Walpurgisnacht) in den meisten Fällen nicht viel anzufangen wissen…

    Doch das ist das Thema für einen anderen Beitrag. Dieser hier ist ja lang genug geraten…

  4. Nevyn sagt:

    Das Pendel der Geschichte schlägt immer nach beiden Seiten aus.
    Häufig beginnt eine neue Entwicklung mit dem Wunsch, eine zu lange in eine Richtung getragene und damit degenerierte Idee aufzuhalten und hat daher auch viele Anhänger. Doch man findet kein Ende, keine rote Linie und treibt die neue Entwicklung wiederum in die Dekadenz, ins Extrem.

    Der Ursprung des Gedankens derRepublik mag darin liegen, diese unguten Entwicklungen dadurch auszugleichen, dass man das Gegenteil immer mit einbezieht und so extremistische Tendenzen verhindern kann. Nur leider ziehen Menschen, einmal an die Macht gekommen, alles an sich und schreiten dann in ihrem pseudoreligiösen Wahn immer mehr in eine totalitäre Richtung, indem sie oppositionelle Bewegungen auschalten, die eine Korrektur ermöglichen würden.
    Auf diese Art werden wir auch weiterhn von einer Katastrophe in die nächste stürzen. Es gibt keine Heilslehre. Das Heil liegt im Ausgleich zwischen den Polen.

  5. klauspeterkostag@googlemail.com sagt:

    Wäre fast eine prima Story geworden . Mit jenem Titel jedoch haben Sie, Frau Behrend, das Thema verfehlt. Denn "Die" Zeitenwende gibt es nicht. Nämlich: Welche Zeitenwende? Die erste nach dem Urknall, oder Zeitenwende Nr. 125, die jeweilige wenn sich grad eben ein "REICH" oder ein "IMPERIUM" suizidös das eigene Grab geschaufelt hatte ? Kleiner Tip:
    "Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen" definierte ein Autor vor etwa 180 Jahren. Ein Wissenschaftler der außer scharfsichtig Geschehnisse, Prozesse erkannte und scharfsinnig zu analysieren verstand. Der war auch in seinen Titeln tiefsinniger. Hatte doch seinerzeit ein Amateurphilosoph ein (Mach)werk mit dem Titel "Die Philosophie des Elends" verbrochen und unser Spötter nannte seinen notwendigen Verriss "Das Elend der Philosophie".

    Ne Reparatur vons Janze brächte bereits eine harmlos unverfängliche Ersatzüberschrift:

    "Zeitenwenden – aktenkundige Zeugen von Wandel, des einzig Beständigen,"
    oder
    .
    "Der aktuelle Stand des Irrtums – Meinung, Glaube, Wissenschaft"

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