Diktat aus Washington | Von Rainer Rupp

Schluss mit deutschen Tricks – Russland ist der Feind!

Ein Kommentar von Rainer Rupp.

Man muss es den Amerikanern lassen: Wenn jemand weiß, wie man eine angeblich “souveräne” Nation wie Deutschland so richtig an die Leine nimmt, dann sind sie es. Angesichts des offensichtlichen Debakels der US/NATO/EU-Blase in der Ukraine kommen nun deutliche Befehle aus Washington, die vor allem an uns Deutsche gerichtet sind, dass wir nämlich auf gar keinen Fall auch nur daran denken sollen, unsere Beziehungen zu Russland zu verbessern. Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz’ harmloser Versuch letzte Woche, seine Fühler nach Moskau auszustrecken, um vielleicht irgendwann mal wieder mit Wladimir Putin zu sprechen, war in Washington sofort auf maximalen Argwohn gestoßen.

Das Verhalten der US-amerikanischen Imperialisten ist nachvollziehbar. Sie haben zwar in den letzten Jahren etliche schwere geo-strategische Rückschläge einstecken müssen, aber sie fühlen sich immer noch als die Herren des Universums und – was besonders gefährlich für uns alle ist – sie treten auch weiterhin so auf, was leicht zu unkontrollierbaren Eskalationen in den vielen aktuellen Konfliktherden führen kann, die Washington allesamt geschürt hat. Man fühlt sich an den großdeutschen Chauvinismus erinnert, er zum Ersten Weltkrieg führte:

„Viel Feind, viel Ehr“.

In den ihren Stellvertreterkrieg in der Ukraine, der Russland strategisch schwächen sollte, haben die neo-liberalen Globalisierer in Washington viel geo-politisches und militärisches Kapital investiert, das sie so schnell nicht abschreiben wollen. Und von möglichen Friedensinitiativen einiger läppischer Vasallen in Europa, werden sie sich nicht die Suppe versalzen lassen. Daher ist auch nachvollziehbar, dass Washington auf jeden Fall darauf besteht, dass der Keil, den es zwischen Deutschland und Russland getrieben hat, weiter tief sitzt und nicht so schnell von deutschen Friedentäubchen gelockert werden kann. In diesem Sinne hat sich pünktlich zum Jahrestag der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines denn auch das Magazin für amerikanische Kriegspropaganda Foreign Policy (FP) zu Wort gemeldet.

In dem Artikel mit dem Titel “Wie man Deutschland daran hindert, seine ‘alten Russland-Tricks’ wieder auszupacken“, finden wir eine glänzende Lektion, wie man diese bösen Deutschen, mit ihren gefährlichen – auf Willy Brandts Ostpolitik zurückgehende „Handel bringt Wandel“ Ideen- ausbremsen kann. Verfasst von den erlauchten Geopolitik-Gurus John E. Herbst und Benjamin L. Schmitt, fordert der Artikel unmissverständlich: Deutschland müsse aufhören zu glauben, es könnte wieder zu dem Status vor dem Krieg zurückkehren und wieder Geschäfte mit Moskau machen. Denn Russland, so die beiden FP-Einpeitscher, habe schließlich “jahrzehntelang” Energie als Waffe eingesetzt, und nur Amerika kann Deutschland vor sich selbst retten. Vergesst nicht:

Nur die Amerikaner wissen, was gut für Deutschland ist!

Herbst und Schmitt fordern dann auch mit aller Macht, Sanktionen gegen die russischen Gaspipelines zu verlängern. Schließlich könnte Deutschland ja wieder versuchen, günstiges Gas zu kaufen – und wo kämen wir da hin, wenn dadurch Deutschlands Abhängigkeitsverhältnis von den USA reduziert würde?

In dem Artikel der beiden FP-Autoren wird zudem deutlich, dass sie die deutsche “Neue Ostpolitik”, die das Ende des Kalten Kriegs einleitete, zutiefst verachten. Für die beiden bekennenden Russenhasser war das nichts anderes als dumme, längst vergangene Romantik der Ära von Willy Brandt, Gerhard Schröder und angeblich auch Angela Merkel. Allesamt naive Träumer, die dachten, man könne Wandel durch Handel erreichen. Wie töricht! Denn jeder weiß doch, dass nur die USA das Recht haben, anderen Ländern vorzuschreiben, wie sie zu leben und zu handeln haben.

Und dann haben die Herren Herbst und Schmitt auch noch ein Hühnchen mit der deutschen Wirtschaft zu rupfen, die – so ihre Behauptung – schon viel zu lange einen Übergroßen, pro-russischen Einfluss auf die deutsche Politik hat. Das kommt davon, wenn die Deutschen ihre Profite über amerikanische Ideale stellen! Das muss aufhören, und zwar sofort, so die Forderung der beiden FP-Autoren.

Im weiteren Text ihres Pamphlets haben es sich die Autoren zur Aufgabe gemacht, endgültig mit der deutschen und europäischen Entspannungspolitik abzurechnen. Diese “Torheit” habe es nur erlaubt, dass Deutschland seine “schmutzigen Energiebeziehungen” mit Moskau unter einem Deckmantel verstecken konnte. Ex-Kanzler Schröder wird u.a. dafür verurteilt, Nord Stream 1 auf den Weg gebracht zu haben, und Merkel ist auch nicht besser, weil sie Nord Stream 2 durchgedrückt habe – trotz angeblicher russischer Verbrechen wie Cyberangriffe und Morde an Dissidenten.

Es scheint, als wäre Deutschland aus Sicht der beiden Autoren eine einzige Nation von Verrätern am amerikanischen Heilsprojekt der Chaos basierten, globalen Unordnung, weil sie angeblich wagen, im Eigeninteresse zu handeln. Das zeigt allerdings, wie unterschiedlich doch die Wahrnehmungen sein können, denn von hier aus gesehen fällt mir kein einziger Punkt ein, wo die Ampel-Regierung nationalen deutschen Interessen der Vorrang über Vorgaben aus Washington gegeben hätte.

Und Olaf Scholz bekommt auch sein Fett ab. Natürlich konnte der auch nicht widerstehen. Laut Herbst und Schmitt ist Scholz unzuverlässig und wankelmütig. Selbst nachdem Scholz schließlich die “Zeitenwende” verkündet hatte, „um Russland die Stirn zu bieten“, blieb er für die FP-Autoren nicht verlässlich genug. Deutschland sei jetzt zwar der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine – nach den USA, selbstverständlich –, aber das reiche nicht aus. Denn Deutschland hat es tatsächlich gewagt, seine Militärhilfe für die Ukraine zu kürzen. Skandalös! Und dann versuche sich Scholz auch noch als “Friedenskanzler” zu inszenieren. Was für eine Frechheit, in einem Jahr vor den Wahlen!

Was für die beiden außenpolitischen Koryphäen wirklich zählt, sind die Interessen neoliberalen US-Eliten und Globalisierer. Und diese Interessen verlangen, dass Deutschland auf keinen Fall wieder mit Russland ins Geschäft kommt. Herbst und Schmitt sind sich da einig: Deutschland darf unter keinen Umständen seine “alten Tricks” wieder auspacken. Aber keine Sorge, die USA werden schon sicherstellen, dass das nicht passiert. Der US-Kongress wird natürlich die Sanktionen gegen Nord Stream 2 verlängern – eine absolute Selbstverständlichkeit.

Und falls Berlin doch auf die absurde Idee kommen sollte, sich gegen Washingtons Willen zu stellen? Nun, dann wird es keine Konzessionen geben. Deutschland hat gefälligst die amerikanischen Regeln zu befolgen, sonst gibt es “keinen Frieden und keine Stabilität” in Europa – zumindest nach den Vorstellungen dieser beiden brillanten Denker.

Natürlich fordern die Autoren auch noch ein neues Gesetz für Deutschland, das es ehemaligen Politikern verbietet, für russische Unternehmen zu arbeiten. Denn wir wissen ja alle, wie gefährlich das ist. Zum Schluss liefern Herbst und Schmitt noch die brillante Erkenntnis:

Die amerikanische Europapolitik dürfe „nicht mehr so einseitig auf die Meinung Berlins hören”.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Lightspring / shutterstock

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Kommentare (15)

15 Kommentare zu: “Diktat aus Washington | Von Rainer Rupp

  1. wda13 sagt:

    > … das Magazin für amerikanische Kriegspropaganda Foreign Policy (FP)
    schön formuliert
    > In dem Artikel mit dem Titel “Wie man Deutschland daran hindert, seine ‘alten Russland-Tricks’ wieder auszupacken“
    da wäre Verlinkung nice-2-have, und der Originaltitel nett & hilfreich

    • wda13 sagt:

      "Argument
      An expert's point of view on a current event.
      Don’t Let Germany Go Back to Its Old Russia Tricks
      How Washington can make sure that Berlin’s Gazprom era is over."
      https://foreignpolicy.com/2024/09/25/germany-russia-gas-nordstream-pipeline-sanctions-us-congress-putin-scholz-schroeder-gazprom/
      "Moscow’s decadeslong weaponization of energy against Europe became an incontrovertible fact in late 2021 and early 2022, when the Kremlin throttled natural gas deliveries to stop Germany and other European countries from aiding Ukraine. To make sure that Russia cannot use energy to wage war again, it’s time for the United States to yada xadda dadadda …"

      *brilliant*

  2. bekir sagt:

    "Nur die Amerikaner wissen, was gut für Deutschland ist!"

    Als ironisch-bissige Bemerkung zur anmaßenden Bevormundung eines angebliche besten Freundes: o.k.
    Sachlich-nüchtern analysiert, haben die Amis aber nicht vor, uns zu unserem Glück zu zwingen.

    Sie zwingen – soweit in ihrer Macht – Freund und Feind zu dem, was in ihrem eigenen US-Interesse ist. Und obwohl sie die Funktionstüchtigkeit treuer Vasallen gerne zu ihrem Vorteil ausbeuten, sind sie nicht einmal bereit, auf Sabotage gegen diese Funktionstüchtigkeit zu verzichten.

    Denn ihr erstes Ziel ist, die eigene Vormachtstellung unhinterfragbar zu machen, möglichst schon für alle Zeiten.
    "America first / Make America great again": Das brüllt nur Trump so offen und plump heraus.
    Es ist aber die Politik so gut wie aller US-Präsidenten bzw. des Apparates hinter ihnen.

    "Full spectrum dominance": das ist für einen aufsteigenden Staat (oder einen im Zenit seiner Macht stehenden) fast ein Selbstläufer. Wenn die eigene Stärke schwindet (wie beim aktuellen Noch-Hegemon), muss man umso mehr den anderen – potenziellen Konkurrenten – fleißig Knüppel zwischen die Beine werfen, damit der Abstand gewahrt bleibe.

    Das von einer buchstäblich heimlich-unheimlichen Sabotage (bevorzugt gegen "Freunde": North Stream) über Stellvertreter- und Abnutzungskriege (Ukraine, Arabellion) bis hin zum offenen Krieg – der gegen China für nächstes Jahr schon angekündigt wurde.
    Letzterer wird aber vermutlich doch nur als verdeckter Krieg (Wetter-/Virus-Waffen?) geführt werden können, denn den atomaren Suizid wollen die Amis klugerweise noch vermeiden.

    Die kriegslüsterne europäische Elite hat dagegen Schaum vorm Mund und springt über jedes Stöckchen, das der Hegemon ihr hinhält. Irgendjemand muss uns den Selbsterhaltungstrieb abtrainiert haben – per "Nudging", wie man das seit Corona so schön neudeutsch nennt?

    Um unseren Kontinent aus dem aus dem Wahn zu wecken, hätte der Artikel das "Diktat aus Washington" besser in einen historischen Kontext setzen sollen, der von Mckinders "Herzlandtheorie" über George Friedmans STRATFOR-Pressekonferenz 2015 bis zum Papier der RAND Corp. von 2019 ("Overextending and Unbalancing Russia") zeigen kann, wie emotionslos-eiskalt und skrupellos-zielstrebig – aber erstaunlich offen kommuniziert – das "divide et impera" der alten Römer in einer neuen Extrem-Form praktiziert wird,
    https://www.rand.org/pubs/research_briefs/RB10014.html

    Egal, ob dumm, feige oder verblendet: Dass oftmals sogar vorab und offen aufgeklärte Opfer dennoch (oder erst recht) in ihren angekündigten Untergang laufen, konnte man zu meiner Zeit noch in der Schule lernen:
    "Biedermann und die Brandstifter" von Max Frisch in den 1950ern war wie eine prophetische Vorwegnahme der Nord-Stream-Sprengung,
    https://de.wikipedia.org/wiki/Biedermann_und_die_Brandstifter

    Wie Frischs "Biedermann" sollten wir vorrangig klären, warum wir uns manipulieren und benutzen lassen wie der afrikanische Kontinent noch vor wenigen Jahrzehnten. Afrika ist inzwischen aufgewacht (siehe den Rauswurf des Wertewestens aus den Sahel-Ländern) – das sich für ach so aufgeklärt haltende Europa ist dagegen in einen tiefen Schlaf verfallen.

    • Weil "Deutschland und USA – eine transatlantischen Partnerschaft".

      Weil Atlantik-Brücke.

      Weil Uschi.

      Weil WEF.

      Weil wir ein von den USA besetztes Land sind. (Über 20 militärische Stützpunkte)

      Weil die USA IHRE Leute hier an der Macht haben und nicht wir UNSERE.

      Da fällt mir bestimmt noch einiges ein…

    • Das ist die Antwort auf die Frage:
      "…warum wir uns manipulieren und benutzen lassen…"

    • Norbert sagt:

      Ja, und wem hilft das?
      Es reicht bekannterweise ein schlechter Apfel…
      Und in den USA sind es viel mehr als nur einen.
      Naja, und hier auch.

    • @Norbert
      Vielen Dank, dass Sie mich zitiert haben.
      Passt aber nicht so ganz zu @bekirs Kommentar.
      Wie dem auch sei…

  3. Norbert sagt:

    Die Gründe für die Stagnation, das auf der Stelle treten, das sich im Kreis drehen, sehe ich genauso wie Sie, Rainer Rupp. Wenn ich allerdings den Artikel in meiner Familie empfehlen würde, hätten sie Schwierigkeiten die Hintergründe der Abhängigkeiten zu begreifen und ich wäre wieder näher daran, ein USA – Hasser genannt zu werden. Nicht alle Amerikaner sind Imperialisten, nicht alle Amerikaner leben vom Verleihen des Geldes, nicht alle Amerikaner, denken wirtschaftlich in Richtung "America First". Es gibt eine unzufriedene Friedensbewegung, es gibt eine der Regierung und dem Tiefen Staat widersprechende Intellektuelle Elite. Es ist die äußerst einflussreiche Geldelite, die hauptsächlich in den USA sitzt, in der Rüstungsindustrie und der Pharmaindustrie ihr Geld macht, über die ihnen gehörenden Medien steuert und mit dem Verleihen des erworbenen Geldes ALLE Staaten in Abhängigkeit zu halten gedenkt.

    • Ja, und wem hilft das?
      Wem hilft es hierzulande, dass über 80% gegen diese katastrophale Ampelregierung sind?
      Es reicht bekannterweise ein schlechter Apfel…
      Und in den USA sind es viel mehr als nur einen.
      Naja, und hier auch.

  4. Nun, die bereits im 19. Jh. in den USA ausgesprochene Intention Deutschland und Russland zu spalten scheint sich jetzt zu verfestigen.
    Nach so viel zerschlagenem Porzellan braucht man sehr, sehr viel Klebstoff. So viel Klebstoff gibt es ja gar nicht.
    Trotzdem ist immer noch Rückgrat gegenüber Gummi zu bevorzugen.

    • FrankAlexy sagt:

      @multum-in-parvo
      Könnten Sie mir freundlicherweise die Quelle für die im “19tenjahrhundert ausgesprochene Intention” Russland und Deutschland zu spalten angeben. Wenn möglich Rahmen, Medium und Personen. Es wäre für einen Disput, den ich in einer Schule führe, und mir fehlt diese Quelle. Danke.

    • https://youtu.be/vln_ApfoFgw?si=-YCUXlXb-5jgcpqT

      https://www.telepolis.de/features/Die-Aufrechterhaltung-eines-starken-Keils-zwischen-Deutschland-und-Russland-7286781.html

      https://www.pressenza.com/de/2022/04/die-politik-der-usa-war-es-immer-zu-verhindern-dass-deutschland-und-russland-enger-zusammenarbeiten/

      Da gibt es noch einige Vorträge von Daniele Ganser und Gabriele Krone-Schmalz, in denen diese Aussage belegt wird. Müssen Sie aber selber suchen.
      Es sei denn, Sie halten die beiden für "Schwurbler"
      oder sowas…

    • Ein Disput in einer Schule? Echt? In welcher Schule wird denn so ein Thema behandelt?

    • FrankAlexy sagt:

      Danke. Privatschule im Kollegium, nicht mit Schülern. Noch nicht.

    • Gerne.
      Ein echter "Friedemann" der Friedman.
      Was er so ungeniert von sich gibt… Unfassbar.

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