Zur Rede des amtierenden Außenministers Sigmar Gabriel am 5. Dezember 2017 in Berlin
von Wolfgang Bittner.
Der amtierende deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat kürzlich beim alljährlich mit prominenter internationaler Beteiligung stattfindenden Berlin Foreign Policy Forum der Körber Stiftung eine Grundsatzrede zur deutschen Außenpolitik gehalten, in der er auf die wesentlichen Veränderungen der globalen Ordnung eingeht. In der Tat haben sich durch die Präsidentschaft Donald Trumps und seine chaotisch-aggressive Politik geopolitische Verwerfungen ergeben, die insbesondere auf Europa ausstrahlen. Führende europäische Politiker – und so auch Sigmar Gabriel – scheinen sich sinnvoller Weise von der engen Anbindung an die USA lösen zu wollen und nach einem eigenen Weg in der internationalen sowie in der nationalen Politik zu suchen.
Gabriel stellt fest: „Deutsche Außenpolitik war Teil des transatlantischen Bündnisses mit den USA und seinen Westalliierten … Wir müssen einsehen: Entweder wir versuchen selbst in dieser Welt zu gestalten oder wir werden vom Rest der Welt gestaltet.“ Die globale Dominanz der USA werde „langsam Geschichte“ – so Gabriel –, und in der sich verändernden Weltordnung sei es „.umso dringender, dass Europa sich auf seine Interessen besinnt und sich Gestaltungsmacht erarbeitet“. An anderer Stelle sagt er: „Die Selbstverständlichkeit, mit der wir die US-amerikanische Rolle – trotz gelegentlichen Zwistes – als behütend gesehen haben, beginnt also längst zu bröckeln… Vor diesem Hintergrund müssen wir auch kühler analysieren, wo wir plötzlich – oder möglicherweise auf Dauer – mit den USA über Kreuz liegen.“
Bedeutet das nun die schon lange geforderte Abkehr von der völkerrechtswidrigen Aggressions- und Interventionspolitik der USA? Bedeutet das etwa Abrüstung statt Aufrüstung, eine Beendigung der unsinnigen und durch nichts gerechtfertigten Sanktionen gegen Russland und das Eingehen auf die mehrmals wiederholten Kooperationsangebote des russischen Präsidenten Putin? Bedeutet das in der Folge eine Abkehr vom Neoliberalismus, von der exzessiven Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, von der Einflussnahme auf die Medien? Werden die Geheimdienste, die sich verselbständigt haben, in ihre Schranken gewiesen? Gibt es dann mehr Geld für Bildung, Gesundheit, Armutsbekämpfung, Erhaltung der Infrastruktur …?
Weit gefehlt! Denn Gabriel vertritt als Nächstes die Ansicht: „Werteorientierung, wie sie gern von uns Deutschen für unsere Außenpolitik in Anspruch genommen wird, wird allein jedenfalls nicht ausreichen, um sich in dieser von wirtschaftlichen, politischen und militärischen Egoismen geprägten Welt zu behaupten.“ Und er fährt fort: „Auf dieser Basis und mit einem klaren Wertekompass sollten wir dann beherzt für das kämpfen, was wir bewahren und was wir erreichen wollen. Und zwar ohne überdimensionierte moralische oder normative Scheuklappen.“ Damit aber reiht sich Gabriel in die Phalanx derer ein, die wie Ex-Bundespräsident Gauck oder Bundespräsident Steinmeier im Gefolge der US-Außenpolitik dafür eintreten, dass Deutschland „mehr Verantwortung in der Welt“ übernimmt, auch militärische, wobei Menschlichkeit, Moral oder das Völkerrecht kein entscheidender Faktor der deutschen Außenpolitik sein sollen.
Einerseits fordert Gabriel, ein neues strategisches Verhältnis zu den USA zu finden, die seit dem ersten Weltkrieg das internationale Geschehen dominierten. Andererseits erweist er sich als treuer Verfechter einer zerstörerischen, den Weltfrieden gefährdenden US-Außenpolitik, wenn er zum Beispiel in gewohnter Weise gegen Russland zu Felde zieht. „Das in der UN-Charta und in zahlreichen Verträgen kodifizierte Völkerrecht befindet sich in der Krise“, konstatiert er und kommt sogleich auf die angeblichen Rechtsbrüche Moskaus zu sprechen: „Mit der Annexion der Krim hat Russland die territoriale Souveränität der Ukraine und das Gewaltverbot der UN-Charta verletzt.“
Warum ist es so schwer zu begreifen, dass es sich bei der Loslösung der Krim von der Kiewer Ukraine nicht um eine Annexion gehandelt hat, sondern um die friedliche Abspaltung (Sezession) einer Region vom Mutterland, in diesem Fall nach einem von den USA und ihren willigen Helfershelfern in der EU organisierten Staatsstreich mit gravierenden Auswirkungen? (Dazu: Wolfgang Bittner, „Die Eroberung Europas durch die USA“, Westend Verlag 2017, S. 19, 120, 160 mit weiteren Hinweisen.) Die Antwort auf diese Fragen lautet: Weil das von den USA so vorgegeben wird.
Gabriel sagt: „Wir können sicher sein, dass rund um den Globus, nicht nur in Peking, Moskau und Teheran, sehr sorgfältig analysiert wird, wie stark und entschlossen der Westen in der Verteidigung seiner Werte und Interessen ist… Wir erleben derzeit, dass die Konkurrenz nicht schläft. Vor zwei Wochen hat der russische Präsident in Sotschi Hof gehalten. Einmal war der syrische Präsident da, dann der türkische und der iranische. Man feierte den Sieg in Syrien, den die Anwesenden gesichert glaubten. Eine deutsche Zeitung schrieb dazu: ‚Schwarze Seelen am Schwarzen Meer‘.” Gabriel stellt fest: „Die in Sotschi versammelten Großmächte sind keine Freunde, aber sie haben einiges gemeinsam. Sie berufen sich nach innen und nach außen auf ihre historische Größe. Und das ist das Wesentliche, was sie von uns unterscheidet …“ Was ist das anderes als das, was aus den USA, die sich ständig auf ihre historische Größe berufen, zu hören ist?…Weiterlesen in den NachDenkSeiten.
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Der Schriftsteller und Jurist Dr. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. Im Juni 2017 erschien von ihm im Westend Verlag eine überarbeitete und um 111 Seiten erweiterte Neuausgabe seines Buches „Die Eroberung Europas durch die USA“.
Siehe auch KenFM im Gespräch mit Wolfgang Bittner
Dieser Beitrag erschien am 2.1.2018 auf den NachDenkSeiten.
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Danke an den Autor und die NachDenkSeiten für die Übernahme des Artikels.
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