Aber nennen Sie es um Himmels Willen bitte nicht so!
Ein Standpunkt von Milosz Matuschek.
Willkommen in der Diktatur. In der Corona-Diktatur. Huch, ist das nicht das Unwort des Jahres 2020? Ich benutze es trotzdem oder gerade deswegen. Denn die Zeit der kosmetischen Kritik ist vorbei. Man kann derzeit gar nicht schnell genug schauen, wie Kritiker stummgeschaltet und wegzensiert werden. Und wie schnell ganze Gesellschaften ihre Grundprinzipien über Bord werfen. Von der westlichen Wertegemeinschaft ist nur noch das übrig, was der Einzelne davon aufrecht erhält.
Oder kennen Sie eine Institution, die gerade glaubwürdig die Grundfesten der Demokratie verteidigt?
Freiheit ist unteilbar und Meinungsfreiheit gehört ebenso wie Gleichheit vor dem Gesetz und Gewaltenteilung zu den unverhandelbaren Pfeilern der Demokratie. Als die Weltgemeinschaft dabei zusah, wie Julian Assange in Isolationshaft in Großbritannien psychologischer Folter ausgesetzt wurde, und dazu weitgehend schwieg, befiel mich nicht nur wegen dieses Falls ein ungutes Gefühl sondern auch allgemein: Wenn es bei einer Person keinen Aufschrei gibt, dann kann man ebenso versuchen, Ähnliches der ganzen Bevölkerung anzutun.
In der kommunistischen Daumenschraube
Nun, man tut es gerade in gewisser Weise. Die Zwangsmaßnahmen in Sachen Covid folgen 1:1 den psychologischen Zwangsmethoden chinesischer Kommunisten, die der Soziologe Albert Biderman in den 50er Jahren kategorisiert hat:
Zuletzt tat das der Merkel-Vertraute und Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth (2), der aktuelle Vergleiche mit Dikaturen für „absurd“ hält. Wie wäre es, Herr Harbarth, wenn man statt echauffierte Begriffskritik zu üben, einfach mal an der Beseitigung der Absurdität der gegenwärtigen Lage arbeiten würde? Die Bürger warten gespannt auf die Urteile in der Hauptsache aus Karlsruhe. Und ich kann Ihnen versichern: Man wird dem Bundesverfassungsgericht und Ihnen besonders in den nächsten Monaten sehr genau bei der Arbeit zusehen.
Dass sich diktatorische Elemente gerade in Windeseile ausbreiten, kann jedenfalls nur demjenigen verborgen bleiben, der im Karlsruher Schlossbezirk unter einem Stein schläft.
Der Mief des doktrinären Konformismus
Gegen den sich schon länger ausbreitenden ideologischen Konformismus in der Wissenschaft haben sich soeben über 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zu einem “Netzwerk Wissenschaftsfreiheit”(3) zusammen getan. Ideologiefreies Forschen mit dem Hauch einer Chance um Förder- und Drittmittel ist inzwischen fast ein Ding der Unmöglichkeit geworden. Der Geist des doktrinären Kollektivismus hat sich in sämtliche Institutionen geschlichen, egal ob Wissenschaft, Politik, Kirchen, Medien und Kulturbetrieb. Wer sich der Doktrin kritisch entgegenstellt, wird kaltgestellt.
Besonders drastisch erlebte das vor kurzem der Wirtschaftsethiker Christoph Lütge, Professor an der TU München. Da er u.a. Lockdowns für unverhältnismäßig hält (4), wurde er kurzerhand von Markus Söder aus dem Bayerischen Ethikrat entfernt. Begründung: keine. Es gilt auch hier der zensorische Imperativ: Wen du evidenzbasiert nicht widerlegen kannst, den zensiere, schalte stumm und cancele! Je stärker der doktrinäre Geist des “Pandemie-Wir” regiert, desto eher wird aus jedem Abweichler von der Doktrin ein Pariah, ein Aussenseiter und Aussätziger.
Man produziert so aber keinen Konsens, sondern nur Märtyrer und Helden der Gedankenfreiheit. Und arbeitet zudem konsequent an der Unterminierung der eigenen Glaubwürdigkeit. Cancel Culture ist eine Verzweiflungstat, ein Handeln aus Schwäche. Im Fall von Söder ist es der Beweis für Führungsversagen aus intellektueller Unfähigkeit, Kritik zu widerlegen. Es ist Angst vor der Schwäche der eigenen Position. Durch den Rauswurf von Lütge fragen sich nur noch mehr Menschen: Was, wenn er Recht hat?
Einen größeren Bärendienst für ein Beratungsgremium kann man sich jedenfalls kaum vorstellen. Wer wird einen Ethikrat noch ernst nehmen, der das Denken unter den Gefälligkeitsvorbehalt eines Markus Söder stellt? Dieser bayerische Ethikrat kann eigentlich jetzt nur eines machen: Geschlossen zurücktreten und sich selbst auflösen. Söder will ein Gremium von promovierten und habilitierten Claqueuren für seine Regierungspolitik. Wenn die Mitglieder dieses Gremiums noch einen Funken intellektueller Redlichkeit besitzen, sollten sie dem Kasperletheater jetzt ein Ende setzen und ihrem gechassten Kollegen aus Solidarität nachfolgen. Das Etikett „Mitglied im bayerischen Ethikrat“ wird sonst wie ein Branding für Negativauslese an ihnen kleben bleiben. Wie eine Art Karnevalsorden. Oder ein Journalistenpreis. Oder das Bundesverdienstkreuz.
Das Meinungskartell von Social Media
Die deutlichste Zensur findet gerade bei sozialen Netzwerken statt. Wo sich doktrinäre Politiker mit ebenso doktrinären Tech-Giganten zusammenschließen, ist die Dystopie nicht mehr weit. Doch auch hier wieder: begriffliche Haarspalterei. Es sei doch gar nicht „Zensur“, denn es betrifft Privatunternehmen, die dürfen tun, was sie wollen. Oder?
Nun ja, nicht ganz. Ebensowenig wie eine Diskothek Zutritt nur für Weiße gewähren oder ein Unternehmen eine Ausschreibung nur für männliche Bewerber durchführen darf.
Und man muss gar nicht erst bei der „mittelbaren Drittwirkung“ von Grundrechten anfangen, die eben auch auf Private ausstrahlen können. Es geht schlicht um eine Vermischung der Rollen. Niemand darf Richter in eigener Sache sein. Wenn Techunternehmen anfangen, eine Inhaltskontrolle für Meinungen und für Wettbewerber (siehe Parler) einzuführen, ist die Grenze deutlich überschritten. Dann haben wir es mit einem Kartell zu tun. Und Kartelle als Feinde von Freiheit und Wettbewerb gilt es zu zerschlagen. Besonders wenn Sie eine klebrige Nähe zu Staaten aufweisen.
Die großen Techgiganten sind längst mehr als nur Privatunternehmen. Sie sind Infrastruktur-Verwalter und Distributionskanäle für die freie Meinungsäußerung. Facebook ist eine Art digitales Einwohnermeldeamt. Der Inhalt auf den Plattformen wird durch staatliche Gesetze wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz reguliert, man arbeitet in Sachen Datenaustausch mit Staaten zusammen, macht sogar die Covid-19-Sprachregelungen der WHO zum Teil der eigenen Geschäftsbedingungen.
Der Staat flüchtet sich über die Regulierung privater Unternehmen vermeintlich ins Privatrecht und glaubt, seine Hände in Unschuld waschen zu können, wenn in seinem Interesse zensiert wird. Mit dem gleichen Argument könnte er private Sicherheitsfirmen anheuern, die im staatlichen Auftrag Folter durchführen oder private Spione per Werkvertrag verpflichten, Grundrechte zu umgehen.
Ach ja, letzteres passiert ja schon, Stichwort NSA und Guantánamo.
Der nächste große Schritt muss sein, neue Kommunikationssysteme aufzubauen, die dezentral und unzensierbar sind und deren Geschäftsmodell nicht auf dem Verkauf persönlicher Daten beruht. Die Macht liegt beim Konsumenten, bei den vielen organisierten, aufgeweckten und unabhängig denkenden Individuen. Vor diesen haben Mächtige gerade sehr viel Angst. Wer zensiert, cancelt und stummschaltet, sollte sich stets die Worte von König Pyrrhos I. vor Augen halten:
„Noch so ein Sieg und wir sind verloren.“
Quellen:
- http://wordpress.von-gamm.com/2021/02/biderman-report-und-covid-19/
- https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/harbarth-bundestag-101.html
- https://www.netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de/
- https://www.nzz.ch/international/der-ethiker-christoph-luetge-kritisiert-weiterhin-den-lockdown-ld.1601465
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 14. Februar 2021 auf der Seite: Freischwebende Intelligenz
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Bildquelle: Artist Photographer 3D/ shutterstock
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