“Exzellenz-Zentrum” gegen das Leben

Am 15.11.2017, um 19:00 Uhr, berichtet Bernhard Trautvetter in der VHS Essen über die „Kriegsrat“ genannten Konferenzen des Joint Air Power Competence Centre. Dazu vorab hier diese Informationen:

von Bernhard Trautvetter.

Das “Joint Air Power Competence Centre” in Kalkar bei Duisburg: Im Verborgenen gehaltenes Nato-Fadenkreuz des Krieges im 21. Jahrhundert. Kalkar/Uedem: All- und Luftleitzentrale der Nato vom Nordkap bis zum Golf.

Am Rande der Republik entwickeln Militärs der Bundeswehr und der Nato eine Zeitbombe für den längst schon durch weltweite Interventions’missionen’ infizierten Frieden.

In Kalkar, unweit von Duisburg, hatten vor knapp 40 Jahren die Friedensbewegung und die Umweltbewegung gemeinsam und letztlich erfolgreich gegen das Atomkraftwerk ‚Schneller Brüter‘ demonstriert. Hier wächst nun unter Einbezug des 24 Stunden Gefechtsstandes des Combined Air Oprations Centre der Nato1, und zwar hinter dem Vorhang medialer Unterbelichtung, ein Knotenpunkt der Infrastruktur für den Hightech-Krieg, den die Nato-Militärs in mehreren Papieren >Krieg im 21. Jahrhundert< nennen. Dabei unterscheiden die Kalkarer Militärs zwischen dem großen, dem langen und dem eingegrenzten Krieg2.

Die Bedeutung der Anlage wird aber nicht nur im Strategischen klar, sondern ebenfalls im Materiellen: Der Kommandeur des dortigen Zentrums Luftoperationen Generalleutnant Wundrak macht die Bedeutung des Komplexes mit diesen Worten deutlich: “Der Standort gehört zu den großen Playern in den deutschen Streitkräften, aber auch in der Nato.” In der Tat, hier werden viele militärische Bereiche zusammengeführt und ausgebaut, was die Friedensbewegung sehr ernst nehmen muss: Im “Zentrum Luftoperationen” (ZentrLuftOp) fließen die einsatzbezogenen Führungsaufgaben von Luftstreitkräften zusammen. Dadurch besitzt die Luftwaffe die Fähigkeit zur Führung von Luftstreitkräften für den Einsatz- und Übungsflugbetrieb in Deutschland sowie im Auslandseinsatz. Es leistet einen Beitrag zur Gestellung von NATO-Streitkräftestrukturen und hält diese Fähigkeit durch Aus- und Weiterbildungen selbstständig aufrecht. Mit der Aufstellung des Zentrums Luftoperationen am Standort Kalkar/Uedem werden Synergien aus der Zusammenarbeit mit ebenfalls dort stationierten NATO-Einrichtungen genutzt. Der Kommandeur Zentrum Luftoperationen ist zugleich Commander des Combined Air Operations Centre Uedem und Executive Director des Joint Air Power Competence Centre, Kalkar. Zur Durchführung der Aufgaben sind dem ZentrLuftOp unter anderem die Einsatz-Führungsbereiche 2 und 3, der Führungsunterstützungsbereich der Luftwaffe und Teile der Verbindungsorganisation Luftwaffe zugeordnet.”3 Der Auslandseinsatz reicht von Mali bis zum Golf, nach Island und nach Norden, Osten und ins All hin offen. (Rhein. Post 15.2.2017)

Die Luftleitzentrale Kalkar/Uedem ist auf das Engste mit dem Drehkreuz aller Nato-Luft-Missionen in Ramstein verwoben4: Bis 2015 wurden 60 Millionen Euro in die Militäranlagen am Standort und weiter 90 Millionen sind bereits fest eingeplant5. 

Quellen:

1 http://www.airn.nato.int/page5851910

http://www.rcaf-arc.forces.gc.ca/en/cf-aerospace-warfare-centre/elibrary/journal/2015-vol4-iss3-10-big-war.page

http://www.luftwaffe.de/portal/a/luftwaffe/start/team/orga/!ut/

4 http://www.airn.nato.int/page5851910

5 http://www.rp-online.de/nrw/staedte/goch/bundeswehr-investiert-60-millionen-euro-aid-1.4886836

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Das Joint Air Power Competence Centre als Katalysator für Strategie-Entwicklung

Das Kalkarer >Joint Air Power Comptence Centre< (JAPCC) ist eines der aktuell 24 sogenannten ‘Centres of Excellence‘ der Nato. Die Aufgaben der sogenannten ‘Centres of Excellence’ definiert die Nato so:  Sie sind Institutionen, die Nato-Führungskräfte und Experten trainieren, in der Strategie-Entwicklung assistieren, die Lernprozesse identifizieren, das Zusammenwirken verbessern und Kapazitäten sowie Konzepte testen, überprüfen und evaluieren.  [Quelle: http://www.act.nato.int/centres-of-excellence, Übersetz.: B.T.]

Die Linkspartei-Abgeordneten Sevim Dagdelen, Wolfgang Gehrcke und Annette Groth erklärten dazu in ihrem Vortext zu einer Anfrage an die Bundesregierung am 09.04.2015: “Auf dem NATO-Gipfel im Jahr 2002 in Prag wurde eine neue Struktur der NATO beschlossen. Das zuvor für NATO-Einsätze im atlantischen Raum zuständige Oberkommando der NATO wurde in das Allied Command Transformation (ACT) überführt, das nicht mehr für die Führung von Einsätzen, sondern für die Weiterentwicklung von Strategie, Doktrin und Technologie zuständig ist… Diese Exzellenzzentren bezeichnen sich selbst als ‘internationale militärische Organisationen’… außerhalb der Kommando-Struktur der NATO …” Nato-Staaten, auf deren Gebiet das jeweilige Zentrum angesiedelt ist, handeln “mit der NATO…Partnern Abkommen über die Zusammenarbeit, Unterstützung und Finanzierung aus…” Die drei Fragesteller/innen der Linksfraktion befürchten dem entsprechend völlig zu Recht, „dass mit den Exzellenzzentren gezielt und mit Steuergeldern finanziert Foren für Militärs und angehende Führungskräfte geschaffen werden, um außerhalb der militärischen Befehlskette, politischen Kontrolle und kritischen Öffentlichkeit auch in Spezialfeldern, wie der Cyberkriegsführung und der strategischen Kommunikation, eine offensivere Doktrin der NATO zu entwickeln und dass dabei das Völkerrecht kaum Beachtung findet.”

Im Jahresbericht 2016 schreiben die Führungskräfte des JAPCC General Wolters und Generalleutnant Wundrak, es sei ihre Vision, dass das JAPCC der Katalysator der Nato für die Verbesserung und Transformation der gemeinsamen Luft- und Weltraum Militärmacht sind, indem sie effektive Lösungen durch unabhängiges Denken und entsprechende Analyse bereitstellen.

Dafür nutzt das JAPCC Tagungen und Veröffentlichungen. Auf JAPCC-Jahreskonferenzen behandeln obere und oberste Führungskräfte der Nato mit Akademikern der Kriegsforschung, der Rüstungs- und Nuklearindustrie und der Politik bis hin zum persönlichen Referenten des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag teils sehr konkrete Strategie-Konzepte zum vollen Spektrum militärischer Einsatzmöglichkeiten. Zunächst fanden diese in der Stadthalle Kleve statt, 2015 zog man dafür in die Messe Essen um.

Die Organisationsstruktur des JAPCC stellte sich von Anfang an so dar:

Politik- und Konzept-Abteilung, Entwicklung, Kapazitäten der Zukunft, Luft-Gefechts-Abteilung, Gefechts-Unterstützung, Service für Kräfte im Gefechtseinsatz, C4ISTAR-Department (=Führung und Steuerung, Kommunikation, Computer, Informationsbeschaffung, Überwachung und Aufklärung), Öffentlichkeitsarbeit, elektronische Kriegsführung, Drohnen- und Zukunfts-Szenarien [Quelle: http://slideplayer.com/slide/1492418/ Folie 9 ].

Zur Konzept-Entwicklung gehört für ein Zentrum der Luftstreitkräfte mit dem Anspruch der Vorreiterschaft von Anfang an die Drohnenstrategie. Auf der Jahreskonferenz 2006, die die Konzeptentwicklung der Drohnenstrategie der Nato voran brachte, sagte General William Hobbins, „wir benötigen unbemannte Flugobjekte, die wie bemannte agieren, …, die wie bemannte Flugobjekte Aufträge erfüllen, …, die in in Angriffs-Formationen mit bemannten Flugobjekten fliegen…“ Das Thema der 2007er Jahreskonferenz ‘Expeditory Warfare’ steht für die Kriegsführung ohne Kriegserklärung und damit für eine Routine des Völkerrechtsbruchs, Länder in Friedenszeiten mit ‘Operationen’ anzugreifen und dann wieder zu verschwinden – bis zur nächsten ‚Expedition‘. [Quelle: http://www.japcc.org/wp-content/uploads/JAPCC_Jounal_Edition_5.pdf]

Passend dazu das Thema der 2008er-Konferenz: >Entscheidungsüberlegenheit  im Kriegshandwerk des 21. Jahrhunderts<. Dabei ging es um ‘Schlachtfeld-Management’, um Intelligenz- und Informationsüberlegenheit und den Weltraum als Ressource, die  der Nato zu neuen Möglichkeiten verhilft. [Quelle: http://www.japcc.org/wp-content/uploads/JAPCC_Journal_Edition_7.pdf ] Dazu schrieb Leutnant Weber im JAPCC-Journal 8, 2008, ‘Die Luftwaffe ist nur fähig, ihr volles Fähigkeitsspektrum zur Entfaltung zu bringen, wenn die Luft-, Marine- und Heer-Kapazitäten in einem Netzwerk-Umfeld kombiniert werden. [S. 27 Übersetzung: B.T.] Zu dieser Netzwerk-Bildung haben die Militärs die Begriffe ‚Air Land Integration‘ ‚Schlachtfeld-Management‘ und ‚Intelligenz‘ verbunden: [Quelle: https://airlandintegration.com/services/ali-doctrine-services/]

Beratungen über diese Themen fanden und finden im Staat statt, dessen Grundgesetz die Vorbereitung eines Angriffskrieges unter Strafe stellt!

2012 nahm eine JAPCC Jahreskonferenz das Thema Kriegsführung im 21. Jahrhundert auf: Die Tagung trug den Titel >Warfare in the 21st century<.

Vorbereitung von Krieg

Die mir vorliegende Power-Point-Präsentation “Vision, Mission & Purpose Statements” des JAPCC aus dem Jahr 2006 (sie ist nicht mehr im Netz) befasste sich bereits mit konkret handlungsrelevanten Fragen der  Einsatzgestaltung wie: Hardware und Software, Kommando und Kontrolle im Kampfeinsatz, Operatoren und Training, Integration und Interoperabilität, Luftwaffen-Management, “Missions”- Planung und Umsetzung. Auch Details wie die Finanzierung über Staatshaushalte sowie Industrie-Kontakte werden angesprochen.

Man befasst sich in Kalkar immer wieder mit der Idee, die Überlegenheit der Nato durch Technologie- und Strategie-Vorsprünge weiter auszubauen. Beispiel: Auf der Jahreskonferenz des JAPCC 2006 sprach der schon zitierte Direktor Hobbins, der auch in Ramstein Führungsmilitär war, bereits von „Entscheidungs-Überlegenheit” [‘Decision Superiority’ unter anderem in Verbindung mit dem Einsatz von Drohnen; siehe dazu auch: http://www.usafe.af.mil/News/Article-Display/Article/256229/comusafe-uas-key-to-future-decision-superiority/.

Dabei ging es u.a., wie die Präsentation “The Joint Imperative”, die mir ebenfalls vorliegt, u.a. um die Sicht von weit vom Kriegsgeschehen entfernter Kriegssteuerung auf die Umgebung der Operation vor Ort, das alles unter den Stichworten: “find  . . . fix . . . track . . . target . . . engage . . . assess” – ‘Engagieren’ ist leichter sagbar als ‘Töten’. Dann kommt ‚Assess‘, also die Bewertung des „Erfolgs“ der Maßnahme. Im Schlachtfeld, das immer wieder ‚theatre‘ heißt.

Future Vector – Pfeil gegen die Zukunft

2014 formulierte das JAPCC-Manuskript der Jahreskonferenz “Future Vector Part I”, es sei anzuzweifeln, dass es keinen großen Krieg mehr in Europa gäbe (‘major war’) [Quelle: http://www.japcc.org/wp-content/uploads/Future_Vector_II_web.pdf  S.141]. Dass das alleine angesichts der vielen Atomanlagen in dieser Weltregion das Ende der Zivilisation heraufbeschwören könnte und deshalb unbedingt abzuwenden sei, das war dabei kein Thema es ging vielmehr darum, sich darauf militärisch vorzubereiten. Dafür bedürfe es laut den Militärs eines angemessenen Mixes nuklearer und konventioneller Potentiale (ebenda, S.70). Auf Seite 141 findet man auch die Erwähnung möglicher Ausgangspunkte eines solchen Infernos: das Baltikum, die Ukraine oder Georgien, also Regionen direkt an der Westgrenze Russlands, über die im Rahmen Verhandlungen zur Deutschen Vereinigung 1989/90 vereinbart worden war, dass sie für eine Nato-Osterweiterung nicht infrage kommen. Das lässt sich mit dem Spiegel vom 23.11.2009 belegen:

“Unumstritten ist, was der US-Außenminister am 9. Februar 1990 im prachtvollen Katharinen-Saal des Kreml erklärte. Das Bündnis werde seinen Einflussbereich ‘nicht einen Inch weiter nach Osten ausdehnen’, falls die Sowjets der Nato-Mitgliedschaft eines geeinten Deutschland zustimmten. Darüber werde man nachdenken, meinte Gorbatschow und fügte hinzu, ganz gewiss sei eine ‘Expansion der Nato-Zone inakzeptabel’.” Außenminister Baker benutzt hier eine als ‘Tutzinger Formel’ bekannt gewordene Formulierung von Außenminister Genscher, der in Tutzingen eine Woche zuvor gesagt hatte: Eine “Ausdehnung des Nato-Territoriums nach Osten, das heißt, näher an die Grenzen der Sowjetunion heran, wird es nicht geben“. [Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/ost-erweiterung-der-nato-was-versprach-genscher-12902411.html]

Das JAPCC-Manuskript stellt zugleich den Verlauf der Entwicklung seit dem Ende des Kalten Krieges auf den Kopf und sieht in der Nato-Ausdehnung bis an die russische Grenze, also im  Bruch der Vereinbarung zur Deutschen Einheit, ein Friedenswerk, Seite 39 lesen wir: “Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion spielte die Nato eine zentrale Rolle bei der Entwicklung eines neuen und stabileren Europa. Sie brachte Frieden auf den Balkan und sie brachte zwölf neue Mitgliedstaaten in die Nato.” (Übersetz.: B.T)

Alleine die Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges auf dem Balkan gegen das damalige Jugoslawien offenbaren die Gefährlichkeit dieser selbst-beschönigenden Ver-blendung der Wahrnehmung durch die Nato-Militärs. Weit gefährlicher noch könnte die Wirkung der als ‘Stabilisierung’ gekennzeichneten Nato-Osterweiterung nachwirken; man muss hier von einer für die Zivilisation Europas und damit der Welt Schizophrenie der Nato-Militärs sprechen, insofern als sie im gleichen Papier, Gebiete direkt an der Grenze Russlands, wo jetzt die Nato operiert, als Ausgangpunkt eines dann dritten großen Krieges in Europa erwähnen, und zugleich bei der Nato-Osterweiterung von ‘Stabilisierung’ sprechen.

Strategische Kommunikation und Fake News im Schlachtfeld

Das kann man auch unter die Kategorie Fake-News subsumieren, also Falschdarstellungen zur Manipulation der eigenen Leute und der Öffentlichkeit, mehr Unterstützung und Tat-bereitschaft für die militärischen Eskalation zu generieren.

2015 beriet die Nato in der JAPCC-Jahreskonferenz dem entsprechend unter dem Titel-Begriff >Strategische Kommunikation<. Der Begriff ist aus der bürgerlichen Wirtschafts-wissenschaft entlehnt, wo er Beeinflussung mit Mitteln der Kommunikation meint, also z.B. Steuerung des ‘Verbraucher’-Verhaltens z.B. durch dosierte und vereinseitigte Informations-weitergabe.

In ihrer Einladung zur JAPCC-Konferenz zur ‘Strategischen Kommunikation beklagten die Militärs, es gäbe Einheiten (Entities), die der Nato gegenüber ‚feindlich‘ („hostile“) eingestellt seien, da sie die die Vorbehalte der Bevölkerung gegen das Militärische schüren und die dabei zudem mit gewissem Erfolg! [Quelle: https://www.japcc.org/wp-content/uploads/JAPCC_Conf_Flyer_2015_web.pdf]. Dagegen und gegen feindliche russische Fake-News setze man auf strategische Kommunikation. Die angestrebte Unterstützung für Maßnahmen der Militärs, will man mithilfe der Combined Joined Psychological Operations Task Foce (CJPOTF) (Read Ahead ‚ Straegic Communication, JAPCC 2015 S.20) erreichen, deren Geschichten gewinnend zu gestalten sind. Das Vorbereitungsmanuskript kritisierte den ehemaligen US-Präsidenten Bush:”Im Irak 2003 machte die Bush-Administration einen großen strategischen Fehler, indem sie den Besitz von Massenvernichtungswaffen durch das S. Hussein-Regime herausstellte … Hätte man Saddam Husseins Glaubwürdigkeit durch Verweise auf seine Grausamkeit in der Öffentlichkeit erschüttert, dann wäre die öffentliche Unterstützung für den Krieg viel stärker ausgefallen.” [Quelle: https://www.japcc.org/wp-content/uploads/JAPCC_Conf_Read_Ahead_2015_web.pdf S.44] In anderen Worten, strategische Kommunikation ist nicht auf Aufklärung gerichtet, sondern auf Manipulation.

Dazu muss man „eine Geschichte … erzählen…. …  vertrauenserweckend und stark …, … deutlich ‘Gut’ und ‘Schlecht’ und ‘Richtig’ und ‘Falsch’ erklären. … kraftvoll  und zwingend menschlich  … sein, … von kompetenten und  glaubwürdigen Sprechern präsentiert….“ (JAPCC, Conference Proceedings 2015, S.11)

2016 tagte die JAPCC-Konferenz in Essen zum Thema “Handlungsfähigkeit in einem heruntergekommenen Umfeld” (degraded environment). Im Vorbereitungsmanuskript las man Seite 62:,Spezielle Operations-Kräfte müssen fähig sein, … ziel-verwirklichende Handlungen auch in einem chemisch, biologisch, radioaktiv-nuklear geschädigten Umfeld zu vollziehen.’ (Übersetz.: B.T.) Diese Verharmlosung des Einsatzes von Nuklear-Potenzialen hat in der Nato eine lange Tradition: Adenauer erklärte, “taktische Atomwaffen seien “nichts weiter als die Weiterentwicklung der Artillerie” [Quelle: http://www.zeit.de/1996/31/Adenauers_Griff_nach_der_Atombombe]

Letzter Oktober JAPCC-Jahreskonferenz zur Abschreckung genannten Kriegsstrategie 

Im zurückliegenden Oktober  hielt das JAPCC seine 2017er-Jahrekonferenz  in der Messe Essen zum Thema “Abschreckung” ab. Der Begriff ‘Abschreckung‘ ist wie geschaffen für Strategische Kommunikation: Er versetzt die eigene Position ins gute Licht desjenigen, der die per se gefährliche Gegenseite vom Griff zur Gewalt abhält. Und da man der Gute ist, fällt es auch leichter, selbst an sich abzulehnende Handlungen zu vollziehen, da der vermeintlich gute Zweck die Mittel bis zu einem gewissen Grad heiligt. So ist der Begriff zusätzlich eine Identitätshilfe für jene Militärs, die an sich intolerable Planungen entwickeln und auszuführen.

Aktuell stellt die Strategische Kommunikation der Nato ihr Ukraine-Narrativ in den Vordergrund. Primäres manipulatives Narrativ ist die Nato-Darstellung zur Abfolge der Ereignisse in der Ukraine-Krise: Wie bei der Atomrüstung, der Aufrüstung, dem Syrienkrieg, usw… bezieht sich die Nato durchgängig darauf Russland als initiativen Faktor der  Kriegsgefahr darzustellen, um in der Folge Abschreckung, Sanktionen und eskalierendes Verhalten als legitim zu verteidigen.

Im Vorbereitungsmanuskript zur Konferenz (Read Ahead) heißt es S. 1: „Die Debatte der letzten Monate ist es, wie man Russland am besten abschrecken kann.“ Die Russland-Ukraine-Krise habe die Abschreckung in Windeseile wiedererweckt. Seite 5 heißt es, keine Armee habe „Russland von der Annexion der Krim abgehalten“ [Quelle: https://www.japcc.org/wp-content/uploads/JAPCC_Conf_RA_2017_screen.pdf, Übers.: B.T.]

Man übergeht die Tatsache, dass es der Westen war, der eine verfassungsrechtlich illegale Regierungsbildung vorsichtig gesagt unterstütze. Im Februar 2014 wurde eine Regierung eingesetzt, die ‘Übergangsregierung’ genannt wurde, nachdem sie das verfassungsgemäße Quorum von 75 % bei der Absetzung der Vorgängerregierung verfehlt hatte, [Quelle: http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=24167]. Die Installierung der pro-westlichen neue Regierung war der Initial-Rechtsbruch in der aktuellen Geschichte der Spannungen in der Ukraine und nicht die Eingliederung der Krim nach Russland, auf die sich die Nato bei vielen Propagandalügen zur Rechtfertigung ihrer Rüstungs-, Eskalations-, Sanktions-, Nuklear-  und “Abschreckungs”-Politik bezieht. Russland habe hier das in jahrzehntelanger Arbeit aufgestellte Regelwerk der Souveränität der Nationen  durchbrochen (S.13)

Die Unhaltbarkeit dieser Propaganda ergibt sich unter anderem auch daraus, dass der Nato-Staat Türkei seit 1974 den nördlichen Teil Zyperns völkerrechtswidrig und gewaltsam annektiert hat. Die Nato ist das Staatenbündnis der Erde, dessen Mitgliedsstaaten die meisten und massivsten Völkerrechtsverletzungen zu verantworten haben. Das betrifft den Balkan-Krieg, die Überreizung des Libyen-Beschlusses des Weltsicherheitsrates zum Schutz der Bevölkerung, den mit einer Lüge legitimierten Angriffskrieg auf den Irak, die nicht UNO-mandatierte Operation Enduring Freedom, die die Nato ‚Anti-Terror-Krieg‘ nennt und die illegale Unterstützung bewaffneter Kräfte in Syrien sowie den Unterhalt von US-Stützpunkten im syrischen Staatsgebiet.

Vor diesem Hintergrund sind Fragen im Vorbereitungsmanuskript zur Konferenz im Oktober 2017 Ausdruck der Tatsache, dass die Nato als der unausgesprochen gute Akteur, der andere abzuschrecken hat, ein Ausdruck der Tatsache, dass die Militärs in ihrer eigenen Welt leben. Darin liegt eine besondere Gefahr. Man liest im Manuskript Fragen wie: Verstehen führende Politiker die Elemente einer effektiven Abschreckung? Wie steht es mit der nuklearen Abschreckung? Genügt hierbei nicht die Angst vor der enormen Zerstörungskraft dieser „Waffen“ als Abschreckung? Kann man nicht-staatliche Akteure überhaupt abschrecken? Kann Abschreckung funktionieren, wenn mögliche Gegner kein Grad einer gewissen Rationalität aufweisen? (ebenda, S. 4)

Hier unterstellen die Militärs sich eine solche Rationalität indirekt selbst.

Chauvinismus der Militaristen

Aus dieser Selbst-Überhebung heraus unterläuft den Militärs ein skandalöser Propaganda-Fehlgriff, indem sie einen Text des Kopfes der Division der Nato für Energiesicherheit abdruckt, in dem dieser eins der zentralen Bilder im Manuskript – S. 12 – erläutert, indem er auf seine Veröffentlichung im Internet Bezug nimmt: Das Foto zeigt amerikanische Truppen mit Militärfahrzeugen an der Lettisch-Russischen Grenze Rühle dazu: „Viele Letten sandten sich das Foto über Mobil-Telefone zu. Der Text unter dem Bild sagt mehr als 1000 Textbücher: ‚Schrecklich! Sie hätten 70 Jahre früher kommen sollen…“! (Manuskript ebenda, S. 7) Damit sagt das Manuskript implizit, dass die sowjetische Armee, die die Hauptlast der Befreiung Europas vom Faschismus getragen hat, deren Bevölkerung mit Abstand den größten Blutzoll im von Hitler-Deutschland entfachten zweiten Weltkrieges zu erleiden hatte, am besten direkt von der US-Armee zum Ende des Krieges zurückgedrängt worden wäre, dass die US-Armee also nach dem Sieg über den Faschismus Krieg gegen die Sowjetunion hätte führen sollen.

Das nukleare Inferno als Kulminationspunkt

Dieser skandalöse Fehlgriff des Manuskripts ist ein besonders offensichtliches Zeichen für die Tatsache, dass militärische Handeln selbst unter Bezug auf ganz andere Motive in sich den Keim der Barbarei trägt. Das kann man an den Ausführungen von Ambassador Alexander Vershbow im Manuskript Seite 17 veranschaulichen: „Was unverändert bleibt: das sind unsere zentralen Ziele: Unser Territorium zu verteidigen und unsere Bevölkerung; die Aufrechterhaltung unserer Werte von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten, der Rechtsstaat, … frei und im Frieden, innerhalb einer starken Euro-Atlantischen Gemeinschaft.“

Dafür zu kämpfen scheint für die Nato-Militärs ein Grund zu sein, der viele Zweifel verdrängen kann. So schreibt General Frank Gorenc, die Nato-Kräfte müssen einsatzfähig und bestanderhaltend sein, um vollständig kampffähig zu sein.“ (ebenda, S.79)

Wie weit das geht, zeigt diese Stelle:

Seite 40 schreibt Dr. Jeremy Stocker zur Nuklear-Strategie, eine “unbenutzbare Waffe, nuklear oder nicht, wird niemanden abschrecken. Das ist der Grund dafür, dass, wie unwahr-scheinlich auch immer die Möglichkeit ihres Einsatzes ist, die Notwendigkeit für Nuklearstaaten besteht, Doktrinen und Pläne für ihre Anwendung zu haben.” (Übersetz.: B.T.)

Diese konkrete Bereitschaft zum Atomkrieg korrespondiert mit anderen Ausführungen, wie denen des Militärstrategen Dr. Binnendijk Seite 75: „Die Rolle der Nato Luftwaffe in der nuklearen Abschreckung, Raketenabwehr und Cyber-Sicherheit wird immer komplexer.“

Verhandlungen statt Abschreckung!

Die Gefahren eines Krieges in Europa und damit in der Welt stellen ein Damoklesschwert für die Zivilisation dar. Europa mit seinen ca. 200 Atomreaktoren ist auch ohne Atom- und Wasserstoff-Bomben nicht fähig, einen dritten großen Krieg zu überleben, was entsprechende Auswirkungen auf die Zivilisation insgesamt hat.

Was die Militärs Abschreckung, Verteidigung und Sicherheitspolitik nennen, ist eine Zeitbombe für die Existenz der Menschheit. Nach einem solchen Waffengang wird kein Lebensraum mehr für die Bevölkerung, die zu schützen man vorgibt, existieren, und auch nicht für die Herren über Krieg und Frieden, über Überleben und Tod.

Es gibt nur eine Perspektive des Über-Lebens für die Menschheit, und das ist der Weg der Verhandlungen bei existierenden Interessenskonflikten. Kriege enden nicht im Frieden. In einem offenen Brief an die deutschen Künstler und Schriftsteller schrieb Bertold Brecht 1951 in der DDR und der BRD: „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.“ [Quelle: https://wiki.zum.de/wiki/Krieg]

Vor diesen Worten stehen in Brechts Brief diese Ziele:

1. Völlige Freiheit des Buches, mit einer Einschränkung.

2. Völlige Freiheit des Theaters, mit einer Einschränkung.

3. Völlige Freiheit der bildenden Kunst, mit einer Einschränkung.

4. Völlige Freiheit der Musik, mit einer Einschränkung.

5. Völlige Freiheit des Films, mit einer Einschränkung.

– Die Einschränkung: Keine Freiheit für Schriften und Kunstwerke,

welche den Krieg verherrlichen oder als unvermeidbar hinstellen,

und für solche, welche den Völkerhaß fördern.

[Quelle: http://www.spiegel.de/forum/politik/demokratie-und-feigheit-jagdszenen-am-rhein-thread-594392-13.html]

Wenn man das ernst nimmt, und die Friedensbewegung nicht nur des Ruhrgebiets tut das, dann sind die Konferenzen des JAPCC zu verbieten.

Den Appell für das Verbot kann man hier unterschreiben.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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