Gegen die Spirale aus Vorwurf und Gegenvorwurf – Der Weg des Friedens fängt in uns an oder er existiert nicht

Von Bernhard Trautvetter.

Im Gewandt des Antifaschismus auftretende >Journalisten< alternativ erscheinender Medien greifen die Friedensbewegung immer wieder massiv an. So auch nach den Aktionen vor allem in Ramstein, Kalkar, Essen und Berlin. Das wirkt wie der Versuch, die Erfolge der Friedensbewegung in ein aus antifaschistischen Sicht großes Desaster umzu-definieren.

Eine dieser Platformen lehnt ihren Namen an Websites wie “transparencywatch” an. Die Macher dieser Website erklären, sie kämpfen gegen Korruption; eine andere kämpft nach der Startseite von “mediawatch” gegen Rassismus, Sexismus und Gewalt in den Medien. Die entsprechende Site zur Friedensbewegung heißt  “friedensdemowatch” (1) .

Ein Element ihrer Arbeit ist die Falschdarstellung. Friedensaktiven – auch mir selbst – werden Öffnungen nach rechts mit unzutreffenden Behauptungen – das fängt damit an, dass fälschlicherweise behauptet wird, die Organisatoren derf der No-natom-krieg-Kundgebung am Tag der Deutschen Einheit hätten ein Plakat toleriert , das den Faschismus verharmlost… Sie suchen dann auch in Reden wie etwa der von Eugen Drewermann (2) ähnliche Makel. Die Nato als Kraft mit der gefährlichsten Angriffsarmee der Geschichte zu benennen, wie Eugen Drewermann das in seinen Reden auf Friedensdemonstrationen, so auch in Essen, getan hat, stellt allerdings keine falsche Tatsachenbehauptung dar, auch wenn Kräfte im sich antifaschistischen nennenden Spektrum ihn dafür der Verharmlosung der Nazis geißeln. Die Nazis haben den 2. Weltkrieg mit an die 100 Mio. Toten ausgelöst. Sie haben den Massen-/ und Völkermord industrialisiert, sie haben eine vergleichsweise Maschinerie der Verfolgung von Gegnern entwickelt: Dachau z.B. war das als erstes KZ der Nazis für Kommunisten errichtet worden. Sie haben Folterkeller errichtet, Gegner wie den ehemaligen Sozialdemokraten und damligen KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann ermordet und die systematische Massentötung weiterer Bevölkerungsteile praktiziert, so die ‘Euthanasie’ genannte Ermordung von Menschen mit Behinderung. Das alles ist so eineindeutig klar, wie es auch die ganz anderere Tatsache ist, dass die Nato schon durch das Arsenal der Atomsprengköpfe der USA, Frankreichs und Groß Britanniens die furchtbarste Bewaffnung der Geschichte angehäuft hat. Siehe dazu den Sipri-Jahresbericht 2015 (3) .

Die Stimmungsmache gegen die Friedensbewegung setzt seit Henryk M. Broders Veröffentlichung einer nicht öffentlich intendierten Mail von Ken Jebsen immer wieder bei KenFM an. Seine längst im Humanistischen Grundkonsens auf Pedram Shayars Website (4) aufgekündigte frühere Zusammenarbeit mit dem aus der Linken nach ganz rechts über gelaufenen Herrn Elsässer wird dabei wiederholt als Ausgangspunkt der Herabwürdigung genutzt. Seltsam, dass Herr Broder trotz vieler Entgleisungen in die rassistische Stimmungsmache als Kronzeuge nicht zu mehr Vorsicht führt. Ken Jebsens Formulierung von damals kann für sich genommen so verstanden werden, dass aus ihr eine Holocaust-Leugnung spricht. Es kommt allerdings bei der genauen Bewertung darauf an, wie er argumentiert und begründet, was er nicht immer tut. In einem späteren Interview mit den Netzpiloten (5) bezeichnet er demgegenüber den Holocaust als das größte Verbrechen der Geschichte. Ohne diese Korrektur hätte es weder das Interview mit mir noch mit meinem Freund Sally Perel gegeben.

Wissenschaftlich unglaublich ist, wie schlecht kritische Veröffentlichungen wie die der O.Brenner-Stiftung über dei sogenannte Querfront (6) recherchieren, dass sie nur sehen, was ins negative Bild passt. Der Begriff Querfront ist historisch belegt und meint das gemeinsame Agieren von Kommunisten und Nazis, etwa im Berliner BVG-Streik 1932 (7). Es gab in der NSdAP eine antimarxistische und antisemitische antikapitalisitsiche Strömung um die Brüder Otto und Gregor Strasser (8), die im Machtkampf unterlegen war.

Mit herabwürdigenden Vorwürfen gegen Andersdenkende wie dem Begriff ‘Querfrontler’ oder gleich ‘Rechtskraft’ untergräbt man nicht nur den Diskurs, das Ringen um Lösungen, man lähmt auch, wenn der Vorwurf nicht valide ist, die Kraft der Bewegung. Aus dem Aktionssommer 2007 gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm sind Agents Provokateur bekannt (9). Man kann nich ausschließen, dass Geheimdienstlr der Nato gezielt in die Widerstandskrfte hineinwirken, um sie zu schwächen. Die Nato wird die Friedensbewegung als feindliche Einheit ansehen, wie diese Einladung zur letztjährigen Essener Konferenz zeigt, in der sie ohne Spezifizierung von Kräften sprechen, die ‘hosilte to Nato’ sind:

General Frank Gorenc, Direktor des Kalkarer »Joint Air Power Competence Centre«  schrieb dazu, es gäbe »Einheiten« (»entities«), die der NATO gegenüber feindlich (»hostile«) eingestellt seien, da sie geschickt die Unterstützung der Bevölkerung für »Operationen« der Militärs untergraben. Das Wort »Einheiten« legt nahe, dass auch die Friedensbewegung damit gemeint sein kann, die mit dafür verantwortlich ist, dass die Bevölkerung kritisch gegenüber der Bundeswehr bleibt.(10)

Ich behaupte nicht, dass Kräfte, die Friedenskräfte mit nicht-validen Vorwürfen, falschen Bezügen, ausgrenzenden Vokabeln und Würde-verletzenden Begriffen wie Wahnmichtel, wie das u.a. etwa Jutta Ditfurth tut, Nato-Agenten sind. Es ist schon zu viel, wenn umgekehrte Abstempelungen von Friedenskräften erfolgen. Ich warne nur davor, dem Militarismus und der Reaktion in die Hände zu spielen, indem man diese Vorgehensweise kopiert und auf die Friedensbewegung und weitere alternative Spektren überträgt.

Eine Bewegung gerade für die Vision einer friedlichen Welt lebt vom genauen Umgang mit Fakten und vom gewaltfreien Umgang mit einander und von der Möglichkeit, dass sich Menschen entwickeln, wie das Richard Scheringer, Martin Niemöller, Edward Snowden und andere getan haben. Wer das nicht beachtet, stärkt nun einmal gewollt oder ungewollt objektiv die Gegner der alternativen Bewegungen, die gerade mit der sog. ‘Modernisierung der Atomwaffen’ der USA weit über 1000 Mrd. $ investieren, um neuartige, leichter einsetzbare B 61 Modell 12 – Nuklearpotentiale zur Einsatzfähigkeit zu bringen. Diese Waffen sind verkleinert in ihrer Wirkung und keine Fallbomben mehr, sondern Lenkwaffen. Alleine die Summe ist eine Beleidigung der hungernden und durstenden und obdachlosen Milliarden Menschen auf diesem Planeten, sie ist auch ein Ausdruck einer Apokalypseblindheit gegenüber den ökologischen Zukunftsgefährdungen. Sie für die Steigerung der Gefahr eines nuklearen Infernos als Damokles-Schwert über unser aller Existenz einzuplanen ist nicht nur menschen- (auch für die Akteure selbst-) verachtend, sondern gleichermaßen ein Verrat an der lebendigen Erde, der gegen Albert Schweitzers Postulat der Ehrfurcht vor dem Leben steht.

Das große Bündnis gegen diese Gefahr wird die Ausstrahlungskraft der  Friedensbewegung der 80er Jahre brauchen, in der Konservative, Grüne, Kommunistinnen, SozialdemokratInnen, EsotherikerInnen, Angehörige aller Weltreligionen, … zusammen fandenfür das, was sie eint/e: Das Leben, das Überleben sichern im Angesicht der Bedrohung/en.

Wenn ich hier Vorwürfe gegen Kräfte der Spaltung und der Zerbröselung der Friedensbewegung formuliere, heißt das nicht, dass die von diesen Kräften Kritisierten damit bar jeder Fehler sind. Im Humanistischen Grundkonsens kritisieren Mahnwachenprotagonisten, dass es im damaligen Mahnwachenspektrum 2014 auch Rechtskräfte gab, die mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – etwa im Falle Jürgen Elsässer – in Erscheinung treten. Gegen diese Kräfte ist der Protest der DemokratInnen existenziell.

Ken Jebsen hat auch in einigen Fällen gegen die Vision “Der Frieden ist der Weg” (Gandhi) gehandelt, etwa wenn er KritikerInnen, die sich verdient gemacht haben in ihrem Einsatz gegen den Imperialismus beim G 8-Gipfel in Heiligendamm oder beim  Nato-Gipfel in Straßburg,… für die Zukunft der Menschheit eingesetzt haben, als ‘Feinde’ anprangerte (so in seiner Rede v. 16.März 2015), weil sie eine Bündnispolitik verfolgen, die die Spirale aus Vorwürfen und Gegenvorwürfen mit teils nicht-validen und undifferenzierten Vorwürfen steigern, die wir auch schon bei der Otto-Brenner-Stiftung und anderen beklagen mussten. Ein differenzierter Umgang mit ein ander ist solange angesagt, wie das Einhalten der roten Linie des Antifaschismus, Antirassismus und der Menschenrechte.

Nach Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahren heißt das alles für mich: Behandele die Menschen im Konflikt nicht so, wie sie Dich behandeln, sondern so, wie sie sein könnten. So will ich zu meiner eigenen Weiterentwicklung beitragen, zu der meiner Diskurs-GegnerInnen und zum Wachstum der Bewegung.
Der Marxismus hat mir Hegels Dialektik näher gebracht, und die Erkenntnis, dass die Realität ein Prozess ist, der sich aus Gegensätzen nährt. Diese Haltung bei der Verarbeitung aller Informationen befähigt nach meiner Einsicht am ehesten dazu, dass wir die Zukunftsherausforderungen bewältigt bekommen, zu denen die Kriegsgefahr sehr berückend vordringlich zählt. Wenn wir diese Haltung auf alles anwenden, nur nicht auf uns selbst, fürchte ich, wird die Menschheit sich das Instrumentarium nicht erarbeiten, das sie braucht, um die Zukunftsgefährdungen zu bewältigen. Wir werden den Weg nur dann erfolgreich beschreiten, wenn wir ab jetzt alle Kraft auf Lösungen und das Gemeinsame der Humanisten konzentrieren, den ich im kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels so beschrieben finde: Es geht um die Gemeinschaft, in der die “freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist”. Das ist der Weg, wie mir scheint, der einzige, der ein Notausgang für die Menschheit sein kann, wenn sie in ihr Überleben doch noch einwilligt.

Die Friedensbewegung ist dabei ein existenzieller Wegbereiter. Deshalb hängt das Überleben der Menschheit mit davon ab, dass sie die Attraktivität gewinnt, die ihr einen Zulauf erbringt, wie ihn die Zukunft der Menschheit braucht. Dies geht nur über einen Umgang mit einander, der den Frieden vorwegnimmt, den sie anstrebt. Das meinte Gandhi wahrscheinlich mit seinem Satz. Dieser Friede wird möglich, wenn wir alle erkennen, dass wir Wesen sind, in denen Programme gleichzeitig ablaufen, die sich teils sogar gegensätzlich ausschließen. Und dann suchen wir einen gemeinsamen Ausweg aus den Dilemmata in uns und um uns herum. Mit allen Humanisten, die ein Überleben in der ökologisch, militärisch, sozial und politisch gefährlich gefährdeten Welt ernsthaft konkret gehen wollen. Das werden auch Mitmenschen sein, die derzeit teils gegeneinander wirken.

Viele von jenen, die im Diskurs über den Weg trefflich streiten, meinen es gut. Auch WeggefährtInnen, die andere ausgrenzen, gefiltert wahrnehmen, anklagen, können gewonnen werden. Auch Menschen, die auf der Gegenseite stehen: Siehe Snowden, den ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter, der plötzlich das Spiel der Herrschenden wahrnahm und dann alles riskierte, als er zum Aufklärer wurde. Er ist damit natürlich noch nicht unbedingt zum Systemkritiker geworden. Das ist allerdings nach meiner Einsicht ein Erfordernis für die Beharrlichkeit der Bewegung, die sich nicht damit abspeisen lassen darf, dass Tauben die Falken in den Militäreliten ablösen. Es geht letztlich doch immer wieder  um die Systemfrage, die Gesellschaft, in der die freie Entwicklung des Einzelnen die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist. Erst dann hört nach meiner Erfahrung der Krieg auf. Ob das naiv ist? Wir haben keine andere Wahl, als das anzustreben, wenn wir, was ich will, als Gattung überleben wollen. Es ist unrealistisch, das unmöglich Erscheinende nicht zu wollen. Von Sally Perel habe ich auch diesbezüglich gelernt: Gib niemals auf!

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

 


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