Geld blamiert die Welt

Ein Finanzsystem, das alles beherrscht und das niemand kontrolliert, geht nicht.

Die Zusammenhänge zwischen Kreditvergabe, Staatsschulden, Bankenrettung, Wirtschaftswachstum und Klimawandel sind im System des Geldverkehrs angelegt und gipfeln in der herrschenden Ideologie der Finanzwelt.

Hier werden Strukturen aufgedeckt und die Frage beantwortet, wie wir als normale Weltbürger darauf reagieren können.

Ein Essay von Rob Kenius.

1. Teil: So funktioniert das Geld- und Schulden-System

Wer die Gesamtlage verstehen will, muss das Geld verstehen. Das ist nicht einmal schwierig, wenn wir nur die Realität von heute betrachten und nicht die Geschichte, wie und wo Geld und Kapital und der Kapitalismus entstanden sind und wie es war, als die Finanzwelt noch nicht so liquide war wie heute.

Geld ist eine Zahl

Liquide bedeutet flüssig und das ist noch stark untertrieben. Geld ist super-liquide geworden. Es schwappt in Sekundenschnelle durch Datenleitungen um den Globus in unvorstellbaren Mengen. Täglich werden mehr als 1.000.000.000.000 = eine (europäische) Billion (Dollars) an den Börsen gehandelt.

Solche Summen sind im wörtlichen Sinne unvorstellbar. Wenn jemand sie als Zahl berechnet und hinschreibt, kann er sie sich trotzdem nicht als reale, zählbare Menge vorstellen. Diese Tatsache ist symptomatisch. Die Akteure handeln mit Größen, die sie selber verstandesmäßig nicht voll beherrschen.

Wir brauchen den Begriff des Kapitals nicht, den der Philosoph Karl Marx geprägt hat. Kapital ist ein komplizierterer Begriff als Geld. Die Lehre von Karl Marx ist ein Gedankengebäude, das als Theorie in sich stimmig und gültig zu sein scheint, das aber die aktuelle Wirklichkeit nicht verständlicher macht, weil sich im 21. Jahrhundert die Gewichte sehr stark in Richtung auf das reine, nackte Geld verschoben haben.

Einfache, fundamentale Begriffe erleichtern das Verständnis: Eine Erklärung für das Verhalten in der Finanzwelt, die auch hinter dem Kapitalismus steckt, ist die menschliche Gier, ein unbeherrschter Trieb.

Die Form der Gier, welche die Welt am meisten beherrscht, ist die Geldgier. Sie dient auch dazu, die Sucht nach Drogen, Vergnügen und Macht zu befriedigen. Dadurch werden Geld und Geldbesitz emotional aufgeladen und Emotionalität verhindert eine sachliche Beurteilung.

So wie Biologen und Ärzte den Körper ohne Emotionen sehen, soll hier das Geld ohne Emotionen und ohne ideologische Voraussetzungen betrachtet werden.

Die erste, nackte Tatsache ist: Geld ist eine Zahl.

Am Anfang gab es eine Anzahl von Symbolen, Goldstückchen oder einfach Strichen in der Keilschrift. Dann war Geld die Zahl auf Münzen, später auf Geldscheinen, schließlich die Zahl auf einem Konto und heute ist das große Geld nur noch eine Zahl auf einem digitalen Speicherplatz. Was bedeutet die Zahl, die das Geld ausmacht?

Wertlose Milliarden

Die Zahl bemisst das Geld in einer Währungseinheit: Dollar, Euro, Renminbi, Franken, Pfund, Yen, Rubel oder Peso. Deren Wert richtet sich nach dem Devisenmarkt. Für den, der das Geld ausgibt, ist aber entscheidend, was er auf dem realen Markt der Waren für sein Geld kaufen kann. Wie viel Brot, Mehl, Wein er bekommt oder wie viel ein Auto kostet.

Der Markt ist lebendig, ein unüberschaubarer Prozess, ein Gewimmel aus vielen einzelnen Käufern und Verkäufern. Sie alle treffen Entscheidungen, die erst im statistischen Mittel den Wert einer Ware und schließlich den Wert einer Währungseinheit bestimmen.

Das zeigt uns: Der Wert des Geldes ist nicht genau festgelegt, er liegt auch im Ermessen derjenigen, die mit dem Geld umgehen. Jeder kann für sich den Wert des Geldes selber bestimmen, was für ihn hundert, hunderttausend oder hundert Millionen Euro wert sind.

Die Bewertung kann dann sehr unterschiedlich ausfallen. Die Akteure der Hochfinanz stehen täglich vor dem Problem, Milliarden gewinnbringend anzulegen; denn die Milliarden sind wertlos, so lange sie keine Rendite abwerfen.

Die interessanteste, sichere Geldanlage für große Summen sind Staatsanleihen. Wenn die Politiker aber aus irgendwelchen Gründen keine zusätzlichen Schulden mehr machen wollen oder können, wird ihnen Privatisierung angeboten. Der Staat verkauft sein Eigentum an die Finanzwelt und mietet es zurück. Oder man überlässt Privatfirmen staatliche Aufgaben und lässt diese Privatfirmen dann von den Bürgern direkt Gebühren (Maut) kassieren. Dass dabei die Bürger des Staates die Verlierer sind, liegt auf der Hand.

Wenn dann eine Autobahnbrücke einstürzt, ist keiner verantwortlich. Auch das ist ein Vorteil für Staat und Finanzwelt.

Milliarden werden von den Geldbesitzern einfach deshalb disponiert, weil sie vorhanden sind. Es gibt Fonds, bei denen die Mindesteinlage eine Million Dollar beträgt. Eine Million im Hedgefonds Black Rock ist aber nicht eine Million mal soviel wert wie ein Dollar im Hut des Bettlers draußen vor der Tür.

In der Hochfinanz herrscht Inflation, man sieht es am Börsenwert von Firmen wie Facebook, deren Aktien gekauft werden, weil die Firma weltbekannt ist, nicht weil sie einen stattlichen Gewinn macht oder besonders wertvolle Immobilien besitzt. Auf dieser Ebene wird Geld eingesetzt wie Spielgeld.

Ein brauchbares Konstrukt wie das Rad

Geld ist ein abstraktes, aber eng mit der Realität verbundenes Konstrukt des Menschen. Man kann es mit dem Rad vergleichen. Keiner weiß, wer es erfunden hat, und es ist auch denkbar, dass niemand es erfunden hätte, so wie in Amerika niemand das Rad erfunden hatte, ehe die Europäer dort ankamen. Und es hat viele Kulturen gegeben, die kein Geld hatten, die also Geld nicht brauchten.

Aus dem Bisherigen können wir einige Merksätze herauslesen, die das Verständnis der Geldwirtschaft leichter machen.

  • Geld ist eine Erfindung des Menschen wie das Rad.
  • Geld ist eine Zahl. Wer mit Geld zahlenmäßig umgeht, muss die Gesetze der Mathematik genau beachten.
  • Der Wert des Geldes ist abhängig von einem Markt, auf dem es akzeptiert wird.
  • Geld ist nicht lebensnotwendig.

Diese Aussagen sind noch lückenhaft. Es ist nicht bekannt, wer das Geld erfunden hat, und ebenso wurde noch nicht erklärt, wer das Geld heute und morgen erschafft, generiert oder, wie der Gesetzgeber sagt, in Verkehr bringt. Diese Frage ist aber entscheidend. Wieso?

  • Geld ist in in der Finanzwelt in einem riesigen Überschuss vorhanden und
  • viele unterschiedliche Institutionen haben das Recht, Geld zu erschaffen.
  • Geld wird dabei ständig mehr durch unkontrollierte Geldvermehrung in Staatsbanken, Notenbanken und Privatbanken.

Diese Aussage gilt nicht für jedes Geld, aber für die maßgebenden Währungen, z.B. Dollar, Euro, Britisches Pfund und Schweizer Franken. Auch die Regeln, nach denen Geld erschaffen wird, sind nicht einheitlich.

Das Ergebnis steht aber fest:

  • Die vorhandene Geldmenge ist etwa dreimal so groß, wie alle käuflichen Güter kosten würden.
  • Zweidrittel allen Geldes dient nur der Finanzwelt. 
Diese Relation ist noch weitgehend unbekannt, sie hilft sehr, die Zusammenhänge zu verstehen und sollte deshalb ständig wiederholt werden:
  • Geld ist in viel zu großem Überfluss vorhanden.

Die wunderbare Geldvermehrung

Wie kann das sein? Um das zu verstehen, müssen wir uns mit dem Bankengeschäft befassen und folgende Spielregel zur Kenntnis nehmen: Banken verleihen Geld gegen Zinsen.

Diese Praxis ist kein Naturgesetz und kein Gesetz der Mathematik, sie ist ein Geschäftsmodell, das mehr als fünfhundert Jahre lang funktioniert hat und den Banken viel Gewinn einbringt. Der Islam verbietet die Erhebung von Zinsen und schon das zeigt, dass Zinsen ein Postulat sind, das nicht unbedingte Geltung hat. Im Mittelalter war auch Christen das Verleihen gegen Zinsen untersagt und das Bankwesen wurde weitgehend den Juden überlassen.

Wer Zinsen verlangt, will mehr Geld zurück haben, als er herausgegeben hat. Das heißt, es muss Geld hinzukommen. Wenn die Geldwirschaft ein geschlossenes System ist, kann die Forderung nach Zinsen nur erfüllt werden, wenn die Geldmenge im System steigt.

Das Geld muss also vermehrt werden.

Schon diese einfache Überlegung zeigt uns, dass die Geldmenge seit fünfhundert Jahren immer größer werden musste. Der Vorgang wird dadurch noch beschleunigt, dass auf Zinsen, die noch nicht zurückgezahlt wurden, auch wieder Zinsen entfallen, sogenannte Zinseszinsen.

Und wie wird das Geld vermehrt? Die Zeiten, wo der Kaiser Münzen schlagen lässt, um den nächsten Krieg zu finanzieren, sind vorbei.

Banken betreiben das Geschäft der Kreditvergabe und der gleichzeitigen Geldvermehrung. Sie verleihen nicht nur Geld, das sie haben, sondern sie geben einen Kredit über Geld, das sie gar nicht im Tresor haben.

Banken geben dem Kreditnehmer eine Gutschrift auf sein Konto, über die er verfügen kann, und weisen ihm gleichzeitig eine Schuld zu, die er zurückzahlen muss, plus Zinsen und Zinseszinsen. Diese Buchung ist stimmig, auch ohne dass die Bank ihr eigenes Geld anrührt. Darum heißt das so entstehende Geld Buchgeld.

In der Regel wird von den Bankenaufsicht eine Sicherheit an Eigenmitteln verlangt, damit die Banken Geld zur Verfügung haben, wenn mehrere Kontoinhaber, also auch Kreditnehmer, ihr Geld bar abheben wollen. Diese Sicherheit an Eigenmitteln der Banken ist äußerst niedrig; sie liegt unterhalb von zehn Prozent der Kreditsumme, heutzutage etwa bei zwei Prozent aller Gutschriften.

Der größte Teil der Kreditsumme wird also durch diesen Vorgang neu geschaffen.

Das Ganze nennt sich Giralgeldschöpfung. Weil jede Bank das machen kann, ist es eine unkontrollierte Geldvermehrung. Für Banken ist das Geschäft mit Krediten deshalb sehr lukrativ. Sie können sich zwar nicht selber Geld gutschreiben, also in die eigene Tasche schieben, aber sie verdienen an den Zinsen und die Bankangestellten bekommen Provisionen.

So entsteht ein Anreiz, dass Banken von sich aus Kredite anbieten und bewerben.

Der Pleitegeier ist ein Haustier geworden

Nur, wenn der Kredit nicht zurückgezahlt wird, gibt es ein Problem, dann fehlt Geld in der Bilanz der Bank. Das wiederum führt zu der Taktik, dass Banken es vermeiden, faule Kredite als Verlust zu verbuchen, sie buchen sie weiterhin als Außenstände in den Büchern, auch wenn keine Aussicht mehr besteht, dass der Schuldner den Kredit zurückzahlt.

Wenn aber eine Firma endgültig pleitegeht, weil sie sich für zahlungsunfähig erklärt, erst dann tritt für die Bank der Verlust in der Bilanz ein. Dies kommt in der Regel nicht so oft vor, insbesondere nicht bei den größten Schulden, den Staatsschulden.

Die Finanzwelt geht davon aus, dass ein Staat seine Schulden immer bezahlen kann, auch wenn diese Schulden so groß sind, dass alle Bürger, alle Firmen, alle Einkommen, das gesamte Bruttosozialprodukt eines ganzen Jahres zusammen die Schuld nicht abdecken.

Es handelt sich bei Staatsschulden um ein paar hundert Milliarden Dollar, Euro, Franken oder Pfund.

Würde ein Staat in Konkurs gehen, sich also eine Regierung nicht mehr für die eigenen Schulden und die aller vorhergehenden Regierungen verantwortlich fühlen und sich weigern, die Staatsschulden anzuerkennen, dann ging nicht nur eine einzige Bank pleite, sondern hunderte Banken im In- und Ausland. Für den Staat, seine Regierung und die arbeitende Bevölkerung wäre das vielleicht eine Erleichterung.

Jeder Kreditgeber muss mit Kreditausfall rechnen und die Folgen sind seine Sache. Aber die Finanzwelt versucht mit aller Gewalt Staatspleiten zu verhindern. Man hat deshalb die sogenannte Griechenland-Rettung betrieben, wobei die Verluste privater Investoren und Banken durch Gelder der Euro-Länder, also durch Gelder der Allgemeinheit, abgewendet wurden. 
Man hat dafür das blumige Wort Rettungsschirm erfunden. Wir können das uns so vorstellen, dass man Schirme ins Wasser wirft, um Ertrinkende zu retten. Gerettet wird dabei nicht ein finanziell Ertrinkender in Griechenland, sondern der Kreditmarkt, beispielsweise in Italien, wo viele marode Banken existieren, die griechische Staatsanleihen besitzen. Das Geld, das die teuren Rettungsschirme kosten, geht dabei für die Spender, die EU-Bürger, verloren.

Das System der Kreditvergabe mit Giralgeldschöpfung verlockt die Banken und ihre Angestellten zur Kreditvergabe auch an zweifelhafte Schuldner. Und die Buchungsregeln verleiten dazu, faule Kredite nicht als Verluste zu verbuchen. Deshalb schweben hunderte Banken in der Gefahr, dass ihre Lage offenkundig wird und fast alle Großgeldbesitzer wären betroffen, weil der Geldmarkt so verflochten ist, dass niemand ihn durchschaut, und das erzeugt Angst bei denen, die zuviel Geld haben.

So ist ein Schuldenberg entstanden, der durch Zinsen und Zinseszinsen viel größer geworden ist, als die bereits überdimensionierte Geldmenge.

  • Die vorhandenen Schulden können nie zurückgezahlt werden.
  • Allein, um den Schuldendienst aufrecht zu erhalten, muss ständig neues Geld ins System fließen.
  • Wenn nur die amerikanische Notenbank FED ihren Geldzufluss drosselt, geraten Schuldner weltweit in die Krise. Aktuelles Beispiel Türkei.
  • Das labile Konstrukt aus Guthaben und Krediten kann in jedem Moment zusammenbrechen.

Die überschüssige Geldmenge und der Schuldenberg zwingen uns, schon jetzt mit der Idee aufzuräumen, dass Geld zwangsläufig Zinsen bringt. Das war damals so, als Geld noch knapp war, doch das ist lange her.

Niemand in der Finanzwelt ist daran interessiert, einem Sparer oder Altersvorsorger drei oder fünf Prozent Zinsen auf sein Erspartes zu garantieren oder gar auszuzahlen.

Die Zeiten kommen auch nicht wieder, weil die Geldmenge nicht weniger wird. Bekanntlich vergibt die Europäische Zentralbank inzwischen Geld an Banken bei null Zinsen, doch die wollen das Geld nicht haben, sondern sie deponieren noch Tagesgeld in Frankfurt, weshalb die Zentralbank ihnen gelegentlich negative Zinsen auferlegt.

Wer aber macht all die Schulden und warum? Es kann sich dabei nicht nur um Häuslebauer handeln.

Mit Schulden Staat machen

Warum Staaten so gerne Schulden machen, ist leicht zu erklären.

Die auf wenige Jahre gewählten Politiker geben das Geld, das ihnen nicht gehört und das sie nicht zurückzahlen müssen, mit vollen Händen aus.

Zuerst für sich selbst in Form von

  • Diäten
  • Gehältern
  • Prunk, Protz
  • Reisen und
  • Pensionen.
Dann für ihre
  • Parteien,
  • die Fraktionen und
  • parteinahen Organisationen,
  • für Wahlkampf-Kosten-Erstattung und
  • Wahlgeschenke,
  • aber auch für die der Regierung nahestehende Beamtenschaft
  • und die staatlichen Angestellten,
  • neuerdings auch für externe Dienstleister,
  • Anwaltskanzleien und Berater.
  • Außerdem natürlich für den normalen Staatshaushalt,
  • für den Sozialetat,
  • die notwendige Infrastruktur,
  • Schulen und Bildung,
  • ein wenig für die Forschung
  • und viel für die Rüstung und
  • die Verteidigung Berlins in Afghanistan.

Nicht zu vergessen, dass schon längst ein großer Posten an Zinsen fällig ist; denn keine neue Regierung zahlt die Schulden der vorhergehenden zurück, sondern sie macht eigene Schulden für eigene Projekte.

Die Kreditwirtschaft sieht es gerne. Staatsschulden sind ein Geschenk an die Banken.

Da ist eine Komplizenschaft zwischen Banken und Regierung entstanden: Die Banken verdienen an den Schulden und die Politiker haben freie Hand, ihre Politik mit Geld auf Pump zu gestalten.

In den USA ist es besonders extrem: Die Notenbank FED ist in privater Hand; sie erzeugt das Geld und verleiht es an die Regierungen beider Parteien. Niemand erwartet oder fordert, dass die Staatsschulden der Vereinigten Staaten zurückgezahlt werden, aber die Zinsen wandern in private Taschen. Die Regierung hat finanziell freies Spiel. Wenn ihr nichts besseres einfällt, investiert sie in die einzige Form der klassischen Ökonomie, in der die USA noch Weltmeister sind: Militär und Rüstung.

2. Teil: Augen auf und nein sagen!

Der Zwang zum Wirtschaftswachstum ist eine direkte Folge der Kreditwirtschaft. Das Wachstum beschränkt sich dabei nicht auf die angenehmen Seiten Wohlstand und Konsum. Die Schattenseiten, Abfall, Ressourcen-Verbrauch, CO2-Ausstoß, wachsen ebenso drastisch.

Der Wohlstand korrumpiert alle Beteiligten, aber weil alle beteiligt sind, können wir auch alle am Fluss von Geld, Waren, Energie und Müll etwas ändern.

Investieren in Plastik und Ramsch

In der realen Wirtschaft müssen Firmen und Unternehmer eine positive Bilanz vorweisen, sonst gehen sie pleite. Sie nehmen Kredite auf, nicht um Haushaltslöcher zu stopfen wie Politiker, sondern um zu expandieren. Dieser Vorgang wird als einzig normal angesehen, obwohl eine solide Firma auch ohne Kredite wachsen kann.

Ein expansives Unternehmen baut zum Beispiel eine neue Betriebsstätte mit geliehenem Geld und die Banken verdienen mit. Was hat das für Folgen?

Die Firma muss mit dem neuen Projekt Zinsen erwirtschaften und will obendrein einen Gewinn erzielen, mit dem sie teilweise die Schulden tilgt. Der Bruttogewinn der neuen Geschäfte muss also relativ hoch sein.

So verlagert sich die Wirtschaft wegen der Kreditfinanzierung auf hochprofitable Projekte. Das erscheint selbstverständlich und harmlos, ist es aber nicht. Es ist nicht optimal, dass die Wirtschaft bevorzugt Produkte herstellt und anbietet, an denen man sehr gut verdienen kann.

Um das besser zu verstehen, ein Gegenbeispiel: Die Forstwirtschaft. Das Pflanzen, Abholzen und Pflegen von Wäldern ist ohne Zweifel ein sehr sinnvolles Geschäft, es wirft aber weniger als zwei Prozent Gewinn ab. Forstwirtschaft ist also unrentabel und doch ist sie für das Land unverzichtbar. Finanzberater würden jedem Waldbesitzer, auch dem Staat, raten, seinen Wald abzuholzen, das Holz zu verkaufen und mit dem Geld ins Investment-Banking einzusteigen.

Das Beispiel Forstwirtschaft zeigt, dass nicht nur hoch profitable Wirtschaft sinnvoll ist. Im Gegenteil, die nur am Gewinn orientierte Logik ist auf viele Bereiche nicht anwendbar und wenn man sie doch anwendet, ergeben sich sogenannte Engpässe wie bei der Altenpflege.

Mit der üblichen Kreditwirtschaft entsteht noch ein weiteres, kaum bewusstes Problem, das der versteckten Zinsen. Ein Beispiel: Der Elektrokonzern ABC baut eine Kühlschrankfabrik im Lande DE mit einem Kredit der Bank FF. Dann enthält der Preis des Kühlschranks, den der Konsument bezahlt, neben dem Firmengewinn auch indirekt die Zinsen, die ABC an FF zahlen muss.

Weil das Kreditwesen so ausgeprägt ist, enthält jeder Preis, aber auch jede kommunale Gebühr und und jede Steuer an den Staat eine beträchtlichen Anteil indirekter Zinsen. Du kaufst einen Kühlschrank oder du gehst ins städtische Museum und zahlst damit indirekt Zinsen an eine Bank, obwohl du nie einen Kredit aufnehmen wolltest!

Alle reden vom Wachstum, wir nicht

Aber warum wird denn ständig expandiert?

Auch das ist in den Grundregeln des Geldverkehrs schon angelegt. Allein die Zinsen verlangen, dass das Geld mehr wird. Jede Firma will aber obendrein einen Gewinn machen. Dieser Gewinn und die Zinsen für eine Investition müssen erwirtschaftet werden. Das geht am besten mit einer Umsatz-Steigerung und das bewirkt in der Breite, weil überall Firmen expandieren, einen Zwang zum Wachsen der gesamten Wirtschaft.

Für diejenigen, welche die Welt aus der Vogelperspektive sehen, ist das Wirtschaftswachstum ein oberflächliches Kriterium für Erfolg.

Wirtschaftswachstum ist also das Postulat. Wer postuliert es? Die Finanzwirtschaft, die Wirtschaftsbosse und merkwürdiger Weise auch die Regierung und die meisten Journalisten, die über Wirtschaftsthemen schreiben, und sie alle denken wie die Geldverleiher in Prozenten. Man verlangt ein Wirtschaftswachstum von beispielsweise zwei bis fünf Prozent. Und man verlangt es von allen Beteiligten, auch von den Normalbürgern, die sollen mehr Geld ausgeben.

Das Verlangen wird erfüllt. Die Wirtschaft wächst und wächst und dabei wachsen am meisten die hoch rentablen Zweige der Wirtschaft. Das sind zum großen Teil Firmen, die verführerische Genussmittel und kurzlebige Konsumgüter produzieren, genau das, wofür am meisten Reklame gemacht wird.

An dieser Stelle, voll im Rausch von Wachstum, Konsum und Befriedigung, haben die meisten schon vergessen, dass Geld eine Zahl ist, die der Mathematik unterliegt. Wirtschaftswachstum um zwei Prozent pro Jahr, gemessen in Geld, führt rein mathematisch zu einem exponentiellen Anwachsen aller damit verbundenen Zahlen.

Die Insider der Wirtschaft und der Finanzwirtschaft sehen als ihre Zahl nur den Gewinn. Aber da wachsen auch andere Zahlen exponentiell, die funktional mit dem Wirtschaftswachstum verbunden sind:

  • Die Abfallmenge.
  • Der Energieverbrauch.
  • Der CO2-Ausstoß.
  • Der Verbrauch an Ressourcen.
  • Es wachsen exponentiell die Managergehälter und
  • die Bonus-Zahlungen an die höheren Angestellten.

Das Geld kompensiert die Intelligenz der Führungskräfte, die das Spiel durchschauen könnten und dem Einhalt gebieten müssten, um die Zukunft zu retten, aber es geschieht nichts.

Das Geld korrumpiert und blamiert sie.

Was nicht exponentiell steigt, sondern stagniert, sind Löhne und Gehälter der meisten Erwerbstätigen. Denn die Gewinn-Maximierung hat Nebeneffekte, welche diejenigen treffen, die nicht direkt am Gewinn beteiligt sind. Das sind neunzig bis neunundneunzig Prozent der Bevölkerung.

Das Drücken der Löhne ist ein Teil der ökonomischen Wissenschaft geworden, dazu gehört auch, dass der Geldüberfluss nicht publik wird.

Mit Vollgas in die Hitzewelle

Es gibt noch einen weitere bedauerlichen Nebeneffekt des Wachstums. Die Wirtschaft braucht viel Energie. Geld ist der Anreiz, Energie ist das Treibmittel. Fast jede Energie wird am Ende in Wärme umgewandelt.

Das Problem der Erderwärmung ist das Ergebnis von zu viel Energieverbrauch, aber keiner will es wahr haben. Niemand in der Politik und in den Medien hat den Mut, deutlich zu sagen, dass wir alle unseren Energieverbrauch endlich drosseln müssen.

Wir haben uns vor der Weltöffentlichkeit zu Klimazielen bekannt und dann unsere Automobile aufgerüstet:

  • Abwrack-Prämie und
  • neue, schnellere Autos mit
  • mehr Motorleistung,
  • mehr Gewicht,
  • SUVs,
  • mehr elektrischer Schnickschnack,
  • dickere Batterien und
  • Klimaanlagen.
  • Natürlich auch höhere Neupreise, die über Kredit finanziert werden.
  • Mehr Verdienst für die Autoindustrie und
  • die Finanzwirtschaft.

Die automobile Aufrüstung hat in Deutschland alle Anstrengungen mit den sogenannten erneuerbaren Energien kompensiert. Was von den Windrädern und Solaranlagen an Brennstoff eingespart wird, wird von der Autoflotte auf Straßen und Autobahnen wieder verschluckt und weg gehustet. Unterm Strich gibt es keine Entlastung für das Klima.

Die Diskussion kreist jetzt um Braunkohle, keinesfalls um die automobile Aufrüstung gegen den Trend der Zeit. Die deutsche Auto-Industrie verpennt dabei die Zukunft.

Anstatt leichte Elektro-Flitzer zu konzipieren, oder andere Konzepte für Mobilität zu entwickeln, hat man sich Software-Tricks ausgedacht, um die Umweltauflagen zu hintergehen. Dahinter steckt natürlich die Angst, mit kleineren, billigeren, leichteren, umweltfreundlicheren Ideen weniger Geld zu verdienen.

Aus Geldgier blamiert sich die deutsche Autoindustrie und die deutsche Regierung blamiert sich durch ihr Versagen in der Klimapolitik vor der Weltöffentlichkeit.

Aber Energie sparen kann jeder:

  • Weniger Auto fahren.
  • Mal das Fahrrad nehmen.
  • Kleinere, sparsame Autos kaufen.
  • Beim Fahren wieder die Fenster aufmachen und
  • Klimaanlage ausschalten.
  • Im Winter nicht alle Zimmer voll beheizen,
  • nicht über zwanzig Grad heizen,
  • Türen öffnen und schließen,
  • Schalter betätigen.
  • Im Sommer auch mal kalt duschen,
  • auch bei weniger gutem Wetter zu Fuß vor die Tür gehen, notfalls ohne Hund. 

Temperaturwechsel beleben den Kreislauf.

All diese Maßnahmen kosten kein Geld und werden genau deshalb nicht diskutiert.

Als Sprungbrett das Bremspedal

Häufig hört man, wenn von den Auswüchsen der Finanzwirtschaft und der Gefahr durch permanentes Wirtschaftswachstum die Rede ist, dass man daran nichts ändern kann, oder dass man erst den Kapitalismus abschaffen müsste, ehe es losgeht. Aber, weil das Geld eine rein menschliche Erfindung ist und außer der Mathematik nichts daran unumstößlich, kann auch jeder am Markt beteiligte Mensch etwas am Geldverkehr ändern.

Wir bestimmen selbst, welchen Wert das Geld für uns hat.

Wir können es einerseits hoch einschätzen und alles tun, um Geld zu verdienen und dann alle Dinge nur nach ihrem Preis beurteilen, Marken- und Luxusartikel eingeschlossen. Wir können aber auch die Dinge hoch bewerten, die kein Geld kosten: Die Luft zum Atmen, die Gefühle in unserer näheren Umgebung, das Wasser im Meer und die Zeit, die wir uns nehmen.

Zeit, die wir zusätzlich zum Leben brauchen, können wir leicht gewinnen, indem wir das Fernsehen ausschalten, den ständigen Programmwechsel nicht mitmachen, nur einzelne Sendungen auswählen und dann etwas anderes unternehmen.

Das Fernsehen zeigt uns, wie wir denken, reden, kaufen, essen, trinken, uns anziehen, ausziehen und schlafen sollen. Es betreibt die Verkündigung des aufwändigen Lebensstils. Das Fernsehen repräsentiert die bestehende Herrschaft des Geldes.

Wieso?

Das Medium ist die Botschaft. Fernsehen zu machen, ist sehr teuer, es verbraucht Unmengen an Geld. Das Geld kommt von den Zuschauern, ob sie wollen oder nicht.

Wer Fernsehen nicht zur Kenntnis nimmt, gewinnt nicht nur Zeit, sondern auch Geld und Gedanken-Freiheit.

Wer Das Fernsehen nicht zur Kenntnis nimmt, gewinnt an Selbstachtung, denn jedes Programm macht seine eigenen Figuren groß und die Zuschauer klein. Das gilt sogar für Satiresendungen und inzwischen auch für den Wetterbericht.

Was das Fernsehen nicht verkündet: Es gibt viel zu viel Geld auf der Welt. Und der Trend geht deshalb unweigerlich zur Entwertung des Geldes.

Viele Dinge gibt es jetzt umsonst oder ausgesprochen billig. Ein Internetanschluss oder ein Smartphone bringen uns die ganze Welt näher, in Text, Bild und Ton, und Geld ist dabei eine Nebensache.

Das gibt Anlass, Geld in unseren Köpfen neu zu bewerten; es spielt nicht mehr die Rolle wie früher, es sichert nicht mehr unsere Zukunft, denn die Finanzwelt ist unberechenbar und labil geworden.

Wir müssen zum Geld auf Distanz gehen.

Bewusste Distanz zum Geld ist nicht ohne Weiteres möglich, denn die Finanzwirtschaft hat in ihrem Überfluss an Geld und Macht eine Ideologie entwickelt, die von überall her auf uns einprasselt und unser öffentliches und privates Bewusstsein bestimmt.

Die Ideologie der Finanzwelt denkt maximal, sie sucht nach dem Maximum an

  • Gewinn,
  • Rendite,
  • Provision,
  • Aufschlag,
  • Umsatz,
  • Produktivität,
  • Besitz,
  • Aktienkurs,
  • Index,
  • Leistung,
  • Effizienz.

All diese messbaren Größen sollen maximiert werden und der eindimensionale Maßstab, mit dem sie gemessen werden, ist das Geld. Und es erscheint den meisten, die im Bereich der Geld-Ideologie leben, als völlig normal, dass jeder nach dem Maximum an Geld strebt.

Es ist nicht schwer zu erkennen, dass diese Sucht nach dem Maximum im wirklichen Leben Unsinn ist. Lebensprozesse dürfen nicht maximiert werden! Weder Essen noch Trinken, noch Schlafen, noch Sex. Weder Laufen noch Sitzen, noch Reden noch Schweigen. Wer aber krankhaft süchtig ist, der versucht, von seiner Droge möglichst viel zu bekommen und in sich hinein zu ziehen, zu schütten, zu schaufeln oder zu schießen.

Das Volk verzichtet auf Opium

Geld kann mit seiner Ideologie zur geistigen Droge werden. Es ist Opium, nicht für das Volk, sondern für die Finanz-Elite und die mit Geld angefixten Manager, Fondsverwalter, Disponenten, Lobbyisten und Politiker. Geld ist Opium für die Meinungsführer und Experten, wozu auch Wissenschaftler und Journalisten gehören können.

Geld ist deshalb besonders suchterregend, weil man mit Geld jede andere Droge kaufen und jede Sucht befriedigen kann. In Finanzkreisen besonders beliebt ist das Kokain, weil es genau wie Geld keine körperliche Abhängigkeit erzeugt, aber es zerstört wie ein Lichtblitz, der in die offenen Augen fällt, die Wahrnehmungsfähigkeit.

Das Maximieren von Geld, seinen Produkten und Derivaten, ist ein Sucht-Symptom, das uns zeigt, wie krank die Szene in der Hochfinanz ist. Und sie ist wegen ihrer Macht über Wirtschaft und Politik gefährlich für unser Zusammenleben.

Dabei gerät die Ideologie des Geldes in einen tiefen Widerspruch.

Man verlangt, dass die Wirtschaft, gemessen in Geld, prozentual wächst von Jahr zu Jahr und immer weiter so. Prozentuales Wachstum ist der vorhandenen Menge proportional.

Nach den Gesetzen der Mathematik führt stetes Wachstum, das proportional zur vorhandenen Menge erfolgt, wie schon erwähnt, zum Anwachsen in Form einer Exponentialfunktion.

Diese aus prozentualem Anstieg resultierende Wachstumskurve hat folgende Eigenschaften: Sie wächst erst langsam, dann schneller, die Kurve geht immer steiler gegen Unendlich. Sie hat keinen Wendepunkt und kein Maximum!

Das Maximum, nach dem die Ideologie des Geldes strebt, ist unerreichbar, es existiert nicht unter den Bedingungen, welche die Finanzwelt der Wirtschaft selber gesetzt hat.

Dagegen hilft nur eins: Sich der Ideologie des Geldes so schnell wir möglich zu entziehen, gegenzusteuern, es anders zu machen, am besten das Gegenteil von dem, was die Geldideologie will.

Weniger statt mehr. Nicht mehr, sondern weniger essen, trinken, konsumieren, verbrauchen, wegwerfen, weniger Gas geben. Bei jedem dieser Vorschläge gibt es eine Fülle von Gegenargumenten und Ausnahmen, aber gegen die These, dass wir zurückstecken müssen, sticht kein einziges Argument.

Was wir am meisten reduzieren sollten, ist, neben dem Energieverbrauch, genau das, wofür am heftigsten Reklame gemacht wird: Billige Klamotten, sinnlos teure Markenartikel, süße Leckereien, protzige Autos, Kurzurlaub mit dem Flieger… die besten Ziele des Verzichts sind leicht anhand der Werbung zu erkennen. Augen auf und nein sagen!

Rob Kenius ist freier Autor und betreibt die Webseite kritlit.de. Buchveröffentlichung: Neustart mit Direkter Digitaler Demokratie, erschienen im Solibro Verlag, Münster 2017.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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