Gemeinsam, solidarisch, international

Pax Terra Musica – Warum die Friedensbewegung attackiert wird. Und warum sie ein konkreteres Konzept braucht. 

von Susan Bonath.

Auf der Bühne heizen dunkelhäutige Musiker mit Reggae ein. Weiße und schwarze Menschen hüpfen umeinander. Ergraute Alt-68er schieben ihre Enkel, vielleicht schon Urenkel, im Kinderwagen umher. Neben einer Gruppe, die in der Meditation den Weg zum Frieden sieht, diskutieren Leute über ihre Visionen von einer besseren Welt und Auswege aus dem Kapitalismus.

Das Friedensfestival Pax Terra Musica (PTM) auf dem ehemaligen Militärflughafen Niedergörsdorf im Süden Brandenburgs erinnerte an die Flowerpower-Bewegung von 1968: Bunt, so widerständig wie widersprüchlich, westliche Herrschaftsdoktrin teils klar, teils unspezifisch in Frage stellen, voller Hoffnungen und Pläne, getrieben von einer Sehnsucht nach Frieden, Gemeinschaft und Gleichwertigkeit.

Kein Wunder, dass das Festival zum Ziel medialer und politischer Attacken wurde. So warnte die ARD vorab, dort würden sich »auch Teilnehmer aus umstrittenen Szenen sammeln, darunter Verschwörungstheoretiker und Mitglieder der rechten Szene«. Scheinheilig fragte der Sender, ohne die Anführungszeichen zu vergessen: Gehe es den Veranstaltern von PTM wirklich um »Frieden«?

Wir kennen mediale Hetzkampagnen inzwischen zur Genüge. Sie begleiteten die Occupy-Proteste, deren führerloses Prinzip des zivilen Ungehorsams den Wunsch nach Solidarität und Egalität verdeutlichte. Damit stellte Occupy die Machtfrage. Die Aussage der Aktivisten war eine Kampfansage an das System: Wir lassen uns nicht mehr von euch beherrschen.

Mit brachialer Häme verfolgte die Mainstream-Presse kurz darauf die Mahnwachen. Die politisch ungeübten Organisatoren riefen nach einem Ende des Krieges in der Ukraine und westlicher Provokation gegenüber Russland. Sie stellten die offensichtlich verlogene und kriegstreiberische Propaganda bürgerlicher Medien in Frage. Suchende sammelten sich, mit oder ohne Plan. Spirituelle und Atheisten, Bürgerliche und Linksalternative: Sie alle hatten ein Problem mit dem System.

Occupy und die Mahnwachen haben vieles gemeinsam: Sie sammelten Menschen aus verschiedenen Schichten mit unterschiedlicher politischer Bildung und widersprüchlichen Erfahrungen. Sie zogen – die Mahnwachen mehr als Occupy – aber auch Gruppen an, die ihre weniger friedliche Ideologie propagieren, für rechte Gruppen oder Parteien werben oder schlicht nationalistische Publikationen verkaufen wollten. Das überforderte politisch unerfahrene Organisatoren und Teilnehmer.

Dennoch: Beide Bewegungen standen mit dem kapitalistischen System auf Kriegsfuß. Ihre rasche Ausbreitung über Landesgrenzen hinweg machte sie für das politische Establishment unkontrollierbar. Die Antwort auf beide war nicht nur mediale Hetze. Die Occupy-Camps zerschlug die Staatsgewalt zum Teil gewaltsam. Die Antwort auf die Mahnwachen war unter anderem Pegida: Ein gelungener Schlag, um berechtigten Frust auf »die da oben« auf »die da unten« abzulenken und damit Wankende abzuziehen.

Geschickt gelang es dem Establishment, selbsterklärte »linke«, vor allem linksbürgerliche Kräfte, in den Canon des moralistischen, von jeglicher Analyse befreiten Geplärrs einstimmen zu lassen. Sicher kam es »denen da oben« entgegen, dass eine Frau, die sich seit Jahrzehnten als »linke« Moralapostelin präsentiert, die Hetzkampagne maßgeblich mit entfachte.

Die präsentierte Einheitsfront von Staatsapparat, Politik, Medien und vermeintlich linken Apologeten stiftete vor allem unter frisch Anpolitisierten Verwirrung. Ist links ein Synonym für dogmatisch-agressiv? Natürlich nicht. Wer auf jene verächtlich herabblickt, die berechtigt Angst vor der Zukunft und Sehnsucht nach einer friedlichen Welt haben, die Krieg und Zerstörung ablehnen, die sich existenziell bedroht fühlen oder bereits gestrauchelt sind, nur, weil sie vielleicht wenig politisch bewandert sind, ist alles andere als links und hat Verachtung verdient.

Wer die Begriffe links und rechts ihrem ursprünglichen Sinn entsprechend zuordnet, wird es verstehen: Links stehen heißt auf der Seite der Unterdrückten, der Entrechteten, der Ausgebeuteten, der unter die Knute des Kapitals Gezwungenen zu stehen. Rechts steht indes, wer bewusst oder unbewusst dem Herrschaftssystem namens Kapitalismus aktiv dient. Das ist der Fall, wenn Gruppen oder Parteien versuchen, den Frust der Masse von den Verursachern von Ungleichheit, Krieg und Unterdrückung (»die da oben«) auf eine Gruppe anderer Unterdrückter, wie Flüchtlinge oder Erwerbslose, abzulenken.

Nichts anderes praktizieren die politischen Protagonisten unseres kapitalistischen Staats, indem sie immer härtere Abschiebegesetze erlassen, EU-Bürgern jeden Zugang zu existenzieller Grundversorgung versagen (und damit auch zwangsläufig Kriminalität in den unteren Schichten befördern), gegen Hartz-IV-Bezieher hetzen und immer mehr Überwachung, Aufrüstung, Militarisierung und Zwang etablieren. Auch sie erheben gerne den verlogenen moralistischen Zeigefinger.

Die Vorstellung von einer egalitären Gemeinschaft und das Infragestellen von Herrschaft ist jedoch immer eine Kampfansage an das kapitalistische System. Klar ist: Wer Bewegungen, Proteste oder Festivals initiiert, die ökonomische und politische Machtverhältnisse in Frage stellen, zielt auf das Herz der großen Kapitalmaschine. Er muss mit massivem Widerstand des Establishments rechnen. Dessen umfangreiche Strategien, Bewegungen zu diskreditieren, zu zerrütten, zu destabilisieren und Aktivisten zu demoralisieren, sind seit langem bekannt.

Beispiele dafür gibt es genug. Erwähnt sei hier nur das 1971 aufgeflogene Counterintelligence-Program (COINTELPRO) des FBI. Ursprünglich war es gegen Kommunisten gerichtet, später wurde es gegen die Friedens- und soziale Bewegungen eingesetzt. Die Methoden reichten von Schmutzkampagnen über den Einsatz von »agents provocateurs« bis hin zum politischen Mord.

Um damit umzugehen, aber auch um der Aussicht auf Erfolg willen, brauchen Initiatoren von Protesten und Bewegungen nicht nur starke Nerven und vorausschauendes Timing. Sie benötigen konkrete Visionen, politische Ziele und gemeinsam mit allen Beteiligten erarbeitete Handlungsoptionen.

Wer die Machtfrage stellt, darf die Eigentumsverhältnisse nicht ausblenden. Wem gehört die Wirtschaft und wer übt kraft seines Besitzes wie viel Macht aus? Herrschaft von Menschen über Menschen und damit auch Krieg und Frieden hängt ursächlich daran, wem etwas gehört. Wem die Konzerne und Banken gehören, der hat auch die Politik kapitalistischer Staaten im Griff. Denn beide hängen voneinander ab.

Die Eigentumsfrage könnte global Proteste vereinen. Nehmen wir Initiativen gegen Schulschließungen. Schulen machen dicht, weil sie die Kommunen nicht mehr finanzieren können. Die Kommunen sind klamm, weil der Staat in erster Linie den Interessen des Finanzkapitals dient und wiederum von ihm abhängig ist. So wird er aufrüsten, statt Schulen auszustatten. Krankenhausprivatisierungen und Schließungen unrentabler medizinischer Sparten, wie Geburtshilfe, Kinder- oder Frauenstationen haben dieselbe Ursache, ebenso der stete Abbau sozialer oder arbeitsrechtlicher Standards.

Auch die große Frage nach Krieg oder Frieden hängt am Eigentum. Sich systemisch verstärkende Kapitalverwertungskrisen zwingen die privaten Profiteure, wollen sie ihre Position behalten, zu immer mehr Export. Doch Märkte und Rohstoffe wollen erobert werden. Es bleibt die Hauptfrage: Wem gehört die Wirtschaft – einigen wenigen oder uns allen? Wer sie stellt, schießt dem Monster direkt ins Herz. So leicht tot zu kriegen ist es nicht. Darauf müssen wir uns einstellen – gemeinsam, solidarisch, international.

Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


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