Die hebbsche Lernregel, verkürzt in dem Ausspruch: „What fires together, wires together“, ist die grundlegende Essenz dessen, was die vergangenen Jahrzehnte in der Hirnforschung hervorgebracht haben. Neuroplastizität nennt sich das dahinter verborgene Phänomen, welches ganz nach seiner inhärenten Logik dafür sorgt, dass wir alle, die wir eine Schule aufgesucht haben, den Lernprozess unweigerlich mit dieser Institution in Verbindung setzen.
Nun würde dies an sich kein Problem darstellen, wenn Schulen tatsächlich Orte wären, in denen die im Menschen verankerte Lernbereitschaft genährt würde und Rücksicht auf die individuellen Voraussetzungen eines jeden Einzelnen genommen würde. Wie wir wissen, ist die Realität jedoch vielerorts eine andere: Die Mehrheit der Menschen musste von der frühen Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter die Erfahrung machen, dass an Schulen genau das Gegenteil dessen passiert, was sich alle Beteiligten – von den Eltern über die Schüler bis zu den Lehrern – von ihr erhoffen. Bereits wenige Jahre, in denen einem jungen Menschen die Zwangsjacke der Schulpädagogik übergestreift wird, reichen aus, um das innere Feuer der Neugierde – die oft beschworene „Freude am Lernen“ – für immer auszulöschen.
Zwar stellt die Gesellschaft eine breite Palette an Ersatzbefriedigungen bereit, um das entstandene Loch irgendwie zu stopfen, doch keine Fast-Food-Orgie und auch kein Konsumrausch werden auf lange Sicht je in der Lage sein, ein wohliges Kohärenzgefühl im Gehirn zu erwirken.
Schulen sind keine Entfaltungsorte, sondern ein wichtiger Seitenarm des Systems zur Wahrung von Konformität gegenüber der herrschenden Ordnung. Dass dies nun schon seit Jahrhunderten so geht, unterstreicht nur wie überfällig ein neues Lernkonzept ist. Denn um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern, bedarf es mehr als einer großen Masse angepasster Ja-Sager, die in die Schule geht, weil man halt muss. Stattdessen muss Schule ein Ort werden, zu dem die Kinder gehen, weil sie Lust haben, etwas Gutes auf diesem Planeten zu tun und wo ihnen als Schlüssel zur Problembewältigung individuelles Denken und Kooperationsbereitschaft mit auf den Weg gegeben werden.
Wer ernsthaft daran interessiert ist, eine solche Entwicklung voranzutreiben, sollte sich einen kompetenten Hirnforscher mit ins Boot holen. Menschen wie Gerald Hüther, die sich seit vielen Jahren mit dem wichtigsten Lernorgan des Menschen beschäftigen, kennen die Rahmenbedingungen, die erfüllt sein müssen, um Lernen von einem äußeren Zwang zu einer intrinsischen Motivation zu verwandeln. Wer Hüther zuhört, erlebt ein sonderbares Wechselbad der Gefühle. Die Begeisterung über den breiten Wissensschatz, den uns die Neurobiologie inzwischen zur Verfügung stellt, paart sich mit einer Wut über die Starrheit des Systems, welches sich partout weigert, das zu machen, was es eigentlich vermitteln sollte: Aus eigenen Fehlern zu lernen.
Jeder Einzelne, der nun Empörung über die aktuellen Zustände empfindet, ist dazu aufgefordert, diese Kraft in positive Bahnen zu lenken. Da verhält es sich wie mit einer schlechten Gewohnheit. Andere Personen können einen zwar darauf hinweisen, aber sich zu ändern, das liegt einzig und alleine in den Händen des Betroffenen.
Inhaltsübersicht:
00:16 Gerald Hüther – „Popstar“ der Neurobiologie
11:10 Historischer Kontext der „Systemmaschinerie Schule“
22:02 Freude am Lernen – Wie funktioniert das?
53:41 Selbstorganisation als Alternative zu heutigen Ordnungssystemen
1:14:12 Die Frage nach der Würde
1:28:21 Erfolgreiche Integration aus Sicht der Hirnforschung
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