“Grenzgang” – Comedy-Punk Nikolai Binner präsentiert sein Solo-Programm als Video

Eine Rezension von Eugen Zentner.

Nikolai Binner ist einer der wenigen Comedians, die sich trauen, gegen den Strom zu schwimmen. In seinen Gags kommt immer wieder eine Kritik zum Ausdruck, die sich gegen die Obrigkeit und die herrschende Meinung richtet, so wie es für Satire eigentlich typisch ist. Seitdem aber auch diese Kunstgattung durch Sprachverbote und Zensur gezähmt wird, gilt Binner als eine Art Comedy-Punk, als ein humoristischer Rebell, der das Establishment aufschreckt und selbst in der eigenen Branche die Gemüter erhitzt, indem er das ausspricht, was seine Kollegen als Sakrileg betrachten.

Seine Lust an der Provokation demonstrierte der Berliner Comedian in den sogenannten Corona-Videos, die ihn schlagartig über die Grenzen der Hauptstadt bekannt machten. Darin nahm er sich der Maßnahmenpolitik an und führte humoristisch-bissig vor, auf welch grotesken Widersprüchen sie beruht. Der Shitstorm blieb nicht lange aus, der Mainstream tobte – sowie der Comedy-Betrieb, in dem Binner zunehmend Steine in den Weg gelegt wurden. Als im letzten Jahr nach zarten Lockerungen wieder Live-Auftritte möglich waren, bekam er in Berlin bei fast allen Open-Mic-Veranstaltungen ein Hausverbot. Für einen Stand-up-Comedian sind solche Events essentiell, weil sie sich dort quasi ausprobieren und für größere Shows trainieren. Binner ließ sich jedoch nicht entmutigen. Trotz des gewaltigen Gegenwinds stellte er ein Programm zusammen und ging damit 2022 deutschlandweit auf Tour. Dieses erste Comedy-Solo seiner Karriere mit dem Titel «Grenzgang» liegt nun auch als Video vor, sodass alle, die Binners Auftritte verpasst haben, sich die Show zu Hause anschauen können.

Aufgezeichnet wurde sie am 6. November, als der Comedian in München zu Gast war. In den insgesamt 68 Minuten geht es natürlich um Corona, allerdings nur am Anfang und auch nur knappe zehn Minuten lang. Binner witzelt ein wenig über die vielen illegalen Shows während des Lockdowns, über den absurd konspirativen Geist jener Zeit oder über die vielen Diffamierungen der Maßnahmenkritiker. Er seziert humoristisch solche Ausdrücke wie „Corona-Leugner“ oder „Impfverweigerer“ und sagt, dass in den letzten Jahren so ziemlich alle Begrifflichkeiten auf den Kopf gestellt worden seien: „Wenn du in der Öffentlichkeit immer noch mit Mundschutz rumrennst, nennt man dich jetzt solidarisch. Früher nannte man solche Leute Asiaten.“ Der Gag gibt der Show eine andere Richtung und charakterisiert zugleich das Solo-Programm, dessen Titel bereits zu verstehen gibt, dass Binner sich an der heute übersteigerten Political Correctness abarbeitet.

Als Comedian versuche er, die Grenzen auszuloten, sagt der 31-Jährige. Für ihn stelle sich die Frage, wie man sie überschreiten könne, ohne das Publikum zu verlieren. Genau darin bestehe die Kunst, so Binner – unter die Gürtellinie zu gehen und trotzdem witzig zu sein. „Deswegen spiele ich gerne mit den Grenzen und versuche auf der Bühne herauszufinden, wo sie liegen, was man in der Gesellschaft sagen darf und was nicht.“ In der Show fallen dann häufig so Ausdrücke wie „Mongo“, „Schwuchtel“ oder „Transe“, politisch unkorrekte Begriffe, die woke Ideologen auf die Palme bringen und gerade deswegen bewusst eingesetzt werden, um der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, wie doktrinär und autoritär, aber auch langweilig und eintönig sie wird, wenn sie Sprachtabus selbst in die Comedy einführt. „Ich finde, man muss über alles Witze machen können“, sagt Binner an einer Stelle der Show, „über alles, ohne Ausnahme.“

Diesem Motto bleibt der Berliner Künstler die gesamten 68 Minuten treu und behandelt diverse Themen aus verschiedenen Bereichen, von Alltagsproblemen und privaten Peinlichkeiten bis hin zu Politik und verweichlichter Männlichkeit. Er wolle kein Corona-Comedian sein, auf den ihn viele seit seinen Videos reduzieren – schließlich habe er auch vor der Krise auf der Bühne gestanden. Viele Gags aus dieser Zeit sind in das Solo-Programm eingegangen, das als ein Mix aus alten und neuen Nummern daherkommt. Selbst der Ukraine-Krieg wird thematisiert, satirisch überspitzt und mit einer humorvoll-kritischen Anspielung auf die Doppelmoral des Westens, wo gerne das Argument ins Feld geführt wird, dass Russland mit seinem Angriff gegen das Völkerrecht verstoßen habe. „Putin verstößt gegen das Völkerrecht“, ahmt Binner den Empörungsmodus nach, um dann prompt die Pointe zu präsentieren: „Seit wann interessiert uns diese Scheiße.“

Dass die woken Meinungsführer bei solchen Diskussionen zu den Taktgebern gehören, bleibt in der Show nicht unerwähnt. Der Comedian zeichnet ein humoristisches wie realistisches Bild ihrer männlichen Repräsentanten, die im Alltag jede Form von Virilität anprangern, aber am lautesten den Krieg gegen Russland fordern. Das widersprüchliche Selbstbild der Woken entlarvt Binner auch beim Thema Toleranz, die sie gerne demonstrativ vor sich hertragen. Der Gag ist so aufgebaut, dass der Comedian von seiner Erfahrung bei der Suche nach einer Wohngemeinschaft in Berlin berichtet. Schon beim ersten Anruf sage ihm die Stimme am anderen Ende, was er als allererstes wissen müsse: „Wir sind eine transgenderfreundliche Wohngemeinschaft und suchen einen toleranten Mitbewohner. Weil Toleranz ist unsere Stärke.“ In dem Moment habe er gewusst, so Binner in der Pointe, dass Toleranz auf keinen Fall ihre Stärke sei: „Es sind nicht tolerante Menschen, die sich für tolerant halten, dass sie dich mit ihrer Toleranz vorwarnen müssen.“

Wieso handle es sich um ein „Triggerthema“, dass man keine Witze über „Transen“ machen könne, fragt der Comedian. Er selber habe viele „Transen“ persönlich kennengelernt – „und sie haben meistens den derbsten Humor“. Das Verbot gehe gar nicht von ihnen aus. „Das Problem sind nicht sie, sondern dass statistisch gesehen in diesem Land auf eine tatsächliche Transgenderperson 6.000 selbsternannte Transgenderbeauftragte kommen, die in ihrem Namen reden.“ Mit seinen Gags führt Binner das Publikum in eine Welt zurück, die vor sehr langer Zeit untergegangen scheint, in eine Welt, in der man noch über alles und jeden lachen konnte, ohne befürchten zu müssen, dass jeden Moment die Meinungs- und Sprachpolizei auftaucht, eine Welt, in der allen klar ist, dass selbst politisch unkorrekte Witze nur der Satire-Situation wegen gemacht werden, aber nicht als Beleidigung gedacht sind.

Binners Show stellt gewissermaßen eine Insel der Freiheit dar inmitten eines von Sprachtabus verminten Kontinents. Wer dort etwas über eine Stunde lang das Gefühl der Leichtigkeit und Unbeschwertheit genießen möchte, kann das Video auf seiner Seite ab einer Spende von fünf Euro streamen oder downloaden. Der Ertrag soll direkt in die Produktion des nächsten Solo-Programms fließen, das Binner nach eigener Aussage noch in diesem Jahr auf die Beine stellen will.

Hier der Link zu seiner Show: https://nikolaibinner.sellfy.store/p/nikolai-binner-grenzgang-die-komplette-show/

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Nikolai Binner

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Kommentare (3)

3 Kommentare zu: ““Grenzgang” – Comedy-Punk Nikolai Binner präsentiert sein Solo-Programm als Video

  1. In vielen Religionsgemeinschaften darf ein verurteilter heterosexueller Verbrecher, auch ein Frauenmörder oder ein Frauenvergewaltiger oder ein Kindermörder und damit jeder potentielle Wiederholungstäter, kirchlich eine Frau heiraten, aber eine unschuldige lesbische Frau* darf kirchlich keine andere Frau heiraten. Das ist nicht gerecht.

    Gestern fiel mir dieses tolle Argument ein, um intolerante Religionsgemeinschaften für LGBTQIA zu öffnen.

    Nach Ansicht mancher Menschen soll Homosexualität angeblich Sünde sein, obwohl Homosexuelle keinem weh tun bzw. niemandem schaden.

    Auch das Argument, dass Homosexuelle keine Familie gründen könnten, überzeugt nicht, da Homosexuelle Kinder zeugen und adoptieren können. Im Übrigen dürfen ja auch Heterosexuelle, die keine Kinder zeugen wollen, kirchlich heiraten.

    *: gleiches gilt auch für homosexuelle Männer

  2. Es geht also um Geld. Schade hab leider KEINES.

  3. Respekt und danke, apolut-Team!

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