Großadmiral Dönitz und die bedingungslose Kapitulation

Auszug aus dem Roman „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“

Von Wolfgang Bittner.

Anfang Mai 1945 wird bekannt, dass Hitler vor seinem Tod den Marineoberbefehlshaber Karl Dönitz zum Reichspräsidenten ernannt hat. Die letzten Tage des „Dritten Reiches“ sind angebrochen, an der Spitze einige überlebende Trabanten des Führers. Der Admiral war ein enger Gefolgsmann Adolf Hitlers, frühes Mitglied der NSDAP, ab 1943 Großadmiral und „Führer der Unterseeboote“. Als die Invasion in der Normandie stattfand, ließ er 36 U-Boote auslaufen und gab den „Selbstmordbefehl“ aus: „Jedes feindliche Fahrzeug, das der Landung dient, auch wenn es etwa nur ein halbes Hundert Soldaten oder einen Panzer an Land bringt, ist ein Ziel. Es ist anzugreifen, auch unter Gefahr des eigenen Verlustes … Das Boot, das dem Feinde bei der Landung Verluste beibringt, hat seine höchste Aufgabe erfüllt und sein Dasein gerechtfertigt, auch wenn es dabei bleibt.“

Obwohl sich die Unterlegenheit der U-Boot-Flotte bereits 1943 abzeichnete, hatte Dönitz immer wieder neue Durchhaltebefehle herausgegeben: „Hart sein, nach vorne kommen und angreifen. Ich glaube an Euch!“ Unter seiner Verantwortung gingen von 820 deutschen U-Booten 781 mit etwa 26 000 Seeleuten verloren, die höchste Verlustquote aller Waffengattungen. Einer seiner Befehle soll gelautet haben, bei Schiffsversenkungen die Überlebenden zu vernichten. Und eine „verantwortungsfreudige Persönlichkeit“, die es zu belobigen galt, war für ihn der Lagerälteste eines Gefangenenlagers in Australien, der mitgefangene Kommunisten „planvoll und von der Bewachung unauffällig umlegen“ ließ.

Am 30. April hatte Martin Bormann den Großadmiral von seiner Ernennung zum Reichspräsidenten unterrichtet. Noch in Unkenntnis von Hitlers Tod, telegrafierte Dönitz zurück: „Mein Führer, meine Treue zu Ihnen wird unabdingbar sein. Ich werde daher weiter alle Versuche unternehmen, um Sie in Berlin zu entsetzen. Wenn das Schicksal mich dennoch zwingt, als der von Ihnen bestimmte Nachfolger das Deutsche Reich zu führen, werde ich diesen Krieg so zu Ende führen, wie es der einmalige Heldenkampf des deutschen Volkes verlangt.“ Dieser realitätsfernen Einstellung entspricht die Proklamation an die Wehrmacht, in der Dönitz kurz darauf, eine Woche vor der Kapitulation, den „weiteren bedingungslosen Einsatz“ fordert: „Deutsche Wehrmacht, meine Kameraden! Der Führer ist gefallen. Getreu seiner großen Idee, die Völker Europas vor dem Bolschewismus zu bewahren, hat er sein Leben eingesetzt und den Heldentod gefunden. Mit ihm ist einer der größten Helden deutscher Geschichte dahingegangen.“

Der neue Reichpräsident zieht sich mit seinem Gefolge auf den Marinestützpunkt Mürwik bei Flensburg zurück. Im Flensburger Postamt wird eine Sendestation eingerichtet, die Verlautbarungen der Regierung Dönitz verbreitet: der Reichssender Flensburg, der mehr oder weniger deutlich überall in Deutschland zu hören ist. Gemeldet wird, dass Dönitz den Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk, Jurist und Träger des Goldenen Parteiabzeichens, mit der Bildung einer geschäftsführenden Regierung beauftragt hat. Zu diesem Zeitpunkt finden noch Rückzugsgefechte statt. Es sickert durch, der neue Reichpräsident bemühe sich um einen Separatfrieden mit den Westalliierten, um anschließend gegen die Rote Armee vorgehen zu können und sie aus Deutschland zurückzudrängen.

Als die Gleiwitzer Großmutter das hört, schüttelt sie den Kopf. „Dieser Dönitz ist ja genauso verrückt wie der Hitler. Der ist ja mit dem Klammerbeutel gepudert!“
„Aber er will doch die Russen aus Deutschland vertreiben“, widerspricht Tante Franziska. 
„Mädel, überleg mal, was dann passiert“, sagt die Großmutter. „Wenn sie die Russen, die inzwischen in Berlin sind, zurückdrängen wollen, geht hier im Osten der Krieg von vorn los und wir werden noch einmal überrollt. Dann bleibt kein Stein mehr auf dem anderen.“ Das prophezeit sie allen, die den Plan des Hitler-Nachfolgers Dönitz gutheißen, und das sind nicht wenige. „Es ist unglaublich“, erregt sie sich am nächsten Tag beim Mittagessen, „die haben immer noch nicht begriffen, was uns diese Bagage beschert hat und dass Deutschland den Krieg ohne Wenn und Aber verloren hat.“

Am selben Abend sendet Radio Flensburg eine Erklärung der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht: „Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt: ‚Seit Mitternacht schweigen nun an allen Fronten die Waffen. Auf Befehl des Großadmirals hat die Wehrmacht den aussichtslos gewordenen Kampf eingestellt. Damit ist das fast sechsjährige heldenhafte Ringen zu Ende. Es hat uns große Siege, aber auch schwere Niederlagen gebracht. Die deutsche Wehrmacht ist am Ende einer gewaltigen Übermacht ehrenvoll unterlegen.‘ Wir brachten den Wortlaut des letzten Wehrmachtsberichts dieses Krieges.“ Danach tritt eine Funkstille von drei Minuten ein, anschließend erklingt eine Instrumentalversion des Deutschlandliedes.


zeitgeist Verlag: „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“.

1943 ist der Krieg in Oberschlesien, dem Industriegebiet Ostdeutschlands, noch weit weg. Die Mutter fährt mit dem Kind aufs Land, wo es Hirschbraten, Kaffee und Kuchen gibt. Im Volksempfänger spricht Adolf Hitler von Siegen. Doch immer öfter heißt es: „… für Führer, Volk und Vaterland gefallen.“ In der Nachbarschaft werden die jüdischen Familien abgeholt, man muss sich vorsehen, es soll Konzentrationslager geben. Dann werden aus Siegen Niederlagen, und im Westen versinken die Städte im Bombenhagel. Vor der Gastwirtschaft des Großvaters schlagen sich Grubenarbeiter mit SA-Männern. Die Front rückt immer näher, und mit ihr kommt die Hölle des Krieges. Im März 1945 übernimmt Polen die Verwaltung der deutschen Ostgebiete, und es folgt ein Exodus von Millionen, darunter die Mutter und das Kind. Als sie halb verhungert in einer Kleinstadt in Norddeutschland ankommen, liegt der Vater schwer verwundet in einem Lazarett. Hunger und die furchtbare Kälte im Steckrübenwinter 1946, danach ein jahrelanger Aufenthalt im Barackenlager. Aber die Mutter gibt nicht auf. In der provisorischen Wohnküche arrangiert sie einen „Salon“, in dem kontrovers debattiert wird. Es ist die Zeit der Währungsreform mit der Teilung Deutschlands. Konrad Adenauer – von den Alliierten unterstützt – wird mit einer Stimme Mehrheit Bundeskanzler. Der Kalte Krieg beginnt, und die Weichen werden für das gestellt, was bis heute wirksam ist. Der Familie gelingt in den 1950er-Jahren, im „deutschen Wirtschaftswunder“, allmählich der Neuanfang.

Der Schriftsteller und Publizist Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. 2017 erschien von ihm im Westend Verlag das Buch „Die Eroberung Europas durch die USA – eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“.

Siehe auch KenFM im Gespräch: https://kenfm.de/wolfgang-bittner-die-heimat-der-krieg-und-der-goldene-westen/

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