Ein Meinungsbeitrag und Rezension von Paul Soldan.
Was macht unser Leben aus? Erfolg, Liebe, Literatur, Bewusstwerdung, Natur, Kunst oder der einfache Alltag? Schwierig, sich dabei auf eine einzige Sache festzulegen, da das Leben dafür doch zu bunt und facettenreich ist. Und gerade dieser Abwechslungsreichtum macht es doch in Wahrheit aus.
Dirk C. Fleck ist es mit seinem neuen Buch „Gefleckte Diamanten“, herausgekommen im Verlag p.machinery, in unnachahmlicher Art gelungen, all diese verschiedenen Erlebniswelten unseres Daseins festzuhalten. Es ist eine Zusammensetzung, wenn man so möchte eine Hamburger Melange, der schönsten Passagen aus seinen Büchern und Artikeln, gewürzt mit hochaktuellen, noch nicht veröffentlichten Beiträgen. Nicht selten nimmt er in seinen Texten die Rolle des „Anwalts des kleinen Alltags“ ein und schenkt diesem meist unbeachteten Teil unseres Lebens besonders liebevolle Beachtung. Oft schauen wir ja über das Alltägliche hinweg. Es ist unspektakulär, gleichförmig und häufig auch langweilig. Doch für Dirk C. Fleck sind es gerade solche Momente, in denen die Magie des Lebens zu finden ist und denen er mit seiner unverwechselbar gefühlvollen Sprache Ausdruck verleiht.
„Ich habe keinen Gießplan für meine Pflanzen. Ich mache mir noch nicht einmal Gedanken über die Pflege. Ich weiß, wann sie Wasser brauchen, ich folge einfach ihrem Ruf. Unsere Kommunikation ist aber nicht aufs ‚Essenfassen‘ beschränkt. Wenn ich mit einer Idee schwanger gehe, wenn ich dabei bis in die letzten Winkel meiner Wohnung laufe, um meinen Kopf zu kühlen, dann ertappe ich mich gelegentlich dabei, wie ich eine Pflanze berühre, ihre Blätter auf Schadstellen untersuche, ihr den Staub abwische, sie ins rechte Licht rücke. Die Pflege meiner Pflanzen geschieht unbewusst, ohne dass ich dabei nachlässig wäre. Im Gegenteil: In diesen meditativen Augenblicken bin ich ihnen sehr nah. Ich erkenne ihre Bedürfnisse und gehe auf sie ein. Als Dank saugen sie jeden gedanklichen Ballast aus mir, sodass ich mit einem klaren Ergebnis an die Schreibmaschine zurückkehre.“
Manchmal lässt sich beim Lesen auch ein plötzliches Lachen nicht unterdrücken, da Fleck eine Situation beschreibt, die zwar jeder von uns kennt, die jedoch durch die alltägliche Aus- oder viel eher Überlastung unseres Geistes stets wieder aus unserem Gedächtnis verbannt wird:
„Ich gehöre zu der Fraktion der Vergesslichen. Wir stehen vom Esstisch auf, um einen vergessenen Eierlöffel aus der Küche zu holen. Auf dem Weg dorthin entgleitet uns der Grund für die Nachholaktion. Also verweilen wir so lange ratlos in der Küche, bis wir schließlich unverrichteter Dinge umkehren müssen. Genug von diesem Schabernack, ich spiele nicht mehr mit. Bevor ich jetzt aufbreche, spreche ich laut aus, warum ich unterwegs bin. LÖFFEL! Zwar vergesse ich nach wie vor, was mich in die Küche treibt, aber während ich dort grübelnd verharre, meldet sich das Wort aus der Echokammer (LÖFFEL!) und schon kann die Nachholaktion erfolgreich abgeschlossen werden.“
Es sind auch diese Beschreibungen der kleinen, scheinbar weniger wichtigen Dinge aus unserem Leben, die „Gefleckte Diamanten“ wie Sonnenstrahlen auf einer Wasseroberfläche glitzern lassen. Die unterschiedlichen Geschichten wechseln sich ab, genau wie die Themen und Emotionen, die sie in sich tragen. Mal sind starke Empörung und Wut über die politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Zustände herauszulesen, mal sind es die Liebe und das tiefe Gefühl zu den Erinnerungen aus einem langen Leben, und mal ist es auch ein schonungsloses Aussprechen von Schmerz und Melancholie.
„Man möchte sich ins Moos schmeißen und ein paar Jahrhunderte schweigen …“
Blättert man dann auf die nächste Seite und widmet sich den nächsten kleinen Passagen, wechselt die Sprache mitunter schlagartig. Aus Melancholie wird plötzlich Empörung über die Ungerechtigkeiten in der Welt, werden philosophische Gedankenspiele, wird wiederum Anklage über gesellschaftliche Gleichgültigkeit, wird Akzeptanz, dass der eigene Wirkungskreis doch nicht so groß ist, wie man immer glaubte. Lässt man sich von diesen Klängen mitnehmen und fliegt mit ihnen fort, stellt sich gelegentlich ein ASMR-Effekt ein – ein behagliches Kribbeln, das am hinteren Teil des Kopfes beginnt und sich sanft über den Rücken und die Schultern ausbreitet.
„Schau auf die Blätter, schau auf die Gräser. Sie bewegen sich im Wind, sie tanzen nach seiner Pfeife. Und jetzt schau dir den Wind an. Kannst du ihn sehen? Du musst dich von den Pflanzen leiten lassen, sie tun nur, was der Wind ihnen einhaucht. Man kann ihn sehen. Er ist es doch, der die Bewegungen formt. (…) Der Mensch besitzt nichts, weder seinen Körper, der ihm jederzeit wieder genommen werden kann, noch irgendeine Wahrheit, die ihm beim nächsten genauen Hinsehen ohnehin wieder abhandenkommt.“
Das Portrait, das Fleck mit „Gefleckte Diamanten“ malt, ist farb- und facettenreich – genau wie unser Leben. Es ist der Spiegel zu unserem Leben, das alle Bereiche sichtbar macht, auch solche, die nicht immer offen liegen. Das macht es so wertvoll, wie Diamanten.
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Paul Soldan arbeitet als freier Schriftsteller und Onlineredakteur. Bis Ende 2023 lebte er über ein Jahr in Afrika. 2024 erschien im Anderwelt Verlag sein Debütroman »Sheikhi – Ein afrikanisches Märchen«.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Irene Fox / shutterstock
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