Über „den Westen“ wird in bestimmten Kreisen nur noch verächtlich gesprochen. Statt andere Weltgegenden zu idealisieren, sollten wir unsere Werte wieder mit Leben erfüllen.
Ein Kommentar von Roland Rottenfußer.
Katars Energieminister Saad Scharida al-Kaab traf im November 2022 auf den deutschen Journalisten Paul Ronzheimer, bekannt auch durch viele Reportagen aus der Ukraine. Angesprochen auf die im Westen so empfundene Diskriminierung „queerer“ Menschen, redete sich der Minister in Rage. „Ich habe nicht das Recht, Ihnen zu sagen, was Sie glauben sollen, und anders herum haben Sie es auch nicht. Der Westen kann uns das nicht diktieren. Und es ist eine große Doppelmoral am Werk, und das prangere ich mit großem Nachdruck an.“ Ronzheimer wandte ein: „Es geht nicht darum, den Westen zufriedenzustellen, es geht um Menschenrechte. Und die sind für alle gleich.“
Saad Scharida al-Kaab ließ sich davon aber nicht beeindrucken. „Ja, aber ich habe auch Menschenrechte. Und habe das Menschenrecht, auszusuchen, woran mein Land und ich glauben. (…) Sie können uns als Westen nicht diktieren, wie wir glauben sollen.“ Aber warum werden Homosexuelle in Katar überhaupt bestraft? „Das kann ich nicht sagen. Da geht es um das islamische Gesetz. Und das akzeptiert nun mal LGBTQ nicht. (…) Sie sollten sich um Deutschland kümmern, was Deutschland tut, was Deutschland hat.“
Die Unglaubwürdigkeit der Mahnenden
Dieses Interview erregte in Deutschland viel Aufsehen, zumal im Umfeld der Fußball-WM in Katar. Viele Aussagen des katarischen Ministers klingen auf den ersten Blick plausibel. Wer hätte schon etwas gegen das Recht jedes Volkes, selbst über seine Werte und Gesetze zu bestimmen? Sind Westler da nicht zu überheblich, zu übergriffig? Anders kann es sich anfühlen, wenn man selbst ein Homosexueller in Katar ist. Stellen Sie sich vor, auf irgendeinem seltsamen Weg hätten die Behörden Ihres Landes herausgefunden, dass Sie mit einer Person geschlafen haben, die Sie lieben. Sie werden daraufhin verhaftet, bloßgestellt und für Jahre in ein Gefängnis gesperrt, wo schlimme Haftbedingungen herrschen — faktisch weiße Folter. Sie verlassen den Ort Ihrer Pein nach Jahren, schwer traumatisiert, und treten wieder in eine Gemeinschaft ein, in der die meisten Menschen zu den Gefängniswärtern halten, nicht zu Ihnen.
Wäre es da nicht wohltuend zu wissen, dass irgendein „heuchelnder“ Westler, ein Paul Ronzheimer, irgendwo auf der Welt Ihre Partei ergreift, selbst wenn er nicht imstande ist, Sie zu „retten“? In Katar können Homosexuelle mit Gefängnis bis zu sieben Jahren bestraft werden, in selteneren Fällen sogar mit dem Tod durch Steinigung.
Amnesty International beansprucht, mit 35 Prozent ihrer Eilaktionen Erfolg zu haben, also Menschenleben gerettet, Freilassungen erwirkt oder Haftbedingungen verbessert zu haben. Mit einer Haltung nichteinmischenden „Respekts“ vor den Regeln in jedem der Täterländer wäre dies nicht gelungen.
Hierzu ist ein ethischer Kompass nötig, der über bloßen „Legalismus“ — also die Haltung, dass in jedem Land nun mal die Gesetze gelten, die gelten — hinausgeht. Die Überzeugung, dass es in jedem Fall falsch ist, Menschen ohne hinreichenden Grund oder unter schlimmen Haftbedingungen einzusperren, sie zu foltern und zu töten — egal, welche Auffassung die Verantwortlichen selbst in dieser Angelegenheit vertreten.
Dazu braucht es, wenn man so will, „Überheblichkeit“, die jedoch dem Mitgefühl mit den Opfern entspringt. Wirkliche Menschenrechtsaktivisten vergessen dabei nie, auch die Zustände im eigenen Land einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Ich übersehe nicht, dass auch der Westen schwere Gewalttaten auf dem Gewissen hat, vor allem die USA. Es ist dennoch kein Fehler, die Führer anderer Staaten zur Einhaltung der Menschenrechte zu mahnen. Nur hapert es sehr oft an der Glaubwürdigkeit der Mahnenden.
Verordnete Religion
Katars Energieminister zündet bei genauerer Analyse hier ein paar rhetorische Blendgranaten und entlarvt sich selbst. Er beansprucht, „auszusuchen, was ich für mein Land, für meine Religion, für meine Familie will“. Dies ist per se übergriffig gegenüber seinen Landsleuten, Glaubensgenossen und Familienmitgliedern, von denen einige für sich vielleicht eine andere Entscheidung treffen möchten, als sie der Minister vorgibt. Dabei stilisiert sich Saad Scharida al-Kaab sogar selbst zum Opfer einer Menschenrechtsverletzung — ihm werde das Recht abgesprochen, zu bestimmen,e
Legitim ist dies jedoch nur, was seinen eigenen Glauben betrifft. Selbst wenn die überwältigende Mehrheit in einem Land überzeugt muslimisch ist und auch klar heterosexuell, berechtigt das eine Führungsschicht nicht, dies für alle zur Norm zu machen — „cuius regio, eius religio“ hieß dieser Grundsatz im Dreißigjährigen Krieg. Wer die Region kontrolliert, kontrolliert auch die Religion. Der katarische Minister propagiert damit klar den Gewissenszwang. Zudem gibt er an, „das islamische Gesetz“ entbinde ihn von seiner Verantwortung als Entscheider. Saad Scharida al-Kaab ist ein Paradebeispiel für den autoritären Charakter. Ich gehorche gern, aber ich fordere auch Gehorsam von jedem, der in der Hierarchie unter mir steht.
Aus westlicher Sicht — und zugegebenermaßen bin ich natürlich von dieser Perspektive geprägt — ist so eine Ansicht eigentlich ein ideologischer Ladenhüter. Ich würde es begrüßen, wenn als Gegengewicht der vielleicht etwas angestaubten westlichen Werteorientierung etwas ganz Neues, Aufregendes auf der Bühne der Welt erschiene, das uns heuchelnde Europäer durch Brillanz und Humanität beschämte. Dies hier ist jedoch nur ein Rückfall in sattsam bekannte, zum Großteil auch außerhalb Europas überwundene Phasen der Bewusstseinsentwicklung der Menschheit. Ich will damit nicht Werte wie Tradition, Familie und Religion geringschätzen. Diese sind auch mir wichtig. Nur sollte jeder selbst wählen dürfen, wie er es mit ihnen hält, und nicht unter Strafandrohung zur Unterwerfung unter sie verpflichtet werden.
Der despotische Charakter als „Kulturerbe“
Wenn sich östliche Machthaber westliche Einmischung und moralische Belehrungen verbitten, bedeutet das also nicht zwangsläufig, dass sie integre Kämpfer gegen die globale Dominanz der USA sind, die sich für die Bewahrung ortstypischer Sitten engagieren; vielleicht sind es auch einfach nur skrupellose Machtmenschen, die keine Lust haben, auf westlichen Zuruf liebgewordene Gewohnheiten wie Folter, Frauendiskriminierung und Meinungsterror zu unterlassen. Nicht wenige diese Potentaten arbeiten eben nicht so gern an der Verbesserung der Menschenrechtslage in ihren Ländern, sondern lieber an der Perfektionierung selbstbewusster Kommunikationstechniken, um Kritikern Paroli zu bieten. Nicht nur wollen sie mit ihrem Tun ungerührt fortfahren, sie reagieren auch gern eingeschnappt, wenn sie mit Kritik daran konfrontiert werden.
Übrigens ist das bei den USA nicht anders, die im Fall Julian Assange die Aufdeckung des Verbrechens sanktionierten, nicht das Verbrechen selbst.
Es ist beobachtbar, dass Ausübende staatlicher Gewalt den Konflikt, der eigentlich zwischen oben und unten herrscht (Mächtige gegen Machtlose, Täger gegen Opfer), nur allzu gern auf die horizontale Ebene umlenken (globaler Osten gegen globalen Westen). Ihr eigener schlechter Charakter erscheint so plötzlich als erhaltenswertes Kulturerbe.
Währenddessen müssen aufrechte, mutige Bewohner desselben Kulturkreises unter schlimmsten Bedingungen im Gefängnis einsitzen.
Der Internet-Aktivist Raif Badawi wurde in Saudi-Arabien 2014 wegen „Beleidigung des Islams“ zu 1.000 Peitschenhieben verurteilt. Erst 2022 wurde er entlassen, nachdem er zum Glück nur einen Teil der Hiebe erhalten hatte. Ein Ausreiseverbot aus seiner Heimat ist bis heute in Kraft. Ich halte es für richtig, sich nichtwestlichen Kulturen zu öffnen und die Mentalitätsunterschiede, die sich zeigen, möglichst vorurteilsfrei anzuschauen. Vielfach ist es möglich, trotz aller Verschiedenheit der Prägung, Sympathie, ja Freundschaft zueinander zu entdecken. Warum muss sich aber gerade um die Regierenden von Nicht-NATO-Ländern herum eine publizistische Verteidigungsmauer auch im Westen bilden? Man täte gut daran, sich seine Sympathieträger unter den Ausgepeitschten zu suchen, nicht unter den Auspeitschenden — unter denen, die um ihres Gewissens willen verfolgt werden, nicht unter den Verfolgern.
Gibt es „lupenreine Demokratien“?
Der „Propaganda des Westens“, wie die in Mainstream-Medien der NATO-Länder vorherrschenden politischen Narrative gern genannt werden, sollte man gewiss nicht blind folgen. Dies gilt aber ebenso für tendenziöse Informationen, die aus den jeweiligen Regierungsapparaten nichtwestlicher Länder stammen. Nehmen wir als Beispiel Russland. Der langjährige Moskau-Korrespondent des Focus, Boris Reitschuster, sieht im politischen Establishment Russlands einen „vorherrschenden Zynismus“ am Werk. Er hält die verbreiteten Vorwürfe, der Westen meine es mit seinen Werten nicht ernst und würde diese nur heucheln, für Projektion. So schreibt er es in seinem Buch „Putins Demokratur“:
„Manche russischen Politiker bekennen ganz offen, dass sie Werte und Moral im westlichen Sinne für Scharlatanerie halten, für ein aufgesetztes Schauspiel. So blauäugig wie überzeugt behaupten sie, alle anderen Menschen würden es schließlich genauso halten und sich nur verstellen, wenn sie von Werten wie Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit reden. So etwas gebe es nicht. Wer anderes behaupte, sei ein Heuchler.“
Diese Grundeinstellung, so Reitschuster, sei ein Erbe aus der Zeit des Kommunismus, entspringe insbesondere dem Weltbild des sowjetischen In- und Auslandsgeheimdienstes KGB, in dem das Narrativ vorherrschte, dass es im Westen gar keine Demokratie gebe; in Wahrheit regiere im Westen ein kleiner Machtzirkel aus Politik und Wirtschaft, der sich die Medien unterworfen habe. So gibt Reitschuster die KGB-Doktrin wieder.
Was gegen Reitschusters Projektionsthese spricht, ist wohl die Tatsache, dass die Ereignisse seit 2018 — dem Jahr, in dem sein Buch „Putins Demokratur“ herausgekommen war — die Thesen besagter russischer Politiker eher bestätigt haben. Wir haben es im Westen mit einer Fassadendemokratie mit in ihrer Substanz ausgehöhlten Restinstitutionen zu tun. Man könnte ebenso von Bidens oder Scholz‘ Demokratur sprechen. Wladimir Putin antwortete 2007 auf die Frage eines Journalisten, ob er ein „lupenreiner Demokrat“ sei, wie ihm Gerhard Schröder zugebilligt hatte: „Gibt es denn irgendwo eine lupenreine Demokratie, in Deutschland zum Beispiel?“ Darüber können wir heute, im Jahr 2023, schon nachdenken.
Moralischer Relativismus gegen Einmischung
Die Wahrheit liegt vielleicht zwischen den beiden Positionen: Der Westen hat sich als Moralhüter so unglaubwürdig gemacht, dass er dem Osten damit eine willkommene Vorlage gab, den Ball zurück ins gegnerische Feld zu spielen; andererseits nutzt der Osten westliche Verfehlungen gern, um seine eigenen kleinzureden und mit einem allgemeinen moralischen Relativismus zuzudecken: „Was regt ihr euch auf? Wir sind doch alle keine Engel!“ Anstatt sich um die Verbesserung der Menschenrechtslage im eigenen Land zu bemühen, herrscht in beiden Lagern eine gewisse Selbstzufriedenheit auf niedrigem Niveau und eine Mentalität der Schuldweitergabe.
Wer auch immer hier Recht hat — festzustellen ist eine gewisse Gereiztheit gegenüber westlicher Einmischung. Dies war beim katarischen Energieminister Saad Scharida al-Kaabi nicht anders, der den Vorwurf, Homosexuelle würden in seinem Land eingesperrt, nicht entkräften und ebenso wenig eine nachvollziehbare Begründung dafür angeben konnte. Gesagt wurde im Kern nur: „Ihr habt uns gar nichts zu sagen. Wir leben hier, wie es uns gefällt.“ Es stimmt natürlich, dass sich Länder wie Katar nicht so stark in innere Angelegenheiten der NATO-Länder einmischen, wie dies umgekehrt geschieht. Aber was geschähe denn, wenn ein solches Land militärisch überlegen wäre? Könnte es der Versuchung des Machtmissbrauchs und des gewalttätigen Exports seiner eigenen Werte widerstehen? Anders gefragt: Sind diese Länder wirklich tolerant — oder sind sie lediglich zu schwach, um ihre Intoleranz auftrumpfend zur Geltung zu bringen?
Schon jetzt missionieren Länder wie Saudi-Arabien und Katar indirekt massiv in Europa, indem sie islamistische Gruppen unterstützen. Etwa die Salafisten. Diese sind zwar nicht gewalttätig, aber sie gehen von einer klaren moralischen Überlegenheit ihres „Lagers“ gegenüber westlicher Dekadenz aus und treiben die Ausbreitung ihrer Weltanschauung voran. Es ist dieselbe missionarische Haltung, die dem Westen als Kulturimperialismus vorgehalten wird: der Versuch, Coca-Cola, Hollywood und Menschenrechte allen aufzudrängen.
Der Hass auf den Westen
„Der Hass auf den Westen“ war ein Buch von Jean Ziegler, dem ehemaligen Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen (UN) für das Recht auf Nahrung. Darin geißelte der Schweizer 2008 die Heuchelei des Westens, der Kriege für Öl und Absatzmärkte anzettele und Tausende von Zivilisten im Bombeninferno sterben lasse, dabei aber keine Gelegenheit auslasse, um sich als Sachwalter der Menschenrechte aufzuspielen. Die Wut darüber wachse in der „Dritten“ und der islamischen Welt. „Schon lange macht sich der Westen nicht mehr klar, wie viel Ablehnung er hervorruft“, schreibt Ziegler.
„Ob bei Abrüstung, Menschenrechten, Kontrolle von Atomwaffen, globaler sozialer Gerechtigkeit — der Westen spricht fortwährend mit gespaltener Zunge. Und der Süden reagiert mit abgrundtiefem Misstrauen. Er hält diesen Westen, der in seiner Praxis ständig die von ihm verkündeten Werte Lügen straft, für schizophren.“
Als ich den Titel des neuen Buches dieses damals schon von mir sehr geschätzten Autors las, war ich überrascht und zunächst etwas ratlos. Ich konnte mir nicht vorstellen, was an „uns“, also an den demokratischen Nationen des Westens, so schlimm sein konnte. Ich wusste zwar — unter anderem von Jean Ziegler —, dass es strukturelle Ausbeutung des globalen Südens gab, auch als Folge der Kolonialgeschichte. Ich wusste von ethisch fragwürdigen blutigen Kriegen der USA. Aber „Hass“ — das überraschte mich denn doch. Ziegler begründete seine These jedoch gut. Seitdem bin ich hellhöriger, was antiwestliche Ressentiments betrifft, die durchaus ihre guten Gründe haben können.
Gibt es gute und böse Himmelsrichtungen?
Heute, 25 Jahre später, stolpere ich auf Schritt und Tritt über „Hass auf den Westen“. Fast ist mir entfallen, dass es überhaupt jemals etwas Positives über diese Himmelsrichtung des Grauens zu berichten gab. Der Grund dafür liegt im allgemein Sprachduktus der „alternativen Medien“ bezüglich des Westens.
In dem Milieu, in dem ich mich überwiegend bewege, gilt der Westen als verbrannt. Schreibt dort jemand über „westliche Werte“, so kann man davon ausgehen, dass das hämisch gemeint ist. Werte tauchen eigentlich überhaupt nur unter dem Aspekt ihres Geheucheltwerdens auf.
Kaum mehr scheint vorstellbar, dass jemand ehrlich an bürgerlichen Freiheiten, sozialen Rechten, Meinungsvielfalt und Menschenrechten interessiert sein könnte.
Aber gibt es Himmelsrichtungen, die von Natur aus gut oder böse sind? Genauer gesagt: Gibt es moralisch überlegene oder unterlegene Weltregionen und Wertesysteme? Nach meiner Erfahrung ist das Publikum in jedem Land und auf jedem Kontinent ein sehr gemischtes. Die Mehrheit orientiert sich meist an ihrer Regierung — zum Schaden der eigenen Integrität und geistigen Eigenständigkeit. Eine Minderheit erarbeitet für sich selbstständig Konzepte und Werte, die mit denen des nationalen „Mainstreams“ überkreuz sind. In diesen Kreisen gedeihen Geist und persönliche Tapferkeit, die nicht selten auch Opfer kostet.
Aussagen über einen moralisch völlig unglaubwürdigen „Westen“ machen nur Sinn, wenn es einen besseren „Osten“ als Vergleichsgröße gibt. Anderenfalls könnte man ja gleich von der Heuchelei, der Machtgier oder der Grausamkeit des Menschen sprechen, nicht von der des Westens.
Gibt es diesen besseren Osten? Und von welchem Osten sprechen wir überhaupt? Russland und China werden gern als Gegenspieler des NATO-Blocks genannt, aber auch ein Gegensatz zwischen dem Westen und der eher südlich gelegenen arabischen Welt taucht auf. Sind nicht Australien, Neuseeland, Israel, sogar Japan westlich orientierte Länder? Und gehören nicht Chile und Bolivien ideell, obwohl im Südwesten gelegen, dem „Nichtwesten“ an? Und ist nicht speziell Russland aufgrund seiner Kultur und Religion sowie den vielfachen verwandtschaftlichen Verbindungen zwischen den europäischen Adelshäusern bis 1917 ein überwiegend westlich geprägtes Land? Je genauer man hinsieht, desto weniger einfach stellen sich die Angelegenheiten dar.
BRICS-Staaten als moralische Alternative?
Mit der Gründung de BRICS-Staaten bürgerte sich die Unterscheidung zwischen dem Westen auf der einen und allen anderen Ländern auf der anderen Seite ein. Da sollte ein eher zusammengewürfelter Haufen von Nicht-NATO-Staaten, bestehend aus so unterschiedlichen Ländern wie Russland, China, Südafrika, Indien und Brasilien, dem ideologisch relativ einheitlich verfassten Westen Paroli bieten. Als Macht-Gegengewicht mögen die BRICS-Staaten auf Erfolgskurs sein. Als die „moralischere“ Alternative sind sie eigentlich schon gescheitert, ehe sie richtig begonnen haben. Länder wie Saudi-Arabien und Iran, in dem eine derzeit zunehmende Frauen-Unterdrückung herrscht, zeigen eine menschenrechtsblinde Wahllosigkeit der BRICS-Länder bei der Aufnahme neuer Mitglieder. Selbst wenn man die Entwicklung in Russland und China positiver einschätzt, als dies in den meisten Mainstreammedien geschieht, kann man nicht gerade davon sprechen, dass mit den BRICS-Staaten dem Globus ein neues Weltgewissen erwachsen wäre. Dem Westen nicht allein das Feld zu überlassen, ist der beinahe einzige Kitt der Staatengemeinschaft, die sich somit nur „ex negativo“ definiert — dadurch, was sie nicht sein will: westlich.
Vom Grundsatz her ist eine multipolare Welt sicher besser als eine unipolare, weil zu viel einseitig ausgeübte Macht ihren Besitzer korrumpiert und dafür sorgt, dass die schwächeren Länder und Kulturkreise unter die Räder kommen. Auf der anderen Seite erzeugen mehrere Pole auch enorme, gefährliche Spannungen, wie der Ost-West-Gegensatz im Kalten Krieg gezeigt hat.
Und hat sich jemand wirklich zutiefst nach der Entstehung eines neuen Machtblocks gesehnt? Ich jedenfalls nicht. Ich sehnte mich eher nach Frieden, Güte, Wohlstand, Freiheit. Ich sehnte mich nach der weitgehenden Abwesenheit von Macht, nach zwischenstaatlicher Demokratie und mehr Bürger-Selbstbestimmung. Nach Machtbegrenzung, um es mit einem Wort zu sagen.
Und dafür hatte der Westen zumindest Konzepte entwickelt, die das Leben in dieser Region lange Zeit erträglich machten. Leider erodiert das Erbe der Aufklärung und des Liberalismus auch hier, wie unter anderem die Coronajahre gezeigt haben. Und die „Systemkonkurrenz“ der BRICS-Staaten entwickelt eine Sogwirkung auf westliche Politiker, die den Flirt mit mehr Autoritarismus, Planwirtschaft und Social-Credit-Systemen nicht lassen können. In einer multipolaren Welt fließt viel Geld, Kraft und Kreativität in das „Gegeneinander“, die dann für die Bewältigung der wirklich konstruktiven Aufgaben fehlen.
Verbrannte Gebeine
Alle allgemeinen Prinzipien müssen sich an den konkreten Details bewähren. Auch Multipolarität. Marquis Posa, der liberale Held in Friedrich Schillers Drama „Don Carlos“, war sehr angetan von seinem Besuch in den scheinbar blühenden Provinzen Flanderns. Bis er eine grauenhafte Entdeckung machte: „Da stieß ich auf verbrannte menschliche Gebeine.“ Die Frage ist nie, ob die Narrative, die West, Ost, Nord oder Süd pflegen, gut klingen; die Frage ist immer: Wie werden Menschen dort konkret behandelt, speziell: Wie behandelt die Staatsmacht Schwächere? Meine Ausführungen in diesem Artikel sind nicht gegen bestimmte Kulturkreise gerichtet. Ich selbst bin ein Freund der Philosophie des Taoismus wie auch der Spiritualität der muslimischen Sufis. Ich schätze russische Literatur wie auch die indische Mythenwelt. Die schönen Aspekte in den verschiedenen Ländern unterscheiden sich oft sehr stark voneinander, sodass der Eindruck einer sehr bunten Welt entsteht. Nur das Hässliche ähnelt sich überall: verbrannte Gebeine.
Manchmal drängt sich mir der Eindruck auf, diese Welt sei doch im Grunde noch sehr unipolar, jedoch auf andere Weise, als dies üblicherweise gemeint ist. Im Westen blutige Gewalt, im Osten blutige Gewalt. Im Westen autoritäre Staatsanmaßung, im Osten autoritäre Staatsanmaßung. Im Westen Propaganda und Meinungsunterdrückung. Im Osten Propaganda und Meinungsunterdrückung. Wo in diesem Panorama finden wir gegenseitige Ergänzung und Bereicherung durch Verschiedenheit? Die BRICS-Staaten sind kein Reich des Lichts, das der Finsternis entgegenstünde. Eher ist es so, dass neben der alten Geisterbahn — der NATO — nun noch eine zweite gebaut wurde. Man möchte ja gern glauben, dass dieses Neue auch gut ist — die Bausteine, aus denen es sich zusammensetzt, sind es aber leider nicht. Zumindest gilt das für die Regierungen, die ja den Ton angeben; freundliche, wertvolle Menschen gibt es in jedem Land.
Menschenrechtsverletzungen als liebenswerte Folklore
Der Diskurs über „westliche Heuchelei“ besagt, dass im Westen Ideale verraten wurden, die sich der Osten gar nicht erst zu eigen gemacht hatte, die er sich jedoch hätte zu eigen machen müssen, wäre ihm an Menschlichkeit und Freiheit gelegen gewesen. Es ist nicht schön, sich als „die Guten“ zu inszenieren, diesem Anspruch aber dann nicht gerecht zu werden, wie es bei westlichen Ländern leider oft genug der Fall war. Aber es hilft den Opfern staatlicher Gewalt auch nichts, zu wissen, dass ihre Peiniger keine Heuchler sind, sondern Menschen, die sich offen zu ihrem Despotismus bekennen.
Wenn ich jetzt noch einmal auf die Mentalität des katarischen Energieministers Saad Scharida al-Kaab zurückkomme, dann finde ich:
Niemand beleidigt ein Volk mehr als der, der Menschenrechtsverletzungen zu einem unverzichtbaren Teil ihrer Identität erklärt — als handele es sich um liebenswerte Folklore.
Als sei es nur eine Marotte des überheblichen Westens, zu fordern, dass mehr als eine Meinung im öffentlichen Raum legitim sein müsse und dass Menschen geschützt sein müssten vor Verschleppung in Gefängnisse und der Zufügung körperlicher Qualen, einzig aufgrund ihrer von den Ansichten der Führungselite abweichenden Weltanschauung oder vielleicht ihrer sexuellen Orientierung.
Reflexartig sich entzündender Spott
Dem Wunsch nach Selbstkritik und Aufarbeitung entspringend, entstand eine Kultur des Himmelsrichtungs-Bashings, in der der Begriff „Westen“ nicht mehr anders als im Tonfall der Verhöhnung und des Abscheus ausgesprochen wird. Ja, der Hass auf den Westen mag aus der Perspektive vieler durch Kolonialherrschaft und modernes „Global Leadership“ unterdrückter Völker verständlich sein. Aber westlicher Selbsthass? Ist es nicht eigentlich ungewöhnlich, zum „Eigenen“ so wenig Zugehörigkeit zu spüren, es geradezu mit Eifer bei jeder Gelegenheit abzuwerten? Woher kommt uns das bekannt vor? Richtig: Es ist ein Charaktermerkmal der Deutschen der Nachkriegszeit, die ihren Hang zur Selbstbeschimpfung nun übertragen haben auf die größere Völkerarena.
Es macht keinen Sinn, „westliche Werte“ mit einem reflexartig sich entzündenden Spott zu überziehen, ohne sagen zu können, um welche Werte es geht und was genau an diesen angeblich schlecht ist. Wer über die Kriege der NATO gut informiert ist, jedoch nie in begeistertem Staunen vor italienischen Kunstwerken der Renaissance stand, vor deutscher romantischer Musik, vor altgriechischer Philosophie, dem wissenschaftlichen Mut eines Kopernikus oder vor den ersten Gehversuchen der demokratischen Kontrolle von Macht in England und Frankreich, der verfällt vielleicht in eine Art westlichen Selbsthass. Wer — wie ich — beides zu sehen versucht, fühlt sich mitunter innerlich zerrissen und ahnt das Dilemma des Fortschrittsglaubens, des Entdeckerdrangs und der Idee des Individuums, das so typisch „westlich“ ist.
Westliche Werte sind nicht „alternativlos“, aber sie besitzen eine eigene Schönheit und Würde, wenn sie von den Verzerrungen befreit werden, die sie durch imperialistische Interessengruppen erlitten haben. Statt zynische Selbstaufgabe zu zelebrieren, bestünde der Ausweg für den westlichen Menschen darin, endlich im guten Sinn wirklich westlich zu werden.
Quellen und Anmerkungen
Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 25.November 2023 bei manova.news
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Bildquelle: Artem Avetisyan/ shutterstock
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Sehr geehrter Herr Rottenfußer
In der Mitte stellen sie die Frage: "….Aber gibt es Himmelsrichtungen, die von Natur aus gut oder böse sind? Genauer gesagt: Gibt es moralisch überlegene oder unterlegene Weltregionen und Wertesysteme?…."
Fragestellungen orientieren sich natürlich immer nach dem Stand der Erkenntnis.
Würden sie sagen das es überlegene oder unterlegene abbauende oder aufbauende Prozesse im menschlichen Körper gibt?
Studieren Sie anthroposopisch orientierete Geisteswissenschaft von Rudolf Steiner und sie werden alle Ihre Fragen und Bemerkungen mit der Zeit befriedigend beantwortet finden, fast noch wichtiger: selbst erkennen.
Dieses verbreitete Fehlen der anthroposopisch orientiereten Geisteswissenschaft ist eine tiefe Ursache der vielen beschriebenen Bemerkungen Ihres Beitrages bzw. der Weltgeschehnisse.
Ausgehen sollte sie von dem deutschsprachigen Raum. Es wäre eigentlich eine Hauptaufgabe des deutschsprachigen Raumes gewesen…oder sprechen wir Hoffnungsvoller …. ist es, aber es wird schwer bekämpft.
Umso weniger dieses allgemeine Bekanntsein geschieht umso mehr werden sich die äusseren weltweiten Umstände verschlimmern. Was aus dem deutschen Raum geworden ist, sieht man ja nur allzu traurig.
Die allgemeine Menschenentwicklung schreitet voran. Kümmert man sich darum ist es vielleicht anstrengend, kümmert man sich nicht darum, steht noch als letzter Rettungsversuch der Schmerz.
Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen, er liebt sich bald die unbedingte Ruh; Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu, Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.
Johann Wolfgang von Goethe
Danke für Ihren umsichtigen Beitrag
Erheiternd wenn man auf der einen Seite saudische Wortmeldungen kritisiert sich dann aber eine "Kollegen" als Referenz herauspickt, bei dem man unter einer Textverständnisschwäche leiden muss um seine immer und immerwährende zur Schau gestellten Abscheu Russlands ausblenden zu können.
Der Beitrag ist ein Beispiel wie sehr der Westen strampelt und giert.
Wie sehr die Menschen den Boden unter den Füßen verloren haben,
der Werterelativismus einen tiefen Sumpf
hinterließ, ein Sumpf in dem "Menschenrechte" nur ein Teil von Sumpffarbe sind.
Menschenrechte, mit denen gehandelt wird wie mit Nutten und Organen in der Ukraine.
Welchen Wert hat es
gute Werte zu verteidigen wenn mit diesen Werten ein Schlachtfeld bereitet wird.
Die Heuchelei, eine der widerwärtigsten und zersetzenden Eigenheiten einer Gesellschaft, die den Willen zur Veränderung bringt, der den Blick auf das Andere lenkt, das Andere, das der Wertewesten in seiner unipolaren Weltvorstellung so gerne vernichtet sieht.
Vorerst ist das Andere als das Andere von Bedeutung, das Andere das existieren muss um einen Maßstab anlegen zu können.
Es sind m.M.n. verschiedene Ebenen, die in einen Topf geworfen werden. Die innere Verfasstheit eines Staates ist die eine Ebene. Sein Agieren nach aussen ist die zweite Ebene.
Sie sagen:
„ Ich würde es begrüßen, wenn als Gegengewicht der vielleicht etwas angestaubten westlichen Werteorientierung etwas ganz Neues, Aufregendes auf der Bühne der Welt (…)“
Die westl. Werteorientierung ist nicht nur etwas angestaubt, sondern ist mit Verlaub gegen alle Völker gerichtet, ob nun in Europa oder in Asien oder sonstwo.
Fuer die US-Imperialisten gibt es nur ein Credo, und das heisst ich/wir bzw. wo kann man am besten ausbeuten.
Es wurden Länder ueberfallen, Menschen/Völker ermordet und viele Schandtaten mehr. Soviel Schwule können gar nicht gesteinigt werden, wie allein dieser Unrechtsstaat ermordet hat.
Dass der Westen ( gilt fuer die Vasallen ebenso) sich fuer die Schwulen und Lesben und Feministen, Transsexuellen und was weiss ich noch mehr einsetzt, bzw. ihre sexuelle Ausrichtung toleriert, hat tiefliegende Ursachen in der Möglichkeit die Gesellschaft damit zu spalten und ihre Herrschaft zu festigen.
Die Verfasstheit der westl. Staaten sind, obwohl sie fuer uns so verständlich daherkommen von grundauf falsch und okkupiert vom Kapital. Das, was so unschuldig daherkommt wie Demokratie ist letztendlich eine Diktatur des Kapitals.
Wir erkennen ohne Umschweife, dass es dem Kapital nur um seine eigenen Vorteile geht, dass es eben nicht um das Wohl der Gesellschaft geht.
Gerade in Krisenzeiten ist gut zu erkennen, dass das Sprachrohr der Herrschenden, also die buergerlichen Politiker, mir nichts dir nichts zu Kriegspropagandisten mutieren können (Pistorius).
Um es kurz zu machen: Der „Demokratie“ des Kapitals hatte Marx seinerzeit die Diktatur des Proletariats entgegengestellt.
Dem ist nichts hinzuzufuegen.
Man muss nicht unbedingt ein Putin-Fan sein, um zu sehen, dass Russland sich gegen die Einkreisungspolitik der USA-Nato Gemeinschaft wehrt und offensichtlich mit viel Erfolg. In diesem Sinne ist Russland antiimperialistisch, unabhängig von seiner inneren Verfasstheit.
Absolut zutreffend. Besser kann man es nicht beschreiben.
genau! Und rein prinzipiell darf die Frage gestellt werden, bevor man irgendwelchen fremden Ländern auf die Finger schaut, auf welcher objektiven Basis Menschenrechte definiert werden sollen. Im Westen herrscht beispielsweise ein Selbstverständnis darüber, dass das Recht ungeborener Kinder auf Leben unter dem Recht auf freie (und öffentliche) Ausübung nicht heterosexueller Neigungen. Ist das wirklich und objektiv der "richtige" Weg? Oder das Recht von Kindern auf eine Mutter und ein Vater wird dem Recht gleichgeschlechtlicher Paare auf Nachwuchs untergeordnet. Lassen wir uns diesbezüglich von anderen Kulturen und Weltanschauungen kritisieren?
@Pippnonlosa
Tja, da gibt's bei "uns" mittlerweile 72 "Geschlechter" und man darf sich sogar auch täglich noch "entscheiden" ob man eine Katze, Hund, Pferd, Hamster oder sonst noch was ist.
Ist mir nicht bekannt, dass sich Katar oder sonstwer diesbezüglich geäußert hätte.
Ob das der "richtige" Weg ist… Weiß ich nicht so genau… Jedenfalls sollte er aber der schnellste sein… Richtung Psychiatrie – die Geschlossene.
Für mich sind die alternativen Medien und Meinungen nach wie vor keine homogene Gruppe, sondern vielmehr ein Konglomerat aus verschiedenen Richtungen der Kritik an den bestehenden Verhältnissen, die gelegentlich einige Schnittmengen aufweisen.
Ebensowenig sehe ich eine Verächtlichmachung westlicher Werte (was immer das sein mag). Was ich allerdings sehe ist die zunehmende Kritik an der im Westen propagierten "Werte- und Regelbasierten Ordnung". Zu Recht, wie ich finde, da es keinerlei konkrete Definition dieser Werte und Regeln gibt und sie je nach Lust und Laune der Herrschenden so oder so ausgelegt werden. Man schaue nur auf die Propaganda bzgl. der beiden Konflikte Ukraine ./. Russland und Palestina ./. Israel.
Was die Aufklärung betrifft, so kam sie m.E. nicht von unten. Man nenne mir nur einen der Philosophen der Aufklärung, der nicht mindestens aus dem gehobenen Bürgertum, wenn nicht sogar aus dem Adel stammte. Es mag vielleicht den ein oder anderen aus ärmeren Verhältnissen gegeben haben, aber die Mehrheit war es sicher nicht. Die Aufklärung war zweifellos notwendig, um die europäischen Gesellschaften aus den Zwängen des finsteren Mittelalters zu befreien. Ob das allerdings gereicht hätte, wenn nicht gleichzeitig die neuen Reichtümer durch den Kolonialismus nach Europa geflossen wären? Wer weiß.
Werte haben im Übrigen keine Himmelsrichtung. Die Achtung vor dem Leben, der Würde, der Wunsch nach Freiheit, diese Werte finden sich wohl in jeder Gesellschaft oder in jedem Menschen, so er denn noch Mensch ist. "Westliche Werte", "Östliche Werte" oder "religiöse Werte" im Sinne von kirchlich oder islamistisch sind die Werte der Herrschenden, mit denen sie über die Beherrschten herrschen. Ich verweise auf Friedrich Nietzsches "Herrschaftsmoral" und "Skavenmoral" oder auf Hegels "Herr – Knecht" Verhältnis.
Hallo,
und hat es jemals funktioniert?
Hat sich irgendwo die Menschenrechtslage verbessert, weil globaler Wessis darauf gedrängt haben?
Falls nicht, erübrigt sich jegliche Diskussion darüber, denn wenn es nichts hilft und nur schadet, ist die Sache klar.
Mit gutem Beispiel vorangehen, selber Menschenrechte umsetzen, und zwar nicht selektiv, sondern alle 30 Menschenrechte vollumfänglich; DAS hätte Wirkung, nämlich Beispielwirkung.
Aber andere anzuprangern während man selber sündigt, das kann gar nicht genug verspottet werden.
Die Gesellschaft müsste mit ihrem eigenen Schatten klar kommen. Ich beobachte das Gegenteil.
Nicht anders bei ihren Mitgliedern.
Die halten sich für gottähnlich und wollen die ganze Welt verändern. Nur sie selbst sollen so bleiben, wie sie sind.
Die Erkenntnis, dass man selbst Probleme hat, an denen man arbeiten kann, und den Anderen erst einmal so lassen sollte, wie er ist, fehlt hier.
Nun versucht man in der Politik mit BRICS genau das. Man mischt sich nicht ein und macht dadurch Veränderung möglich. Die wird vielleicht Jahrzehnte dauern, aber es wird sie geben. Und sie wird dauerhaft sein, weil sie von innen kommt. So funktioniert nun mal Bewusstseinsentwicklung im Gegensatz zu Konditionierung.
Werte, soso.
Ich hab ja nichts gegen Religion, (auch) das soll jeder machen, wie er will, meinetwegen auch gemeinsam. Blöd ist halt bloß, wenn der Müller dem Meier droht, obwohl der Meier gar nicht dem Verein des Müller angehört ! Und Blöd ist auch, wenn der Verein des Müller einen größeren Verein kapert, dem der Meier angehört, z.B. die Kirche den Staat.
Da in Schweden schon im Jahre des Herrn 2000 die Religionsfreiheit eingeführt werden mußte (ein Preis für den Konsumismus a la EU) entstand eine Marktlücke für Greta und sie erhielt ja auch unlängst eine Ehrendoktorwürde der Uni Mons, für Theologie (obwohl das meiner Kenntnis der Religionswissenschaft nach mindestens knapp daneben ist, die Religionswissenschaftler sind in diesm Falle wohl eher die 'Klimaleugner', oder haben die Belgier mehr Humor, als wir ahnten ? ). Und die deutsche Greta buhlt jetzt ganz heftig mit der etablierten 'christlichen' Religion, um so mehr, seit Greta 'antisemitisch' wurde. Kann Luisa den CO² Alarmismus noch vorm 'Antisemitismus' retten ?
Sollte nicht die Aufklärung den Glauben überwinden ? Also, hören wir auf, an 'westliche Werte' zu glauben ! Ich für meinen Teil versuche es einfach mit guter Nachbarschaft und begegne meinen Mitmenschen freundlich (sofern ich die Kraft dazu habe) und es funktioniert erstaunlich oft, ein Lächeln kostet nichts und man kriegt mehr dafür zurück !
Und die Brics haben so wenig gemeinsam, eigentlich nur die Abwendung vom Hegemon ? Ja, die Aufgeklärten auch. Vielleicht ist die Aufklärung im Kern gar nicht die Überwindung des Glaubens, sondern die Überwindung der Angst, zumindest der von den Mitmenschen instrumentalisierten.
Ja, also die "westlichen Werte" sind wirklich hoch – Cholesterin, Blutdruck, Zucker…
Herr Rottenfußer hält also "Tradition, Familie und Religion" für WERTE….
Begriffe, Konzepte, Bedeutungen zu erforschen, zu hinterfragen, scheint nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zu gehören.
"Wäre es da nicht wohltuend zu wissen, dass irgendein „heuchelnder“ Westler, ein Paul Ronzheimer, irgendwo auf der Welt Ihre Partei ergreift, …"
So ein ausgemachter Schwachsinn! Paul Ronzheimer ist ein gnadenloser Oppertunist, er sagt dass was seine Peergroup gut findet und ihn feiert und er sich groß fühlen kann.
Wollte man dem, als Beispiel dienenden schwulen Mann in Katar und seinenLeidensgefährten wirklich helfen, würde man es hinter den Kulissen und mit Respekt seinem Gegenüber tun. Aber das wäre dann halt nicht so öffentlichkeitswirksam und man könnte sich nicht selber hervorheben und sonnen im "Gutmenschentum".
Ansonsten halte ich Herrn Ronzheimer für einen kriminellen Kriegstreiber um das auch mal ganz klar zu sagen!
Es gibt keine Nation ohne strukturelle Gewalt
Wenn Autoren über Gepflogenheiten in anderen Ländern reden oder schreiben, sehen sie sich moralisch gewöhnlich gegenüber jenen erhoben, über die sie urteilen. Das hat Roland Rottenfußer sehr deutlich herausgearbeitet:
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Der Westen hat sich als Moralhüter so unglaubwürdig gemacht, dass er dem Osten damit eine willkommene Vorlage gab, den Ball zurück ins gegnerische Feld zu spielen; andererseits nutzt der Osten westliche Verfehlungen gern, um seine eigenen kleinzureden und mit einem allgemeinen moralischen Relativismus zuzudecken: „Was regt ihr euch auf? Wir sind doch alle keine Engel!“ Anstatt sich um die Verbesserung der Menschenrechtslage im eigenen Land zu bemühen, herrscht in beiden Lagern eine gewisse Selbstzufriedenheit auf niedrigem Niveau und eine Mentalität der Schuldweitergabe.
…
Schon jetzt missionieren Länder wie Saudi-Arabien und Katar indirekt massiv in Europa, indem sie islamistische Gruppen unterstützen. Etwa die Salafisten. Diese sind zwar nicht gewalttätig, aber sie gehen von einer klaren moralischen Überlegenheit ihres „Lagers“ gegenüber westlicher Dekadenz aus und treiben die Ausbreitung ihrer Weltanschauung voran. Es ist dieselbe missionarische Haltung, die dem Westen als Kulturimperialismus vorgehalten wird: der Versuch, Coca-Cola, Hollywood und Menschenrechte allen aufzudrängen.
—– Zitat-Ende —–
Was ist Nationalismus im Kern?
Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) definiert Nationalismus als »… eine Ideologie, die die Merkmale der eigenen ethnischen Gemeinschaft (z.B. Sprache, Kultur, Geschichte) überhöht, als etwas Absolutes setzt und in dem übersteigerten (i.d.R. aggressiven) Verlangen nach Einheit von Volk und Raum mündet.« (1) Die Britannica bezeichnet Nationalismus als »… eine Ideologie, die auf der Prämisse basiert, dass die Loyalität und Hingabe des Einzelnen an den Nationalstaat andere individuelle oder Gruppeninteressen übersteigt.« (2) Nationalismus sei eine moderne Bewegung: »Im Laufe der Geschichte waren die Menschen an ihre Heimat, an die Traditionen ihrer Eltern und an etablierte Gebietskörperschaften gebunden, doch erst Ende des 18. Jahrhunderts begann sich der Nationalismus zu einem allgemein anerkannten Gefühl zu entwickeln, das das öffentliche und private Leben prägte einer der großen, wenn nicht sogar der größte bestimmende Faktor der modernen Geschichte.«
Es gibt auf der Welt zahllose Lexika, doch in keinem einzigen wird auf die psychische Komponente von Nationalismus Bezug genommen, auch nicht im Politik-Lexikon der BPB. Dabei ist die menschliche Psyche der ausschlaggebende Punkt der ganzen Angelegenheit. Aus meiner Sicht – der Sicht eines Menschen, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit der menschlichen Psyche befaßt – ist es mehr als offensichtlich: Nationalismus ist eine besondere Form des sogenannten Gruppennarzißmus. Das »weiß« sogar die Wikipedia: (3)
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Gruppennarzissmus ist nach dem deutschen Psychoanalytiker, Philosophen und Sozialpsychologen Erich Fromm (1900-1980) die Übertragung des eigenen Narzissmus einer Person auf eine soziale Gruppe, auf die Nation, auf eine Kirche (religiöser Narzissmus) oder eine Gruppierung, die eine bestimmte Anschauung vertritt u.ä.. Die betroffenen Personen behaupten z.B., ihre Nation sei die Beste unter allen Nationen. Dabei sehen sie nur die positiven Seiten ihrer eigenen Nation/Religion/…, wobei sie bei anderen nur Negatives erkennen (beim Narzissmus bezieht sich solches Denken auf die eigene Person). Dadurch könnten Gemeinschaften gebildet werden, in denen das Selbstwertgefühl überhöht wird. Gerade die am wenigsten respektierten Mitglieder, wirtschaftlich und kulturell Arme, erführen in dem narzisstischen Stolz eine hohe Befriedigung. Um die Unzufriedenheit einer Gesellschaft, in der ein großer Teil nur unzureichend versorgt ist, zu kompensieren, müsse ihr zu einer bösartigen narzisstischen Befriedigung verholfen werden.
—– Zitat-Ende —–
Auf dem Blog Gedankenwelt wird Narzißmus als »… ein Verhalten oder eine Manie, die sich auf individueller oder Gruppenebene manifestieren kann« beschrieben. »Mit Bezug auf eine Gruppe nennt man ihn auch “kollektiver Narzissmus”.« (4)
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Eines der Merkmale des Narzissmus ist die Überlegenheit, die eine kontinuierliche externe Validierung erfordert. Da ist jemand, der sich allen anderen überlegen fühlt und ständig daran erinnert werden muss, dass er mit seiner Annahme richtig liegt. Wenn das nicht geschieht, wenn andere Leute ihn kritisieren oder an seiner Überlegenheit zweifeln, wird er wütend. Seine Wut kann von Aggressivität und Gewalt begleitet werden. (ebd.)
—– Zitat-Ende —–
Selbstverständlich werden nun die allermeisten Leser die Möglichkeit, selbst narzißtische Züge aufzuweisen, nicht in Betracht ziehen wollen: »Ja, es gibt Narzißten, aber ich bin keiner!« Und genau da machen Sie sich etwas vor. Wir, die wir in mehr oder weniger modernen Industrienationen leben, sind alle Narzißten. Bei einigen Menschen, die im Rampenlicht stehen, ist das leicht erkennbar, bei den meisten jedoch nicht so offensichtlich, denn: Narzißten tarnen sich, am meisten vor sich selbst, und je länger sie das tun, desto mehr Erfahrung sammeln sie dabei. Gut trainierte Narzißten stellen sich erfolgreich als Philantropen, als Menschenfreunde, als Gutmenschen dar – und gewinnen dadurch Anhänger und Unterstützer für »ihre« Sache. Manager und Berufspolitiker lernen in speziellen Schulen, wie sie reden und gestikulieren müssen, um ihre Zuschauer einzufangen. Sie lernen gewinnende Posen und werden darin geschult, stets die passende Kleidung, das bestmögliche Äußere zu präsentieren.
Wir alle wurden mehr oder weniger dazu erzogen. Und weil wir alle täglich posieren – wir stellen uns den anderen nicht so dar, wie wir wirklich sind, sondern so, daß wir den unserer Ansicht nach bestmöglichen Eindruck hinterlassen –, sind wir nicht in der Lage, die Posen anderer Menschen zu durchschauen. Wir haben uns daran gewöhnt, als echt anerkannt zu werden, genau so, wie wir uns daran gewöhnt haben, andere als echt wahrzunehmen. Jemandem vorzuwerfen, er sei nicht echt, er spiele nur eine einstudierte Rolle, gilt als große Beleidigung.
Das ist es, was überall auf der Welt tagtäglich abläuft: »Im kollektiven Narzissmus denken die Mitglieder der Gruppe, dass ihre Gruppe viel besser wäre als andere. Wenn Menschen, die anderen Gruppen angehören, dies nicht erkennen oder infrage stellen, entsteht ebenfalls Wut – wie auf der Ebene des Einzelnen. Die Gruppe wird sich bedroht fühlen und ihre Mitglieder werden mit Wut reagieren. Das könnte sie dazu bringen, Gewalt gegen diejenigen anzuwenden, die ihre Überlegenheit nicht anerkennen.« (ebd.)
Wie entsteht Narzißmus?
Die Selbsterhöhung, die man als Narzißmus bezeichnet, entsteht durch den anerzogenen Mangel an echter Selbstwert-Wahrnehmung. Dadurch, daß in nahezu allen Kulturen dieser Welt – mit Ausnahme einiger verstreut lebender kleinen Naturvölker – Kinder nicht so sein dürfen, wie es ihrem biologischen Kern entspräche, entwickelt der Mensch ein Surrogat: Ein Ersatz-Selbst, das sich nicht aus autonomer Wahrnehmung und Urteilsfähigkeit speist, sondern vielmehr aus der Behandlung mit Zuckerbrot und Peitsche, also mit Belohnung und Bestrafung. Diese Art der Selbstwahrnehmung bedarf ständiger Bestätigung; bleibt sie aus, steht sofort der Selbstzweifel auf der Schwelle, und das darf nicht sein.
Erziehung mittels Belohnung und Bestrafung ist nichts anderes als Dressur. So erzieht man beispielsweise Hunde, so richtet man Wildpferde ab. Der Mensch wird quasi zum Haustier. Er wird zum gehorsamen Untertan dressiert. Gehorsam ist die Unterwerfung des eigenen Willens unter den Willen eines anderen. Nicht ich entscheide, was ich denken, fühlen, wie ich handeln soll, sondern jemand anderes.
Die narzißtische Entwicklung des Menschen findet bereits seit Jahrtausenden statt. Wir alle stammen von gehorsamen, unterwürfigen Vorfahren ab. Wir alle wurden dazu dressiert, unsere eigentlichen Regungen zu ignorieren. Wir erkranken daran und nennen das Zivilisationskrankheiten: Rheuma, Arthritis, Krebs, Rückenleiden, Magen- und Darmbeschwerden und dergleichen mehr haben allermeist seelische (psychische) Ursachen. Wir gehören uns schon lange nicht mehr selbst … gehören – hören – horchen – gehorchen …
(1) https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/17889/nationalismus/
(2) https://www.britannica.com/topic/nationalism
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppennarzissmus
(4) https://gedankenwelt.de/kollektiver-narzissmus-gruppen-die-sich-selbst-lieben/
"Es gibt keine Nation ohne strukturelle Gewalt"
Danke für diese Klarstellung, auch wenn es im Grunde eine Binse ist ;-)
"Es gibt keine Nation ohne strukturelle Gewalt"
Das Beste Statement in diesem ganzen Beitrag incl. Kommentaren
600 Jahre 'Westen' und als Strafe der Dekolonialisierung die Staatenbildung allüberall. Nicht daß die Grenzen 'falsch' gezogen wurden, sondern daß sie überhaupt gezogen wurden, Krieg, aber noch viel mehr Streit und Bürgerkrieg. Ist aber auch 'ne tolle Sache, wenn man schon daheim die Menschen verschulden und in den Krieg schicken kann, noch toller ist das in Übersee, braucht man nur irgendeinen Popanz als Regierungschef zu kaufen und schon rollt der Rubel, nach Norden, zum 'Westen'
@Zivilist
Tatsächlich geht es den Herrschenden immer darum, den Menschen bequeme Hebel zu verpassen, ganz im Sinne der Megamaschine, die Menschen auf gewünschte Funktionen reduziert. Hebel sind in diesem Zusammenhang Möglichkeiten, Manipulationen, Einflußfaktoren, um die sowieso schon seit Jahrtausenden gefühlsreduzierten Massen noch besser dirigieren zu können. Wie beim Ochsen – dem kastrierten Stier, wodurch dieser zahmer und steuerbarer wird – zieht man dem Menschen einen Nasenring ein, bindet einen Strick daran und nutzt ihn zum eigenen Vorteil.
Das Bedürfnis der soziopathischen Herrscherkaste, andere zu steuern, entspringt nicht wirklich dem Wunsch nach Profitmaximierung, sondern ihrer hochradig narzißtischen Prägung und ihrer dadurch entstandenen Machtsucht. Suchtstoffe zeigen die Eigentümlichkeit, daß der Süchtige immer mehr davon braucht. Es kann nie genug sein, weil der Süchtige sozusagen abstumpft. Die Droge verliert ihre kickerzeugende Wirkung, je häufiger man sie verwendet. Zudem führt die zunehmende Akkumulation von Macht dazu, sich gottähnlich oder -gleich zu fühlen, was die Angst vor der eigenen Endlichkeit mindert oder sogar ganz verschwinden läßt und damit den Hang zum Narzißmus weiter verstärkt.
Die Gesellschaft selbst – also ihre Mitglieder nebst ihren anerzogenen Denk- und Verhaltensweisen – reproduziert den Narzißmus mit all seinen verheerenden Folgen ständig aufs Neue. Der narzißtische Mensch mit seinem Ersatz-Ego braucht Macht über andere, um geistig-mental überleben zu können. Leider ist den allermeisten Menschen auf diesem Planeten nicht einmal annähernd bewußt, daß und wie sie selbst täglich das System füttern und stärken.
https://staging.apolut.net/krieg-gegen-das-eigene-volk-von-ruediger-rauls#comment-277853
Ehrlich gesagt habe ich mich angesprochen gefühlt. Ich benutze „westliche Werte“ tatsächlich satirisch, denn meiner Meinung nach sind es lediglich Werkzeuge zur Durchsetzung der eigenen Macht und Ideologie. Die hehren Ideale der Aufklärung sind längst auf dem Komposthaufen der Geschichte gelandet, und mit jedem Tag werden mehr „Werte“ ins Lächerliche gezogen, ins Gegenteil verkehrt.
Und dann kommt da eine neue, frische Ideologie, der Multipolarismus um die Ecke. Es soll keinen Hegemon mehr geben, der erklärt: „Ihr seid für mich und gehorcht, oder gegen mich! Das Zusammenleben soll nicht aus Befehl und Gehorsam bestehen, sondern aus dem Aushandeln von Lösungen, die für alle Partner Vorteile bieten.
Wenn man das gründlicher durchdenkt, sieht man darin mehr Werte realisiert, mit denen sich einst Aufklärer ans Werk machten, um Revolutionen zu begründen, als in den Ländern, die üblicherweise unter „Westen“ subsumiert werden, … Werte in ihr Gegenteil verdreht wurden.
Der Ferne Osten hatte nie eine „Aufklärung“. Aber er hatte andere geschichtliche und kulturelle Erfahrungen. Eine davon ist die Chinas, mit der das Land die absolute Nichteinmischungspolitik in die inneren Angelegenheiten anderer Länder begründet. Ich hatte das lange verteufelt, als Unterstützung von Diktaturen zum eigenen politischen Vorteil. Aber inzwischen habe ich für mich persönlich erkannt, dass die Zusammenarbeit Chinas, auch mit Diktaturen, die unsere Politiker nicht wagen mit der Zange anzufassen, letztlich den MENSCHEN zugute kam. Durch wirtschaftliche Entwicklung, durch Infrastrukturprodukte, Verbesserung ihrer Lebensbedinungen, usw.
Und dann schauen wir uns an, was die „wertebasierte“ Politik des „Westens“ verursacht: LEID! Ob man zum Beispiel nach Libyen schaut, oder nach Syrien. Länder werden unter der Behauptung sie „befreien“ zu wollen, zerstört, Millionen getötet, alles nur mit dem zumindest einmal erklärten Ziel der „Schöpferischen Zerstörung“, um auf den Ruinen etwas neu aufzubauen, was der eigenen Ideologie entspricht.
Ich weiß nicht, was vielleicht einmal aus der Idee des Multipolarismus werden könnte. Aber ich weiß, dass er derzeit eine Alternative zu der verlogenen „westlichen“ Politik darstellt, in der viele Ideen der Aufklärung verwirklicht werden könnten, welche in seinen Ursprungsländern längst ins Gegenteil verkehrt wurden.
Ja ich möchte so weit gehen, dass das Zeitalter des Multipolarismus so etwas werden könnte wie die Renaissance, die sich an die Antike erinnerte, eine Erinnerung, welche im düsteren Mittelalter vollkommen verschüttet worden war. So wie die Ideen und Ideale der Aufklärung heute im düsteren Zeitalter der Kriege des „Westens“ beerdigt wurden.
Gefallen mir, Ihre hier kommunizierten Ansichten, Herr Mitschka, insbesondere Ihren Standpunkt zu Nichteinmischung.
Allerdings würde ich Multipolarität nicht unbedingt als Idelogie bezeichnen, dann könnten Sie die Aufklärung auch als solche bennen. Ideologie ist in diesem zusammenhang, Geopolitik, doch eher negativ konnotiert, also wertend!
@Querdenker
"Ideologie" heißt wortwörtlich übersetzt "Ideenlehre". Eine Ideologie ist nicht schlimm oder gut, wie auch nicht richtig oder falsch. Sie widerspiegelt eine Wertevorstellung.
Die muss man auch nicht teilen oder gutheißen.
Diese Vorstellung oder Vorstellungen basieren oft auf Traditionen und Gebräuche und was für uns "unvorstellbar" ist, ist für andere ganz normal.
Also Nichteinmischung ist das Beste was man machen kann. Und trotzdem kann man mit Menschen, Ländern, die andere Vorstellungen haben als wir, reden oder wirtschaftliche Beziehungen eingehen.
Aber wenn man sich dazu entscheidet mit "anderen Vorstellungen" nichts zu tun haben zu wollen, dann aber sowohl mit Russland nicht als auch mit Katar nicht, beispielsweise.
Das ist dann Doppelmoral und Doppelmoral ist keine Moral.
Korrektur:
ANSONSTEN ist das dann Doppelmoral und Doppelmoral ist keine Moral.
»"Ideologie" heißt wortwörtlich übersetzt "Ideenlehre".«
@Observator: Ja, ja, Sie haben ja völlig recht. Nur meist kommen solche Begriffe nicht mehr so jungfreulich daher, sondern frei nach Mausfeld, verkörpern ein ganzes Bündel von Bedeutungen. Und wie ich schrieb', sehe ich "Ideologie" oft negativ intendiert.
Nehmen Sie den Bergriff "Querdenker", eine durchaus positiv gemeinte Bezeichnung, zumindest bis vor 2020 noch ;-) Jetzt ist dieser Begriff eher negativ verwendet. Sie sehen also, allein auf die ursprüngliche Wortbedeutung zu verweisen, hilft nicht immer weiter …
@Querdenker
Sie haben vollkommen recht; ich habe Ihnen nicht widersprochen. Ich wollte nur darauf hinweisen wie alles angefangen hat und was daraus geworden ist. Und, dass z. B. Iran oder Katar nicht deren "Ideologie", was Frauenrechte oder Frauenbehandlung allgemein anbelangen, ändern werden, nur weil "wir" es ihnen sagen, dass es so "richtig" ist.
Ja, Querdenker und Quereinsteiger waren einst (richtig, so lange ist es gar nicht her) hochgeschätzt.
Mittlerweile werden sie diffamiert und in sonstwas für Schubladen gesteckt.
"Zeitenwende" eben…
Ja, Herr Mitschka, so wie Sie sehe ich das auch. Wenn in Debatten oder Diskussionen der Begriff "Westen" oder, noch deutlicher "Wertewesten" fällt, dann ist ja auch erstens nicht die geografische Bedeutung gemeint, sondern die politische, und außerdem ist das ja auch eine von den so bezeichneten Regierungen und Mächtigen selbst benutzte und gerade deswegen spöttisch oder meinetwegen auch abwertend gemeinte Bezeichnung der Kritiker derselben. Ich kenne auch niemanden, der behauptet, die BRICS+ seien fehlerfreie, eindeutig moralisch dem "Westen" überlegene Staaten. Nein, die Chance durch diese liegt in der multipolarität und Achtung anderer Werte als jener, die man selbst proklamiert. Leben und leben lassen also, auf viel größerer Ebene. Und ein bisschen gegenseitige Kontrolle, damit auch kleinere und kleinste Staaten zu ihrem Recht kommen, ohne sich einem Hegemon unterordnen zu müssen.
Wo kein Kläger, da kein Richter – solange dieser Grundsatz eingehalten wird, kann man von einem Rechtsstaat sprechen.
Ich habe 30 Jahre lang jeden Tag gekifft und habe nie Ärger deswegen gehabt. Warum? Nun – der Staat hat keine Spitzel ausgesandt, um mich zu finden und hat auch keine Prämie auf mich ausgesetzt. Ich habe meinerseits meine Nachbarn, die meistens genau wussten, dass ich ein Kiffer war, stets mit Respekt behandelt und ihnen nie das Gefühl gegeben, dass ich mich für einen coolen Oberchecker halte und sie für verklemmte Spießer!
Soweit ich weiß, gibt es in islamischen Staaten keine Schwulenverfolgung – genauso wenig, wie es sie früher bei uns gab. Als ich jung war, machte Elton John gerade eine sprunghafte Karriere, obwohl jedem klar war, dass ein Mann, der mit Federboas herumstolziert, wohl kein heterosexueller Macho ist. Freddy Quinn hatte ebenfalls großen Erfolg, obwohl die Leute wussten, dass der Freddy "am anderen Ufer fischt". Seine Fans waren so konservativ, dass man sie heute in die "Reichsbürger" – Szene einordnen würde. Die LGBTQ-Diskussion kommt nicht aus der Bevölkerung, sondern wurde uns von oben durch die Medien aufgezwungen! Jeder wusste früher, dass Tänzer, Turner, Friseure, Schneider und Fotografen alle schwul sind und trotzdem hat niemand jemals versucht, das Ballett zu verbieten.
Wer im Ausland als Schwuler Probleme bekommt, bekommt sie deshalb, weil er es seinen Mitmenschen gegenüber an Respekt fehlen lässt oder weil er vor Schulen herumgelungert hat und als "Mitschnacker" aufgefallen ist.
Dass es in der Zeit des Kolonialismus vor allem durch Engländer und Franzosen zu Übergriffen gekommen ist, ist unbestreitbar. Trotzdem stelle ich den Kritikern des Kolonianalismus immer wieder folgende Frage, die bislang noch niemand beantworten konnte:
"Wie soll man Menschen, die auf einem Niveau leben, wie Europa in der Bronzezeit, an die moderne Zivilisation anbinden, ohne dass diese Menschen einen Kulturschock erleiden und ohne dass sie sich minderwertig vorkommen"? Ich weiß es auch nicht. Was ich weiß ist aber, dass es Afrika ohne den Kolonialismus heute keinen Deut besser gehen würde. Teilweise fahren dort immer noch Lokomotiven von Siemens auf Gleisen, die von Deutschen (mit tatkräftiger Hilfe von Einheimischen) erbaut wurden. Es wäre schön, wenn es irgendwann einmal eine sachliche Diskussion über das Thema geben würde, die nicht auf dem deutschen Schuldkomplex beruht, der uns nach dem Krieg verordnet wurde.
So etwas wie "westliche Werte" gibt es nicht, denn Werte existieren nur in autoritären Systemen. Der Westen lebt aber im Liberalismus und dieser ist ein antiautoritäres System. Im LIberalismus sind Werte nicht feststehend, sondern Verhandlungssache. Nur deshalb kann es geschehen, dass die Grünen erst predigen, dass es ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei, Waffen in Spannungsgebiete zu liefern und dann plötzlich umschwenken und behaupten, es gäbe eine moralische Verpflichtung, dies zu tun. Im Liberalismus hängt man stets sein Mäntelchen nach dem Wind und man handelt nicht auf Befehl, sondern in vorauseilendem Gehorsam. Der Kabarettist Dieter Nuhr mokierte sich kürzlich darüber, dass er bei seinen Aufenthalten in Afrika immer wieder Einheimische trifft, die sich freuen, wenn sie einen Deutschen sehen und ihm sagen, was füe feine Menschen die Nazis waren. Das kommt unzweifelhaft daher, dass Deutschland früher einmal Werte hatte – echte Werte, die nicht verhandelbar sind und morgen vielleicht schon nicht mehr gelten…
Im Westen gab es ein Aufklärung. Das ist vor 300 Jahren geschehen. Von unten nach oben. Vom Volk zu den ReGIERenden. Schwierig scheint es in den islamischen Ländern zu sein, weil die Welt noch autoritärer erscheint, zweitens ein Einfluss der "aufgeklären" Welt nicht mehr auszuklammern ist. Wenn die Aufklärung in der multilateralen Welt nicht dezentral von unten kommt, sollten wir doch Zeit einräumen, um Gelegenheit zu geben, möglist selbst zum Humanismus der Menschheitsfamilie zu gelangen.
Die Aufklärung…
Die Aufklärung als ein "Allheilmittel" zu betrachten, in deren Folge sich die Vernunft über die Menschheit ergossen hat und danach waren wir alle einander nur gut, scheint mir etwas konstruiert. Das wird auch von der jüngeren Geschichte bestätigt. Nach der "Aufklärung" gab es viel Leid und Unglück und Zerstörung als Folge von Krieg und anderes mehr.
Es gibt viele Gesellschaften, die keine Aufklärung oder Reformation kennen (Judentum, Hinduismus, Buddhismus u. a.), die sich trotzdem entwickelten, und zum Teil viel besser als die "Aufgeklärten" des "Westens".
Was ich sagen will ist nicht, observator, dass die Aufklärung ein Allheilmittel ist, sondern dass es sie in unserem Kulturkreis gab! Ein grundsätzliches Hinterfragen der Herrschaftsverhältnisse kann nicht erzwungen werden. Vielleicht ist die Zeit in anderen Gesellschaften noch nicht gekommen?
Ja, die gab es in unserer Gesellschaft.
Das war der Weg Europas in die Moderne und war ein Ergebnis des Ringens mehrer Kräfte in der Gesellschaft und es ging nicht nur um das Hinterfragen der Herrschaftsverhälnisse.
Kirche und Religion wurden auch hinterfragt, es ging um geistige Emanzipation, um Fortschritt und fortschrittliches Denken und anderes mehr.
"Vielleicht ist die Zeit in anderen Gesellschaften noch nicht gekommen?"
Das denke ich eher nicht. Viele asiatische Kulturen, beispielsweise, waren den Europäern viel früher schon weit voraus in Sachen Technik, Medizin u. a.
Sowas wie "Mittelalter" bei uns haben sie nicht gehabt.
Aber, wie gesagt, die Aufklärung hat auch viel Leid gebracht. Da haben sich Christen gegenseitig bekriegt, und ich meine nicht nur die 2 WK sondern auch zum Beispiel was sich in Irland bis "vor Kurzem" so abspielte. Und ganz "ruhig" ist es heute auch nicht.