Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von HIStory!
Ich bin Hermann Ploppa und ich erzähle Ihnen heute etwas über die Anfänge der Atlantik-Brücke nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Atlantik-Brücke ist ein nobler Honoratiorenverein, der sich um gute Beziehungen zwischen deutschen und US-amerikanischen Elitemenschen bemüht. Dieser kleine aber feine Verein hat sich seit seinen bescheidenen Anfängen in 1950er Jahren zu einem beachtlich einflussreichen Impulsgeber in der deutschen Politik gemausert. Grund genug, dass wir uns heute mal diese bescheidenen Anfänge mal etwas genauer anschauen:
Eines Abends irgendwann im August 1949 sitzt John McCloy mit dem Hamburger Bankier Erich Warburg zum Dinner zusammen. McCloy hat gerade die Präsidentschaft der neu gegründeten Weltbank abgegeben, um als Hochkommissar der Alliierten die drei Westzonen des geteilten Deutschlands zu verwalten. Jetzt beobachtet er schon mal den ersten Bundestagswahlkampf, bevor er dann im September sein Amt antreten wird.
In der von den Besatzern requirierten Villa in Bad Homburg sprechen die beiden Männer über den Umgang mit Nazi-Verbrechern, kommen aber irgendwann auf die Frage, ob denn die Demontage deutscher Industrieanlagen wirklich noch sein muss. Erich Warburg will, dass McCloy in seinem neuen Amt die Demontagen stoppt. Der cholerische McCloy ist zunächst ziemlich wütend über so ein Ansinnen – sagen die Chronisten – beruhigt sich dann aber schnell wieder: Warburg soll binnen 48 Stunden eine Liste der zu schonenden Industrieanlagen vorlegen. Warburgs Liste enthält zehn Betriebe, sämtlich zum Thyssen- und zum Krupp-Konzern gehörend. Dieses Abendessen sollte nicht nur McCloy dazu gebracht haben, die Demontagen sukzessive ganz einzustellen <1>. Zum anderen soll sich hier jene produktive Männerbeziehung gebildet haben, die zur Gründung transatlantischer Netzwerke führte.
Dichtung und Wahrheit. Tatsächlich kannten sich McCloy und Erich Warburg bereits seit den Zwanziger Jahren. Erich Warburg ist der Sohn des angesehenen Hamburger Bankiers Max Moritz Warburg und Neffe des berühmten Paul Warburg, der nach New York wechselte, dort seine International Acceptance Bank aufbaute, und 1913 mit anderen Finanzleuten zusammen die Noten-Zentralbank der USA, das Federal Reserve Board, gegründet hatte. Erichs Lehr- und Wanderjahre führten ihn auch an die Wallstreet, wo er in der Bank seines Onkels und bei Kuhn Loeb arbeitete. Bei Kuhn Loeb wiederum war sein Vetter Freddy Warburg in Lohn und Brot. Und der lud Erich und John McCloy, der ja bei der Sozietät Cravath Henderson & de Gersdorff die Geschäfte für Mussolini eingefädelt hatte, zum Ausritt auf seinem Gestüt ein.
Nach einigen Jahren im Bankhaus seines Vaters in Hamburg musste Erich Warburg in die USA emigrieren, weil er als Jude in Deutschland gefährdet war. Während sein Vater im New Yorker Exil depressiv wurde, knüpfte Warburg junior in den USA fleißig Netzwerke: Der Krieg „sicherte … Erichs Aufstieg in die Machtzentren Amerikas und Englands, wo er mächtige Freunde gewann, die seine Karriere nach dem Krieg fördern sollten.“ <2>. Zum Schluss des Krieges kam er als amerikanischer Offizier wieder nach Deutschland. Dort fiel ihm die delikate Aufgabe zu, den Nazi-Feldmarschall Hermann Göring zu vernehmen. Dann ließ er sich wieder als Teilhaber in der Bank seines Vaters, die als „arisierte“ Bank jetzt „Brinkmann, Wirtz & Co“ hieß, eintragen.
Nach dem legendären Abendessen im August 1949 kamen Warburg und McCloy überein, auf jeder Seite des Atlantiks je einen noblen Club zur Pflege der deutsch-amerikanischen Freundschaft aufzumachen.
In Hamburg versammeln sich 1952 gerade mal 12 Individuen, um das „Komitee Transozean Brücke“, dann bald umbenannt in: Transatlantik-Brücke, zu gründen. Ernst Friedländer vom Premiumblatt die Zeit wird Vorsitzender. Ebenfalls Edelfeder bei der Zeit: Marion Gräfin von Dönhoff. Als die Russen kamen, war die Gutsherrin mit Pferd von ihrem Anwesen Friedrichstein in Ostpreußen 1200 Kilometer in eisiger Kälte nach Westfalen geritten. Dort schrieb sie mit dem ehemaligen Tennisidol Gottfried von Cramm ein Memorandum an die Besatzungsbehörden, in denen sie ihren Widerstand gegen das Nazi-Regime dokumentierte, und den neuen Herrschaften ihre Dienste anbot. Das Memorandum landet seltsamerweise auf dem Redaktionstisch der Zeit in Hamburg. Die Gräfin wird vom Zeit-Macher Gerd Bucerius zur Mitarbeit eingeladen. Es folgen Jahrzehnte emsiger Textproduktion bei der renommierten Wochenzeitung.
Die temperamentvolle Gräfin steigt voller Energie bei der Atlantik-Brücke ein und formuliert in einem Memorandum im Jahre 1954, dass die Atlantik-Brücke „… in bescheidenstem Rahmen einer Institution wie Chatham House oder dem Council on Foreign Relations ähneln müsste.“ <3>. Der zaghafte Ton dieses Satzes ist nur allzu angebracht. Angesichts jener Handvoll Leute, die sich in jenen Tagen um Erich Warburg scharten, wäre man ausgelacht worden, hätte man gesagt: das hier ist die deutsche Abteilung des Council on Foreign Relations! Zudem mussten die atlantischen Brückenbauer noch mit einem Hut rumgehen, um einige tausend Mark für eine Amerika-Reise der Gräfin einzusammeln. Denn Frau Dönhoff stattete dem New Yorker Council einen Besuch ab, um dessen Arbeitsweise zu studieren.
Der quirlige Banker Erich Warburg pendelt derweil ständig zwischen Hamburg und New York hin und her. Da kann er mal eben in New York das Gegenstück zur Hamburger Atlantikbrücke gründen. Der New Yorker Verein soll amerikanische Elitemenschen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an die deutsche Szene heranholen, den Amis zeigen: sieh mal an, die Krauts sind ja gar nicht so! Anscheinend ist der Blick von oben auf das Objekt gerichtet, denn die neue Gruppierung heißt American Council on Germany, also: der Amerikanische Rat über Deutschland.
Zu Erich Warburg und John McCloy gesellt sich Shepard Stone. Shepard Stone assistierte dem amerikanischen Hochkommissar McCloy als Verbindungsmann der USA zur deutschen Presse. 1952 war Stone in die USA zurückgekehrt, um in der Ford-Stiftung die Abteilung für internationale Beziehungen zu übernehmen. In dieser Eigenschaft akquirierte Stone beträchtliche Gelder der Ford-Stiftung für die Einflussorganisationen deutsch-amerikanischer Elitenfreundschaft. Als erste Präsidentin der American Council on Germany fungierte Ehefrau Ellen McCloy.
Das transatlantische Tandem Atlantik-Brücke und American Council on Germany bringt in den 1950er Jahren nur eine Handvoll wenig bedeutender Broschüren und Studien heraus. Wichtiger ist zunächst, sich als Gruppe zu festigen und immer neue Persönlichkeiten und Institutionen einzubinden. Ab 1959 finden im Zweijahrestakt gemeinsame Kongresse statt. Dort treffen sich immer mehr Leute, die in den folgenden Jahren eine große Rolle spielen sollten: Helmut Schmidt, der spätere Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, sein Nachfolger Willy Brandt. Der spätere Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Der Wirtschaftsminister der Großen Koalition von 1966, Karl Schiller. Der Außenminister und Bundespräsident Walter Scheel. Oder auch der beliebte Washington-Korrespondent des Ersten Deutschen Fernsehens, Gerd Ruge.
Und obwohl sich hier gut betuchte Personen zum Meinungsaustausch treffen, muss trotzdem der deutsche Steuerzahler jene Konferenzen bezahlen, von deren Existenz er gar nichts weiß. Das Bundespresseamt, das Auswärtige Amt und das Bundeskanzleramt bezahlen den hohen Herren großzügig ihre Auslagen.
1955 kommt eine dritte Organisation hinzu, die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Während die zuvor genannten Gruppen den sozialen Zusammenhalt und die Lobbyarbeit der Transatlantiker pflegen, ist die DGAP eine reine Recherche-Institution. Die DGAP kommt damit den Kernaufgaben des New Yorker Council on Foreign Relations recht nahe. Und tatsächlich ist die DGAP die anerkannte „Partner“organisation des CFR, und trägt im angloamerikanischen Sprachraum ganz offiziell den Namen: German Council on Foreign Relations. Der deutschen Öffentlichkeit wird dieser Tatbestand durch den Namen DGAP verschleiert.
Diese Studiengruppe fängt 1946 ganz bescheiden mit einer Zeitschrift namens „Europa-Archiv“ sowie einer gut sortierten Spezialbibliothek an. Kontakte werden zunächst geknüpft zu französischen und englischen außenpolitischen Think Tanks. Der Kontakt zum New Yorker Council wird offiziell erst 1952 angebahnt, und die Gründung als DGAP erfolgt erst 1955, also in demselben Jahr, in dem die Bundesrepublik durch den Deutschlandvertrag wieder ein souveräner Staat wird und die junge Republik gleichzeitig in die NATO eintritt. Nun ist die Bundesrepublik formal wieder berechtigt zu einer eigenständigen Außenpolitik, und der neue Außenminister Heinrich von Brentano nimmt die Beraterdienste der transatlantischen Forschungsgruppe gerne an.
In der DGAP bilden sich verschiedene Studiengruppen, zum Beispiel die Studiengruppe Internationale Sicherheit, anscheinend eine Domäne der SPD. Denn sie wird nacheinander von Fritz Erler, Helmut Schmidt, Egon Bahr, Karsten Voigt und Hans-Ulrich Klose geleitet. Die Verbindung zwischen DGAP und der Atlantikbrücke stellt sich immer wieder durch Personen her, die in beiden Gruppen eine führende Stellung innehaben. Arend Oetker war von 2000 bis 2005 Vorsitzender der Atlantik-Brücke, und seitdem ist er Präsident der DGAP. 1955 wurde der Politikwissenschaftler Arnold Bergstraesser erster Präsident der DGAP. Von 1959 bis 1961 wechselte Bergstraesser in den Vorstand der Atlantik-Brücke.
Bergstraesser stand nicht nur Atlantik-Brücke und DGAP vor. Er war zudem auch noch an der Gründung eines zweiten außenpolitischen Think Tanks der deutschen Transatlantiker beteiligt, nämlich der Stiftung Wissenschaft und Politik, die 1961 bescheiden als Arbeitsgemeinschaft Wissenschaft und Politik angefangen hatte. Die SWP erwuchs zunächst aus dem Kopf des Bundesnachrichtendienstes BND. Warum ausgerechnet BND? „Es gab im Bereich des Bundeskanzleramtes keine andere Haushaltsposition, aus der diese Förderung hätte gewährt werden können.“, so die Antwort von Albrecht Zunker, der lange Jahre beim SWP tätig war. <4>
War am Anfang die Förderung durch die Bundesregierung noch entscheidend, so ist die SWP heute längst eine öffentlich-private Veranstaltung. Das Geld kommt von den großen Konzernen, deren Chefs denn auch in den Aufsichtsorganen der SWP sitzen. Seite an Seite mit Bundestagsabgeordneten aller vertretenen Fraktionen. Der Einfluss durch Geheimdienstleute und Militärs ist heute nicht mehr so stark sichtbar. Am Anfang stand der SWP noch der umstrittene NATO-General Hans Speidel vor, der die SWP als „meine schutzbefohlene Truppe“ bezeichnete. Speidel war in seinem Vorleben einer der schneidigsten Generäle Hitlers und stieg nach dem Krieg zum obersten Befehlshaber der NATO-Truppen in Europa auf.
Zu Speidels Zeiten herrschte in der SWP noch eine konspirative Grundstimmung: „Man ,arbeitete’ nicht bei der SWP, sondern man ,war’ bei der SWP und entwickelte einen Esprit de Corps, gepflegt auch durch Feiern und Feste, einig, wenn es um Verteidigung nach außen ging.“ <5> Mittlerweile haben die SWP-Leute ihre Katakomben verlassen. Spätestens seit 1968 weht bei der SWP ein etwas anderer Wind. In einer flachen Hierarchie unterhält die SWP ein Gravitationsfeld von unzähligen, ziemlich unmilitärischen Experten, die im Bedarfsfall schnelle Expertise liefern können, wenn die Bundeskanzlerin Rat braucht. Es ist dabei vollkommen egal, wo im politischen Spektrum der Autor angesiedelt ist. Gefragt sind unvoreingenommene Einschätzungen der Lage in entferntesten Ecken der Welt, und nicht ideologisch gefärbte Traktate.
Gleichzeitig bleibt die Anbindung an hochrangige NATO-Ebenen erhalten durch die jährlich stattfindende NATO Review Conference, in der knallharte Rechte wie Michael Stürmer das Sagen haben.
Wir haben jetzt ein bisschen mehr erfahren über die ersten tragfähigen Säulen einer höchst effizienten, weil diskreten Beeinflussung der deutschen Politik und der deutschen Medien durch Lobbyorganisationen im Hintergrund. Zu diesen Organisationen: Atlantik-Brücke, American Council on Germany, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, haben sich eine ganze Reihe von nach Washington ausgerichteten Netzwerkorganisationen gebildet. Heutzutage ist dieses metastasierende Geflecht selbst für eingeweihte Experten kaum noch überschaubar. Schulen, Universitäten und Vereine bieten diesen Organisationen eine breite Auswahl von Anwärtern auf eine wirkungsvolle Karriereförderung. Da Schulen und Universitäten längst selber durchsetzt sind mit Lehrern und Professoren transatlantischer Prägung, verstärkt sich der Amerikanisierungseffekt mit jeder Generation. Man sieht es an unserer momentanen Außenministerin Annalena Baerbock, mit welcher atemberaubenden Selbstverständlichkeit amerikanisches Denken unsere deutsche Außenpolitik prägt. Der american way of life ist quasi durch die Muttermilch eingesogen. Er hat sich in die politische DNS eingespurt. Wir werden sehen, ob sich dieser Trend auch weiter fortsetzen wird.
Wir lernen aus der Geschichte, wie wir die Zukunft besser machen.
Quellen und Anmerkungen
<1> Thomas Alan Schwartz: Die Atlantik Brücke. Frankfurt/Main-Berlin 1992. In einem Interview von Schwartz mit Erich Warburg 1983 sagte Warburg, McCloy habe in jenem Gespräch nicht eingelenkt und stattdessen auf der Demontage bestanden. Schwartz, S.107
<2> Ron Chernow, Die Warburgs. Hamburg 1994. S.634
<3> zitiert nach Ludger Kühnhardt. Atlantik-Brücke. Fünfzig Jahre deutsch-amerikanische Partnerschaft 1952-2002. München. 2002. S.37
<4> Albrecht Zunker: Stiftung Wissenschaft und Politik. Berlin 2007. S.43
<5> Zunker, a.a.O., S.51
Bildquellen: https://commons.wikimedia.org
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Ja so ist es, Ami-Lena war schon immer gegen Northstream! ich glaube, die Amis haben die Pipeline nicht ohne Zustimmung aus Berlin gesprengt.
Ob Folge von Think Tanks, Lippmann & Co – es ist schon beeindruckend, wie die US-imperialistischen Prägung, in den Köpfen weltweit; also auch in Schulbüchern, Literatur, Journalismus etc., selbst im ehemaligen Ostblock und noch heute in Russland, bei Feind-, und Opferstaaten der USA, heute noch wirkt.
Selbst der Autor Ploppa ist nicht davon verschont geblieben.
Ich, ebenso davon betroffen, habe öfters die Erfahrung machen müssen, dass Gesprächspartner aus Lateinamerika mokiert waren, wenn ich von Amerika (amerikanisch) sprach und die USA meinte.
Ich meinte, es wäre ja aus dem Kontext ersichtlich.
Falsch, ich übernehme eine der erfolgreichsten kulturimperialistisch ueberheblichen US-Prägungen. Dafür gibt es keine sprachoekonomische Ausrede.
Ganz im Gegenteil die Nutzung der Vorsilbe *us-", USA steht demgegenüber.
Im Geografieunterricht ein Mangel, einen Staat mit einem Kontinent zu verwechseln.
Und nachvollziehbar, wenn ich erwähne, dass Amerika in Chile aktiv die Ermordung eines demokratisch gewählten Präsidenten betrieben hat, dass das für die Ohren meiner lateinametikanischen Gesprächspartner unerträglich ist.
Man stelle sich bloß mal vor, die BRD heißt Bundesrepublik von Europa und man sagt analog Europa hätte die Juden vergaßt.
Da aber wäre die Kacke am dampfen.
Was würden wohl NL, B, F etc dazu sagen?!
Die Besetzung von Begriffen hat gewollt oder nicht Auswirkung auf Denken und Handeln.
Wenn wir uns mit Beeinflussung beschäftigen, dann auch damit.
Also in Zukunft nicht Amerika, amerikanisch sondern USA und us-amerikanisch.
Und schon gar nicht, wenn man mit Sprache Geld verdient. Ein Obsthaendler muss auch Aepfel von Birnen unterscheiden können.
Der Mix aus Kapitalismus und Liberalismus (MKL) kann durch ein alternatives System ersetzt werden, ohne die Freiheit der Menschen zu sehr einzuschränken. Bitte googeln: Freichristlicher Schamanismus