Der Buchautor und Publizist Hermann Ploppa erläutert in HIStory kurz und sachlich historische Daten und Jahrestage von herausragenden geschichtlichen Ereignissen. Dabei werden in diesem Format Begebenheiten der Gegenwart, die mit einem Blick in die Vergangenheit in ihrer Bedeutung besser einzuordnen sind, künftig alle 14 Tage montags in einen geschichtlichen Kontext gebracht.
HIStory: Die seltsamen Aktivitäten der Studentenverbindung Skull & Bones
Immer wieder hören wir von seltsamen Geheimgesellschaften in den USA. Dort sollen sich sehr mächtige Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien heimlich treffen, um seltsamen Ritualen zu frönen. Gerade diese Heimlichtuerei erregt besonderes Interesse. Und verleiht der Phantasie besondere Flügel. Tatsächlich wird gerade in der angeblich so offenen Gesellschaft der Vereinigten Staaten von Amerika von den Reichen und den Schönen besonders viel unternommen, um sich abzuschotten und unter seinesgleichen zu bleiben. Die Reichen unterhalten ihre eigenen privaten Elite-Universitäten und Internate.
Und innerhalb dieser Elite-Unis schotten sich noch einmal besonders erlesene Kreise gegen den Rest des Campus ab. Und in dieser Einkapselung blühen und gedeihen seltsame Rituale, um die eigene Identität gegen den Rest der Community eisern zu behaupten. Eine dieser hochexklusiven Studentenverbindungen hat über die Jahrzehnte immer wieder besondere Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Die Rede ist von der Burschenschaft der Skulls and Bones. Und die schauen wir uns heute mal etwas genauer an um ein bisschen mehr zu verstehen, wie die US-amerikanischen Eliten eigentlich ticken.
„Skull and Bones“ ist einer von sieben studentischen Geheimbünden auf dem Campus der Yale-Privatuniversität in der altehrwürdigen Ostküstenstadt New Haven im beschaulichen Bundesstaat Connecticut.
Können Sie sich vorstellen, dass sowohl George Bush der Ältere wie auch George Bush der Jüngere sich vor Publikum nackt im Schlamm wälzen? Können Sie sich weiterhin vorstellen wie hochrangige Prominente der USA lebendig in einem Sarg liegen, sexuelle Eskapaden vor ihren Corpsbrüdern beichten und dann auch noch auf allen Vieren zu einer als „Don Quichote“ verkleideten Gestalt kriechen, um deren rote Puschen zu küssen? Unglaublich aber wahr. Auf diese Weise werden viele mächtige Alphatiere der USA initiiert als unkündbare Mitglieder der Skulls and Bones-Bruderschaft. Der ehemalige Außenminister unter Obama, John Kerry, wurde auf diese Weise im Jahre 1966 initiiert. George Bush II. im bewegten Jahre 1968.
Bürger der USA sind schon lange beunruhigt über die Zusammenballung von exekutiver Machtbefugnis in den Händen einer kleinen exklusiven Elitegruppe. Jedes Jahr rekrutieren die „Skulls“ gerade mal 15 neue Mitglieder, deren weiterer Karrieregang von den früheren „Skulls“-Jahrgängen begleitet wird. Die Alten Herren heißen „Patriarchen“, und es gibt bei etwa 200 Millionen US-Bürgern gerade einmal 600 lebende „Skull and Bones“-Mitglieder. Die Irritation der US-Wähler verstärkt sich noch dadurch, dass – so hört man – die Novizen bei der exklusiven Yale-Bruderschaft einen unverbrüchlichen Treueid auf den Orden schwören müssen. Vor der Loyalität zu Vaterland, Religion und Familie rangiert somit die Verpflichtung gegenüber den geheimen Logenbrüdern. US-Bürger fragen sich: wie soll so ein Logenbruder den Eid auf das Gemeinwohl der Vereinigten Staaten überzeugend schwören können?
Um zu begreifen, dass die obskuren Riten dieser zuweilen nudistisch agierenden Logenbrüder keinen satanistischen Mummenschanz gelangweilter Studis darstellen, sondern dass sie tiefe Spuren im Treibsand der US-Gesellschaft hinterlassen, müssen wir uns einige Besonderheiten des US-amerikanischen Bildungssystems anschauen.
Sicher kann man in den USA immer noch vom Tellerwäscher zum Millionär avancieren. Besser ist es jedoch, die richtigen Eltern ausgesucht zu haben. Der Weg in die Spitzenämter von Wirtschaft, Politik und Kultur führt immer noch über die privaten Elite-Universitäten der Efeu-Liga, der Ivy League. Während die staatlichen Universitäten ums nackte Überleben ringen, schwimmen die acht berühmten Privat-Unis in unvorstellbaren Reichtümern. Harvard, der Tabellenführer, verfügt über ein Vermögen von 19 Milliarden Dollar. Die New Yorker Columbia-Universität ist der zweitgrößte Grundstückseigentümer im Bundesstaat New York.
Damit nicht gewöhnliche Sterbliche die komfortable Ruhe der studierenden Sprösslinge aus den edlen neuenglischen Ostküstenfamilien der Cabot Lodge, Coolidge, Forbes oder Harriman stören, sind die Studiengebühren für jedes absolvierte Jahr so preiswert wie ein guter Mittelklassewagen. In Yale kostet das Studienjahr 28.000 Dollar. Das verschulte Curriculum währt drei Jahre bis zum Unter-Examen. Es folgt ein Vorbereitungsjahr zum Vollexamen.
Die acht Efeu-Unis sind bevölkert von Studentenbünden, die sich gezielt Seilschaften zusammensuchen für das spätere gemeinsame Vorpreschen in die Chefetagen. Da geistern durch Yale neben den „Skull and Bones“ die „Scroll and Key“, „Book and Snake“, „Wolf’s Head“, „Eliahu“ oder „Berzelius“. Verglichen mit diesen Pfründeverteilungsorden muten deutsche Burschenschaften geradezu sozialistisch-egalitär-demokratiesüchtig an. Deutsche Corporationen „keilen“ fast jeden Studienanfänger, der in der Lage ist, einen Bierhumpen festzuhalten.
Nicht so die „Skull and Bones“. Die Orden-eigenen Talentscouts beobachten auf dem Campus genau, wer in den drei Jahren bis zum Undergraduate vielversprechende Aktivitäten gezeigt hat. So ist ihnen auch der unerträglich ehrgeizige John Forbes Kerry aufgefallen. Informell lotet man aus, ob der Kandidat überhaupt interessiert ist an einer Initiation.
Wenn die 15 Initianten für den Examensjahrgang zusammengestellt sind, kann das satanistische Ritual der Einführung stattfinden. Das Skulls and Bones-Stammhaus in New Haven wird von den Skulls „Tomb“ genannt, zu Deutsch also: das Grab. Im Foyer grimassiert aus einer Glasvitrine der Totenschädel des Apachenhäuptlings Geronimo. Überall Nekrophilia: Knochen, Knorpel, Schädel. Die Initianten müssen sich erst einmal im ummauerten efeuberankten Hof nackt im Schlamm wälzen. Dann werden sie in Särgen zum Sanctum Sanctorium getragen.
Dort empfangen sie die älteren Skulls-Mitglieder mit infernalischem Geschrei. Die Neulinge werden aus den Särgen gekippt, müssen einige Schläge über sich ergehen lassen. Vor ihnen steht ein Mann, der als Teufel verkleidet ist. Ein anderer mimt den Papst. Und ein Dritter spielt den Don Quichote. Quichote hat seinen Fuß auf einen Totenkopf gestützt. Nach viel Schnickschnack schlägt „Don Quichote“ den Neuling zum Ritter. Der Neue schwört dem Orden bedingungslose Loyalität.
Die 15 Neulinge werden in ihrem Examensjahr auf das Intimste zusammengeschweißt. Zweimal die Woche treffen sie sich im Tomb. Reihum legen sie sich nackt in einen Sarg und erzählen ihren Corpsbrüdern, was sie in ihrem vierundzwanzigjährigen Leben schon alles an sexuellen Eskapaden angestellt haben. Sie müssen alles beichten. Das schweißt zusammen. Auf diese Weise wird ja auch verhindert, dass ein Skull-Bruder abschwören und in der Öffentlichkeit über den Geheimbund auspacken könnte. Eine gezielte Lancierung von sexuellen Ausrutschern in der Presse wäre das Karriere-Ende für den Abtrünnigen.
Aber Folgsamkeit wird reich belohnt. Wer das Examen gemacht hat, erhält aus der prallen Schatulle der Skulls eine berufliche Starthilfe von 15.000 Dollar. Am wichtigsten ist aber, dass sich etablierte Alte Herren– die Patriarchen – aus den Reihen der Skull and Bones um den Frischling kümmern und ihn in gut bestallte Posten hieven.
Der Skull and Bones-Orden ist Eigentum einer eingetragenen Firma, der Russell Trust Association. Diese ist dem Bundesstaat Connecticut so wichtig, dass im Jahre 1943 per Gesetz die Russell-Gesellschaft von der Berichtspflicht gegenüber dem Staat entbunden wurde. Die Sippe des Ordensstifters William Huntington Russell machte ein enormes Vermögen mit dem Opiumhandel in China. Der Skull and Bones-Orden wurde 1833 gegründet und erhielt als Emblem die Piratenflagge mit dem Totenschädel und den gekreuzten Knochen. Das Opiumgeschäft wurde in Partnerschaft mit der englischen Ostindienkompanie betrieben.
Die reichen Ostküstenfamilien fühlten sich den englischen Aristokraten mehr verbunden als der egalitären USA-Verfassung eines Thomas Jefferson. Sie näselten im Oxford-Sound und konspirierten mit den Engländern in Koalitionen wie der Essex Junto oder der Hartford Convention von 1815. 1876 nimmt ein Skull and Bones-Mitglied entscheidenden Einfluss auf die Politik der USA. Alphonso Taft wird nämlich im selben Jahr Generalbundesanwalt und Justizminister.
Bei den Wahlen dieses Jahres kann kein neuer US-Präsident ermittelt werden. Taft hievt qua Amtsbefugnis Rutherford Hayes in das Weiße Haus. Alphonsos Sohn William Howard Taft (Skull and Bones-Jahrgang 1878) wurde 1908 Präsident der USA, später auch noch General Attorney. Dessen Sohn Robert Alphonso Taft (Skull and Bones-Jahrgang 1910) kämpfte als einflussreicher Senator für enge Koalitionen mit England.
Im Ersten Weltkrieg basteln die Skull and Bones-Studenten sogar eine eigene Fliegerstaffel zusammen, die Yale Unit. Henry Davison aus der Chefetage der Morgan-Bank finanziert das Abenteuer für Sohn Trubee sowie dessen snobistische Yale-Kommilitonen. Anführer der Yale-Unit wird Robert A. Lovett, später stellvertretender Verteidigungsminister unter Roosevelt und Truman. 1917 wird die Yale-Einheit offiziell in die englischen Streitkräfte eingegliedert.
Nicht allein Skull and Bones, sondern ein elitäres Netzwerk aus Mitgliedern der Ivy League nimmt erheblichen Einfluss auf die Politik der USA. Theodore Roosevelt war Mitglied in der studentischen Geheimverbindung Pig Club in Harvard. Die Brüder Allen und John Foster Dulles, die faktisch die Politik der USA in den 1950er Jahren bestimmten, gehörten dem Ivy Club in Princeton an. Franklin Delano Roosevelt begnügte sich mit dem gemäßigten Fly-Club.
Die Mitglieder dieses außerordentlich wohlhabenden Netzwerkes einte das Bewusstsein, als Elite auserwählt zu sein. Mit Ekel schauten jene Vorzugsmenschen auf die Massenkultur herab. Rechtspopulistische Bewegungen wie die Rednecks oder die McCarthy-Inquisition waren ihnen zwar taktisch hochwillkommen, nichtsdestotrotz jedoch zutiefst zuwider. Die Ivy-League-Menschen schätzten klassische Bildungsgüter: antike Literatur, englische Hochliteratur, besonders Lyrik. Sie förderten T.S. Eliott und Ezra Pound. Theodore Roosevelt las in arbeitsfreien Minuten griechische Klassiker im Original. Man verstand sich zudem als Speerspitze moderner Forschung.
So überrascht es nicht, dass Irving Fischer (Skull and Bones-Jahrgang 1888) Gründungspräsident der American Eugenics Society wurde. Die Vorstellung, die Qualität der Massenmenschen durch gezielte Zuchtwahl und Aussiebung der Kranken und Schwachen anzuheben, hatte unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Elitemenschen von der Ostküste. Eine herausragende Stellung als Förderer der Eugenik und Euthanasie erlangte bald Averell Harriman. Die Harriman-Dynastie erwarb enormen Reichtum durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes in den USA. Die Eisenbahn machte wiederum Rockefeller eine Zeitlang zum Monopolverkäufer von Erdöl. Die Harriman-Rockefeller-Symbiose prägte über Stiftungen das Gesicht der Wissenschaft nicht nur in den USA.
Und Averell Harriman war der große Förderer und Koordinator von Skull and Bones. Harriman versammelte seine Skull and Bones-Kameraden auf der Multimilliardärs-Insel Jupiter Island. Zusammen mit George Herbert Walker (Skull and Bones-Jahrgang 1927) fasste Harriman die eugenischen Forscher, besonders in Deutschland, England und Skandinavien, zu einem schlagkräftigen Weltverband zusammen. Auf dem Eugenik-Weltkongress 1932 sorgte Harriman dafür, dass der deutsch-schweizerische Eugeniker Ernst Rüdin zum Vorsitzenden des Weltverbandes gewählt wurde.
Harriman kaufte sich in die englische Bank Brown Brothers ein, die nunmehr als Brown Brothers Harriman transkontinentale Kapitaltransfers abwickelte. Harriman holte Prescott Bush (Skull and Bones-Jahrgang 1917) als Geschäftsführer in sein Unternehmen. Prescott Bush leitete zudem die Union Banking Corporation, die bevorzugt Kapitalgeschäfte mit Nazi-Deutschland durchführte.
Während sich Averell Harriman um die Verbesserung der menschlichen Rasse kümmerte, arbeitete ein weiterer Skull and Bones-Patriarch an der Beeinflussung des Bewusstseins der Massen. Henry Robinson Luce baute nacheinander Time-Magazine, Fortune, Life und Sports Illustrated auf. 1923 gibt ihm ein Netzwerk von 72 Wall Street-Investoren das nötige Geld, damit Luce mit 18 Redakteuren – 11 davon Absolventen aus Yale – die erste Nummer von Time starten kann. Harriman war ein einflussreicher Förderer der Demokratischen Partei. Luce jedoch setzte seine ganze Macht ein, um mit seinen Presseerzeugnissen für die Republikaner zu trommeln.
Die New York Times bemerkte über Luce: „Er trug dazu bei, die Lesegewohnheiten, politischen Grundhaltungen und kulturellen Vorlieben von Millionen zu prägen.“ Wenn der Moderator im Radio und in der Kinowochenschau emphatisch ausrief: „Time marches on!“, dann war er die Stimme seines Herrn Henry Luce.
Den Erfolg jener Eliteherrschaft sichern de facto diskrete Operationen, die an den demokratisch kontrollierten Instanzen: Legislative, Exekutive und Judikative vorbei, entscheidende Weichenstellungen vornehmen. Es verwundert in diesen Zusammenhang nicht, dass der elitäre Campus der Yale-Universität den idealen Nährboden für die CIA hergab. Durchgeistigte Lyriker wie James Jesus Angleton oder Cord Meyer verließen die Redaktionsklause ihrer poetischen Campuszeitung „Yale Lit“, um in Europa mit „dirty tricks“ linke Milieus aufzumischen. Angleton war ein typischer Anglophiler, aufgezogen in einem englischen Internat, mit antrainiertem Oxford-Akzent. Er betrieb die P-Gruppe (P für Professor). Die P-Gruppe rekrutierte in Yale Talente für den CIA. Yale-Geschichtsprofessor Gaddis Smith bekräftigt die innere Beziehung zwischen Yale und CIA: „Yale hat den CIA stärker beeinflußt als irgendeine andere Universität. Das gibt dem CIA bisweilen den Charakter eines Klassentreffens.“
Personalchef beim CIA wird der uns bereits als Kommandant der Yale-Fliegereinheit bekannte Trubee Davison (Skull and Bones-Jahrgang 1918). Seine Personalrekrutierung sorgt für den elitären Yale-Stallgeruch. Ursprünglich hatte Präsident Truman (kein Ivy-League-Mitglied) lediglich eine Koordinationsstelle angefordert, in der die aus den Geheimdiensten eingehenden Datenmassen evaluiert und sortiert werden sollten. Truman wollte nicht mit Datenmüll beim morgendlichen Briefing zugestopft werden.
Doch die Geheimniskrämer von der Ivy League machten aus der Central Intelligence Agency eine operative Kampfeinheit, die ohne demokratische Kontrolle durch den Kongress Regierungen nach Belieben stürzte oder Wahlen manipulierte. Der Nationale Sicherheitsrat umging parlamentarische Kontrollen. Wenn das Parlament kein Geld für CIA-Operationen bewilligen wollte, besorgte sich der Geheimdienst die finanziellen Mittel entweder durch kriminelle Kanäle oder von Stiftungen, wie z.B. Ford Foundation oder Rockefeller Foundation.
Den vorläufigen Gipfelpunkt in der Umgehung demokratischer Kontrollinstanzen erklomm George Bush der Erste (Skull and Bones-Jahrgang 1948, zeitweilig CIA-Chef). In seiner Eigenschaft als Vizepräsident unter Ronald Reagan ließ Bush in der eigens für ihn gegründeten Special Situation Group alle Informationsfäden zusammenlaufen. Sogar der Nationale Sicherheitsrat wurde zur reinen Akklamationsinstanz degradiert.
Über die Special Situation Group führte Bush ein Regiment, dessen Konturen bruchstückhaft in der Iran-Contra-Affäre sichtbar wurden. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses für Geheimdienste, der Demokrat David Lyle Boren (Skull and Bones-Jahrgang 1963) nannte die Machtmaschine von George Bush eine „Parallelregierung“. Das ist sicher untertrieben. Bush war de facto Präsident seit 1980. Als z.B. die Übernahme der Karibikinsel Grenada beschlossen wurde, befand sich Ronald Reagan auf dem Golfplatz.
Das provokante Vorgehen von George Bush ist schuld daran, dass die Öffentlichkeit auf Skull and Bones aufmerksam wurde. Als Bush sogar offiziell Präsident werden wollte, fragte die Washington Post 1988: „Hat der Vater von George Bush ein Grab geschändet?“ Papa Prescott Bush brach nämlich 1919 mit einigen seiner Corpsbrüder als Skull and Bones-Stoßtruppe mitternächtlich in einen Friedhof ein und entnahm dem Grab des Apachenhäuptlings Geronimo dessen Schädel. Der Schädel wurde sodann als Trophäe in einer Glasvitrine im Skull and Bones-Clubheim ausgestellt.
Jene Pietätlosigkeit von Prescott Bush brachte die Skulls in den Ruch des Rassismus. In der Tat war der Orden lange Zeit der extreme Ausdruck des so genannten WASP-Dünkels. WASP steht für „White Anglo Saxon Protestants“. Gemeint sind die weißen anglophilen protestantischen Geldaristokraten von der Ostküste, deren Vorfahren tunlichst schon auf der „Mayflower“ mitgefahren zu sein hatten. Harrimans Eugenik beinhaltete ja auch, dass die Rassen genetisch-qualitativ unterschiedlich bewertet werden müssten. So hatten Juden, Afroamerikaner und andere „inferior races“ bei den Skulls nichts verloren.
Trotzdem ging die Kolportage der Washington Post im Falle von George Bush voll daneben. George Bush tat sich zwar am Anfang seiner Karriere als Förderer von Planned Parenthood hervor, die ja auch von Bill Gates lange Zeit gefördert wurde. Planned Parenthood war aus der berüchtigten Eugenik-Gesellschaft Birth Control League unter Margaret Sanger hervorgegangen. Margaret Sanger hatte in einem Buch in den 1920er Jahren die Euthanasie befürwortet.
George Bush und Planned Parenthood brachten in den 1960er Jahren eine Propagandakampagne ins Rollen, die besagte: Die Welt werde bald zu klein für alle Menschen. Eine Bevölkerungsexplosion drohe die Menschen zusammenzupressen. Und nicht nur in den Henry Luce-Illustierten Time und Life quollen immer nur Massen von Indern, Chinesen oder Afrikanern aus den Abbildungen. Planned Parenthood war vor Ort und beriet Inder, Chinesen und Afrikaner bei der Geburtenkontrolle.
Doch Bush erkannte als einer der Ersten im WASP-Lager, dass demographische Umschichtungen zuungunsten der weißen Protestanten die Mehrheitsfähigkeit seiner Machtbasis auserwählter weißer Eliten über kurz oder lang obsolet machen würden. So kam es zu einer ethnischen Öffnung in der Skull and Bones-Bruderschaft. Seit geraumer Zeit nun soll es bei dem Schädelorden Afroamerikaner, Homosexuelle und Frauen als willkommene Mitglieder geben.
Sind die Skull and Bones-Brüder möglicherweise gar nicht politisch oder gar rechts orientiert? Die Skull and Bones-Brüder sind sowohl bei den Demokraten als auch bei den Republikanern vertreten. Der mächtige Henry Stimson diente demokratischen wie republikanischen Präsidenten als Minister. Der Nationale Sicherheitsberater von John F. Kennedy hieß McGeorge Bundy. Auch er ist ein Skull & Bones-Bruder.
Der typische Skull and Bones-Alumnus kann in seinem Leben wechselweise Diplomat, Geheimagent, Minister, Wirtschaftsboss oder Universitätsdekan sein. William Sloane Coffin (Skull and Bones-Jahrgang 1948) wechselte gar von der Kanzel zum Agentenauto und zurück: „Nach einem Jahr auf dem Union Theological Seminary schien sich ein Krieg mit der Sowjetunion anzukündigen, und nun wechselte ich doch zur CIA, weil ich in diesem Krieg von Nutzen sein wollte.“, sagte dereinst Coffin. Der Krieg fand gottlob nicht statt, und in den 1960er Jahren profilierte sich Coffin sogar als Vietnam-Kriegsgegner.
Und da traf er gewiss John Kerry (Skull and Bones-Jahrgang 1968). John Kerry warf als dekorierter Vietnamkriegsveteran seine Orden ins Wasser. Aus Protest gegen den von ihm so genannten Völkermord. Enttäuschte Vietnam-Veteranen folgten seinem Beispiel. Erstaunlicherweise fotografierte ein Reporter in Kerrys Haus genau diese Kriegsorden: sie hingen algenfrei an der Wand. Warum Kerry als Senator gegen den ersten Golfkrieg, aber für Golfkrieg zwei optiert hat, weiß nur Kerry. Kerrys Zickzackkurs in allen wichtigen Fragen der Politik ist hinlänglich bekannt. Verheiratet war Kerry übrigens zunächst mit der geschiedenen Frau eines Skull and Bones-Mannes. Jetzt ist er mit der Witwe des Ketchup-Königs John Heinz (Skull and Bones-Jahrgang 1931) verheiratet.
Und John Kerry wird gewiss niemals in seinem Leben einen Skull and Bones-Corpsbruder in Schwierigkeiten bringen. Weder Vater noch Sohn George Bush. John Kerry saß nämlich als Senator zusammen mit seinem republikanischen Kollegen Hank Brown einem Untersuchungsausschuss vor. Der Ausschuss sollte ermitteln, ob Regierungsstellen oder Geheimdienste unerlaubte Aktivitäten der pakistanischen Bank und Geldwaschanlage BCCI gefördert oder gedeckt hatten.
Der Bericht ist lesenswert. Denn er beschreibt, wie CIA, der englische SIS, Zentralbanken, Waffen- und Drogenhändler, Warlords und BCCI zu einer einzigen globalen Firnisschicht verwachsen waren, und wie die US-Regierung mit billigen Tricks den Untersuchungsausschuss daran hinderte, relevante Dokumente einzusehen. Kerry und Brown pickten sich den damaligen Verteidigungsminister Donald Regan und dessen Helfer Oliver North als Hauptbösewichte der US-Regierung heraus. Der Mann, auf dessen Special Situation Group alle Fäden zulaufen, blieb allerdings ausgespart: nämlich Skull and Bones-Corpsbruder George Herbert Walker Bush.
Dass der Kerry/Brown-Bericht erst im Dezember 1992, also einen Monat nach der Präsidentenwahl, herauskam, nützte George Bush nun allerdings gar nichts mehr. Denn Ross Perot war im Zorn vom Posten als Präsident Reagans Sonderberater für amerikanische Kriegsgefangene in Vietnam zurückgetreten. Nun stieg er aus Rache in den Ring als unabhängiger Präsidentschaftskandidat gegen George Bush. Aber keine Sorge. Denn Bush-Bezwinger Clinton wurde von Winston Lord (Skull and Bones-Jahrgang 1959), seinem stellvertretenden Außenminister, gut beraten. Und nach der achtjährigen Bush-Pause waren zwei weitere Skull and Bones-Brüder im Kabinett vertreten: Edward McNally als Chefberater im Heimatschutzministerium, sowie Robert McCallum als stellvertretender Justizminister. McCallum war sogar ein Skull-Jahrgangskamerad von George Bush II.
Offenkundig hat die neue Offenheit der WASPs gegenüber anderen Ethnien die Position der weißen Efeu-Liga nur gestärkt. Denn bei den Vorwahlen der Demokraten im Jahre 2004 kamen mit John Edwards, Howard Dean, Joe Liebermann und John Kerry gleich vier Aspiranten aus – Sie haben es erraten: aus Yale. Die heutigen Efeuligisten wirken allerdings blass gegen ihre Corpsbrüder aus früheren Generationen. Weder die heutigen Spitzenmänner aus den Rängen der Skull and Bones-Bruderschaft noch die an ihnen rankenden Berater stehen im Verdacht, in der Mittagspause Thukydides im Original zu lesen oder auf dem Golfplatz große bildungsträchtige Oden zu schreiben. Doch immer noch sind die Worte des CIA-Journalisten Irving Kristol gültig:
„Die Elite waren wir- die happy few, die wenigen Glücklichen, die von der Geschichte dazu auserwählt waren, unsere Mitmenschen einer irdischen Erlösung entgegenzuführen.“
Wir lernen aus der Vergangenheit, wie wir die Zukunft besser machen.
Literatur:
- Walter Isaacson/Evan Thomas: The Wise Men – Six Friends and the World they made. New York 1986
- Alexandra Robbins: Secrets of the Tomb. Boston/New York/London 2002
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- https://www.c-span.org/video/?22164-1/bcci-investigation-day-5
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Interessant auch immer wieder der kurz gestreifte Exkurs in die "Eugenics"…
Dann ist es wohl doch so, dass Hitler die Mode aus den USA aufgegriffen hat als sie dort schon längst unmodern war…
Eine schöne Vorlesung zum Einstieg für Verschwörungs-
Skeptiker.
Jeder genannte Punkt lädt zur eigenen Recherche ein.
Ab dann wird alles nur noch viel schräger.
Oder wie bereits D. Pohl sagte;
"Wir brauchen neue Verschwörungstheorien.
Zu viele sind bereits als Wahrheit belegt."
Gefällt mir sehr gut, dieses Format… Weiter so, danke