Der Stern Davids ist nicht erst seit dem Abschuss der israelischen F-16 im Sinkflug. Bereits 2006 musste Israel seinen Krieg gegen Libanon mit hohen Verlusten schließlich unvollbrachter Dinge aufgeben und sich zurückziehen. Seither hat sich das Blatt für die „unbesiegbare“ Armee weiter gewendet.
Meinung von Rainer Rupp.
Unmittelbar nach den zwei aufeinanderfolgenden, aber weitgehend fehlgeschlagenen Angriffe der israelischen Luftwaffe gegen Ziele in Syrien am Samstag, dem 10. Februar 2018 gebärdete sich der rechtsradikale israelische Kriegsminister Avigdor Lieberman mal wieder in der für ihn typischen Rabauken-Art. Die hat er seit der Zeit, als er noch als Türsteher und Rausschmeißer für einen Nachtklub gearbeitet hat, offenbar immer noch nicht abgelegt. „Dies ist nicht die Zeit zu bellen, sondern zu beißen – und wir werden sehr hart zubeißen”, erklärte er vor johlenden Anhängern.
Allerdings war der Abschuss der israelischen F-16 aus US-amerikanischer Produktion durch die syrische Luftabwehr – der erste Verlust der israelischen Luftwaffe durch Kampfeinwirkung seit 1982 – den israelischen Militärs tief unter die Haust gegangen. Denn der Abschuss der F-16 und der damit verloren gegangene „Nimbus der Unverletzlichkeit“ der israelischen Luftwaffe ist bei weitem nicht alles, was die Strategen im israelischen Generalsstab beunruhigt.
Denn das syrische Militär hat neben der F-16, die in den syrischen Luftraum eingedrungen ist, auch 13 von insgesamt 18 israelischen Marschflugkörpern im Flug zerstört. Diese waren ebenfalls von israelischen Mehrzweckjägern, die sich illegal im (noch) sicheren libanesischen Luftraum befanden, auf militärische Ziele in Syrien abgefeuert worden, berichtete die russische Zeitung Iswestija am 14. Februar unter Berufung auf eine Quelle im syrischen Generalstab.
Der Bericht fügte hinzu, dass den israelischen Raketen die Hauptaufmerksamkeit der syrischen Luftabwehr gegolten habe. Der Artikel lieferte auch zusätzliche Details über einen ähnlichen Vorfall, der sich bereits am 7. Februar 2018 ereignet hatte, als israelische Kampfflugzeuge mit weitreichenden Luft-Boden-Raketen vom Libanon aus Ziele in der Nähe von Damaskus angegriffen hatten. Dem Artikel zufolge wurden an diesem Tag sechs von acht israelischen Raketen zerstört.
Für diese unverfrorene Provokation der Syrer, die – ganz unerwartet – es gewagt hatten, sich erfolgreich zu verteidigen, kündigte der ehemalige Rausschmeißer Lieberman noch ganz im Gefühl der israelischen Unbezwingbarkeit den Syrern großmäulig Vergeltung an. Er erklärte, die israelische Luftwaffe werde überall dort fliegen und eingreifen, wo sie wollte. Er fügte hinzu, dass “es keine Grenzen für unser Handeln gibt, wenn sie benötigt werden, noch akzeptieren wir irgendwelche Grenzen.” Der kriegswütige Lieberman scheint bereit, bei der Verfolgung seines Ziels, nämlich die lange Zeit unangefochtene regionale Dominanz Israels, die nun den Zionisten zu entgleiten droht, mit allen Mitteln wieder herzustellen, auch wenn das bedeutet, die ganze Region in Brand zu stecken.
Im israelischen Angriffskrieg von 2006 war es der Armee des jüdischen Staates nicht gelungen, die massenhaften Abschüsse von Hisbollah-Raketen aus dem Südlibanon auf Ziele in Israel zu unterbinden. Es war die Vergeltung für die pausenlose israelische Bombardierung der schiitischen Wohnviertel in Beirut. Die israelischen Versuche einer Offensive am Boden blieben schon bald auf Grund hoher Verluste an Panzern und Soldaten stecken. Die Hisbollah-Kämpfer, die exzellent mit Gräben, Bunkern und Fallen auf den Feind vorbereitet und hochmotiviert waren, hatten damals dem militärtechnisch hochgerüsteten zionistischen Goliat eine böse Niederlage bereitet. Und welche Lehre zieht die israelische Führung aus diesem Desaster?
Als ob er tatsächlich auf einen Flächenbrand abzielt, hat Lieberman bereits am Dienstag letzter Woche, am 6. Februar 2018, anlässlich seiner Rede am “Israeli Institute for National Security Studies (INSS)“ mit einer erneuten Bodeninvasion des Libanon gedroht. Wie schon 2006 während des wochenlangen Bombardements der libanesischen Hauptstadt will er erneut die Bewohner Beiruts dazu zwingen, „in ihren Kellern zu leben“. Aber diesmal will er auch die Bodeninvasion des Libanon durchsetzen, denn ohne israelische Militärstiefel am Boden könnte der Krieg nicht beendet werden. O-Ton von Lieberman:
Bedauerlicherweise haben all Konflikte im Nahen Osten eins gemeinsam, ohne Soldaten am Boden vor Ort gibt es kein Ende. Solche Operationen erfordern große Anstrengungen und leider auch Opfer. Alle Optionen sind offen. (…) Wir müssen uns auch auf das Manövrieren am Boden vorbereiten. Wir werden das mit voller Kraft tun. Wir dürfen keinen Schritt vorwärts und einen Schritt zurück machen. Wir werden so schnell wie möglich vorankommen”, sagte Lieberman.
Damit hatte er vor allem anderen die Ausschaltung der auf 100.000 Stück geschätzten Boden-Boden-Raketen der Hisbollah im Sinn. Viele Israelis haben zu Recht Angst vor dieser Bedrohung, trotz ihrer nur relativ kurzen Reichweite um die 50 Kilometer. Das genügt, um bereits die recht dicht besiedelten Gebiete jenseits der Grenze zu erreichen.
Daneben aber gibt es noch eine viel größere Gefahr: Mit ziemlicher Sicherheit verfügt die Hisbollah auch noch über Tausende moderne, zielgenaue und weitreichende Boden-Boden-Raketen aus iranischer Produktion. Diese können wichtige Industrie- und Infrastrukturobjekte, die für die israelische Wirtschaft von kritischer Bedeutung sind, zerstören, in und um Tel Aviv bis hin zum Ben-Gurion-Flughafen und zum Kernkraftwerk Dimona. Zudem verfügt die Hisbollah auch über die chinesische Boden-See-Rakete C-802, die alle israelische Gasplattformen und Offshore-Lagereinrichtungen eliminieren kann und generell für jedes israelische Kriegsschiff vor der libanesischen Küste eine tödlich Gefahr darstellt.
Zugleich haben all jene Israelis, die sich im Vertrauen auf das viel gepriesene israelische Raketenabwehrsystem „Eiserner Dom“ verlassen, keinen Grund, sich sicher zu fühlen. Der große US-Experte für Anti-Raketen-Raketensysteme, der international bekannte Professor Theodore Postol vom MIT hat eine Untersuchung über den israelischen „Eisernen Dom“ veröffentlicht. Er kam zu dem Schluss, dass das System bei den letzten Angriffen gegen Israel nur fünf Prozent der Hamas-Raketen abgefangen hatte. In einem neuen Krieg gegen Libanon könne mit 1.000 Hisbollah-Raketen täglich gerechnet werden, was bedeuten würde, dass der „Eiserne Dom“ hoffnungslos überwältig würde.
Im letzten Libanon-Krieg war es der israelischen Luftwaffe trotz absoluter Lufthoheit nicht gelungen, die Raketenabschüsse der Hisbollah gegen Israel zu unterbinden. Kriegsherr Lieberman lebt wohl in einer Traumwelt, wenn er glaubt, die israelischen Bodentruppen könnten beim nächsten Angriffskrieg ruck zuck den Südlibanon besetzen. Für seine Invasionspläne ist allerdings eine schnelle und vollkommene Besetzung und Kontrolle des libanesischen Territoriums mit Stiefeln am Boden absolut notwendig, wenn die zigtausendfache Raketengefahr gegen Israel ausgeschaltet werden soll. Da gibt es nur ein Problem, nämlich die noch weiter gestiegene Kampfkraft der Hisbollah.
Die libanesische Miliz ist in den letzten Jahren in Syrien an der Seite von Assads Regierungsarmee aus unzähligen Kämpfen gegen die vom Westen unterstützten Halsabschneider kampferprobt und gestählt hervorgegangen. Dagegen haben israelische Soldaten seit zölf Jahren keinen richtigen Krieg mehr erlebt. Ihre Erfahrung beschränkt sich darauf, zum Beispiel in Gaza schwangere Frauen und Kinder oder wehrlose Rollstuhlfahrer zu erschießen. Die Hisbollah-Kämpfer dagegen werden zurückschießen. Zumal sie heute besser denn je mit modernem militär-technischem Gerät ausgerüstet sind, von Panzerabwehrraketen über moderne Kommunikationsmittel bis zu schultergestützten Flugabwehrraketen.
Wenn Lieberman trotz alledem Libanon mit einer Invasion droht, dann hat er jeden Bezug zur Realität verloren. Für Israel wird es im Libanon nie wieder wie früher sein. Das gilt auch für den Luftraum über Syrien. Dazu mehr in einem nachfolgenden Artikel.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 17.2.2018 bei RT-Deutsch.
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Textes.
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