von Ken Jebsen.
Solidarität mit Opfern von Terror ist eine in letzter Zeit fast schon automatisierte Geste der Bundesregierung. Die Flaggen des Reichstages werden dann auf Halbmast gezogen und das Brandenburger Tor erstrahlt in den Farben des jeweils betroffenen Landes. Wir alle sind dann für ein paar Tage von Staats wegen solidarisch mit Paris, London oder einer anderen westlichen Großstadt, in deren Zentrum ein Anschlag viele Menschen willkürlich tötete. Anders scheint das bei ermordeten Russen zu sein. Selbst 24 Stunden nach dem Attentat auf die Metro in St. Petersburg, der Heimatstadt des russischen Präsidenten Putin, bei dem 14 Menschen den Tod fanden, ist von russischen Farben am Brandenburger Tor wenig zu sehen.
Auch auf der Online Plattform des SPIEGEL, dem ehemaligen Nachrichtenmagazin, geht es um Raketenangriffe in Syrien oder der Türkei. Die FAZ fordert dazu auf „Mehr Markwirtschaft wagen“ und der Stern berichtet hochaktuell über den nicht funzenden „Schulz-Effekt“.
Wir möchten an dieser Stelle die Wette formulieren, dass die 14 Terror-Toten in St. Petersburg in unseren Medien auch in den nächsten Tagen keine Rolle mehr spielen werden. Es sind nur Russen und die sind Menschen zweiter Klasse. Zumindest aus der Sicht derer, die in unseren Medien die große geopolitische Linie vorgeben. NATO-Journalisten.
Wenn wir uns erinnern wollen, als Ende Februar ein Irrer mit seinem PKW in London vier Menschen tötete und zig verletzte reichte das für ein Spiegel-Cover. Es waren eben Briten betroffen, keinen Barbaren.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/index-2017-13.html
Offiziell begründet die Deutsche Hauptstadt ihr Nein zu den russischen Farben am Brandenburger Tor mit der Feststellung, es gäbe keine offizielle Partnerschaft mit St.Petersburg:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-04/berlin-brandenburger-tor-anschlag-st-petersburg-farben-russland
Anders in Tel Aviv. Dort entschloss man sich spontan dazu, seine Solidarität mit den Terror-Opfern auch durch die russischen Farben zu zeigen. Der Bürgermeister persönlich kommunizierte dies über Twitter:
https://twitter.com/MayorOfTelAviv?lang=de
In Deutschland werden wir es dann wohl aber nicht erleben, dass das Brandenburger Tor in den russischen Farben erstrahlt, auch nicht, wenn Moskau durch eine Atombombe pulverisiert wird. Keine russischen Farben am Brandenburger Tor, solange dieses von der amerikanischen Botschaft, Banken und Starbucks umrahmt wird.
Wir sind solidarisch, aber eben nur mit Menschen, die zu uns passen. Intellektuell und von der Gesamtentwicklung. Ob Russen überhaupt Menschen sind, ist noch nicht raus und bei Moslems wissen wir es: Sie sind es nicht.
Von diesem Land geht 26 Jahre nach Mauerfall wieder ein Zeichen der Hybris aus. Und wir sehen unsere Chance, solange in den USA ein Trump den Präsidenten spielt. Im Schatten seines Bashings können wir testen, wie weit wir heute schon gehen können. Wir können Zeichen von hoher Symbolkraft setzen, indem wir Zeichen der Solidarität bewusst unterbinden.
Der Lieblingssport im Kanzleramt scheint aktuell aus zwei ineinander verwobenen Bewegungsabläufen zu bestehen. Kriechen vor den USA, um dann bei Wiedererheben, den Russen ins Gesicht zu spucken.
Passt.
Warum sollten wir gegenüber St. Petersburg unser Mitgefühl zeigen? 150 Kilometer vor der Stadt stehen doch schon wieder deutsche Panzer im Rahmen der Friedensorganisation NATO. Lernen aus der Geschichte? Nicht mit uns.
https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article124256312/Der-Anfang-vom-Ende-begann-1944-vor-Leningrad.html
Kleiner Denkfehler dabei: der mit Russland gesuchte militärische Konflikt findet im Herzen Europas statt und er wird, wenn es eng wird, mit taktischen Waffen geführt.
Dann strahlt speziell das Brandenburger Tor wieder in stark zerschossenem Mausgrau mit Akzenten von Pulver-Antrazit.
Es wird Zeit, dass wir, die Bürger Europas, uns von unseren kriegsbesessenen Eliten-Regierungen verabschieden, um uns gegenseitige Solidarität unter Nachbarn zu zeigen. Nur darauf kommt es an. Vergesst das Brandenburger Tor. Bekennt Farbe. Zur Mitmenschlichkeit.
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