Koalitionen unterm Radar | Von Michael Meyen

Staat und Konzerne haben geheiratet, die Öffentlichkeit monopolisiert und dabei sogar die Kapitalismuskritiker von gestern ausgetrickst.

Die taz erscheint neuerdings in Mecklenburg. Ein Scherz, okay. Ich komme von dort oben. Dieser eine Satz hat sich tief in mir eingebrannt: Wenn die Welt untergeht, so ziehe ich nach Mecklenburg, denn dort geschieht alles 50 Jahre später. Wir dachten früher, dass dieser Satz von Bismarck ist, aber ganz sicher ist das offenbar nicht (1). Egal. Heute soll es um die taz gehen, um ihre Leser und damit um Menschen, die der eiserne Kanzler im Kopf gehabt haben könnte, falls er tatsächlich davon geträumt haben sollte, die Uhren ein halbes Jahrhundert zurückzudrehen.

Superreiche auf Sendungstand Ende Februar über einem dieser taz-Texte, die schon deshalb schwer zu lesen sind, weil sich dort Oligarch:innen tummeln, Milliardär:innen und andere Vergehen an der deutschen Sprache. Falls Sie deshalb nicht klicken mögen: Besagter Text ist in der Rubrik Schwerpunkt Pressefreiheit erschienen, über den die taz einen maskierten Kameramann stellt. FFP2, was sonst. Auch Ende Februar 2023 noch.

Der Inhalt steht in der Überschrift. Dietrich Mateschitz und Servus TV in Österreich. Christoph Blocher, die Basler Zeitung und der Kurs nach rechts in der Schweiz. Vincent Bolloré und sein rechtsextremes Medienportfolio in Frankreich. Berlusconi in Italien natürlich. Neuerdings auch Frank Gotthard, „einer der hundert reichsten Deutschen“, und Renata Kellnerova, „die reichste Person Tschechiens“. Der eine steckt sein Geld offenbar in Achtung, Reichelt!, und der anderen genügt „ein ganzes Netz an Fernsehsendern und Onlineplattformen in Osteuropa und auf dem Balkan“ nicht mehr. Kellnerova, lernt der taz-Leser, hat jetzt 9,1 Prozent von ProSiebenSat.1 gekauft und ist dort nun „zweitgrößte Aktionärin“.

Damit sich dieser Leser richtig gruseln kann, hat er vorher den Ex der Aufsteigerin aus Prag kennenlernen dürfen. Peter Kellner – „ein klassischer Oligarch, der durch die undurchsichtige Privatisierung ehemals volkseigener Betriebe reich geworden war“ und vor zwei Jahren mit einem Hubschrauber vom Himmel fiel. Na also. Fehlt noch ein Hinweis auf Rupert Murdoch und fertig ist das, was die taz der Ampel sagen will. Schützt die Demokratie vor den Superreichen. Verhindert Fusionen. Zerschlagt Springer und Bertelsmann. „Und es muss endlich eine staatliche Medienförderung her, die auch wenig zahlungskräftigen Menschen und Gruppen erlaubt, Zeitungen, Radio oder Fernsehen zu machen.“

In der Kommentarspalte stößt das auf Zustimmung. Einer vermisst Elon Musk und ein anderer Jeff Bezos, aber sonst liest sich das wie ein gedrucktes Marxismus-Seminar aus den 1970ern. Medienkonzentration. Großkonzerne und Industriekonglomerate. Die Bildzeitung verbieten, fast jedenfalls. Die Massen erziehen. Erbschaftssteuer. „Schon crazy, der Kapitalismus“, fasst das alles ein Mensch zusammen, der sich „Ein*e Leser*in“ nennt und nicht sehr viel von staatlicher Medienförderung hält. Die Autokraten, ihr wisst schon. Zum Glück steht die Lösung nicht in den Sternen. Es gibt da einen Fonds, liebe Leute, „der unabhängige Medien finanziert, damit sie eben nicht von Oligarchen aufgekauft werden“. Im Original mit Doppelpunkt mitten im Wort.

Viel interessanter ist der Fonds selbst, der da vom taz-Publikum verlinkt wird. MDIF. Media Development Investment Fund, aktiv auf der halben Welt. Man könnte sagen: überall da, wo der Westen einen Fuß in der Tür haben möchte. Lateinamerika, Osteuropa, Subsahara und ein bisschen Asien. Daheim gibt es offenbar genug unabhängige Medien. MDIF hat richtig viel Geld – kein Wunder, wenn man in die Liste der Geldgeber schaut. Banken, die Großindustrie sowie das, was in den Leitmedien und auf Wikipedia Philanthropie heißt. Luminate ist dabei, das Portemonnaie von Ebay-Gründer Pierre Omidyar, und die Open Society Foundations von George Soros. 2021 kamen 32,5 Millionen Dollar von Pluralis, einem Förderer aus den Niederlanden, der den Soros Economic Development Fund auf seiner Webseite als einen von sechs Hauptsponsoren nennt.

Bevor das zu kleinteilig wird:

Ich will den taz-Leuten hier nicht ihr Spielzeug madig machen. Sollen sie weiter den Kapitalismus kritisieren und daran glauben, dass es solche Superreiche gibt und solche. Die Linken ins Töpfchen, die  Rechten ins Kröpfchen. Sollen sie nach Steuergeldern rufen und darauf hoffen, dass dann alles gut wird und unabhängig sowieso.

Man kann Menschen weder bekehren noch belehren – vor allem dann nicht, wenn sie zu einer Kirche gehören und sich dort gut aufgehoben fühlen.

Für alle anderen will ich hier nur auf drei Dinge hinweisen. Punkt eins: Springer und Bertelsmann sind Schlagworte aus einem Land vor unserer Zeit. Mecklenburg gewissermaßen. Die neuen Player laufen unter dem Radar. Vor gut anderthalb Jahren habe ich iRubikon über das Monopol berichtet, das sich die Passauer Neue Presse in Ostbayern aufgebaut hat. Radio und Webseiten, Lokalpresse und Anzeigenblätter: alles aus einer Hand und alles weitgehend ohne Konkurrenz. Ostbayern ist überall. Hermann Conen hat sich den Kölner Stadt-Anzeiger angeschaut und eine Zeitung gefunden, die ihre Hände selbst beim wichtigsten Kölner Portal für Onlinetickets im Spiel hat. Wer dort nicht mitmacht, bekommt keine Rezension. So einfach ist das. Wie jedes ordentliche Regionalblatt gebietet der Stadt-Anzeiger über einen regelrechten “Kader von Experten und Prominenten”, der jederzeit für ein Interview angezapft werden kann. Die Folge: keine Distanz, keine Neutralität, keine Objektivität. Fazit von Hermann Conen: „Von Berichterstattung im Sinne einer Abwägung von Pro und Contra kann nirgendwo die Rede sein“ (2).

Punkt zwei:

Wer die Konzerne und den Staat als Gegenspieler sieht, kann das Zensurregime der Gegenwart nicht verstehen (3). Der taz und ihren Lesern ist offenbar entgangen, dass sich die beiden längst verbündet haben.

Die einen schreiben flauschige Gesetze wie das NetzDG und die anderen löschen. Dieser Schulterschluss ist keineswegs geheim – nachzulesen zum Beispiel in den Twitter Files oder im Verhaltenskodex gegen Desinformation, den EU und Digitalwirtschaft 2018 vereinbart und 2022 erneuert haben, mit noch mehr Unterzeichnern. Dieser Kodex verpflichtet die Plattformen, “abweichende Positionen” mit allen Mitteln zu bekämpfen (4).

Punkt drei: Der Ruf nach einer staatlichen Medienförderung ist lustig, wenn man das mit Schlagworten wie Unabhängigkeit und Vielfalt verknüpft. Wer zahlt, schafft an, sagt der Volksmund. Nichts täte dieser Staat lieber, als den Medienhäusern mit Steuergeldern auf die Sprünge zu helfen. Werbung, Ermäßigungen hier und dort, Mitfahrgelegenheiten: alles schön und gut, aber nichts im Vergleich zu direkten Subventionen, die man an Bedingungen knüpfen und in jeder Haushaltsdebatte auf den Prüfstand stellen könnte. Die Lobbyisten der Verlage baggern sowieso gerade an der Staatskasse – mit dem Argument Lokaljournalismus. Wenn die Botschaften von oben weiter in gedruckter Form bis in das letzte Haus an der polnischen Grenze getragen werden sollen, so sagen diese Multimillionäre, dann brauchen wir Hilfe aus Berlin. Da kann es nicht schaden, wenn auch die Hauspostille einer Regierungspartei am Tabu staatliche Medienförderung kratzt.

Noch zwei Anmerkungen zum Schluss, da es am Anfang um die taz ging und damit um die Kritik am Kapitalismus oder wahlweise auch am Neoliberalismus. Nummer eins: An dieser Redaktion und ihren Jüngern ist offenbar der historische Kompromiss vorbeigegangen, auf den sich “Tech-Milliardäre, Finanzoligarchie, Politik und links-ökologische Lobbygruppen” geeinigt haben. In Kurzform: Wir schenken die kulturelle Hegemonie her und lassen euch freie Hand beim Aufbau eines “vormundschaftlich-planenden Staats”, wenn ihr aufhört, “die Eigentums- und Machtstrukturen der Monopole in der Finanz- oder Plattformökonomie” infrage zu stellen (5). Wenn diese Diagnose stimmt, dann ist Enteignung überhaupt kein Thema mehr und außerdem völlig egal, wem ProSiebenSat.1 gehört und was Springer oder Bertelsmann so tun. Gesendet und gedruckt wird das, was die Ampel gerade für richtig hält und über ihr Propagandaheer verbreitet. Nummer zwei: Ich lese gerade, dass es in Sachsen-Anhalt fortan nur noch einen Chefredakteur gibt. Die beiden Zeitungen im Land gehören Bauer. Da ist es nur konsequent, wenn die Volksstimme in Magdeburg nun von dem gleichen Mann geführt wird wie die Mitteldeutsche Zeitung in Halle. Wenn das in Mecklenburg passiert wäre, hätte sich die taz vermutlich gemeldet.

Quellen und Anmerkungen:

(1) Vergleiche Bernd Kasten: Alles 50 Jahre später? Die Wahrheit über Bismarck und Mecklenburg, Hinstorff, Rostock 2013
(2) Hermann Conen: Ausverkauf. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ im DuMont-Supermarkt. Books on Demand, Norderstedt 2019, Seite 46, 79
(3) Vergleiche Michael Meyen: Medienlenkung 2.0 (Staat. Konzerne). Ein Lehrstück aus dem umgekehrten Totalitarismus, in: Tumult, Sommer 2022, Seite 14 bis 18
(4) Hannes Hofbauer: Zensur. Publikationsverbote im Spiegel der Geschichte. Vom kirchlichen Index zur YouTube-Löschung, Promedia, Wien 2022, Seite 143, 204
(5) Carsten Germis: Der „Davos Man“ und die Geburt des Neumerkantilismus, in: Tumult, Winter 2022/23, Seite 31

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Dank an den Autor und den Rubikon für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 10.03.2023 im Rubikon – Magazin für die kritische Masse.

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Bildquelle: shutterstock /Atstock Productions

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Kommentare (9)

9 Kommentare zu: “Koalitionen unterm Radar | Von Michael Meyen

  1. G.Nau sagt:

    Es gibt bereits ein demokratisches Informationsmedium, an dem jeder mitwirken kann, nämlich die Wikipedia und tatsächlich habe ich dort schon oft wichtige Informationen gefunden, die in anderen Medien unterdrückt werden. Deshalb haben Dirk Pohlmann und Markus Fiedler ja auch eine Hetzkampagne dagegen gestartet und verbreiten ihre Propaganda, mit der sie die Menschen von der Nutzung der Wikipedia abhalten wollen, auf ihrem eigenen Kanal: "Neues aus Wikihausen" und auch hier bei apolut. Dass man auch der Wikipedia nicht alles glauben darf, was da steht, besonders wenn es politisch wird, ist richtig, aber das ist für jeden kritisch denkenden Menschen eine Binsenweisheit. Man muss stets alles hinterfragen und auf Glaubwürdigkeit prüfen, was man hört oder liest. Markus Fiedler nennt kein Medium, das seriöser ist als die Wikipedia und das kann er auch nicht, denn es gibt keines!

  2. Möglicher Grund für den Bankensturz:

    Mögliche Verhinderung für die Zukunft:

    Im Regelfall haben Bankeninsolvenzen den Grund, dass sie Kredite an Unternehmen gegeben haben, die insolvent gegangen sind und diese Kredite daher nicht zurückzahlen können. Um sich gegen dieses Kreditausfallrisiko abzusichern, sollten sich Banken ausreichende Sicherheiten geben lassen, was manche Banken möglicherweise mitunter nicht tun, um ihren Umsatz und ihren Gewinn zu maximieren. Solange eine Bank jedoch Geld, was sie von der Zentralbank erhalten hat, weiter verleiht, sollte sie gesetzlich verpflichtet werden, sich ausreichende Sicherheiten zu geben, und zwar nicht nur hinsichtlich des Geldes der Zentralbank, das sie weiterverleiht, sondern auch hinsichtlich weiterer eigener Gelder, weil auch ein Kreditausfall hinsichtlich letzterer (eigener) Gelder zu einer Insolvenz der Bank führen kann und damit letztendlich auch zu einem Kreditausfall hinsichtlich der Gelder der Zentralbank führen kann und somit eine mangelnde Sicherung der auf Eigenmitteln basierenden Kredite auch die auf Kredite der Zentralbank basierenden Bankkredite gefährdet.

  3. KaraHasan sagt:

    Deutsche Dienste berichten der Türkei fälschlicherweise über zweistaatliche Deutschtürken, die negative politische Aufmerksamkeit erregt haben. Die Türkei nimmt dies dankend entgegen, wenn sie unerwünschten Minderheiten angehören und diese ihrerseits selbst falsch melden. Aleviten beispielsweise gehören zur Opposition in der Türkei, aber auch zu den Deutschen in der Türkeipolitik, denn Deutschland weiß, dass die Aleviten die jahrzehntelange Verfolgung vor allem den Deutschen zu verdanken haben, die die Mehrheit der Türken gegen die Aleviten in der Türkei aufgehetzt haben, weil die Nato in der Türkei Kalten Krieg spielen wollte und kurzerhand die Aleviten als Kommunisten deklarieren lies. Aleviten wissen das und werden Deutschland über kurz oder lang zur Rechenschaft ziehen. So viel zur Under-the-Radar-Koalition.

  4. Das Ausblenden von alternativen Ansichten kann auf Kosten der Gesundheit gehen:

    Ein Beispiel: Menschen lassen sich viel zu viele Vollnarkosen geben, obwohl es oft Alternativen* gibt. Insbesondere bei Hüftgelenksoperationen (trifft jeden Dritten), Beinoperationen, Abtreibungen, Mandeloperationen oder werden oft dazu verleitet unnötige Schönheitsoperationen samt Vollnarkose zu machen. Vollnarkosen können das Gehirn schädigen. Fast keine Journalisten, Wissenschaftler, Ärzte oder Krankenhäuser propagieren hierzu alternative Lösungen.

    Kraftsport kann, wenn man die falschen Übungen wählt oder es zu exzessiv betreibt, zu irreparablen Bandscheibenvorfällen führen. Ebenso die Position des Torhüters beim Fußball, der sich ja auf den harten Boden schmeißt.

    Oft werden den Menschen die Risiken und Nebenwirkungen nicht genügend ins Bewusstsein gerufen. Insbesondere bei Schönheitsoperationen wie z.B. bei Brustoperationen oder bei Geschlechtsumwandlungen. Geschlechtsumwandlungen mittels Hormonbehandlungen stellen eine Art kleine, partielle Chemo dar und haben als solche viele Risiken und Nebenwirkungen. Und sie können mitunter dazu führen, dass Männer dadurch ihre Libido (und damit viel Lebensfreude) verlieren.

    Zu Schönheitsoperationen werden Menschen oft durch Schönheitsideale verleitet, die der Gesellschaft künstlich aufgestülpt worden sind.

    *: insbesondere lokale Betäubung der lokalen Nervenstränge. Zu erforschen ist, ob dies auch durch Wärme und durch Erhöhung oder Verringerung der Leitfähigkeit im Nervengewebe durch Injektion ginge.

  5. cumbb sagt:

    ;-)
    Etwa: "offener Betrugstrichter"-)
    Zu wissen, oder wenigstens zu ahnen, daß man zur Unterschicht, zu den Verlierern gehört, und dennoch das eigene Ende kollektiv mit herbeiführen, wie bspw. der Großteil der Geheimkiddis, Staatsdarstellerlinge, Trollinge…-)

  6. OliverX sagt:

    Wie gut, dass sich Apolut ausschließlich aus den Spenden seiner Leser finanziert und deshalb frei berichten kann, was die zahlenden Apolutleser gerne lesen wollen.

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