Können diese Bilder echt sein?

Der Umgang mit Julian Assange als Angeklagten lässt einige Zweifel an einer noch rudimentär vorhandenen Rechtsstaatlichkeit aufkommen.

Ein Kommentar von Hermann Ploppa.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist.

Die Bilder von der Festnahme des Wikileaks-Begründers Julian Assange durch britische Kriminalbeamten (deren Zugehörigkeit zu einem bestimmten Dienst nicht leicht zu erkennen ist) haben mich eiskalt auf meinem Stuhl erwischt. Die Würdelosigkeit und die Respektlosigkeit, ja geradezu die höhnisch-sadistische Art und Weise der Sistierung des australischen Journalisten Assange durch die Sicherheitskräfte bewirkte bei mir einen tiefen Schock. Ich wollte zur gleichen Zeit weinen und mein Magen zog sich zusammen. Meinerseits eine Mischung aus hilflosem-Zuschauen-müssen, blankem Entsetzen und einem tief gehenden Ekel vor diesen staatlichen Fleischergesellen.

Assange: in seinem Blick endlose Verzweiflung, dass es nun zum größten annehmbaren Unglück kommt. Körperliche Schwäche. Verwahrlost so wie wir Assange noch nie gesehen haben. Ein schöner Mann, der immer sehr auf sein Äußeres geachtet hatte, halb in Sitzstreikhaltung aus der ecuadorianischen Botschaft geschleppt. Krank. Ein hilfsbedürftiges Häuflein Elend wird grob in den Transporter gekippt wie ein Müllsack.

Einige unserer Leser werden sich gewiss noch erinnern, wie es sich eigentlich gehört für einen echten Rechtsstaat: der Angeklagte genießt den Respekt der Unschuldsvermutung. So lange jemand nicht rechtskräftig verurteilt ist, ist ihm das volle Maß des Respekts auch der Sicherheitsorgane zu garantieren – immer gesetzt der Fall, es handelt sich nicht um einen gemeingefährlichen Raubmörder. Als (vorgeschobener) Haftgrund wird Assange ein Nicht-Erscheinen zu einem gerichtlichen Termin zur Last gelegt. Dahinter steht der – nicht aufgeklärte Vorwurf eines Sexualverkehrs ohne Kondom durch eine schwedische Staatsbürgerin.

Daraus ergäbe sich als rechtsstaatliche Behandlung des Angeklagten Julian Assange: die Polizei betritt das Gebäude der ecuadorianischen Botschaft und bittet Herrn Assange, mit ihnen mitzukommen zu einem richterlichen Untersuchungstermin. Da Assange die Ausweglosigkeit seiner Lage bewusst ist, wäre er wohl unter zivilisierten Begleitumständen ohne Widerstand mit den Beamten mitgegangen. Er wäre sodann, eingerahmt von den beiden Polizeibeamten, in einem PKW mit zum Gericht gefahren. Das ist eigentlich so üblich – in einem Rechtsstaat. Dazu noch der gute alte römische Grundsatz: in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten.

Ein solches Bild rechtsstaatlicher Normalität war jedoch seitens der englischen Strafverfolger und der interessierten Politiker gar nicht erwünscht. Vielmehr wollen sie das Bild eines üblen Kriminellen erfinden, der die Solidargemeinschaft der Steuerzahler viel Geld gekostet habe: „Julian Assange ist kein Held und niemand steht über dem Gesetz. Er hat sich jahrelang vor der Wahrheit versteckt.“, so twitterte der britische Außenminister Jeremy Hunt.

Nun wissen wir ja alle, dass sich hinter dieser fadenscheinigen schwedisch-britischen Haftgrund-Konstruktion das Interesse der Verfolgungsbehörden der USA abzeichnet. Die US-amerikanischen Staatsanwälte wollen Assange in ihre Hände bekommen, weil Assange mit der Whistleblowerin Chelsea Manning zusammen Staatsgeheimnisse der US-Regierung an die Öffentlichkeit gezerrt habe. Die USA wird seit 1946 von einer Geheimregierung gesteuert, dem Nationalen Sicherheitsrat (National Security Council), der keiner Instanz dieser Welt gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Ersichtlich haben Manning und Assange jedoch keine Geheimnisse ans Licht der Öffentlichkeit gebracht, die der Sicherheit der USA in ihrer Gesamtheit hätten schaden können.

Als weiterer Anklagepunkt schwebt im Hintergrund der nur schwer zu verifizierende Vorwurf, Assange habe mit seiner Aufklärungsarbeit letztlich „den Russen“ in die Hände gespielt. Das ist selbstverständlich kein irgendwie juristisch verwertbarer Vorwurf, sondern blanke Propaganda – was natürlich auch die US-Juristen auch nur zu genau wissen.

Nun wird gerade versucht, die Empörung der Öffentlichkeit abzuschwächen. Assange werde ja „nur“ eine Haftstrafe von fünf Jahren abzubrummen haben. Und dann kursieren Fotos von Assange, aus dem Polizeiauto feixend, verschmitzt augenzwinkernd. Alles also halb so schlimm?

Woher bezieht eigentlich Assange so plötzlich wieder Zuversicht und Humor im Gefängnisauto? Der Mann ist sieben Jahre nicht aus der ecuadorianischen Botschaft rausgekommen. Die letzten zwei Jahre hat er ohne Internet-Zugang und ohne nennenswerte soziale Kontakte in einer Art von Isolationshaft zubringen müssen. Er hat die ganze Zeit kein Sonnenlicht aufnehmen können. Seine seelischen Qualen müssen unermesslich sein.

Sollen die Bilder vom feixenden Assange den Image-Schaden, der den britischen Behörden durch das schockierende Festnahme-Video entstanden ist, wieder gut machen?

Moralisch überzeugender wird die Situation auch nicht, wenn man die Geschehnisse ins Visier nimmt, die die Londoner Ereignisse im Hintergrund bestimmt haben. Die Regierung Ecuadors, die Assange so lange Asyl gewährt hat, entzog ihm nicht nur relativ plötzlich die ecuadorianische Staatsbürgerschaft. Sie „lud“ vielmehr die Polizei Großbritanniens ein, Assange in ihrer Botschaft zu verhaften. Dafür erkannte man dem Australier von gestern auf heute das Asyl ab. In Ecuador wurde nämlich im Jahre 2017 das Präsidentenamt vom linken Rafael Correa auf den eher rechts stehenden Lenin Moreno übertragen. Moreno gerät gerade in Schwierigkeiten, weil ihm Korruption im Ölgeschäft des Landes zur Last gelegt wird. Er benötigt dringend Erfolge, um politisch überleben zu können. Da kommt es gerade passend, dass der Internationale Währungsfond Ecuador einen Megakredit in Höhe von 4.2 Milliarden Dollar zugesagt hat. Nun wird Moreno unter anderem von seinem Amtsvorgänger Rafael Correa vorgeworfen, er habe diesen Megakredit durch die massive Fürsprache der Regierung der USA erlangen können. Im Gegenzug habe er Julian Assange fallen gelassen und damit, vermittelt über die Verhaftung in Großbritannien, den Weg frei gemacht für den großen Schauprozess gegen Assange in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Also: wenig appetitliche Verquickungen dreier Staaten und einer internationalen Finanzorganisation, und im Hintergrund zudem dubiose Geschäftstätigkeiten von Ölkonzernen: wenig schmeichelhafte Machenschaften kommen an das Tageslicht, die das Ansehen der westlichen Wertegemeinschaft langfristig nicht gerade anheben werden.

Mein Vorschlag also an die britische Administration: machen Sie den Ihnen erlittenen Image-Schaden einfach wieder gut, indem Sie Julian Assange unverzüglich frei lassen, ihn in ein Land seiner Wahl ausreisen lassen, und ihm vorher noch einen sechsstelligen Geldbetrag als Wiedergutmachung überweisen.

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