Von Rüdiger Lenz, Nichtkampf-Prinzip.
Kennen Sie den Libertarismus?
Das ist die Theorie von der Freiheit, gebunden am Eigentum, vollzogen durch Nichtaggression.
Meine erste Berührung mit dem Libertarismus hatte ich vor gut fünf Jahren. Damals stieß mir das Begriffspaar der Nichtaggression ins Auge. Das, was ich damals las, erwies sich im Nachhinein als so etwas wie der erste Hauptsatz des Libertarismus und mir war schnell klar, dass dieses Prinzip völlig falsch beschrieben wurde. Es benutzte den Begriff der Aggression, wie es viele tun: Aggressivität ist Gewalt. Und das ist völlig falsch.
Heute tobt aus einer bestimmten Ecke des Libertarismus eine heftige Attacke gegen namenhafte Intellektuelle in der Friedens- und Demokratiebewegung. Und diese Attacken werden oft sehr grobschlächtig und ziemlich überheblich geführt. Für diese Libertären sprechen sie selbst vollkommen logisch über bestimmte Themen. Wer diese Logik nicht erkennen will, der wird massivst von ihnen im Netz lächerlich gemacht. Das hat unerträgliche Ausmaße angenommen.
Videos werden am laufenden Band produziert und damit deren Superlogik versucht, zu erhärten. Oft ist deren Inhalt jedoch mit vielen Fehlern und falschen Annahmen bestückt. Und da viele Anhänger deren Theorie nicht durchschauen, denken sie, dass deren Leader schon alles richtigmachen. Davon handelt dieser Kurzbericht. Von einem Fehler, der nicht ganz unerheblich ist, da die libertäre Auslegung des Begriffes falsch ist. Und: weil dieser Begriff dadurch das gesamte Gebäude des Libertarismus ins Wanken bringen kann.
Weit gefehlt, wer nun annehmen möchte, dieser Bericht würde zu Kampf und Hetze gegen den Libertarismus aufrufen. Viel eher ist es eine Einladung, die Dinge einmal etwas genauer zu untersuchen und, wenn Einsicht folgt, zu berichtigen. Es stürzt ja nicht das ganze Haus gleich ein. Fangen wir also an.
Aggressivität, eine Begriffsbestimmung
Damit der Leser versteht, worum es eigentlich geht und welche Tragweite das alles für die Logik des Liberatismus‘ hat, verführe ich Sie nun in eine kleine Exkursion zur Deutung des Begriffes der Aggressivität. Oft wird dieser Begriff mit Gewalt gleichgesetzt, was jedoch etwas völlig anderes beinhaltet. Gewalt ist nicht gleich Aggressivität. Das wird vielen völlig neu vorkommen. Sind wir doch dazu konditioniert worden, Aggressionen mit Gewaltverhalten gleich zu setzen. Auch ist der Motor der Gewalt nicht die Aggressivität, sondern der Konflikt im Inneren eines Gewalthandelnden. Ich habe das an anderer Stelle mehrfach explizit erörtert und werde das an dieser Stelle nicht wiederholen.
Schauen wir einmal in mein Buch “Die Fratze der Gewalt” hinein, in dem ich explizit beschreibe, was dieser Begriff bedeutet.
„Aggressivität, dessen Wortstamm aus den lateinischen Begriffen ›aggredior→ aggredi→ aggredere → ad-gredere‹ hervorgegangen ist, ist schlichtweg ein Grundprinzip von Entwicklung und entspricht im biologischen Sinn dem Wandel der Arten in der Evolution.
Aggressivität meint seinem Wortstamm nach: Ein ›Herangehen an etwas‹ im Sinne eines ›Sich Annäherns‹, des ›Vorwärtsgehens‹, des ›Herangehens an eine Grenze‹, des ›Darauf-Zugehens‹, ›etwas Neues beginnen‹, ›etwas ergreifen‹, ›ein initiatives Herangehen an eine Aufgabe‹. Dies meint der ursprüngliche lateinische Wortsinn von ad-gredere. Der Wortstamm von Aggressivität ist somit an etwas konstruktiv Kreatives gebunden. Ad-gredere würde in unserer Zeit übersetzt so etwas wie eine ›Optimierung von Ichstärke‹ im Sinne einer Potenzialentfaltung bedeuten. Kooperativität scheint als ein primäres Gesetz des Lebens hierin, in dem was ad-gredere meint, begründet zu liegen.“ (aus: Die Fratze der Gewalt, Rüdiger Lenz, 2012). Das Buch ist als Audiobuch kostenfrei auf You Tube zu hören.
Jetzt ist die Frage: Warum sind wir Menschen überhaupt aggressiv? Was ist der Grund?
Jeder Mensch und auch alle Lebewesen zu Lande, im Wasser, in der Luft, sowie alle Pflanzen, die zu irgendeiner Handlung von Natur aus gezwungen sind, benötigen Energien, mit denen sie ihre Antriebe anzünden. Motiviert zu sein reicht nicht aus. Ich muss in Gang kommen, ins Tun. Der Gedanke oder die Notwendigkeit allein: „Ich muss jetzt einkaufen“, „Ich will verreisen“, “Ich muss den Rasen mähen“, “Ich gehe gleich ins Kino“, etc., reichen nicht aus, um auch wirklich in eine abschließende Handlung zu gelangen. Das gilt für alle Handlungen.
Folgen wir dem Aggressionsbegriff von Norbert Bischof in seinem Buch: Psychologie, ein Grundkurs für Anspruchsvolle, Stuttgart 2008. Dort beschreibt er aggressives Verhalten als Hinbewegung sowie als Wegbewegung, die als Grundimpulse motivierten Verhaltens dienen. Das leuchtet ein. Alle motivationalen Konzepte im Leben eines Menschen benötigen also Aggressivität als Kraftstoffquelle für das in Gang setzen der jeweiligen Zielhandlungen, der Hin- oder auch Wegbewegung. Das heißt, wenn wir etwas erreichen oder vollführen wollen, benötigen wir eine Portion Aggressivität, mit der wir unsere motivationalen Konzepte anfeuern. Aggressivität ist somit die Fackel zum Anzünden jedweder Motivation. Erst das Anzünden führt zur Handlung, derer ich motiviert bin. Die Motivation allein führt nicht dazu. Aggressivität ist unabdingbar, wenn wir etwas im Leben erlangen wollen, einen Plan erreichen möchten oder schlichtweg unseren Alltag bestehen wollen. Antriebsschwäche ist sein Gegenteil (Regression) beziehungsweise das Fehlen allen Antriebs (Depression). Depressive Menschen sind häufig sehr motiviert, aber sie können diese Motivationen nicht mehr anzünden. Sie können nicht mehr in die dafür notwendigen Handlungen kommen und bleiben daher phlegmatisch, erregungslos.
Das Optimieren und Kanalisieren aggressiver Energien, um motivationale Kompetenzen schneller zu erlangen, nennt der Psychologe Copingfähigkeit. Copingstrategien sind Bewältigungsstrategien von Lebenssituationen ganz allgemein. Damit ist also nicht ausschließlich das Bewältigen von Konflikten gemeint, sondern auch das Optimieren der Lebenssituation durch Bewältigen von Aufgaben (Teilziele) ganz allgemein. Motiviert zu sein ist demnach sogar eine Ressource, die jeder zu Potenzial ausbauen kann. Dieses dient dann dem schnelleren Erlangen von Lebensqualität oder einfacher gesagt, dem schnelleren Erfolg. Die Anzahl der Motivationen werden dann von der Aggressivität befeuert und damit sogar für positive Eigenschaften genutzt. Ressourcenoptimierte Menschen erkennt man daran, dass sie erheblich mehr am Tag umsetzen, als gewöhnliche Menschen, die glauben, dass sie nie etwas anderes erreichen könnten, als das, was sie derzeit schon erreicht haben. Wer also erfolgreich werden möchte, der benötigt dazu auch einen höheren aggressiven Tonus am Tag.
Aggressivität, Wachstum und Umweltintelligenz
Fassen wir zusammen: Aggressivität ist das Befeuern motivationaler Konzepte mit dem Ziel der Stärkung von Bewältigungskompetenz. Wozu aber soll das gut sein, eine Stärkung von Bewältigungskompetenz? Nun, für das Wichtigste im Leben überhaupt. Für Wachstum, für Wirksamkeit und Selbststeuerung. Alle Lebewesen auf diesem Planeten müssen an sich selbst, in Korrespondenz mit der sie umgebenden Umwelt, wachsen. Tun sie das nicht (aus welchen Gründen auch immer), sterben sie aus oder der ansässige Stamm stirbt aus. Aggressivität ist also der Motor zur Steigerung von Lebensqualität in biologischen Systemen. Diese Steigerung ist nur zu erreichen, wenn Lebewesen sich mit ihrer Umwelt auseinandersetzen und immer feiner und kompetenter darin werden, ihre Umwelt im Einklang mit sich selbst zu nutzen. An der Lebensumwelt zu wachsen ist der Motor von Entwicklung und Entfaltung ganz allgemein. Es braucht dazu die Schärfung der Sinne, des Verstandes und das genaue Kennen der Umwelt, für die Belange, die das Lebewesen dann erreichen möchte. Bei uns Menschen ist das die jeweilige Kultur, in der wir leben. Dass die meisten Menschen dies nicht für sich erkennen können, liegt daran, dass ihnen von klein an erklärt wird, dass sie außerhalb der Natur leben. Die Natur, das ist das andere. Sie ist getrennt von mir. Sie ist Mittel zum Zweck, mehr nicht. Dadurch verlieren die Menschen ein Gefühl für ihre Potenzialität.
Die Umwelt in Ausgewogenheit mit dem eigenen Handeln zu begreifen verändert die Lebensformen auf sehr lange Sicht und ihre Umwelt auch. Für uns Menschen ist das weder sichtbar noch können wir das nachfühlen. Wir sterben zu früh, um dafür einen Sinn zu entwickeln. Es ist das Prinzip der Evolution ganz allgemein. Die dazu auszublühende, reifende und sich stets zu optimierende Intelligenzform nennt der Biologe Ökologische Intelligenz ÖQ oder auch Umweltintelligenz. Über spirituelles Wachstum und ein entschleunigtes Leben kann der Mensch ein Bewusstsein über derlei Zusammenhänge erlangen. Es ist der Zustand des Einsseins mit allem. Kein exoterisches (Subjekt und Objekt sind getrennt), eher ein esoterisch-spirituelles Weltbild (Subjekt und Objekt bedingen einander und sind verbunden, vielleicht auch verschränkt miteinander).
Aus diesem Wissen heraus stellen Sie sich bitte einmal vor, es würde in unserer Gesellschaft propagiert: Du sollst nicht aggressiv sein! Was in unserer Gesellschaft ja en vogue ist. Wir verbieten Aggressivität Zuhause, im Kindergarten und in der Schule. Weil unsere Gesellschaft den Begriff der Aggressivität mit gewalthaltvollem Verhalten schlechthin definiert. Psychologen, Verhaltensforscher und Biologen tun das nicht. Warum aber hat in unserer Gesellschaft der Begriff der Aggressivität eine ausschließlich negative, böse Richtung angenommen? Weil es dem Prinzip von Herrschaft sehr dienlich ist, die Menschen nicht davon in Kenntnis zu setzen, wie es jedem Einzelnen gelingen könnte, selbst seine Lebensqualität zu erhöhen. Die Konditionierung ist auch hier wieder einmal sehr erfolgreich. Und glauben Sie mir: Nichts ist einfacher als die Konditionierung der Massen über psychologische Manipulation. Ein weiterer Grund liegt in der Ausrichtung unserer Gesellschaft verborgen. Sie ist ausschließlich wettbewerbsorientiert. Und das schafft die einseitige Nutzung der Aggressivität in eine negative Richtung.
Der Begriffsinhalt (Konnotation) von Aggressivität mit nicht gut, weil böse zu konditionieren verhindert in der Gesellschaft das Wissen um einen inneren Plan der eigenen Biologie: des Fortschritts aus sich selbst heraus. Fremdbestimmtheit ist ein jahrtausendealtes hochwirksames Tool der herrschenden Klasse gegenüber seinen Verhaltenssklaven. Es ist wichtig zu wissen, dass der herrschenden Klasse zu allen Zeiten nichts wichtiger war, als das Beherrschen und manipulieren der Gehirne der Massen. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Fremdbestimmung erzeugt die Opferklasse und damit Opferhaltungen in großer Zahl. Selbstbestimmung hingegen die Handlungsklasse und damit Handlungshaltungen in großer Zahl. Wobei die Opferklasse bei weitem dominiert, aber nicht bestimmend ist.
Alle politischen Prinzipien gelingen nur, wenn der Mensch davon überzeugt ist (wird), dass er alleine nichts bewirken kann. Er soll selbst glauben, dass er zur Selbstentfaltung eine ihm übergeordnete Instanz, den Staat benötigt (Strategie des Etatismus). Daher muss für die herrschende Klasse eine ganz elementare Wirkkraft in den Massen so klein wie nur irgend möglich gehalten werden: die Selbstwirksamkeit. Sie ist, ohne aggressiv zu sein, gar nicht umsetzbar. Dieses heuchlerische und ausbeuterische Prinzip haben die libertären Denker sehr gut analysiert und klug infrage gestellt. Der Libertarismus ist eine der wenigen politischen Ideen, die eine Kultur der Infragestellung des Systems an sich gewagt und auch gut durchdacht haben. Die Zielsetzungen hingegen sind sehr widersprüchlich.
Die Axiomatik des Libertarismus ist korrekturbedürftig
Jede Theorie braucht Grundsätze, Zielsetzungen, Präferenzen. Und Anfangsbedingungen, aus der sie alle weiteren Schritte ableitet. Diese unbegründbaren Grundsätze werden Axiome genannt. Sie sind die übergeordneten Annahmen einer Theorie. Deren logisch abgeleiteten Sätze werden Theoreme genannt. Es gibt keine naturwissenschaftliche oder philosophische Theorie, die ohne eine Axiomatik auskommt. Die Axiomatik selbst wird immer von der ihr zugrundeliegenden Heuristik definiert. Das ist überaus wichtig zu verstehen. Denn die meisten Fehler innerhalb einer Theorie kommen nicht aus den logischen Schlüssen der Theorie selbst, sondern aus der aus ihr heraus geborenen Idee heuristischer Methoden. Die Heuristik beschäftigt sich mit den kognitiven Fähigkeiten (Schlussfolgerungen, Erfahrung und Fähigkeiten), die zur Gründung einer Theorie geführt haben. So ist auch dieser Fehler des Libertarismus, den ich hier benenne, eine heuristisch falsche Annahme der Realität.
Schauen wir uns jetzt das Axiom des Libertarismus an und wir müssen staunen, welch unlogisches Begriffspaar dafür Verwendung gefunden hat: Das Nichtaggressionsprinzip. Wikipedia zitiert aus Murray N. Rothbards Buch “Die Ethik der Freiheit” dieses Prinzip wie folgt:
Das Nichtaggressionsprinzip ist eine der wichtigsten Grundideen des Libertarismus und des Anarchokapitalismus. Die Philosophie des Libertarismus baut auf der Grundlage der Nichtaggression auf, weil jegliche Aggression die Freiheit anderer verletzt. Dieses Prinzip besagt, dass Einsatz von Gewalt (oder die Drohung damit) ausschließlich als Notwehr und (in den Augen einiger Theoretiker) als Bestrafung zulässig sind. Das Nichtaggressionsprinzip wird damit begründet, dass jeder Mensch alleiniger Eigentümer seines eigenen Körpers ist und das alleinige Verfügungsrecht (die Freiheit, das Eigentum nach eigenem Ermessen unbeschränkt zu nutzen) darüber hat. Dasselbe gilt für den mithilfe des eigenen Körpers geschaffenen Wohlstand.
Fassen wir das kurz zusammen: A) jegliche Aggression verletzt die Freiheit anderer. B) Einsatz von Gewalt ausschließlich als Notwehr und als Bestrafung ist zulässig. C) Der Mensch als alleiniger Eigentümer seines Körpers, inclusive alleiniges Verfügungsrecht.
Denken wir logisch
Zu A) Gewaltverhalten, nicht Aggressionen, verletzen die Freiheit des anderen.
Zu B) Hier wird der übliche Missstand: Aggressivität ist gleich Gewalt vorausgesetzt, was nicht stimmt. Gewalt ist etwas anderes als Aggressivität. Gewalt ist das Übertragen negativer Aggressivität(1) mittels der Schaffung eines Übertragungsmillieus, nämlich des Kampfes. Und dies geschieht entweder mittels Zwang oder mittels freiwilliger Einwilligung. Verteidigung ist die Einwilligung in einen Kampf. Nur in einem Kampfmilieu, dem Mittler oder auch Übertragungsmilieu der Gewalt, ist Gewalt überhaupt übertragbar.
Zu C): Im Falle des Kannibalen von Rotenburg ist also mit der Einwillung des zu verzehrenden Kannibalismus im Libertarismus zulässig? Die Liste an Gewalthandlungen, die ähnlich mit der eigenen Verfügungsgewalt ihre Spiele spielen, ist sehr lang.
Rufen wir uns noch einmal die Bedeutung des Begriffs der Aggressivität in Erinnerung.
1. Aggressivität ist der Anzündfunke jedweder Motivation.
2. Ohne Aggressionen keine Handlung, kein Tätigwerden.
3. Motivationen dienen dem Ausbau von Lebensqualität.
4. Diesen Ausbau schaffen Lebewesen über ein Selbstoptimieren.
5. Dadurch entstehen neue Potenziale.
6. Diese neuen Potenziale erhöhen die Lebensqualität ganz entscheidend und sind, was ich weiter oben mit dem Reifen von Umweltintelligenz, gepaart mit der Schaffung von Copingkompetenz beschrieben habe, abhängig vom Befeuern der dazu notwendigen motivationalen Konzepte.
7. Die Lebenskraftenergie, auch Potenz oder Libido genannt, kann nur wirken und auf den Einzelnen ein- und ausstrahlen, wenn ein Freiwerden von Aggressionen mobilisiert wird.
Ergo: Freiheit ist ohne das Befeuern einer Motivation dazu gar nicht möglich! Aggressives Verhalten ist eine Handlung, die jeweilige Motivation in Gang zu setzen.
Aggressivität ist der Schlüssel zur Freiheit. Gewalt seine Unterdrückung. Nur wenn ich mich im Problemlösen selbst fit halte, kann ich immer weitere Freiheiten erlangen. Freiheit ist somit kein Istzustand, sondern ein lebenslanger Weg, der ständige Handlungen dafür erfordert. Freiheit ist ein kreaktiver Prozess.
Das heuristische Dilemma
Wir erkennen, dass Aggressivität als ein alleiniges Prinzip zu betrachten, gar nicht möglich ist. Und Nichtaggressivität mit nicht lebensfähig gleich zu setzen ist. Ein Nichtaggressionsprinzip gerade in einer libertären Theorie als Axiom zu verankern, von dem aus dann alle weiteren Theorien des Libertarismus abgeleitet werden, ist das genaue Gegenteil von dem, wovon Libertaristen überzeugt sind. Wissen sie es nicht besser? Haben nicht Einzelne den Begriff selbst mal erforscht? Wie fallen eherne Theorien? Durch Menschen, die gängige Theorien mit neuem Rüstzeug hinterfragen.
Selten kommen neue Errungenschaften dadurch zustande, dass sich jemand darangemacht hat, ganz genau zu erkunden, was hinterher auch herausgefunden wurde. Oft war es der pure Zufall! Fast all diese Dinge haben einzig damit zu tun, wie der jeweils Einzelne an die Idee herangeht, dieses oder jenes herauszufinden. Auch das Falsche kann an sich mit äußerster Präzision empfunden werden. Es muss nur klappen und schon ist es wahr. Mit großer und scheinbar stabiler Logik. Einzig das Hinterfragen der heuristischen Methoden kann dazu führen, dass eine Theorie gar nicht so stabil ist, wie sie den Bewunderern und Studenten lange Zeit erscheint. In den psychologischen Wissenschaften wird dies als sehende Blindheit untersucht. Das Nichtkampf-Prinzip ist hierfür ein gutes Beispiel. Ohne das Hinterfragen und Infragestellen der Grundsätze der Selbstverteidigung hätte ich es nie entwickeln können.
Das ständige Hinausposaunen, man selbst besäße die Erkenntnis höchster Gefilde, ist immer ein Beweis dafür, völlig falsch zu liegen. Ein Festhalten an eben dieser Selbstinszenierung, mit möglichst vielen Fans, die als Multiplikatoren den eigenen konstruierten Konsens nach außen tragen und verteidigen, ist ein Indiz dafür, etwas ganz anderes damit zu kaschieren.
Die Folgen des hier dargelegten Irrtums über das Nichtaggressionsprinzip sind groß. Vielleicht aber fangen jetzt libertäre Selbstdenker damit an, noch mehr zu hinterfragen und nicht allem und jeder libertären, in Marmor gestanzten Botschaft, sofort unhinterfragt hinterher zu rennen. Weil, es kommt ja von einem der Superstars der Bewegung. Und allein das legitimiert sie, im Recht zu sein mit ihren Erkenntnissen. Was am Sichersten klingt, das denke neu – ist die Losung des Selbstdenkens und seine tägliche Denksportaufgabe.
(1) In der Psychologie wird der Begriff der Aggressivität oft auch in zwei Kategorien eingeteilt. In negative und in positive Aggressivität. Die positive Aggressivität führt zum Ausbau von Lebensqualität, weil die Ressourcen und Potenziale über die motivationalen Konzepte in Handlungsmuster für Erfolg zur Anwendung kommen. Die negative Variante ist die, die Gewalttäter und Mobber stets benutzen. Ihnen gelingt es nicht, ihre inneren Ressourcen so mit der Umwelt oder dem Umfeld zu verankern, dass sie daraus Lebensqualität generieren können. Sie zwingen sich damit zur Deoptimierung vor allem ihrer Gehirnleistungen, sodass ihre Großhirnrinde, besonders das Stirnhirn, nicht genutzt, beziehungsweise nur wenig benutzt und in Anwendung kommt. Erst durch den Einsatz positiver Aggressivität ist es überhaupt möglich, größtmögliche Freiheitsansprüche zu realisieren. Durch Nichtaggression geschieht sein Gegenteil. Und zwar a priori. Interessierte Leser finden eine genauere Beschreibung der positiven wie auch der negativen Aggressivität in meinem „Wiener Vortrag“ auf You Tube.
Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.
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