MEDIEN TERROR

Von Bernhard Trautvetter.

Am Büro der UNO in Beirut stand während des Überfalls Israels im Rahmen der Aktion ‘Frieden für Judäa’ der Spruch: “Wenn Du glaubst, Du hast den Überblick, was so geschieht, dann bist Du lediglich schlecht informiert.” Die ARD/ORF/SRF-Sendung mit dem Titel ‘Terror’ war ein Beitrag zum Terror.

Terror ist  Gewalt,  außergesetzlich und gegen an Konflikten Unbeteiligte, gegen Menschen, die am Aufkommen eines gewaltsamen Konflikts nicht schuldig geworden sind; man spricht auch von Nichtkombattanten als Opfer. So ist z.B. Krieg Terror. Auch der sog. “Krieg gegen den Terror”, der von den Militärs perfiderweise auf den zynischen Namen “Operation Enduring Freedom” getauft wurde.

Gegen Ende des Films ‘Terror’ wurde den Zuschauern suggeriert, sie hätten nun den exakten Überblick über das Gesehen, und sie könnten  so an Stelle  juristischer Instanzen über Schuld oder Unschuld eines Luftwaffenpiloten entscheiden, der ein vollbesetztes Stadion rettet, indem er die Fliegenden im gekaperten Flugzeig mit einem Abschuss opferte. Verkauft wurde das ganze den Menschen in den drei Staaten unter dem Thema >Quantität des unschuldigen Todes< : 70 000 Menschen gegen ca. 150, die ohnehin auch todgeweiht sind. Die Dramarturgie legte nahe, dass man genau weiß, was im unmittelbaren Augenblick im Flugzeug vor sich geht und was nicht. Eine solche Situation hat Ähnlichkeiten mit Kriegssituationen, in denen Kämpfer über Leben oder Tod entscheiden, im selbstüberschätzenden Gefühl alles Wichtige zu wissen. Wenn sich aber zum Beispiel ein erfolgreicher Aufstand gegen die Entführung im Flugzeug aufbaut, während die Maschine abgeschossen wird, wenn ein findiger und mutiger Mensch mit dem Glück des Überraschungsmoments einen Coup gegen die Entführung lanciert (hat) und der Abschuss der maschine folgt auf dem Fuß, was dann?

Der Rechtsstaat lebt von der Vorsicht und Umsicht, die dem autoritären Staat fremd und zuwider ist.

Wenn man im illusionären Gefühl voller  Informiertheit mit sich gut anfühlenden Motiven gegen das Gesetz handelt, kann man sich auch dann noch gut fühlen, wenn man mit einem Handstreich die Architektur des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft aushebelt – im Namen des Zusammenlebens. Orwell lässt grüßen, hier wird alles um 180 Grad gedreht und der Zweck heiligt die Mittel: Unrecht ist Recht, Lüge ist Wahrheit, Krieg ist Frieden. Militärs der Nato machen das genauso: Die Nato hält sich den nuklearen Erstschlag offen, auch wenn er das Ende der Menschheit riskiert, weil man ist ja wegen der Wertegemeinschaft der Gute. Nachdenken stört nur, hier regiert der Instinkt. Wer das anders sieht, wird zum weltfremd-naiven Gutmenschen herab-definiert und als ideologisch verblendet ausgegrenzt.

Doch zurück zum rechtlichen Aushebeln der Grundlagen der Gesellschaft: Der Umgang mit der Grundlage der Verfassung erinnert mich an Worte des Kommunisten Max Reimann, als er begründete, dass er zusammen mit Heiz Renner als Mitglied der parlamentarischen Versammlung das Grundgesetz nicht unterschreiben werde: “Ich unterschreibe die Spaltung Deutschlands nicht (…). Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!”

In der Tat, wenn wachsende Krisenerscheinungen in einer mehr und mehr zerfallenden Welt die Konfliktmanager in den Führungsetagen der Gesellschaft immer weiter in Spannung versetzen, dann steigt die Gefahr der Rechtsbeugung. Um sie zu legitimieren sind mediale Nervenkitzel ein willkommenes und ein perfekt geplantes Mittel, die Bevölkerungen zu manipulieren. Man kann sich schon einmal gleich die Frage stellen, warum dieser Film ausgewählt wurde, um ihn gleichzeitig in den drei weitgehend deutschsprachigen Ländern zu zeigen und dann noch die Menschen über Schuld abstimmen zu lassen, wobei die Aushebelung der Gesetzlichkeit zum Kalkül gehört.

Die Menschen erleben so Demokratie auf neue Weise, fühlen sich aktiv am Meinungsbildungsprozess beteiligt und lassen sich so leichter für die Strategie der Militarisierung und der Macht gewinnen, als seien sie der Souverän. Wichtig für dieses Gefühl ist die enge Bandbreite der alternative, weil man sie auf eine ganz konkret umrissene Situation ohne Vorgeschichte bezieht.

Erich Fromm beschrieb die Struktur dieser Schein-Partizipation einmal so: “Unser Wirtschaftssystem braucht Menschen, die seinen Geboten gehorchen, Menschen, die widerspruchslos mitmachen (…). Es muss sich Menschen schaffen (…), die sich leicht beeinflussen lassen, deren Bedürfnisse im voraus berechnet werden können. Unser System braucht Menschen, die glauben, sie seien frei und unabhängig, aber alles tun, was man von ihnen erwartet, Menschen, die sich der Gesellschaftsmaschinerie reibungslos einfügen, die ohne Gewaltanwendung gelenkt, ohne Führer geführt und ohne Ziel dirigiert werden können – es sei denn dem einen, es „gut“ zu machen. (Vgl. meine Studien über den Einfluss des Industriesystems auf die Charakterstruktur des einzelnen in E. Fromm, 1955a, GA IV.)

Die Autorität ist nicht verschwunden, sie hat auch nicht an Stärke verloren; die offene Autorität hat sich lediglich in die anonyme Autorität der Überredung und der Suggestion verwandelt. Der Mensch unserer Zeit muss also, wenn er sich anpassen will, die Illusion nähren, alles geschehe mit seiner Einwilligung, obwohl diese in Wirklichkeit durch geschickte Manipulation erzwungen wird. Man erhält seine Einwilligung sozusagen hinter seinem Rücken oder hinter seinem Bewusstsein.”

So wird Manipulation zum Instrument des Machterhalts in stürmischen Zeiten. Der Terror, den die völkerrechtswidrigen Kriege genährt haben und den sie nähren, hält Einzug in die Gehirne der Macher und der Manipulierten. Es ist wie ein Gift, das schleichend in die Seele geträufelt wird.

Diese Methode funktioniert dann am besten, wenn es gelingt, den Menschen “eine Geschichte zu erzähle. Die  pointierte Geschichte der Nato. Vertrauenserweckend + stark, deutlich ‘Gut’ und ‘Schlecht’ und ‘Richtig’ und ‘Falsch’ erklären, kraftvoll  und zwingend menschlich sein, muss [sie], von kompetenten und  glaubwürdigen Sprechern präsentiert werden.

Bilder erzählen die notwendige Geschichte  ohne Worte. Beim Übertragen von Ereignissen, die einem großen Tempo unterliegen, bedarf es auch einer zugestandenen Fehlertoleranz…”[https://www.japcc.org/portfolio/conference-proceedings-2015/ ]

Dieses Zitat stammt vom Nato-Material der Konferenz “Strategische Kommunikation” des Joint Air Power Competence Centre 2015 in der Messe Essen. Es offenbart das Strickmuster des Medienterrors, mit dem sie uns offensichtlich für ihr Geschäft mit dem Tod gewinnen wollen.

Der Film >>Terror<< erweist sich als Manipulationsterror für den Terror der strukturellen Gewalt der Macht im Rahmen des Unrechts des Stärkeren, der im scheinheiligen Gewand der Menschlichkeit das Recht aushebelt und damit die Basis der Gemeinschaft. Dort landet die Wertegemeinschaft, als die sich der Westen und die Nato verstehen. Sie landet nicht, sie zerschellt, wenn wir uns von dieser Manipulation einfangen lassen. Zum Glück nur dann.

Marx hatte als Lieblingsmotto “Zweifle an allem”. Der Lehrer Keating sagt im Film “Club der toten Dichter” in dem Moment, da er ungewöhnlicherweise auf dem Pult vor der Klassengemeinschaft steht: “Wenn Du von etwas wirklich überzeugt bist, rate ich Dir: Denke zu allererst darüber nach: Was könnte dagegen sprechen?” Mit dieser Haltung können wir dazu beitragen, dass die Gesellschaft zunehmend immun wird gegen das vereinfachende Schwarz-Weiß der Militaristen, der Vertreter des autoritären Staates mit einem Sherif-Gehabe, bei dem der Zweck auch die üblen Mittel heiligt.

Ich freue mich abschließend darauf, wenn in den drei Staaten ein Film über die Frage der Kriegsbeteiligung unter Einbezug möglichst vieler Hintergründe und unter Veranschaulichung aller fürchterlichen Auswirkungen am besten auch der Steigerung der Gefahr eines nuklearen Infernos gezeigt wird, in dem am Ende eine breite, bunte und attraktive Friedensbewegung die Vernunft der Herzen obsiegen lässt und eine Ära internationaler Kooperation zur Abwendung der Zukunftsgefahren einläutet. Zu dieser Romanze gibt es in einer vom Chef der Sicherheitskonferenz so bezeichneten “zerfallenden Welt” keine Alternative. Wir haben nur eine Zukunft: Die der in aller Hinsicht – oder keine. Insofern ist der einzige Realist der, der sich nicht einlullen lässt, sondern der das unmöglich Erscheinende einsetzt: Den Weg des reflektierten Dialogs, der den Terror abwendet, ehe er entstehen könnte. Die Waffen- und Rüstungsindustrie ist daran nicht interessiert. Sie ist froh, dass sie nach dem Sieg über die Sowjetunion im Kalten Krieg nun einen neuen Grund für ihr Geschäft hat, in Form des von ihr genährten Terrors, der auch im Verlauf der ‘Operation Enduring Freedom’ immer weiter angewachsen ist. Zukunftsfähigkeit  hängt nicht nur von Gewaltfreiheit ab, sondern auch von der Entmachtung der Gewalt-Inhaber und der Überwindung der strukturellen Gewalt des Systems, zu dem auch die Medienmanipulation beiträgt. Es gibt Filme, die ermutigend gegen die Strategische Kommunikation der Macht stehen: Coming Home mit Jane Fonda, Gandhi, Mandela: Der lange Weg zur Freiheit. Solche Filme den Menschen nahe zu bringen, was wäre das für ein Fest! Ein Hoffnungsspendendes.

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

 


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