Monster, Dreckskerl & Co

Von Dirk C. Fleck.

Fidel Castro ist tot. In den sozialen Netzwerken wurden ihm jede Menge Kränze geflochten. Manche Kommentare lasen sich gar wie Liebeserklärungen. Aber da waren noch die anderen „Nachrufe“ im Netz, jene, in denen die Freude über das Ableben  des kubanischen Revolutionsführers offen zum Ausdruck kam, in denen das Ende eines teuflischen Despoten bejubelt wurde, der die westlichen Werte mit Füßen getreten habe. Beispiele gefällig?

„Kuba war/ ist eine GefängnisInsel Meinungsfreiheit, freie Wahlen, Pressefreiheit, Reisefreiheit sucht man dort vergeblich. Seid Jahrzehnten ein Diktator mit allem drum und dran. Mir ist diese eigenartige Begeisterung für diesen Kerl ein Rätsel“.

„Für mich ist es unbegreiflich, wie man so einem Monster hinterher heulen kann. Er ist das Sinnbild dafür was falsch läuft in dieser Welt. Ein sogenannter “Revolutionsführer” taucht auf und findet eine Masse die mit seinen Ideen übereinstimmt. Um die Umsetzung dieser Ideen durchzuführen wird dann Mord, Folter und Unterdrückung legitimiert. Ich kann wirklich nur mit dem Kopf schütteln, wenn ich sehe wie viel Mitgefühl es gibt für den Tod von diesem Mann“.

„Er hat tausende Menschen umgebracht um seine Ideen zu verwirklichen. Das alleine reicht für mich aus, um diesen Mensch zu verachten. Sobald jemand seine Ideen und Werte durch Zwang und Gewalt durchführt ist alles was er anschließend erreicht nix wert. Es geht drum, das ein Herrscher und Tyrann verehrt wird“.

„mein stinkefinger geht vor allem in richtung derer die mit dem personenkult über den tod hinaus herrschaft… fremdbestimmung.. zwang .. massenmord.. diebstahl wissentlich mitvertreten.. und ja es ist teil MEINER Freiheit eben diesen Gedanken auch rhetorische kraft zu verleihen in dem ich verbal ausbreche. euren anstandskonventionen die seit generationen den menschen indoktriniert werden ist längst jegliche moral abhanden gekommen.. schiebt sie euch dahin wo es dunkel ist. euch scheint es anscheinend nicht aufzufallen für was so eine Person wie fidel stand und steht – über den Tod hinaus.. da fällt mit weiter nix zu ein als Kopf>Tisch“.

„Ein drecks Despot und Herrscher weniger. Ich kotze am Strahl wenn ich sehe wie der “Comandante” jetzt von allen abgefeiert wird.. Ihr habt doch nicht mehr alle Tassen im Schrank – Heute ist ein guter Tag für die Freiheit.
DOPPELFINGER.“

Abgesehen von den verbalen Entgleisungen und von der Tatsache, dass mir Texte zuwider sind, in denen die Sprache aufs Gröbste vergewaltigt wird, weil der Autor sie an den Regeln von Rechtschreibung und Interpunktion vorbei quält, was seiner “rhetorischen Kraft” die Spannkraft eines erschlafften Luftballons verleiht, verstehe ich nicht, warum Fidel Castros Tod ein guter Tag für die Freiheit sein soll. Diese Herrschaften scheinen eine merkwürdige Vorstellung von Freiheit zu haben. Welche Freiheit meinen sie? Die Freiheit, einem Verstorbenen den Stinkefinger zeigen zu dürfen? Meinen sie die Freiheit, die wir als Konsumenten im Scheinpluralismus weniger Konzerne fristen dürfen? Oder ist es die Freiheit, nach Belieben das Völkerrecht zu brechen und andere Länder in Not und Elend zu stoßen? Vielleicht ist die Pressefreiheit gemeint und wie sie ausgeübt wird. Oder die Freiheit, alle vier Jahre zwischen Pest und Cholera wählen zu dürfen, während der Sozialstaat sich bis zur Unkenntlichkeit verkrümelt und das Bildungssystem vor die Hunde geht, bis nur noch willfährige Untertanen übrig bleiben. Sagt mir, welche Freiheit meint ihr? Die Privatisierung von Wasser, Straßen und Gefängnissen? Die Freiheit, die Umwelt auf das Gröbste zu schädigen, ohne ein einziges Gesetz zu brechen? Um was geht es euch, wenn ihr anlässlich des Todes dieses Mannes wie Rumpelstielzchen ums Feuer tanzt? Eines Mannes, der einen üblen US-amerikanischen Vasallen und Menschenschinder (Batista) verjagt hat, um dann unter schwierigsten Bedingungen (jahrzehntelange Sanktionen des “freien” Westens) mit dem Analphabetentum aufzuräumen und tatsächlich so etwas wie soziale Gerechtigkeit in seinem Volk herzustellen. Kommt mir nicht mit den Menschenrechten. Wenn ich könnte, würde ich euch jetzt auf die Straßen von Havanna beamen. Nehmt euch dort ruhig die Freiheit, den trauernden Menschen den Stinkefinger zu zeigen. Dann gewöhnen sie sich schon mal an die bevorstehende Invasion, die Kuba über kurz oder lang wieder zum größten Casino der USA machen wird.

Der Schriftsteller Gabriel Garcia Marquez nannte den Lebensstil des Commandante den eines Mönches in Uniform. Und dennoch wurden gegen keinen anderen Politiker so viele Mordkomplotte geschmiedet wie gegen Fidel Castro. Das Neue Deutschland zählte sie auf: von den politischen Gangstern an der Universität von Havanna Ende der 40er Jahre, über die Killer des später von ihm gestürzten Tyrannen Batista. Hinzu kamen Verräter aus den eigenen Reihen, enteignete Großgrundbesitzer, Exilkubaner aus Florida, Hand in Hand mit der Mafia und natürlich der CIA. Dass Castro am Leben blieb, grenzt an ein Wunder. Er hat sie alle ausgetrickst. Den Tod allerdings nicht. Das schafft bekanntermaßen keiner. Aber er hat sich mit ihm über Jahrzehnte gemessen. Es war fast so etwas wie eine sportliche Auseinandersetzung für ihn. Wie sagte er, als er auf die neunzig zuging? „Ich sterbe fast jeden Tag. Das macht mir viel Spaß und ich fühle mich dadurch nur gesünder.“

Was Napoleon am 2. Oktober 1808 in Erfurt anlässlich des Fürstenkongresses zu Goethe sagte, hätte er vermutlich auch zu Fidel Castro gesagt: Voilà un homme“. “Un Homme” und nicht “un Drecksack”, ihr Freiheitsliebenden!

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

Fotohinweise: < wikimedia.commons.org, Urheber: “This image is available from the United States Library of Congress‘s Prints and Photographs division under the digital ID ppmsc.03256.”/ “This work is from the U.S. News & World Report collection at the Library of Congress. According to the library, there are no known copyright restrictions on the use of this work.
This photograph is a work for hire created between 1952 and 1986 by one of the following staff photographers at U.S. News & World Report:”  >

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