Von Bernhard Loyen.
Häme ist einfach. Speziell in der Gegenwart. Häme ist billig, bleibt aber stilistisch immer mit fadem Beigeschmack. Politik zu gestalten ist eine hohe Kunst, speziell in diesen Tagen und Wochen. Aber wie verhält sich die Kunst selbst zur Politik? Der Künstler, die Künstlerin?
Die Social Media Welt kann aktuell mal wieder sehr billig und reichhaltig Häme ausschütten. Kübelweise. Zielperson erneut und weiterhin: Donald Trump. Aktuell erfreut sich die internationale Netzgemeinde über das Konzert zur Amtseinführung von Donald Trump[1]. Nochmal – ich kenne Donald Trump nicht als Politiker, finde ihn stilistisch gruselig. Seine Wurzeln und sein beruflicher Werdegang können hier erfahren werden[2]. Wie seine politischen Ergebnisse aussehen werden, ich weiß es nicht. Bekannter Weise sind aber jetzt schon die Urteile gesprochen – es wird schlimm, wenn nicht katastrophal.
Kommen wir zu den Äußerlichkeiten, die in hiesigen Zeiten oftmals einen höheren Stellenwert haben, gegenüber der beruflichen Leistung als Politiker. Dieses lässt sich wesentlich einfacher und effektiver in Bild und Ton umsetzten und verkaufen = Meinungsbildung. Nein, natürlich ist Trump nicht smart. So wie Barack Obama. Es heißt und gilt – über Geschmack lässt sich nicht streiten. Obama wurde von Anfang an, als stylish und handsome aufgebaut und später medial begleitet. Der Soul Man. Spiegel TV umschrieb das wörtlich so “In der kommenden Nacht hält US-Präsident Barack Obama seine Abschiedsrede. Zum Warmwerden gibt es hier die besten Gesangs- und Comedy-Einlagen des Soul-Präsidenten”[3].
Bei Donald Trump schaut es anders aus. Der gesamte Habitus liefert Angriffsflächen bis zum Abwinken. Zu künstlich, zu feist, zu viel Blattgold, zu viel schlechter Geschmack – rundum: nach Mr. Smooth kommt Mr. Drop-A-Brick[4].
Im Schatten von Barack Obama ließ es sich für die US Künstler der ersten und zweiten Liga hervorragend leben. Man sonnte sich mit Mr. Sunshine und fühlte sich geschmeichelt zum Kreise der Erlauchten zu gehören. Die Ära von Redneck George W. Bush jr. war vorüber. Film, Funk und Musikwelt kamen zum Stelldichein ins Weiße Haus. Es ist wahrlich unwahrscheinlich, dass unter Trump eine Veranstaltung wie “Jazz At The White House” jemals stattfinden wird[5]. So durften die Wurzeln des qualitativen Jazz & Soul der US Musikgeschichte einen gemeinsamen Abend mit dem Präsidentenpaar und geladenen Gästen gestalten & genießen. Alt-Stars wie Aretha Franklin, Herbie Hancock, Chick Corea, Dianne Reeves, Hugh Masekela und Dee Dee Bridgewater, trafen auf die aktuelle Generation, wie Robert Glasper, Esperanza Spalding, oder Christian McBride.
Ja, das spricht für Geschmack und Kenntnis. Lenkte aber auch hervorragend von den beruflichen Leistungen ab[6],[7].
Kommen wir nun zu den Künstlern. Es wurde statistisch erhoben, dass es in den acht Jahren Amtszeit von Obama 2663 Tage waren, in denen das Land und seine Führung Krieg führte. Man möge die Frage erlauben, wann und wo war dort die Empörung, die Wut der Kunstschaffenden der USA zu erleben? Petitionen a la Obama stop this bombing? Warum wurde der Konzerttermin im Weißen Haus nicht boykottiert? Etwaig karriereschädigend?
Die Begnadigung von Chelsea Manning auf den letzten Metern, kann leider auch nur schlicht als berechnender Akt Obamas angesehen werden. Er möchte als guter Präsident in Erinnerung bleiben. Mit dem Wissen von weißer Folter und zwei Selbstmordversuchen von Manning, ein sehr spätes Zeichen. Trotzdem sind vermeintlich Intellektuelle und Künstler dankbar und begeistert. Ich frage: Wo waren die Solidaritätskonzerte für Chelsea Manning, Edward Snowden und dem wieder mal leer ausgegangenen Leonard Peltier[8]?
Nun gab es aktuell zwei Wut Reden von Hollywoods Top Liga. Robert De Niro[9] und Meryl Streep[10]. Beide sind in gewisser Hinsicht nachvollziehbar. Ja, Trump ist verbal schwer zu ertragen. Das Nachäffen eines körperbehinderten Journalisten war schlicht niveaulos und dumm, aber hat Trump vielleicht die inzwischen enttabuisierten und verrohten Spielregeln der politischen Auseinandersetzung schlicht konsequenter umgesetzt? Stil war gestern, Pöbeln ist das Rezept der Gegenwart. Der Mann ist Medienprofi, vergessen?
Am 20.01.2017 wurde Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA vereidigt. Am Abend trafen sich in seiner Heimatstadt New York Prominente Bürger um Luft abzulassen[11]. Wut-Reden. Ich habe sie mir angehört. Durchgehende Themen waren Abbau von Sozialrechten und Einschränkung von Immigrantenrechten/Mauer zu Mexico/Rassismus durch die Regierung Trump.
Ja, Trump will Obama-Care zu Teilen abschaffen, aber eine eigene Krankenversicherung installieren[12].
Ja, Trump will eine Mauer zu Mexico bauen, aber wie schaut es an der Grenze aus? Kurze Erinnerung – Die illegale Einwanderung wurde erstmals 1992 im Wahlkampf zwischen Präsident George Bush sen. und Bill Clinton zum hart umstrittenen Politikfeld. Nach der Wahl Clintons machten republikanische Abgeordnete die Einwanderung zum Thema der Kritik am demokratischen Präsidenten. Clinton reagierte darauf mit dem Ausbau der Grenzschutzanlagen[13]. Aktuell sterben am Tag statistisch zwei Menschen an dieser Grenze[14].
Die USA hat bis dato kein Rassismus-Problem? Hüstel.
Am Samstag, den 21.01.2017, wollen hunderttausende Bürger in Washington gegen Trump demonstrieren[15]. Wenn man sich das Video antut, fragt man sich, in welchem Land haben diese Menschen eigentlich die letzten Jahre gelebt?
Ab heute heißt es Donald Trump politisch agierend zu bewerten. Beim Spiegel lautet das dann so: “Daddy macht den Trumpeltanz, Am Party-Abend nach der Amtseinführung steht fest: Warum auch immer die Amerikaner Donald Trump ins Weiße Haus gewählt haben, wegen seiner Tanzkünste war es sicher nicht”[16]. Da wären wir wieder bei der Häme und den Äußerlichkeiten. Seriöser Journalismus und inhaltliche Informationen sehen anders aus.
Nachtrag: Am 21.01.2017 gingen in den USA hunderttausende Menschen auf die Straße – aufgrund ihres neuen Präsidenten. Können sie sich erinnern, wann solch ein Vorgang, sich das letzte Mal landesweit in Amerika ereignet hat? “Überraschungsgast” und Rednerin Madonna wird wie folgt zitiert: “Zunächst, sagte die Sängerin, habe sie sich gewünscht, dass das Weiße Haus in die Luft gesprengt wird. Aber dann stand der Wunsch nach Frieden im Mittelpunkt: „Das Gute hat nicht die Wahl gewonnen, aber das Gute wird am Ende gewinnen“[17].
Am gleichen Tag spricht Bruce Springsteen, bei einem Konzert in Australien folgende Worte: „Wir alle sind vereint gegen Hass und Teilung und wir wollen für Toleranz, Inklusion, das Recht auf Fortpflanzung, zivile Rechte, Gerechtigkeit für alle Rassen, LGBTQ-Rechte, die Umwelt, Lohngleichheit, Gender-Gleichheit, Gesundheitsfürsorge und Rechte für Immigranten einstehen. Wir sind an eurer Seite. Wir sind der neue amerikanische Widerstand.“
Darf dezent angefragt werden, wo war der neue amerikanische Widerstand während und vor allem vor Obamas Regierungszeit, in Bezug auf diverse benannte Themen? Googelt man Anti-Kriegs-Demonstration USA landet man im Jahre 2003 und im Jahre 2015. Dort erliest man “Zwar handelte es sich nur um kleinere Demos, dennoch sind diese durchaus eine Erwähnung wert: In Los Angeles und Washington DC protestierten einige Hundert Kriegsgegner gegen das Engagement der USA im Nahen und Mittleren Osten”[18].
Es ist erfreulich, dass sich diese Künstler so für ihr Land, auf einmal, interessieren und einsetzten. America first, oder wie darf man dieses Engagement verstehen? Man darf gespannt sein.
Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.
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