Vom 10. bis zum 12. Oktober findet eine Strategiekonferenz höchstrangiger Nato-Militärs in der Messe Essen statt. Dagegen demonstrierte ein breites Friedensbündnis auf der “No-natom-Krieg” Demonstration am Samstag, 7.10.2017 in der Nähe des Konferenzortes in Sichtweite der Gruga-Halle. Nachfolgend die Rede des Initiators der Friedensdemonstration, Bernhard Trautvetter:
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
wir begrüßen Euch herzlich im Namen der Organisatoren unserer no-natom-Krieg-Friedensdemonstration. Unser ‚Nein‘ zum Krieg ist ein ‚Ja‘ zum Leben!
Diese Woche waren wir schon an der Luftleitzentrale in Kalkar und haben an der Kasernenmauer einen Kranz niedergelegt – für die ungezählten Menschen, die ihre Flucht vor Krieg und Gewalt vor den Mauern der Festung Europa nicht überlebt haben.
Unsere Aktion war eine vorzeitige Antwort auf die rechtswidrige Forderung des Essener OB nach einer Obergrenze. Man stärkt die Rechten nur, wenn man sie zu kopieren versucht!
Wir beginnen bewusst um fünf vor zwölf, denn die kritischen Nuklear-Wissen-schaftler haben ihre Welt-Uhr zur Warnung vor dem Atomkrieg auf die Zeit eingestellt, die wir jetzt gerade haben. Passend erklärte gestern das Nobel-Komitee, heute sei die Zeit der größten Gefahr eines Nuklearkrieges. Einige Gründe offenbaren die Militärs, die der Einladung des Joint Air Power Competence Centre der Nato in Kalkar in den nächsten Tagen ganz hier in der Nähe auf ihrer Konferenz in der Messe Essen zum Thema „Abschreckung“. Wir protestieren dagegen, dass sie den Nuklearschlag als Bestandteil ihrer Planung vorsehen. Wir sagen dazu ‚Nein‘, denn wir wollen leben!
Deshalb fordern wir mit unseren Freunden vom Nobelpreisträger ICAN, dass Deutschland dem UNO-Nuklearwaffenverbot beitritt!
Das Leben auf der Welt braucht den langen Atem der Friedensbewegung, den wir seit Berta von Suttners “Die Waffen nieder” haben, seit Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts Einsatz gegen den Militarismus und Käthe Kollwitz‘ “Nie wieder Krieg”, dem Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky, Pfarrer Niemöllers Einsatz für eine Verständigung mit dem Osten und Petra Kellys sowie Dorothee Sölles Reden auf den großen Friedensdemonstrationen der 80er Jahre.
Martin Niemöllers Text aus der Nazi-Zeit ist angesichts der letzten Bundestagswahl immer noch hochaktuell: ‚Ich habe nicht protestiert, als sie die Kommunisten holten, ich war ja keiner; auch nicht als sie die Sozialdemokraten, Gewerkschaftler und dann die Juden holten. Als sie mich abholten, war niemand mehr da, der noch hätte protestieren können.‘ Nicht nur das Leben braucht uns, wir brauchen uns alle mit-ein-ander für die große Aufgabe des friedlichen Notausgangs der Menschheit in die Zukunft einer überlebensfähigen Gesellschaft in Frieden. Zum langen Atem uns gleich unser Freund Paul berichten, wie es auf der Friedenskarawane der Zehntausende gegen die Wiederbewaffnung war, genau hier vor 65 Jahren, auf der eine Polizeikugel Philipp Müller tödlich traf.
Die Konferenz, gegen die wir hier protestieren, vereint höchstrangige Vertreter des militärisch-industriellen Komplexes, wie es auch die WAZ berichtete. Die Militärs haben die Medien nicht auf ihre Konferenz hingewiesen, die gesponsert vom größten und auch nuklear aktiven Rüstungskonzern der Welt ist. Das haben wir getan. Sie wollen unbeobachtet bleiben, wenn sie Horror-Szenarien, die sie Abschreckungsstrategien nennen, immer weiter ausfeilen, die sie dann in ihren Armeen verbreiten. Wir lassen es nicht zu, dass sie Kriegsrat unter Ausschluss der Öffentlichkeit halten. Wir durchkreuzen ihnen auch das, wir wollen statt Kriegsrat Friedensverhandlungen jeweils aller Seiten unter Vermittlung der UNO.
Wir wollen den Abbau von Feindbildern und den Dialog zur Lösung von Interessenskonflikten. Friedenspolitik ist in unserer verletzlichen Welt mit digitalen Netzen, atomaren und fossilen Kraftwerken und mit großer Bevölkerungsdichte der einzige Weg in die Zukunft, die es nur im Frieden geben wird. Wir wollen leben!
Wenn US-Präsident Trump nun sogar Gesprächsversuche in China Energieverschwendung nennt, man müsse jetzt tun, was zu tun sei, dann offenbart uns das, wie lebensbedrohlich die Existenz von Nuklearpotentialen ist, und wie gefährlich der Horror ist, den die Militärs ‚Abschreckung‘ nennen. Mit diesem verharmlosenden Begriff gaukeln sie uns vor, die Nato tue mit ihren schrecklichen Waffen nur Gutes. In Deutschland sind sie dank der Friedenskräfte mit ihren Märchen und Lügen weniger erfolgreich. Sie beklagen in ihren Konferenzen die Vorbehalte der Bevölkerung gegen das Militärische.
An diesen auch unseren Erfolg werden wir weiter anknüpfen! Wir sind erfolgreicher, als manche glauben! Unser langer Atem hat sich immer wieder ausgezahlt!
Wir haben die Verantwortung, den Militaristen, die im Ernst mit dem nuklearen Inferno spielen, einen Strich nach dem anderen durch die Rechnung zu machen! Nutzen wir unsere Chancen! Die Konferenzen des Joint Air Power Competence Centre befassen sich immer wieder neu mit der ‚Kriegsführung im 21. Jahrhundert‘! In Kalkar benutzte man dafür lange Zeit den Begriff ALI, -‚ALI‘ steht für Air Land Integration. Heute nennen sie es Netzwerk-zentrierte Kriegs-führung. Sie umfasst alle Ebenen, vom Cyber-Raum bis zum All, und auch die der nuklearen Systeme. Dazu passend schreiben sie im Manuskript ihrer Konferenz nächste Woche, Abschreckung funktioniert nur mit Waffen, die man auch bereit ist, anzuwenden. Das betrifft auch die nuklearen!
Wir antworten diesen Selbstmordattentätern an der Menschheit mit dem Essener Altbundespräsidenten Gustav Heinemann aus dem Jahre 1958 während der Diskussion über die Atombewaffnung der Bundeswehr im Bundestag (Zitat):
Das Völkerrecht setzt Grenzen in der Handhabung des Krieges: „Erlaubt ist keinesfalls Gewalt gegen Nichtkombattanten… Die neuen sogenannten Waffen sind … das Ende aller Errungenschaften abendländischer Kultur… Sie sagen: Aber wir wollen ja diese Massenvernichtungsmittel nur zur Abschreckung! … Sie müssen dennoch letzten Endes … den Atomkrieg wollen, … wenn Ihre Drohung wirksam sein soll.“
Genau diese letzte Konsequenz planen die Militärs hier in ihrer sogenannten Abschreckungskonferenz.
Es ist an uns, zu verhindern, dass sie tun, wozu sie technisch in der Lage sind.
Diese Konferenz gehört als völkerrechtswidrig verboten, schon aus dem Überlebensinteresse der Menschheit! Solche Konferenzen darf es in Essen, der Umwelthauptstadt nie wieder geben! Wir sammeln unter einen entsprechenden Appell nach heute weiter!
Hinzu kommt noch, dass sie gegen den Vertrag über die Vereinigung der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland verstößt, der Deutschland in der sogenannten ‚Eingangsformel‘ darauf festlegt, dem Frieden der Welt zu dienen.
Wir finden im Manuskript der Tagung dieses Bild: US-Truppen an der russischen West-grenze. Dazu steht im Text: „Wären die doch 70 Jahre eher da gewesen!“
Hier wird die Tatsache übergangen, dass die Sowjetunion mit weit mehr Verlusten an Leib und Leben den Hauptanteil an der Befreiung Europas vom Faschismus getragen hat, als jedes andere Land. Die Arroganz der Nato-Militärs gegenüber Russland ist Friedens-bedrohend, wenn sie etwa die russische Krim-Politik als Begründung dafür nehmen, dass sie massiv aufrüsten müssen, auch atomar, dass sie teils von Kalkar aus gesteuert Truppen an die Grenze Russlands verschieben.
Sie machen vergessen, dass der Nato-Staat Türkei seit der gewaltsamen Besetzung Nord-Zyperns und weitere Nato-Staaten seit dem Balkankrieg längst schon mehrfach Völkerrecht gebrochen haben.
Wir sagen: Wir glauben Euch all Eure Lügen nicht! Wir wollen auch keine Kollateralschaden-Opfer des nuklearen Infernos werden, an dem Ihr arbeitet! Wir wollen das Leben schützen! Unser ‚Nein‘ zum Krieg ist ein ‚Ja‘ zum Leben! Unser ‚Nein‘ zum Krieg umfasst ein ‚Nein‘ zur Abschreckung, eins zu Drohnen, eins zu nuklearen Systemen. Und ‚Nein‘ zu 2% des BIP für Militärausgaben, die sich nicht durch russische Rüstung rechtfertigen lassen, da Russland dafür weniger ausgibt, als unser Land und Frankreich.
Deshalb sind wir hier. Unser Engagement ist unermesslich wertvoll für das alte und immer wieder junge Leben in dieser gefährdeten Welt. Gefährdet u.a. durch Militärs, die sich in der Messe treffen wollen!
Wir sagen: Frieden im ‚Europäischen Haus‘ statt Abschreckung! Nukleare Abrüstung, keine Atompotentiale in Büchel bei Koblenz und auch nicht anderswo! Diese Forderungen, teils älter, als viele von uns, und zugleich sind sie hochaktuell. Man kann den Weltfrieden nicht herbeibomben, nur die ewige Friedhofsruhe.
Kriege enden nicht im Frieden. Wir lieben das Leben.
In diesem Sinne begrüßen wir jetzt Paul und Diana ganz herzlich für ihren Bericht.
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.
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