Offizielle positive Signale zwischen Russland und Georgien seit über 15 Jahren | Von Thomas Röper

Ein Standpunkt von Thomas Röper.

Georgien hat seine Bereitschaft bekundet, sich mit den abtrünnigen Völkern der Osseten und Abchasen, die unter dem Schutz Russlands stehen, zu versöhnen. Nun erklärte Lawrow, dass Russland bei der Versöhnung helfen wolle, was in Georgien positiv aufgenommen wurde.

Um zu verstehen, worum es hierbei geht, müssen wir uns an den Kaukasuskrieg von 2008 und seine Vorgeschichte erinnern. Daher werde ich, bevor ich zu den aktuellen Entwicklungen komme, zunächst an die Vorgeschichte erinnern.

Die Vorgeschichte

Die Grenzen der Nachfolgestaaten der Sowjetunion gehen auf die Grenzen zurück, die die Sowjetunion einst innerhalb ihres Staatsgebietes gezogen hat. Damals waren diese Grenzziehungen innerhalb des Landes recht unwichtig. Das ist vergleichbar mit Deutschland, wo es die Gemüter kaum erregt, ob ein Landkreis beispielsweise zu Niedersachsen oder Hessen gehört.

Als die Sowjetunion auseinanderbrach, bekamen diese Grenzen plötzlich eine echte Bedeutung. Gerade im Kaukasus führte das Anfang der 1990er Jahre zu einigen Kriegen. So wurde beispielsweise das Gebiet der Osseten, eine kleine Volksgruppe an der Grenze zwischen Georgien und Russland, aufgeteilt in Nordossetien und Südossetien. Der Norden gehörte zu Russland, der Süden zu Georgien. Hier lief eine willkürlich gezogene Grenze mitten durch ein Volk, das damit plötzlich geteilt war ohne das je gewollt zu haben. Und auch die Abchasen sollten ein Teil des neuen Staates Georgien sein.

Die Vorgeschichte geht sogar noch weiter zurück, denn schon in den Wirren des russischen Bürgerkrieges nach der Oktoberrevolution haben sich die Osseten dagegen gewehrt, ein Teil Georgiens zu sein und zwei Jahre gegen die georgischen Streitkräfte Krieg geführt.

Sowohl die Abchasen, die durch die Grenziehungen in der Sowjetunion ein Teil der Georgischen Sowjetrepublik geworden waren, als auch die Osseten wollten nie Teil Georgiens sein und so kam es 1991 zu Kriegen in der Region, die tausende Tote forderten und zehntausende zu Flüchtlingen machten. Schließlich einigte man sich auf einen Waffenstillstand mit Demarkationslinien, die von GUS-Friedenstruppen unter russischer Führung gesichert werden sollten. Im Ergebnis waren Abchasien und Süossetien nun faktisch unabhängige Gebiete, allerdings hat kein Land der Welt ihre Unabhängigkeit anerkannt. Die Menschen waren damit staatenlos geworden, was bedeutet, dass sie noch nicht einmal anerkannte Reisepässe hatten. Staatenlose sind im Grunde in vielen Fragen rechtlos.

Sowohl Georgien als auch Russland boten den Menschen daraufhin an, ihnen Pässe auszustellen und die Menschen stimmten mit den Füßen ab und beantragten, sehr zum Ärger Georgiens, russische und keine georgischen Pässe.

An der Demarkationslinie kam es in den folgenden Jahren immer wieder zu Zwischenfällen, die jedoch folgenlos blieben.

Der Kaukasuskrieg von 2008

Das änderte sich am 8. August 2008. An dem Tag nutzte die georgische Regierung unter dem pro-amerikanischen Präsidenten Michail Saakaschwili, der einige Jahre zuvor im Zuge einer Farbrevolution an die Macht gekommen war, einen Vorfall als Vorwand, um die russischen Friedenstruppen anzugreifen und um kurz nach Mitternacht in Südossetien einzumarschieren. Eine ganze Nacht lang beschossen sie Wohngebiete der südossetischen Hauptstadt Zchinwali, es gab hunderte tote Zivilisten.

Die russische Armee erschien erst einen Tag später in dem Kriegsgebiet, um ihren bedrängten Friedenstruppen zu helfen, und schlug die georgische Armee zurück. Der Krieg dauerte nur fünf Tage und endete mit der Zerschlagung der georgischen Armee und einer vorübergehenden Besetzung von Teilen Georgiens durch russische Truppen. Jedoch zogen diese sich schon wenige Tage später wieder zurück.

In der Folge erklärten sich sowohl Südossetien als auch Abchasien endgültig für unabhängig und sind nun als eigenständige Staaten, die Russland und einige wenige andere Staaten nach dem kurzen Krieg anerkannt haben. Georgien hingegen sieht diese Gebiete nach wie vor als Teil des eigenen Staates an.

Georgien und Russland haben seitdem keine diplomatischen Beziehungen mehr miteinander, obwohl Georgien für Russen ein beliebtes Urlaubsland ist und seine Wirtschaft ohne den russischen Absatzmarkt für georgische Produkte und ohne die russischen Touristen kaum überlebensfähig wäre.

Die Schuldfrage

Der Krieg wurde danach vom Rat der EU untersucht, der eine Fact Finding Mission entsandte. In ihrem Abschlussbericht <1> kam die eingesetzte Kommission des Rates der EU zu dem Ergebnis, dass der Angriff Georgiens einen Bruch des Völkerrechts darstellte, dass das russische Eingreifen vom Völkerrecht gedeckt war, dass die vorübergehende Besetzung von Teilen Georgiens durch Russland kein Bruch des Völkerrechts gewesen ist, jedoch eine überzogene Reaktion darstellte.

Der Rat der EU kam also zu einer sehr eindeutigen Beurteilung der Vorkommnisse und gab Georgien die Schuld an dem Krieg. Das war das Ergebnis eines Berichtes der EU, nicht etwa die böse „russische Propaganda“.

Westliche Politiker und Medien werfen Russland jedoch bis heute vor, Georgien grundlos und aus imperialistischen Gelüsten heraus angegriffen zu haben, und nennen den Kaukasuskrieg als eine der russischen „Sünden“, die Russlands angebliche imperiale Ambitionen belegen soll.

Und auch das offizielle Georgien ist bisher dieser Linie gefolgt und hat Russland als Schuldigen an dem Krieg bezeichnet.

Der Kurswechsel in Georgien

Ich habe gerade erst darüber berichtet <2>, dass in Georgien vor den Ende Oktober anstehenden Wahlen einiges in Bewegung geraten ist. Die georgische Regierung hat Gesetze erlassen, die dem Westen nicht gefallen, woraufhin die EU den Beitrittsprozess des Landes zur EU auf Eis gelegt hat und die USA haben begonnen, Sanktionen gegen georgische Beamte zu erlassen.

Mit diesem Druck hat der US-geführte Westen in der georgischen Regierung offenbar ein Umdenken ausgelöst. Die Regierung ist seit 12 Jahren an der Macht und hat in dieser Zeit einen pro-westlichen Kurs verfolgt, aber anscheinend hat der Druck des Westens, sich bedingungslos den Anweisungen des Westens zu fügen, etwas in Bewegung gebracht.

Der georgische Premierminister hat am 8. August 2024, dem 16. Jahrestag des Kriegsbeginns, verkündet, dass die georgische Regierung die Ereignisse von 2008 untersuchen lassen wolle Später haben er und andere führende Regierungspolitiker erklärt, dass Georgien der Angreifer gewesen ist.

Der Gründer und Ehrenvorsitzender der Regierungspartei hat am 14. September auf einer Wahlkampfveranstaltung gesagt <3>, die georgische Regierung würde sich nach der Wahl für den Krieg zwischen Osseten und Georgiern im Jahr 2008 entschuldigen, den der ehemalige georgische Präsident Saakaschwili und seine Partei auf Anweisung des Auslands ausgelöst haben. Nur so sei eine Aussöhnung der heute verfeindeten Völker möglich. Zwei Tage später hat der Generalsekretär der Regierungspartei erklärt <4>, eine Aussöhnung mit den Osseten und Abchasen sei ohne eine georgische Entschuldigung für den Krieg unmöglich.

In einer ersten Reaktion erklärte <5> das Außenministerium von Abchasien, eine georgische Entschuldigung für den Krieg könne der Beginn des Prozesses der Aussöhnung sein.

Lawrow streckt die Hand aus

Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte <6> am 28. September auf einer Pressekonferenz bei der UN-Vollversammlung, Russland sei bereit, den Friedensprozess zwischen Georgien, Südossetien und Abchasien zu unterstützen, wenn die Beteiligten daran interessiert sind:

„Es ist offensichtlich, dass die derzeitige georgische Führung die Vergangenheit einfach nur ehrlich einschätzt. Sie hat gesagt, dass sie eine ‚historische Versöhnung‘ will. In welcher Form diese Versöhnung stattfinden kann, entscheiden die Länder selbst, sowohl Abchasien als auch Südossetien. Sie sind Nachbarn von Georgien, da sind gewisse Kontakte ohnehin unvermeidlich. Wenn alle Seiten daran interessiert sind, die Beziehungen zu normalisieren und Nichtangriffsvereinbarungen zu treffen, damit bei niemandem jemals der Wunsch entsteht, anzugreifen, sind wir bereit sein helfen, wenn die Beteiligten daran interessiert sind. Dass Saakaschwili den Krieg begonnen hat, war allen bekannt, außer vielleicht unseren westlichen Kollegen und der georgischen Präsidentin Surabischwili. Denn gleich nach 2008 gab die EU eine Studie oder eine Untersuchung in Auftrag, die von der angesehenen Schweizerin Heidi Tagliavini durchgeführt wurde, und in ihrem Bericht stand eindeutig, dass Saakaschwili mit all dem angefangen hat. Daher muss hier niemand überrascht sein.“

Die Reaktionen

Die georgische Regierung reagierte auf Lawrows Erklärung positiv. Kacha Kaladse, der Generalsekretär der Regierungspartei „Georgischer Traum – Demokratisches Georgien“ und Bürgermeister von Tiflis, erklärte <7> daraufhin gegenüber Reportern:

„Was die Erklärung des russischen Außenministers angeht, so bewertet unsere Regierung sie natürlich positiv. Dass Russland die Versöhnung begrüßt und fördern wird, ist natürlich positiv.“

Er fügte hinzu, dass es nach den Worten über die Bereitschaft, bei der Versöhnung mit Südossetien und Abchasien zu helfen, „gut wäre, zu tatsächlichen Schritten überzugehen“. Er fügte auch hinzu <8>, dass einer dieser Schritte der Abzug der russischen Truppen aus Südossetien und Abchasien sei.

Das abchasische Außenministerium kommentierte <9> die Äußerungen des Generalsekretärs der georgischen Regierungspartei umgehend:

„Wir haben mit der Erklärung von Kacha Kaladse vertraut gemacht, dass die georgische Regierung Russland nach den Worten Lawrows über die Bereitschaft, bei Verbesserungen der Beziehungen zu Abchasien und Südossetien zu helfen, vorschlägt, zu konkreten Maßnahmen überzugehen. In diesem Zusammenhang möchten wir die georgischen Politiker daran erinnern, dass Georgien selbst geregelte Beziehungen zu Russland haben sollte, da es bekanntlich derzeit keine diplomatischen Beziehungen zwischen Georgien und Russland gibt. Anstatt mit Stereotypen über die „territoriale Integrität Georgiens“ und anderen mythischen Begriffen zu spekulieren, die nicht der Realität entsprechen, sollten die georgischen Politiker mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Russland beginnen.“

Zu den Beziehungen zwischen Abchasien und Russland betonte das abchasische Außenministerium, dass „Abchasien und die Russische Föderation strategische Verbündete sind, die abchasisch-russischen Beziehungen auf gegenseitig vorteilhaften Verträgen und Vereinbarungen beruhen, einschließlich derer, die den Aufenthalt der russischen Militärbasis in Abchasien und den gemeinsamen Schutz der Staatsgrenze der Republik Abchasien festlegen“. Als Voraussetzung für künftige Beziehung mit Georgien nannte das abchasische Außenministerium, dass „Georgien die Republik Abchasien als souveränen und unabhängigen Staat anerkennen und ein rechtsverbindliches Dokument über die Nichtanwendung von Gewalt unterzeichnen“ müsse.

Der Weg ist also sicher noch weit, aber offenbar werden 16 Jahre nach dem Krieg erste Schritte zu einer Aussöhnung gemacht und ich wüsste liebend gerne, ob und was hinter den Kulissen besprochen wird.

Dass die Entwicklungen der US-Regierung nicht gefallen, ist klar. Sollte die georgische Regierungspartei die anstehenden Wahlen gewinnen – Umfragen sagen ihr einen deutlichen Wahlsieg voraus -, laufen die USA Gefahr, die Kontrolle über ein Land an der russischen Grenze zu verlieren, das sich bei Bedarf gegen Russland instrumentalisieren lassen könnte. Daher ist zu erwarten, dass die pro-westlichen Netzwerke und NGOs in Georgien ihre Anhänger nach den Wahlen vom 26. Oktober auf die Straße bringen werden, um die Regierung in einer weiteren Farbrevolution unter dem üblichen Vorwurf der Wahlfälschung zu stürzen.

Quellen

<1> https://www.echr.coe.int/Documents/HUDOC_38263_08_Annexes_ENG.pdf

<2> https://anti-spiegel.ru/2024/worum-es-bei-der-wahl-in-georgien-geht-und-was-dabei-alles-auf-dem-spiel-steht/

<3> https://anti-spiegel.ru/2024/georgien-will-sich-fuer-den-krieg-mit-den-osseten-entschuldigen-den-saakaschwili-entfesselt-hat/

<4> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/21879403

<5> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/21879991

<6> https://tass.ru/politika/21986733

<7> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/21990939

<8> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/21990947

<9> https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/21991437

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 01. Oktober 2024 bei anti-spiegel.ru

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Bildquelle: esfera / shutterstock

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