Eine Rezension von Eugen Zentner.
Seit geraumer Zeit hält sich der Eindruck, dass in Deutschland so gut wie nichts mehr funktioniert. Den Entscheidungsträgern scheint es an Esprit zu fehlen, an originellen Ideen, an Gestaltungsgeist, an Visionen mit Innovationscharakter. Das ganze Land versinkt immer tiefer in Mittellosigkeit. Es ist «Schwach. Langsam. Ideenlos». Mit dem Titel seines neuen Buches bringt es Quirin Graf Adelmann auf den Punkt. Der Berliner Unternehmer ist seit vielen Jahren in Bereichen wie Immobilien, Sozialer Wohnungsbau, Kultur, Sport und Gastronomie aktiv und hat dadurch zahlreiche Erfahrungen mit Behörden, Banken und politischen Rahmenbedingungen gesammelt. Einen besonders negativen Anstrich bekamen sie in den letzten drei Jahren während der Corona-Zeit, weshalb er sie chronologisch Revue passieren lässt und dabei verschiedene Detailthemen behandelt.
Das knapp 230 Seiten starke Buch besteht aus mehreren Artikeln, die der Autor unter anderem für den Interessenverband Intoura schrieb. Eingeleitet werden sie jeweils durch einen kurzen Begleittext, in dem Adelmann die Entstehungsgeschichte erläutert und kommentiert. Ist der erste Beitrag noch auf einen Zeitraum lange vor Corona datiert, stehen die restlichen unter dem Eindruck der Maßnahmenpolitik. Wer diese Texte liest, fühlt sich augenblicklich an die damalige Stimmung erinnert. Der Autor spricht Themen, Befürchtungen und Narrative an, die zu jenem Zeitpunkt den Alltag bestimmten. Es geht viel um das Zahlen-Wirrwarr, um unpräzise Begrifflichkeiten und Widersprüche, die mittlerweile irgendwo im Kollektivgedächtnis sedimentiert, aber nicht auffindbar sind.
In gewisser Weise stellt «Schwach. Langsam. Ideenlos» eine kompakte Zusammenfassung der Corona-Zeit dar, die sich besonders gut für eine Aufarbeitung eignet, weil sie viele Informationen enthält, die das Gedächtnis auffrischen. „Die Texte aus der nachfolgenden Zeit zeigen Kritik und grenzen sich deutlich von Verschwörungen und dem Glauben ab, dass Covid-19 nicht existiere“, schreibt Adelmann relativ früh im Buch und wirkt dabei so mutlos wie die Politik, die er in die Mangel nimmt. Doch im Laufe der Zeit werden seine Artikel immer bissiger, immer schärfer, sodass sein Ärger über die Maßnahmen deutlich wird. So hebt er etwa die Bedeutung des Grundgesetztes nach dem Zweiten Weltkrieg hervor und unterstreicht die Errungenschaft einer freien Entfaltung der Persönlichkeit oder die Meinungs- und Pressefreiheit „sowie das Recht, sich zu versammeln oder Berufe auszuüben, die man tatsächlich ausüben will“. Heute zeichne sich jedoch ein entgegengesetzter Trend ab, „bei dem die freie Meinung sanktioniert wird und Minderheiten bestimmen, was Mehrheiten zu erdulden haben“.
Die Texte, das merken die Leser sofort, sind überwiegend aus der Perspektive eines Unternehmers geschrieben, der sich angesichts der gravierenden Einschränkungen Sorgen um die Wirtschaft macht, vor allem um den Mittelstand. Viele Kritikpunkte sollten sich später bewahrheiten. Er habe sogar, schreibt Adelmann an einer Stelle, schon im September 2020 die heutige Inflation exakt vorhergesagt. In den Artikeln schwingt aber auch Enttäuschung über die Regulierungsmaßnahmen mit, insbesondere über die vielen Hilfs- oder Fördergelder, die oftmals als Schweigegeld dienten, wie der Autor am Beispiel der Kunst- und Kultur-Szene zeigt: „Erinnern wir uns noch an den 3. Oktober 2020, den neuen Kulturgedenktag in Berlin? Er sollte als unterdrückter Abgesang der Club-Kultur diejenigen mit Preisgeld auszeichnen, die sich pädagogisch zuverlässig an die Hygienevorschriften halten und sich vorbestimmten Inhalten konzeptionell hingeben. Der Senat gibt also gegen Geld vor und zeichnet aus, wer sich inhaltlich in der Kunst- und Kulturszene an die staatlichen Vorgaben hält? Freiheit der Kunst? Mit solchen Maßnahmen will man also eventuelle Reaktionen gegen die staatlichen Übergriffe durch Finanzmittelabhängigkeit ruhigstellen und gleichzeitig eine einheitliche Gesinnung züchten. Die knapp 200 Clubs in Berlin haben es sodann gar nicht erst gewagt, gegen ihre Berufsverbote zu klagen.“
An solchen Stellen verweist Adelmann immer wieder auf den Trend des Staates, den Bürgern pädagogisch zu erklären, was richtig und falsch ist. Er greife häufiger in ihr Leben ein und binde für diese Aufgabe die öffentlich-rechtlichen Medien ein. An ihnen wird im Buch genauso scharf Kritik geübt wie an der schwerfälligen Bürokratie. Diese Passagen gehören zu den interessantesten im Buch, weil sie verdeutlichen, welche Probleme Deutschland seit Jahren und unabhängig von der Corona-Politik lähmen. Der Autor macht es unter anderem am Beispiel der Gastronomie plastisch: „Wenn sich heute ein begabter Koch entfalten und seine Kochkunst anderen Menschen zugute kommen lassen will, steht er zunächst vor mehreren Hürden. Die staatliche Bedürfnisprüfung ist Geschichte. Aber von der elektronischen Kasse über Berufsgenossenschaften, Brandschutz, Schallschutz bis hin zu Genehmigung der Ausübung seiner beruflichen Freiheit im Rahmen des Allgemeinwohls muss er neuerdings – unabhängig von seiner wirtschaftlichen Größe – gendergerechte Toiletten in ausreichender Anzahl bauen und den barrierefreien Zugang sicherstellen, falls er sein Restaurant wirklich eröffnen will.“
Die Auflagen verhinderten kreative Existenzen in der ganzen Kulturszene. So würden beispielsweise einfache Musikdarbietungen in geschlossenen Räumen mit Alkoholausschank behördlich als Vergnügungsstätten definiert. Daraufhin folgt eine Verurteilung zu Brandschutz, Schallschutz, Gaststättenverordnung und Gesundheitsschutz. „Riskiert dies nicht schon die Existenz von Unternehmen dieser Branche?“, fragt Adelmann rhetorisch. Handwerker hätten es im Berufsalltag nicht leichter. Wegen Parkmöglichkeiten müssten sie eigentlich bei der Verwaltung Vignetten anmelden, doch überlasteten „Termine und Bearbeitungszeiten den tolerantesten Geduldsfaden“. Die Justiz funktioniere nicht unbedingt besser. „In Berlin“, schreibt Adelmann, „dauern inzwischen sogenannte Eilverfahren nicht selten länger als ein Jahr.“ Wer sich gegen willkürliche Entscheidungen vor Behörden wehre, müsse dann bis zum ersten Termin beim Verwaltungsgericht fünf Jahre warten.
Die deutsche Gesellschaft, schlussfolgert der Autor, stecke in einer Sinnkrise, ohne eine Idee zu haben, wie sie aus ihr wieder herauskommen soll. Er selber liefert in seinen Texten einige Lösungsvorschläge, die mal plausibel klingen und durchaus originelle Ansätze enthalten, gelegentlich aber auch zu optimistisch oder gar idealistisch wirken. Oftmals herrscht ein ironischer Ton vor, der sich gerade in der Hochzeit der Corona-Politik an der Grenze zu Sarkasmus bewegt. Auf diese Weise will Adelmann, wie er in seiner Einleitung schreibt, „zum Nachdenken anregen, was besser werden muss, wenn unsere Gesellschaft überleben und sich nicht selbst verbrauchen will“. Wer sich den gegenwärtigen Zustand Deutschlands aus verschiedenen Perspektiven anschaut, wird zugeben müssen, dass dieses Szenario nicht aus der Luft gegriffen ist.
Das Buch ist hier erhältlich: https://www.eulenspiegel.com/verlage/das-neue-berlin/titel/schwach-langsam-ideenlos.html
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: Eulenspiegel Verlagsgruppe
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Wer stets den höchsten Anspruch macht, dauerhaft Hochleistung zu bringen, und um sich herum keinerlei Schwäche und Fehler duldet, ist der Beste – das kann man wissenschaftlich nachweisen. Jeder nimmt das wahr und empfindet das, was in ihm ist. Man muss sich in der Reinheit höchster Leistung halten und muss die Minderperformance rundherum stets bekämpfen und anprangern. Das ist visionär! Einfach aufhören Grenzen und Schwächen zu akzeptieren, ganz besonders bei allen anderen und so die eigene Sphäre von Erhabenheit verteidigen. Merke: Wenn du selbst mal an Deine Grenze kommen solltest oder unwillkürlich Schwäche zeigst, dann bist du der sich aufopfernde Held und dein Leben ein leuchtendes Drama innerhalb des sich kümmerlichen dahintragenden Daseins der Schwäche, Langsamkeit und Visionslosigkeit.
Es könnte daran liegen, dass alles, was man sagt, zensiert wird.
Mit vielem was der Autor sagt hat er recht, trotzdem ist es ein großer Unterschied ob er von Deutschland oder Berlin schreibt. In einem Stadtstaat wo 62% der Bewohner von Transferleistungen leben, wo man zu blöd ist einen Flughafen zu bauen, Drogenhandel öffentlich duldet, in manchen Stadtvierteln keine Polizeipräsenz mehr stellt, auf friedliche Demonstranten einschlagen lässt und die volle Härte der Staatsmacht inkl. Wasserwerfer zeigt, diese aber an Sylvester aus Feigheit oder Wokeness zurückhält, so jemand kann eigentlich kein Buch über Deutschland schreiben ohne darauf hinzuweisen wo man zuallererst den Kehrbesen ansetzen muss. Gäbe es den Länderfinanzausgleich nicht, gäbe es Berlin in dieser Form nicht.