von Susan Bonath.
US-Armee sucht mal wieder zivile Probeopfer für Kriegsübungen in Hohenfels. Diesmal sollen sie auch russisch sprechen.
Erwerbslos, pleite und vom Jobcenter verfolgt? Wer sich am Arbeitsmarkt gerade schlecht verkaufen kann, hat noch eine Chance auf eine »Karriere« als ziviles Probeopfer bzw. Kollateralschaden. Die im bayrischen Ottobrunn ansässige Firma Optronic HR GmbH sucht für die US-Armee Statisten, genauer gesagt – und das lässt aufhorchen: »Russisch-Rollenspieler für Nato-Übungen« auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels zwischen Nürnberg und Regensburg. Die Stellenanzeige verbreitet unter anderem der Berliner Senat auf seiner Stellenbörse unter der Überschrift »Helfer im Veranstaltungsservice«.
Dort heißt es, die Tätigkeit umfasse kleine Rollen, »wie zum Beispiel ein Viehzüchter, Ladenbesitzer oder der Bürgermeister eines Dorfes in Afghanistan, der hin und wieder auch mit anwesenden US-Streitkräften verhandelt«. Erwünscht sind neben englischen jedoch vor allem russische Sprachkenntnisse. Wer polnisch, tschechisch oder afghanisch spricht, habe ebenfalls gute Chancen auf den Job, heißt es weiter.
Große Ansprüche dürfen Bewerber nicht haben: Während der zwei- oder dreiwöchigen Dauereinsätze dürfen sie das abgeschirmte Militärgelände nicht verlassen, keine Handys benutzen, keinen Alkohol trinken und müssen mit »Stockbetten in Soldatenunterkünften oder Zelten« vorlieb nehmen. 24 Stunden täglich können sie für die Kampfübungen in den etwa zehn Geisterdörfern geordert werden. Ansonsten herrschen strenge militärische Regeln: 5 Uhr wecken, 6 Uhr Frühstück, 7 Uhr Dienstbeginn. Neben drei Essensrationen erhalten die Kriegsstatisten ein Tagegeld von mindestens 88,40 Euro. Sie sollen den US-Streitkräften helfen, sich »optimal auf Auslandsmissionen vorzubereiten«.
Dass die US-Armee zeitweilig Arbeiter aus Deutschland bei Übungseinsätzen für Tagesgeld beschäftigt, ist nicht neu. 2013 kritisierte der Arbeitsrechtler Peter Wedde das Vorgehen im Interview mit dem ARD-Magazin Report Mainz als sittenwidrig. »Das ist Ausbeutung pur«, sagte er. Betroffene, sogenannte »Civilians on the Battlefield« (COB´s) auf Zeit, beschrieben ihren Einsatz als »Mischung aus Knast und Bundeswehr«, »Sklavenjob mit unmenschlicher Behandlung« und »echt menschenverachtend«. Eine Teilnehmerin erklärte: »Das Schlimmste waren die Arbeits- und Lebensbedingungen und die Hygiene.«
Manchmal habe die US-Armee bis zu 80 Leute in einer Baracke untergebracht, die nur für etwa die Hälfte ausgelegt war. Sie müssten einer Kontrolle jeglicher Postsendungen zustimmen, würden ständig gefilzt und überwacht. Auch Sex sei verboten, Internet und Telefon tabu. Aus den Arbeitsverträgen zitierte das Magazin: »Für entstandene Schäden oder Folgeschäden besteht kein Anspruch auf Entschädigung oder therapeutischen Beistand.« Und: An den Übungen nähmen vor allem Hartz-IV-Bezieher teil, die das Geld dringend brauchten, berichteten Betroffene.
Wedde resümierte: »Ein Arbeitsverhältnis, das Beschäftigten jegliche Rechte im Bereich der Privatsphäre abschneidet, das sie ständig verfügbar hält, die kennt man eigentlich nur aus längst vergangenen Zeiten, wie der Leibeigenschaft oder der Sklaverei.«
Die US-Armee nutzt den Truppenübungsplatz Hohenfels seit 1951. Dafür wurden damals fast 200 Kriegsflüchtlinge von dem Gelände vertrieben. Etwa ebenso viele Bauern mussten ihre Höfe räumen, ihre Grundstücke wurden vom Staat beschlagnahmt. Seit 1999 übt das US-Militär auf dem Platz mit zivilen Komparsen, manchmal zwei oder drei, aber auch schon mal sechs Wochen am Stück.
Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.
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