Von Paul Schreyer.
Nachdem Facebook vor zwei Jahren bereits in Deutschland ein fragwürdiges Programm zum politischen Faktencheck begann, startet nun ein paralleles Projekt in Großbritannien, wieder unterstützt von diversen Superreichen. Die Vorstellung, dass hinter dem wachsenden Misstrauen in etablierte Institutionen in erheblichem Maße falsche Informationen stecken würden, welche die Menschen bewusst in die Irre führen und die man daher zentral korrigieren sollte, hat in den letzten Jahren an Einfluss gewonnen – wenig überraschend vor allem in den etablierten Institutionen selbst.
Dort vertraut man zunehmend auf Faktenchecker, die weiträumig gegen Desinformationen vorgehen sollen. Facebook arbeitet mittlerweile in über 20 Ländern mit Faktencheck-Organisationen zusammen, die prüfen sollen, ob fragwürdige, häufig geteilte Meldungen und Artikel den Tatsachen entsprechen. Falschbehauptungen werden anschließend in ihrer Sichtbarkeit für Facebook-Nutzer herabgestuft. Das als „falsch“ deklarierte ist fortan schwerer aufzufinden, weniger Menschen sehen es.
Da eine solche Arbeit methodisch eng verwandt ist mit politischer Zensur, ist die Transparenz der angewandten Kriterien dabei ebenso entscheidend, wie die Frage, wer die Faktenchecks eigentlich durchführt – und wer diese Arbeit finanziert. In Deutschland arbeitet Facebook seit 2017 mit dem Recherche-Portal Correctiv zusammen, dessen Chef David Schraven damals auf Nachfrage erklärt hatte, man würde keine „unliebsamen Meinungen prüfen“, sondern bloß „Fakten oder Tatsachenbehauptungen“. Alles ganz harmlos also?
Unterstellt wird bei dieser Argumentation, es gäbe eine klare Trennlinie zwischen „Tatsachenbehauptungen“ und „Meinungen“. Doch das ist nicht der Fall. Vielmehr existiert eine weite Grauzone von Ansichten, die sich keiner der beiden Kategorien klar zuordnen lassen. So sind etwa Sätze wie „Putin bedroht die Sicherheit Europas“ oder „Merkel ist eine Marionette der USA“ zwar einerseits Tatsachenbehauptungen, doch lässt sich keineswegs „objektiv“ deren Wahrheitsgehalt bestimmen. Ob solche Aussagen als wahr oder falsch erscheinen, hängt wesentlich vom politischen Standpunkt des Betrachters ab. Es handelt sich, mit anderen Worten, um strittige Einschätzungen, über die in der Gesellschaft kein Konsens besteht.
Gleiches gilt für noch konkretere Aussagen, wie etwa „Russland hat die US-Wahlen manipuliert“ oder „die Anschläge von 9/11 waren ein Inside Job“. Eine Faktencheck-Organisation, die bei solchen Fragen über wahr oder falsch entscheiden will und „Falsches“ dann in der Sichtbarkeit reduziert, überschreitet klar die Schwelle zur politischen Zensur. Eine gesellschaftliche Debatte über strittige, brisante Fragen lässt sich nicht „von oben“ durch eine „Expertenentscheidung“ abkürzen, zumindest, solange demokratische Maßstäbe angelegt werden.
Wahrheitsprüfer, die das erkennen, könnten solche umstrittenen Fragen zwar von vornherein von den Faktenchecks ausklammern – doch verschiebt sich damit das Problem nur auf eine andere Ebene. Denn dann bedürfte es präziser Kriterien, wie man gesellschaftlich Unstrittiges von legitimerweise Strittigem trennt. Genau das aber ist in einer Gesellschaft, die sich als demokratisch und aufgeklärt begreift, nicht möglich, da es der Idee einer frei und dezentral verlaufenden Meinungsbildung entgegenläuft.
Aus diesem Grund erscheint der von Facebook großflächig verfolgte Ansatz, Fakten nicht nur zu überprüfen, sondern als „falsch“ Deklariertes dann auch wegzufiltern, nur im Kontext politischer Zensur sinnvoll. Correctiv-Chef Schraven selbst meinte 2018, nach einem Jahr Arbeit für Facebook, auf Nachfrage, dass Inhalte, die Correctiv einmal als Fake markiert hat, im Facebook-Newsfeed anschließend „eigentlich nicht mehr auffindbar“ seien.
Wer bezahlt die Faktenchecker?
Von solchen grundlegenden methodischen Widersprüchen abgesehen sind die Partner, mit denen Facebook bei der Ermittlung der „Wahrheit“ nun zusammenarbeitet, auch aus anderen Gründen fragwürdig, vor allem, da ihre Unabhängigkeit und Überparteilichkeit in einigen Fällen nicht gegeben ist. Correctiv etwa wird seit mehreren Jahren von den „Open Society Foundations“ (OSF) des politisch umtriebigen Milliardärs George Soros mitfinanziert. Die OSF geben auch Geld an das britische Correctiv-Pendant „Full Fact“, das seine Faktenchecks für Facebook in Großbritannien in diesem Jahr begonnen hat und wo man zum Start erklärt:
„Wir konzentrieren uns auf Desinformationen, die die Gesundheit oder Sicherheit der Menschen schädigen könnten oder die demokratischen Prozesse unterminieren – alles von gefährlichen Krebs-‚Heilmethoden‘ bis hin zu falschen Berichten nach Terroranschlägen oder Fake-Inhalten im Vorfeld von Wahlen.“
Diese Aufzählung erscheint problematisch, da es in erheblichem Maße interessengeleitete Auslegungssache ist, was darunter gefasst werden kann und soll. Sind alternative, nicht von der Schulmedizin – und dem Pharmasektor – akzeptierte Heilmethoden per se „unseriös“ und „gefährlich“? Sind kritische Fragen und vom Mainstream abweichende Erklärungen zu 9/11 und anderen Terroranschlägen pauschal „schädliche Fake-Inhalte“? Wer will solche Grenzen des Erlaubten bestimmen?
Den Aufsichtsrat von „Full Fact“ leitet der Millionär Michael Samuel, der das Unternehmen auch finanziell unterstützt. Samuel stammt aus einer einflussreichen Bankiersfamilie und ist Chef der PR-Agentur AGL mit engen Verbindungen zur Führungsschicht der britischen Conservative Party. Der 2017 verstorbene Gründer von AGL arbeitete als Imageberater unter anderem für den britischen Premierminister David Cameron.
Die drei Hauptfinanziers der britischen Facebook-Faktenchecker von „Full Fact“ waren 2018 Google (mit umgerechnet ca. 250.000 Euro), die Stiftung des Milliardärs und Ebay-Gründers Pierre Omidyar (ca. 125.000 Euro), sowie die „Open Society“-Stiftung des schon erwähnten, politisch alles andere als neutral agierenden Milliardärs George Soros (ca. 80.000 Euro).
Das gleiche Trio gehörte 2018 auch bei den deutschen Facebook-Faktencheckern von Correctiv zu den Top-Finanziers (Google: 100.000 Euro, Omidyar: 640.000 Euro, OSF / Soros: 85.000 Euro). Die Gelder von Google fließen dabei im Rahmen des sogenannten „Digital News Innovation Fund“ (DNI), ein Geldtopf des Konzerns für europäische Medien, aus dem Google in den vergangenen drei Jahren 115 Millionen Euro spendierte, um nach eigenen Worten „dem Journalismus im digitalen Zeitalter zum Erfolg zu verhelfen“.
Zu den Empfängern des Geldsegens gehören neben einigen Start-up-Unternehmern zum großen Teil etablierte Medienhäuser – und das in 29 Ländern Europas. In Deutschland verteilte Google allein 2018 insgesamt mehrere Millionen Euro an Häuser wie den Tagesspiegel, dpa, Dumont, FAZ, Gruner und Jahr, Handelsblatt, Heise, Spiegel Online, taz, Wirtschaftswoche und Zeit Online.
Für Faktencheck-Initiativen im „Kampf gegen Desinformationen“ spendierte Google im vergangenen Jahr 5 Millionen Euro, überall in Europa. Portale wie Correctiv oder „Full Fact“ sind nur einige von vielen. Der Kampf gegen das „Falsche“ wird mittlerweile auf breiter Front geführt.
Social-Media-Konzerne im Informationskrieg
Auch das umstrittene Recherche-Portal Bellingcat, das mit seinen Analysen zu Syrien, der Ukraine oder Russland meist auf Nato-Linie liegt und das von den Leitmedien gern zitiert wird, erhielt 2018 Geld aus dem großen Google-Fördertopf.
Dass der vermeintlich neutrale Kampf gegen „Desinformation“ in hohem Maße politisch aufgeladen ist, wird zudem daran deutlich, dass Facebook seit 2018 nicht nur mit der Nato-nahen Lobbyorganisation Atlantic Council zusammenarbeitet, sondern sich laut geleakten Dokumenten mit umgerechnet über 100.000 Euro auch an der Finanzierung der britischen „Integrity Initiative“ beteiligte, in einer Reihe mit den Zahlungen der Nato, sowie des britischen und des amerikanischen Außenministeriums.
Die „Integrity Initiative“, deren Ziel laut den internen Dokumenten darin besteht, „russische Desinformationen“ und „schädlichen Einfluss“ zu kontern, sowie ein „Netzwerk von Experten, Meinungsführern und Politikern zu knüpfen“, das letztlich „den britischen Einfluss in Nordamerika und Europa nach dem Brexit festigen“ solle, steht britischen Militär- und Geheimdienstkreisen nahe. Ihr Chef Chris Donelly leitete im Kalten Krieg das Zentrum für sowjetische Studien der britischen Armee und war bis 2003 Sonderberater des Nato-Generalsekretärs.
Google und die Geopolitik
Konzerne wie Facebook und Google spielen schon lange eine Rolle in den oft verdeckten Winkelzügen der Geopolitik. Dies zeigen nicht zuletzt einige personelle Überschneidungen zwischen Google und der US-Regierung. So wurde der damalige Google-Chef Eric Schmidt 2016 vom US-Verteidigungsminister zum Vorsitzenden eines Pentagon-Beraterkreises ernannt, eine Position, die er bis heute inne hat.
Sein langjähriger enger Vertrauter Jared Cohen, Chef von Googles Ideenschmiede „Jigsaw“, arbeitete von 2006 bis 2010 im Planungsstab des US-Außenministeriums, erst unter Condoleezza Rice, dann unter Hillary Clinton. In ihren Memoiren lobte Rice ihn persönlich dafür, „Social Media in unseren diplomatischen Werkzeugkasten integriert“ zu haben, was sich bei den Demokratiebewegungen im Mittleren Osten „wunderbar ausgezahlt“ habe.
Julian Assange berichtete schon 2014 in einem ausführlichen Artikel von einem persönlichen Treffen mit Schmidt und Cohen, sowie deren mehr oder weniger verdeckt aktiver Rolle in der US-Geopolitik.
Der Kampf um die Fakten und die Wahrheit ist immer auch ein Kampf um Macht und Deutungshoheit. Neutralität wird gern behauptet, existiert aber, wie geschildert, oft nur an der Oberfläche. Facebook und Google sind längst eingebunden in politische Netzwerke und internationale Kampagnen, denen es weniger um Aufklärung geht, als um Dominanz im neuen Kalten Krieg.
Dieser Artikel erschien am 22.Januar 2019 auf Paul Schreyers Blog.
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.
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