Ein Standpunkt von Dagmar Henn.
Für den letzten Samstag hatte das Bündnis #unteilbar mal wieder zu einem Hochamt aufgerufen; dieses Mal nach Dresden, um das vermeintliche Motto gleich durch die Wahl des Veranstaltungsorts wieder aufzuheben. Denn welchen anderen Zweck verfolgt eine Demonstration des ‘wir sind alle die Guten‘ in den annektierten Bundesländern, als eben damit vorzuführen, dass dort die Bösen hausen.
Vierhundert Organisationen haben aufgerufen, und angeblich kamen 40 000 (1). Die Tatsache, dass die Angaben der Veranstalter genannt werden und nicht die der Polizei, ist wie immer ein untrügliches Indiz dafür, dass dies ein quasi regierungsamtliches Ereignis war. 40 000 geteilt durch vierhundert, das ist nicht wirklich beeindruckend – je aufrufender Organisation sind das gerade mal hundert Personen. Für die zwei geplanten Sonderzüge aus Berlin hat die Zahl der Interessenten wohl nicht ausgereicht; es wurde nur einer. Der schwammige Aufruf, an dessen Text und dessen Richtungslosigkeit sich seit dem letzten Jahr nichts geändert hat, konnte nicht einmal mehr ein Fünftel der Mengen in Bewegung setzten, die sich noch im vergangenen Jahr in Berlin selbst hochleben ließen.
Es ging um die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, heisst es. Ein Zeichen setzen ‘gegen Ausgrenzung und Rassismus’. Ein Zeichen, in dem jeder das sehen kann, was er gerne darin sehen will – leere Signifikante nannten so etwas kluge Leute. Hinter dieses leere Gefäß reihten sich ein der aktuelle Insolvenzverwalter der SPD (2), eine halbe Grünen-Spitze und das gemischte Doppel der Linkspartei. ‘Gegen Ausgrenzung und Rassismus‘, das soll vor allem von der Wahl der AfD abhalten.
Es gibt viele gute Argumente gegen die AfD. Sie ist für die NATO, für mehr Rüstung, für weiteren Sozialabbau und für eine Politik, die die Interessen der Konzerneigner über die grundlegenden Lebensinteressen der Bevölkerungsmehrheit stellt. Nichts davon wird als Argument gegen sie ins Spiel gebracht. Warum? Weil zu viele der Beteiligten an diesem Bündnis all diese Dinge mittragen. Wenn es um die Butter und das Brot geht, um die Renten, die Wohnungsfrage, das öffentliche Eigentum, da sind sie so verwechselbar wie Klone, selbst die Linkspartei. Darum muss der eine Punkt ins Gigantische aufgeblasen werden, der aussieht wie eine Differenz.
Dabei sollte inzwischen dem Letzten aufgegangen sein, was für ein Theater die ‘Willkommenskultur ‘ war. Man lädt sich nicht großspurig Gäste ins Haus, um ihnen dann zu erklären, sie könnten auf der Parkbank schlafen. Vier Jahre, und es gibt noch nicht einmal sinnvolle Ansätze, um die durch die Einladung verschärfte Wohnungsfrage zu lösen. Im Gegenteil – die Klimabewegten fordern sogar einen Rückgang des Wohnungsbaus. Parkbank für Alle?
Nach wie vor scheint die Richtung einfach zu sein – gegen Rechts. Nun, die Bundesrepublik hat mehr rechte Probleme als die AfD. Frauen für minderwertig zu halten, das ist eine rechte Einstellung. Wenn auf Grundlage dieser Einstellung dann Verbrechen begangen werden, dann sind das rechte Verbrechen. Gleiches gilt, wenn jemand seine Nation oder seine Religion für die einzig wahre hält und meint, das legitimiere aggressives Verhalten. Die Kalifatskrieger, die mit ins Land kamen, sind mindestens so rechts wie die AfD, und Frauenverachtung ist kein unpolitischer kultureller Makel, sondern eine politische Position. Nur die eine Variante zu bekämpfen, die andere aber zu verschweigen oder zu ignorieren, ist im günstigsten Fall eine halbe Wahrheit.
Dabei haben wir noch Glück im Unglück. Im Donbasskrieg wie in Syrien sind sich die beiden Versionen nicht nur geistig nah; es gibt Dschihadisten auf der Seite der ukrainischen Nazibataillone (3), und es gibt ukrainische Nazis, die in Syrien (oder früher einmal in Tschetschenien) den Dschihadisten beistehen. Bei dem, was beide am Besten beherrschen, dem Abschlachten Unschuldiger. Verbündete der NATO sind sie beide. Schlimmer noch – sie hat sie ausgebrütet.
Gäbe es einen politischen Willen, dieses zweite rechte Problem zu benennen und zu bekämpfen, es würde der AfD wirklich das Wasser abgraben. Weil sie als Einzige davon profitiert, dass sich die Willkommensritter noch vor den letzten Kopfabschneider werfen und dessen politische Position völlig ignorieren, die sozialen Probleme mit einem Stewardessenlächen bei Seite geschoben werden und die Bezeichnung ‘Nazi’ und ‘Rassist’ in die Menge geworfen wird wie Kamelle beim Kölner Karneval.
Soweit das nicht eine NATO-indizierte Blindheit ist (wie man bei allen zwischen ‘Adopt a Revolution‘ und den Grünen unterstellen kann), steht dahinter eine subtilere Art von Rassismus. Die Vorstellung, der Migrant oder der Flüchtling sei im Stande der Unschuld, daher politisch ein weißes Blatt, und brächte keine eigenen Überzeugungen und gesellschaftliche Konflikte mit, mit denen man sich auseinandersetzen oder die man gar bekämpfen müsse. Um diese Variation über das Thema des ‘edlen Wilden’ aufrechtzuerhalten, bleiben die Augen fest geschlossen. Dabei macht es im wirklichen Leben keinen Unterschied, ob man einen Platz nicht mehr aufsucht, weil dort Glatzköpfe in Bomberjacken oder weil dort von ihrer Überlegenheit überzeugte ‘Männergruppen’ stehen; in beiden Fällen geht von ihnen Gewalt aus und in beiden Fällen steckt dahinter eine menschenfeindliche Gesinnung.
Die Bundesrepublik hat nicht, in Nachfolge des Nazistaats, jahrzehntelang mal mit, mal gegen die USA, die Moslembrüder und andere Gotteskrieger aufgepäppelt (7), um ihnen jetzt, nur weil ein paar eigene Bürger zum Kollateralschaden werden, einen Tritt zu versetzen. Immerhin ist die unverbrüchliche Loyalität zu den eigenen abscheulichen Hilfstruppen ein Wettbewerbsvorteil gegenüber der US-amerikanischen Konkurrenz, die dafür bekannt ist, Verbündete auch im Handumdrehen zu opfern. Mal abwarten, unter welchem Etikett uns demnächst die Rettung der Söldner aus Idlib schmackhaft gemacht werden wird.
Die Moschee, die jüngst durch die Gazetten geisterte (4), weil auf ihrer Webseite das Schlagen von Ehefrauen empfohlen wurde, ist ein Beispiel für diese politische Kontinuität. Das Islamische Zentrum München wurde vom bayrischen Staat für Krimtataren, Bosnier, Albaner und andere moslemische Angehörige von Nazi-Hilfstruppen errichtet, die nach dem Krieg um München angesiedelt wurden. Betreut hat sie von bundesdeutscher Seite anfänglich Gerhard von Mende, der schon unter den Nazis im Amt Rosenberg dafür zuständig war. In den 1950ern arbeitete er im westdeutschen Bundesvertriebenenministerium (5).
Diese Moschee war nun über Jahre hinweg die internationale Zentrale der Moslembrüder (6). Auf bundesdeutschem Boden und mit bundesdeutscher Unterstützung.
Die globale Machtpolitik ist der Elefant im Raum, über den nicht gesprochen werden darf. Das Schweigen darüber hat zur Folge, dass die zweite Variante Rechts (die eingewanderte) nicht als solche benannt werden darf, jeder Blick darauf zum Rassismus erklärt werden muss, und die dritte Variante Rechts (die Freunde und Unterstützer der Kriegspolitik) gar noch mit bunten Fähnchen ‘gegen Rassismus und Ausgrenzung’ mitmarschieren darf.
An diesem Punkt, nicht zwischen einem fiktiven Hellwest und Dunkelost, bedarf es einer Teilung. Zwischen Flüchtlingen und Kopfabschneidern, zwischen NATO-Anhängern und Friedensfreunden, zwischen den Konzernoligarchen, die von den Handlungen ihrer Fußtruppen weltweit und den Kriegen profitieren, und den einfachen Menschen, die die Rechnung dafür begleichen sollen. Was es auf keinen Fall braucht, sind quietschebunte #unteilbar-Aufkleber, die diesen nötigen Bruch überkleistern.
Aber immerhin, die Ware geht schon schlechter als letztes Jahr.
Quellen:
- https://www.sueddeutsche.de/politik/dresden-unteilbar-demonstration-sachsen-1.4574786-0
- https://www.spiegel.de/politik/deutschland/unteilbar-demo-in-dresden-35-000-demonstrieren-gegen-ausgrenzung-a-1283525.html
- https://www.voltairenet.org/article189172.html
- https://www.br.de/nachrichten/bayern/frauen-schlagen-umstrittene-empfehlung-von-islam-gemeinde,RXtiDia
- https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesministerium_f%C3%BCr_Vertriebene,_Fl%C3%BCchtlinge_und_Kriegsgesch%C3%A4digte
- https://www.freitag.de/autoren/gela/moslembrueder-keine-harmlose-gemeinschaft
- siehe Ian Johnson, Die vierte Moschee, Klett-Cotta 2011
Bildquelle: Twitter DieGrünenDresden / Foto:unbekannt
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Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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