Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Wie stellt sich die Situation in Ost-Syrien, nicht aus Sicht einer angreifenden Koalition, dar?
Die Berichterstattung der Medien über den Einmarsch der Türkei nach Nord-Ost-Syrien, in das von den USA mit Hilfe von Frankreich und Großbritannien besetzten Teil Syriens, entspricht der Sichtweise einer Koalition von Mächten, welche Teile eines fremden Staates illegal besetzt halten. So erklärt sich die unisono Heiligsprechung der Kurden und Verdammung der US-Politik, welche die Kurden nun “verraten” würde. Aber gibt es auch andere Sichtweisen, nein ich meine nicht die der Türkei, sondern die Syriens? Wenn ja, wie sieht sie aus.
Vorausgeschickt sei die Erklärung, dass die Selbstbestimmung der Völker eines der wichtigsten Menschenrechte ist, und doch regelmäßig, besonders von den USA und ihren Verbündeten radikal bekämpft wird. Nichts anderes ist der Kampf gegen den legitimen syrischen Staat, mit Hilfe von “Rebellen” und eigenen Streitkräften. Um so lächerlicher ist die Annahme, dass die USA einem “kurdischen Staat” aus Liebe für die Menschenrechte den Weg ebenen würde. Ging es beim Kosovo in erster Linie darum, Jugoslawien zu zerschlagen und eine große NATO- bzw. US-Präsenz näher an der Grenze zu Russland stationiert zu haben, so ging es von Anfang an bei der Zusammenarbeit mit den Kurden alleine darum, Syrien zu spalten und die legitime Regierung zu schwächen oder ganz zu beseitigen. Und das MUSSTE jedem Beobachter klar sein. Deshalb ist die Äußerung des US-Präsidenten Trump, dass die Kurden viel Geld (!wer genau?) und modernste Waffen erhalten hätten, ein Hinweis, dass die Kurden von Anfang an von den USA als Söldner angesehen wurden. Als Proxy-Armee, welche die schmutzige Arbeit verrichten kann, ohne dass dies auf die USA zurückfällt.
In dutzenden von Büchern und vielleicht hunderten von Artikeln konnte man lesen, welche Beziehung die USA zu den Kurden hatten. Es waren lokale Kämpfer, die sich gegen die eigene Regierung gewandt hatten und nun dazu dienten ein Teil von Syrien zu besetzen. Sie wurden dafür mit Waffen ausgerüstet und gut bezahlt, damit sie verhinderten, dass die legitime Regierung die Gewalt über die Ölfelder zurück gewann. Auch viele Kurden hatten das erkannt. Und, obwohl in der politischen Opposition, sich entschlossen, in der Armee und der Arbeit der Regierung gegen den ausländischen Angriff an der Seite der Regierung zu agieren.
Verrat gegen wen?
Schauen wir also weiter aus der Sicht eines Syrers auf den derzeitigen Kampf der Kurden im Osten des Landes. Da war zum Beispiel die Belagerung einer Enklave, die von der legitimen syrischen Regierung und ihrer Armee gegen die Terroristen und die Kurden gehalten wurde. Letztere hatten sich bis zuletzt geweigert, Hilfstransporte dort hin zuzulassen, so dass die gesamte Versorgung über die Luft erfolgen musste. Über Jahre hielten hier die wahren Helden dieses Krieges, eine Enklave gegen den Versuch von Terroristen und Kurden, das Gebiet zu kontrollieren.
So haben sich die Kurden also entschieden, gegen das eigene Land zu kämpfen. Wie nennt man das? Hochverrat vielleicht? Aber noch dazu kooperierten Sie mit fremden Staaten, also mit den USA, mit Großbritannien und Frankreich, um ihnen zu ermöglichen, den Osten Syriens zu besetzen.
Aus Sicht eines Syrers ist der Verrat, den die Kurden an ihrem Land begingen, um so schwerwiegender, als Syrien über Jahrzehnte ein sicherer Zufluchtsort für sie war. Hier waren sie vor der Verfolgung durch die Türkei sicher, und konnten in Frieden leben, so lange sie nicht grenzübergreifende Terrorakte durchführten. Kurden gehörten sogar zu den wenigen Ausnahmen, die der Staat Syrien machte, indem er zuließ, dass illegal eingewanderte Kurden die syrische Staatsangehörigkeit erhalten konnten. Und das von Kurden besiedelte Gebiet hatte schon vor dem Krieg Sonderrechte erhalten, welche andere Regionen noch lange nicht beanspruchen können.
Aber statt Dankbarkeit zu zeigen, begingen die militanten Kurden, welche nicht mit der Regierung, sondern mit den angreifenden Staaten kooperierten, grausame Verbrechen. Sogar der staatliche deutsche Sender Deutsche Welle konnte nicht umhin zu berichten, dass Amnesty den Kurdenkämpfern in Syrien Kriegsverbrechen vorwarf (1).
“Eine in 14 Städte und Dörfer in der Region entsandte Mission habe Verheerungen vorgefunden, die nicht das Ergebnis von Kämpfen gegen die Dschihadistenmiliz ‘Islamischer Staat’ (IS) seien. Vielmehr habe es sich um eine ‘gezielte und koordinierte Kampagne zur kollektiven Bestrafung’ gehandelt. Getroffen werden sollten damit die Einwohner von Dörfern, die angeblich IS-Kämpfern Zuflucht boten oder zuvor vom IS kontrolliert wurden.” (1)
Den kurdischen Kämpfern im Osten des Landes werden ethnische Säuberungen und Morde vorgeworfen. The Australian berichtet, dass 10.000 Araber von Kurden vertrieben wurden (6). The Telegraph berichtet davon, dass Kurden beschuldigt werden, ethnische Säuberungen und Morde zu verüben (7).
Und sie benutzten den Kampf gegen den Terrorismus von IS als Waffe und Hebel um Unterstützung zu erhalten. Worüber allerdings selten bis nie berichtet wird. So findet man Zeugenaussagen, dass Kurden routinemäßig auch Christen in ihrem Gebiet terrorisierten zwar in der rechten US-Seite Breitbart, nicht aber in unseren Medien. Hier gelten sie im Gegenteil als “Retter” der Christen, obwohl genug Zeugenaussagen darauf hinweisen, dass man, oft erfolgreich, versuchte sie zu vertreiben, um eine kurdische Mehrheit zu erhalten, in Erwartung eines Referendums für eine Unabhängigkeit. Nebenbei bleibt unerwähnt, dass die von den USA unterstützten Gruppen auch gezielt Kindersoldaten einsetzen. Bilder von gefallenen Kindersoldaten der YPG findet man im Internet.
“Augenzeugen zufolge wurde Avin zuletzt vor ihrer Schule in der Stadt Darbassiye in al-Hasaka Rif gesehen, bevor Männer, die der Partei der Demokratischen Union (PYD) angehörten, sie in ein schwarzes Auto brachten und wegfuhren.” (10).
Über einen Vorfall, in denen die militanten Kurden verwickelt waren, hatte ich im Januar berichtet (2). Nun gingen sie sogar bis zum Äußersten. Statt die gefangenen IS-Kämpfer der legitimen Regierung zu übergeben, wie von dieser gefordert, drohten sie, diese bei einem Angriff der Türkei frei zu lassen, und scheinen diese Drohung nun auch wahr gemacht zu haben (3). Allerdings wird es von den Medien so dargestellt, als ob dies die Schuld der Türkei wäre. Übrigens wie Alles, was nun in diesem Zusammenhang passieren wird. Hätten die Kurden nicht vorher die Drohung ausgesprochen, hätte man sogar dran glauben können.
Und übrigens: Wenn man in den Nachrichten etwas von 10.000 Gefangenen in den Nachrichten hört, sollte man wissen, dass in den kurdischen Gefängnissen auch Angehörige der legitimen syrischen Armee einsitzen, sowie andere Menschen, welche sich gegen die kurdische Vorherrschaft wandten. Und wenn man die Berichte genau liest, werden aus 750 Geflohenen dann ca. einhundert (14). Und man sollte bei der Berichterstattung über Massenflucht von IS-Gefangenen nicht vergessen, dass dadurch Druck auf Trump ausgeübt werden soll, der erklärte, dass er “entschlossene Maßnahmen” ergreifen werde, sollte ein einziger IS-Terrorist auf Grund des türkischen Angriffs fliehen.
Nation ohne Land?
In Syrien stoßen die Bemühungen der Kurden, einen eigenen Staat auf dem Gebiet Syriens zu entwickeln überhaupt nicht auf Gegenliebe in der Gesellschaft. Der Begriff Kurd würde aus dem persischen Sprachraum kommen, und würde darauf hinweisen, dass es iranische Nomaden waren. Nomaden haben aber keinen eigenen Staat. Sie wandern über Staatsgrenzen hinweg. (4)
Die explizite Aussage Syriens lautet, dass es niemals eine eigene Kultur und ein eigenes Land “Kurdistan” gegeben hätte. Und dass die Teilung der Region durch die Kolonialmächte kein “Kurdistan” unberücksichtigt ließen, weil es dieses nie gab. Das Gebiet, das die Kurden als ihr Kerngebiet beanspruchen, welches in der Türkei liegt, umfasst das ehemalige Armenien. Wir wissen, dass durch den Genozid an den Armeniern, dieses Land aufhörte zu existieren.
Syrien beansprucht für sich, eine der, wenn nicht die älteste Zivilisation der Welt zu sein. Kurden wanderten ein und ließen sich nieder. Sie erhielten die Staatsbürgerschaft und teilweise Sonderrechte einer Minderheit. Allerdings handelt es sich bei den Kurden nicht um eine arabische Ethnie, sondern wie gesagt eine iranische. Viele gegenüber dem Staat loyale Kurden kämpfen mit ihm, neben anderen Ethnien, die in Syrien Zuflucht gefunden haben, gegen die angreifenden Mächte. Nur eben jene militanten, vom Westen zur Unterstützung ihres Regime-Change-Kampfes benötigten militanten Kurden im Osten des Landes nicht.
Die erste große Migrationswelle aus der Türkei begann im Jahr 1926 (5). Nach jeder fehlgeschlagenen Rebellion gegen die türkische Regierung wanderte eine weitere Welle nach Syrien ein. Syrien gewährte Ihnen Schutz und Sicherheit. Und nun wenden sich Teile der Kurden gegen die Hände, die sie beschützten. Das erinnert Syrer an die Geschichte Israels. Auch dort waren es verfolgte Juden, die von den arabischen Einwohnern akzeptiert und angenommen wurden, nur um dann von diesen vertrieben zu werden. Und so verwundert es nicht, dass für die Kurden, die nach einem eigenen Staat auf dem Gebiet Syriens streben, Israel ein Vorbild darstellt (9).
Obwohl über die Jahrzehnte immer mehr Kurden nach Syrien einwanderten, stellen sie immer noch keine Mehrheit in dem Gebiet, das sie für sich beanspruchen. Sie sind die größte Volksgruppe mit ca. 40% Bevölkerungsanteil, aber das nur in ca. 9% Syriens. Wobei seit dem Krieg hunderttausende Kurden nach Syrien illegal einwanderten. … In Deutschland leben übrigens fast so viele Kurden wie in Syrien.
Der Öldiebstahl
Vollkommen unberichtet bleibt in den westlichen Medien auch die Tatsache, dass die Kurden im Osten des Landes, mit Hilfe der NATO-Länder USA, Frankreich und Großbritannien, die Ölquellen besetzten, und das Öl verkauften (8), welches eigentlich dem Wiederaufbau des Landes hätte zugutekommen kommen sollte.
Die Meinung anderer Minderheiten in Syrien
Der Weltrat der Aramäer gab am 9. Oktober eine Presseerklärung heraus, in der die kurdische Separatistenbewegung verurteilt wurde. Die Entscheidung von Trump, sich zurückzuziehen, wurde begrüßt, und man erwarte, dass es der Beginn einer Befriedung des Landes darstellen wird. Der YPG oder PYD wurde vorgeworfen, dass sie genügend Zeit gehabt hätte, den Sicherheitsbedenken der Türkei und der syrischen Regierung zu entsprechen, aber nichts unternommen hätte, um diese auszuräumen.
“Indem sie ihre eigene Agenda verfolgen, haben die nationalistischen PYD/YPG-Kurden unverantwortlich gehandelt und das Leben ihres eigenen Volkes, das Leben von Aramäern und anderen Minderheiten gefährdet! Wann immer ein Dorf, eine Stadt oder eine Region in ihre Hände fiel, hissten sie stolz kurdische Fahnen und nationalistische Symbole auf den Gebäuden und zeigten Bilder des PKK-Führers in Gefangenschaft. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Damaskus die Kontrolle über Nordostsyrien zurückerobern würde oder bis Ankara seine wachsenden Sicherheitsbedenken an seiner Grenze einseitig lösen würde. Dieser Tag ist gekommen, und die aramäische Zivilbevölkerung leidet jetzt unter der Unverantwortlichkeit der YPG.” (11)
Außerdem, so die Presseerklärung, hätten die Kurden stets viel Geld, Waffen und Luftunterstützung von den USA erhalten, ganz anders als die aramäischen, christlichen Gemeinschaften oder die Jesiden. Anmerkung: Das hat wohl etwas damit zu tun, dass diese drei Minderheiten dem syrischen Staat gegenüber loyal geblieben waren. Darüber hinaus fordert der Rat die PKK/PYD/YPG Kurden auf, den bewaffneten Kampf für Autonomie und ein eigenes “Kurdistan” auf dem Gebiet der Aramäer und deren Sprache aufzugeben.
“Unsere Region ist der Kriege überdrüssig geworden. Sie zerstören nur unser gemeinsames Land und das Leben unserer Lieben und Familien und verursachen Feindseligkeiten. Als indigene Völker im Südosten der Türkei und im Nordosten Syriens fordern wir die PKK/PYD/YPG auf, ihren gewaltsamen Unabhängigkeitskampf zu beenden, damit Araber, Kurden, Araber und Türken gemeinsam an einem gegenseitig bereichernden Zusammenleben verschiedener Ethnien, Religionen und Sprachen in der Türkei und Syrien arbeiten können. Ob in der Südosttürkei oder im Nordosten Syriens, die PKK/PYD/YPG-Kurden halten den Schlüssel zu Frieden, Sicherheit und Wohlstand für ihr eigenes Volk und für andere Völker in den Ländern, die wir heute teilen müssen.” (11)
Dazu passt die Aussage des Gouverneurs der syrischen Provinz Hasakeh, Jair Hamoud Mousa:
“Wir werden keine Begegnungen od. Verhandlungen mit separatistischen Gruppen [kurds] führen, die durch ihr heimtückisches Verhalten den türkischen Besatzer brachten und die Aggression dieses Landes provozierten.” (12)
So lange aber in westlichen Ländern der Gedanke an eine Spaltung Syriens und einen eigenen Staat der Kurden auf syrischen Staatsgebiet verfolgt wird, um den syrischen Staat zu schwächen oder zu zerstören, wird es weiter Hardliner geben, welche mit nationalistischen Parolen Menschen dazu bringen, mit Waffengewalt gegen ihre Mitbürger vorzugehen.
Fazit
Natürlich hatte der türkische Präsident sich durch die USA und Katar dazu verlocken lassen, sein Land als Transitland für den Einmarsch der Terroristenarmeen gegen die syrische Regierung zu öffnen. Natürlich hatte er den Terrorismus in Syrien unterstützt. Aber seit dem gescheiterten Militärputsch gegen seine Regierung hat sich viel verändert.
Natürlich ist der Einmarsch der Türkei nach Syrien ein Angriffskrieg, aber unter seltsamen Bedingungen. So hat Russland den Versuch der USA, die Türkei für den Angriff im Sicherheitsrat zu verurteilen, durch ein Veto geblockt, (und gefordert, dass die Resolution die Anwesenheit aller illegal im Land befindlichen Militärs verurteilen soll). Wie kann das sein, da doch Russland stehts betont, dass die Souveränität und die Einheit des Landes wieder hergestellt werden muss, dass es keine Teilung des Landes geben darf? Und wie kommt es, dass die syrische Regierung, außer ein paar markanten Sprüchen, keinerlei Anstalten machte, etwas gegen den Einmarsch zu unternehmen? Kann es sein, dass Russland und Syrien die Türkei als weniger “sesshaft” in Syrien ansehen, als die USA und die anderen NATO-Staaten, die sich dort eingenistet hatten, mit Hilfe der deutschen Streitkräfte übrigens?
Die Frage ist, wer wirklich wen verraten hat. Um mich auf das Glatteis der Vermutungen zu begeben behaupte ich, dass eine korrupte oder blauäugige kurdische Führung bewusst den Bruch mit der syrischen Regierung gesucht hat, obwohl sie wissen musste, dass die USA unter Trump nicht in der Lage und willens ist, einen kurdischen Staat, ähnlich zum Kosovo, auf Dauer zu unterstützen. So verlockend auch die Aussicht war, einen ständigen Konfliktbrennpunkt mitten in dem Widerstands-Halbmond Syrien, Irak, Iran zu haben. Vielleicht hatte man auch auf mehr Hilfe aus Israel gehofft. Jedenfalls war und ist das Spielen mit einem kurdischen Staat in Syrien eine absurde Idee.
Was nicht heißen soll, dass Kurden kein Recht auf die Entwicklung einer eigenen Kultur und Identität hätten, auch innerhalb eines arabischen Staates. Und insbesondere jene Kräfte, welche loyal zum Staat waren, die in der Armee gegen Terroristen kämpfen und sich einem gemeinsamen Interesse der Bevölkerung verpflichtet fühlen, werden mit Sicherheit nach dem Krieg Forderungen stellen und auch erfüllt bekommen. Auch die Fußsoldaten der syrisch kurdischen Unabhängigkeitsträumer werden sicher wieder eingegliedert werden können, wobei allerdings begangene Verbrechen nicht ungesühnt bleiben können. Was wiederum erwartungsgemäß zu einer Fluchtwelle in Richtung Deutschland führen dürfte. Zu den ca. 1 Million Menschen, die sich als Kurden ansehen, dürften also noch einige hinzu kommen. Eine schwere Aufgabe für Staaten, welche die Kurden im Osten Syriens als Hebel für einen Regime-Change missbrauchten.
Was aber verräterisch ist, das sind die vielen Demonstrationen gegen den türkischen Einmarsch in den NATO-Ländern. Wie kommt es, dass sich plötzlich so viele Menschen um Ost-Syrien kümmern, während sie keinen Finger rührten, als die NATO-Mächte diesen Teil Syriens besetzten? Und während nun alle möglichen Sanktionen gegen die Türkei diskutiert werden, war dies niemals der Fall, als klar war, dass die USA, Frankreich und Großbritannien Ost-Syrien und die Ölquellen besetzt halten wollten.
Meine Hoffnung? Die Türkei beendet die Anwesenheit der anderen NATO-Länder in Syrien. Die syrische Regierung entsendet Kurden, die loyal zur Regierung stehen, in den Osten und bietet eine Amnestie für die kurdischen Kämpfer an, während gleichzeitig eine schrittweise Übergabe der Region unter die Kontrolle des syrischen Staates durch die Türkei erfolgt. Was der Beginn einer Aussöhnung zwischen den Staaten ist, verbunden mit einem Verzicht Syriens auf das Einklagen von Reparationszahlungen, und zur Wiedereinsetzung der Vorkriegsvereinbarungen. Danach sorgte Syrien dafür, dass keine grenzüberschreitenden Anschläge in der Türkei verübt wurden, und die Türkei respektiert im Gegenzug die Souveränität und die Grenzen Syriens. Man sollte nicht vergessen, dass Erdogan und Assad vor dem Krieg einmal befreundet schienen. Und in arabischen Ländern ist die Verwirklichung eines solchen Traums durchaus vorstellbar.
Und die Kurden? Sie erhalten einen Minderheitenschutz und eine beschränkte Selbstverwaltung für Gebiete, in denen sie die Bevölkerungsmehrheit stellen. Da dies ein sehr kleiner Bereich sein wird, werden sie ansonsten mit den Veränderungen auf Grund der in Arbeit befindlichen neuen Verfassung vorliebnehmen müssen. Darin wird aber ziemlich sicher auch ein Minderheitenschutz auf kommunaler Ebene enthalten sein.
Wenn nun von Gräueltaten, Morden, Bombardierung von Zivilisten durch die türkische Offensive die Rede ist, wird mit Sicherheit Einiges davon den Tatsachen entsprechen. Denn Erdogan nützt die Islamisten, die er einst gegen Syrien unterstützte, jetzt um seine Soldaten zu sparen. Es ist eine alte Technik von gewalttätigen Regimen, unbequeme Extremisten in Schlachten zu schicken, aus denen möglichst wenige wieder zurückkommen sollen. Allerdings müssen wir uns wieder einmal fragen, wer diesen Krieg begonnen hatte. Denn wer einen Angriffskrieg beginnt, der ist für alle darin entstehenden Kriegsverbrechen mitschuldig. Und der Krieg wurde durch eine Koalition von westlichen NATO-Staaten, der Türkei und von Golfdiktaturen begonnen (13). Und da wird sich Deutschland auch nicht aus der Verantwortung schleichen können.
Letzte Entwicklungen
Während ich am Text dieses Podcast arbeitete, überschlugen sich die Ereignisse. Am Sonntag, den 13. Oktober, sammelten sich syrische Kräfte an der Grenze zu Nord-Ost-Syrien um in die Städte Manbidsch und Ain al-Arab (Kobane) im Nordwesten des Landes einzurücken. Dies wurde in den Medien als “Abwehr der türkischen Aggression” bezeichnet, als Gegenoffensive. Während ich es für ein abgestimmtes Verhalten hielt, um die ursprünglichen Vereinbarungen zwischen den Ländern umzusetzen, welche die Grenzen zwischen den Staaten gegen nichtstaatliche Milizenverbände schützen soll.
Das Vorrücken der syrischen Truppen in der Nacht wurde begleitet von Meldungen, nach denen die Kurden des Nordostens eine Vereinbarung mit der syrischen Regierung geschlossen hatten (19). Sie werden vermutlich als eigene Armee in die legitimen Streitkräfte des Landes integriert. Das würde eine wesentliche Verstärkung bedeuten, welche besonders im Kampf gegen die letzten Reste der Terroristen in Idlib sehr nützlich sein kann.
In der Nacht zum Montag, den 14. Oktober entstand kurz Aufregung, weil US-Truppen den syrischen Truppen den Weitermarsch verwehrten. Aber wie man später vermuten konnte ging es nur darum, den Abzug der schweren Waffen der USA zu sichern, denn am Montagmorgen wurde berichtet, dass die syrische Armee in die Städte einmarschierte und mit Jubel empfangen wurde (14). Mit der Armee kamen erste Hilfsgüter zu den Menschen. Die US-Truppen scheinen sich nach Erbil im Irak zurück zu ziehen (20).
Zwar soll angeblich die USA versichert haben, vorrückenden syrischen Truppen nicht mit Luftangriffen zu begegnen, aber trotzdem werden die Truppen von Luftabwehreinheiten begleitet. Und Berichten zufolge soll die Armee auch bereits die Kontrolle über die Gefängnisse mit ISIS-Insassen übernommen haben.
Derweil behauptet der Außenminister von Luxemburg, Asselborn, dass die NATO nach Artikel 5 verpflichtet wäre, der Türkei zu helfen, sollte sie von syrischen Truppen im Rahmen der Verteidigung Ost-Syriens angegriffen werden (16). Was natürlich Quatsch ist, weil jedes Land für sich entscheiden kann, ob der Artikel greift oder nicht. Aber so wird Panik erzeugt. Aber was noch entlarvender ist: Die Nachrichten berichten am Montag, den 14. Oktober, dass alle NATO-Mitglieder die Türkei für den völkerrechtswidrigen Einmarsch nach Ost-Syrien verurteilen würden. Eine Verurteilung, die man nie gehört hatte, als die USA mit Frankreich und Großbritannien einmarschiert waren.
Und entgegen den Erwartungen der hochdotierten Analysten der Qualitätsmedien, gab es bis zum Montagabend keine Gefechte zwischen syrischen und russischen Truppen auf der einen Seite und türkischen auf der nördlichen Seite. Und meine Vermutung, dass das Vorgehen abgestimmt ist, wird immer konkreter. Sollte sie sich in den nächsten Tagen bestätigen, wäre das wieder einmal eine unglaubliche diplomatische Meisterleistung der russischen Außenpolitiker.
Während die europäischen Regierungen nun in Erwartung der Rückkehr von angeblich mehreren hundert ausländischen, in der Mehrheit französischen, IS-Kämpfer sein dürften, welche aus den Gefängnissen der Kurden “entkommen” (18) sein sollen. Was die NATO-Länder Syrien antaten (17), kehrt nun zu ihnen zurück. Die Zauberlehrlinge haben schon lange die Kontrolle über die Besen verloren.
Quellen:
(1) https://www.dw.com/de/amnesty-wirft-kurdenk%C3%A4mpfern-in-syrien-kriegsverbrechen-vor/a-18777962
(2) https://kenfm.de/isis-toetet-us-soldaten/
(5) https://twitter.com/Partisangirl/status/1182868894307897345
(8) https://www.presstv.com/Detail/2019/03/18/591336/Iraq-Israel-KRG-oil-trade-Turkey-Kurdistan-region https://www.haaretz.com/us-news/trump-accuses-syria-s-kurds-of-selling-oil-to-iran-then-vows-to-protect-them-1.6806810 https://en.farsnews.com/newstext.aspx?nn=13980424000365
(9) http://www.hagalil.com/2018/03/kurdistan-israel/
(10) https://www.refworld.org/docid/5b8660b34.html
(11) https://wca-ngo.org/wca-news/press-releases/623-syrian-christians-trump-ypg-syria
(12) https://twitter.com/CFortunee/status/1183401003447705601
(13) https://www.amazon.de/Deutschlands-Angriffskriege-verlorene-Geist-Grundgesetzes/dp/3864456878
(15) https://twitter.com/i/status/1183546024947830785 https://twitter.com/i/status/1183517668315414528 https://twitter.com/i/status/1183511866678624257 https://twitter.com/i/status/1183694401182285824 https://twitter.com/Ian56789/status/1183695961362702336 https://twitter.com/i/status/1183660634417909760
(17) https://www.rubikon.news/artikel/die-terror-unterstutzer
(18) https://www.nytimes.com/2018/12/20/world/middleeast/isis-syria-prisoner-release-trump.html
(20) https://twitter.com/GDarkconrad/status/1183758926879301632
+++
Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++
Bildquelle: Giannis Papanikos / Shutterstock
+++
KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
+++
Dir gefällt unser Programm? Informationen zu Unterstützungsmöglichkeiten hier: https://kenfm.de/support/kenfm-unterstuetzen/
+++
Jetzt kannst Du uns auch mit Bitcoins unterstützen.
BitCoin Adresse: 18FpEnH1Dh83GXXGpRNqSoW5TL1z1PZgZK
Armenien Genozid Belagerung Christen Donald Trump ethnische Säuberungen IS-Gefangene Islamischer Staat israel Kindersoldaten Kriegsverbrechen kurden Kurdistan Menschenrechte Milizen Minderheiten NATO-Staaten Nomaden Nord-Ost-Syrien Öldiebstahl Proxy-Armee PYD rebellen schuldfrage Selbstbestimmungsrecht separatisten Terroristen türkei US-Politik Verrat waffen YPG
Kommentare (15)