Ein Kommentar von Rüdiger Lenz.
In meinem „Wiener Vortrag“ vor ein paar Jahren fragte mich jemand, wie ich denn sagen könne, dass niemand die Probleme aller Menschen lösen könne. „Das müsse man doch versuchen!“ Ich wandte ein, dass genau diese Vorstellung, dass man die Lösung für alle Menschen finden könne, ein Scheinargument sei, damit man sich selbst nicht auf seine eigenen Problemlösungen aufzumachen braucht. Ich denke, dass das genau der Kern von Erwartungshaltungen ist, die sehr viele Menschen haben und diese dann auf andere Menschen, meistens Menschen in höheren oder verantwortungsvolleren Positionen, stülpen. Es sind schlichtweg Projektionen der eigenen inneren Orientierungen, die wir ungefiltert auf andere Menschen stülpen. Experten und Politiker, so sind wir konditioniert, sollen die Probleme der Welt lösen. Doch ich glaube, dass diese Leute sie fast unisono produzieren, diese Weltprobleme.
Natürlich kann ein Arzt mein Problem lösen, indem er mich operiert, oder ein Fliesenleger kann mein Bad verschönern. Das alles können natürlich andere Menschen tun und mir helfen, mein Problem zu lösen. Doch ist es schier unmöglich, dass andere Menschen mein Leben so zu meinen Gunsten leben können, dass ich mich in meinem Leben wohl fühle. Allein die Vorstellung davon, ist schon ziemlich abgerockt, oder? Kann ich Dein Leben in eine solche Richtung bringen, wie Du es Dir wünschst? Kannst Du mein Leben in eine Richtung bringen, die ich mir vorstelle? Es ist unmöglich. Dein Leben ist Dein Leben. Deine Probleme sind Deine Probleme. Genau deswegen prägte der Philosoph Karl Popper den Satz: „Alles Leben ist Problemlösen“.
Wenn Du dazu stehst, dass nur Du allein es bist, der Dein Leben lebt, und zwar vollumfänglich, dann hast Du auch den Schlüssel gefunden, der Deine Probleme lösen wird. Der springende Punkt ist nur, wie? Wer glaubt, dass er selbst seine Probleme nicht lösen kann, der ist schon weit weg von diesem Gedanken und vielleicht lässt er diesen Gedanken schon gar nicht mehr zu. Und dieser Gedanke, selbst die Lösung aller eigenen direkten Probleme des Lebens zu sein, ist ein vollumfänglicher Gedanke, der Dir die Kraft geben kann, alle Probleme Deines Selbst wirklich zu lösen. Allererste Frage ist nun: Wann bin ich vor meinen Problemen weggelaufen? Wann habe ich gelernt, dass Verdrängung besser ist, als sich dem Problem so zu stellen, dass ich es auch lösen werde?
Oft ist es das Gefühl, nicht genug zu sein, nicht richtig oder stark zu sein. Man fühlt sich alleine mit den Problemen und dieses Alleinsein wird von Jahr zu Jahr stärker. Beziehungen brechen auseinander, die Arbeit wird verloren, Bemühungen werden nicht anerkannt, und immer häufiger werden eigene Gefühle unterbunden oder verdrängt. So geht es vielen Menschen in unserer Gesellschaft. Eigentlich ist genau dieser Vorgang die Abrichtung, die in unserer Gesellschaft mit allen Menschen probiert wird. Bei einigen klappt das dann auch vollumfänglich, bei anderen hingegen weniger. Und bei ganz wenigen klappt das ganz und gar nicht. Bei Letzteren klappt es deswegen nicht, weil sie sich ihrer Würde, ein Mensch zu sein, nicht berauben lassen.
Menschen, denen Lösungen zufallen, sind Menschen, die sich nach ihrer inneren Stärke sehnen und dieser immer mehr vertrauen. Sie tun alles dafür, dieser Stärke nicht beraubt zu werden. Was sie antreibt, das ist der innere Drang nach Wachstum, nach allumfassendem Wachstum. Umgangssprachlich sind sie die Macher. Und dies verleiht Ihnen eine ganz andere Sicht auf diese Welt und ihre Probleme, als sie den meisten Menschen je zu Teil wird. Sie erkennen mit den Jahrzehnten, dass fast alle große Menschen, so gut wie alle politisch denkenden und handelnden Menschen, alle Akademiker und Intellektuellen usw., sich fast ausnahmslos den Symptomen von Problemen widmen, sie selbst aber – aus welchen Gründen auch immer – Probleme immer nach ihren Ursachen durchforsten. Diese Menschen leben, denken, handeln und fühlen mit der Zeit einfach anders, als die meisten Menschen, die in derselben Gesellschaft leben. Sie sind aber deswegen nicht etwa, wie oft behauptet wird, bessere oder klügere Menschen. Das anzunehmen käme einer Selbsttäuschung gleich. Sie befinden sich, folgt man den Bewusstseinszuständen eines Ken Wilber, auf einer integralen Ebene ihres Lebens. Bewusstsein ist keine Leiter. Alle Bewusstseinszustände befinden sich innerhalb eines Kontiuums. So zumindest sehe ich das.
Kommen wir zum ersten Lösungsansatz aller Probleme, die Du jemals haben wirst. Egal ob Psychopath, einfacher Angestellter, Parteifunktionär oder der Chef. Sie allesamt sind oder waren nie das Problem oder deren Lösung. Es ist die Art und Weise wie Du Dich entscheidest, für welche Maßnahmen, Ideen und Schlussfolgerungen Du Deine Energien opferst. Wenn Du glaubst, dass beispielsweise Angela Merkel weg muss, dann gibst Du, und nur Du ganz allein, dieser Idee Deine Energien. Gibst Du Deine Energien freiwillig an andere Dinge ab, dann bist nur Du allein auch dafür verantwortlich. Du kannst, und das ist der klitzekleine Unterschied mit einer enormen Wirkkraft, alle Deine Energien auch Deinen Lebenszielen zuführen, um Dein Leben wirklich selbst zu steuern. Fremdbestimmt oder selbstbestimmt leben, das bestimmst Du ganz allein genau darüber, wohin Du Deine Energien leitest.
Kommen wir zum zweiten Lösungsansatz aller Probleme, die Du jemals haben wirst. Es ist die Vorstellung von Dir selbst, wer Du bist, was Du bist, wozu Du bist, warum Du bist und wo die Reise Deines Lebens hinführen wird oder soll. Du denkst, darauf kann es keine Antwort geben, weil noch nie jemand sie beantworten konnte? Da irrst Du Dich. Denn die Antworten sind überall zu sehen. Aber am Deutlichsten liegen sie in Dir selbst! Jedem in der westlichen Welt, hat man beigebracht, dass der Mensch vor knapp 200.000 Jahren im Erdzeitalter des Holozäns, dem Nacheiszeitalter, zum ersten Mal in Erscheinung trat. Zuvor sind wir Menschen vor ungefähr 4,5 Millionen Jahren als Australopithecinen noch auf den Bäumen geklettert. Von ihm, dem Australopithecus afarensis, der vor rund 4 Millionen Jahren noch lebte, sollen wir abstammen. Das ist anthropologisches Wissen, das uns nichts darüber erzählt, wer wir wirklich sind und woher wir wirklich kommen. Wir stammen nämlich nicht von anderen Arten ab, auch andere Arten existieren nur, weil wir das irgendwann einmal so beschlossen haben und ein Siegel darauf gebrannt haben: „Die Entstehung der Arten“ steht darauf. Es sieht so für uns aus, als sei das hier alles ein Spiel der Arten. Doch in Wirklichkeit ist das bloß ein Blick auf die Oberfläche der Natur. Ein Schein, auf den Darwin und Wallace hereingefallen sind. Beide konnten ja noch nicht in die Zelle hineinschauen.
Die Erde ist knapp 4,5 Milliarden Jahre alt. Vor knapp drei Milliarden Jahren begann sich das Leben auf der Erde zu entwickeln. Dazu entwickelte wer oder was auch immer die Zelle. Sie veränderte sich nur noch ein klein wenig weiter, in dem sie Energiezentren, die Mitochondrien einfügte oder das Verschmelzen zweier Zellen, die Kooperation, einführte. Danach erst entwickelten sich Algen, Pflanzen, Fische, Landtiere und der uns heute bekannte Lebensraum. Ich vereinfache das alles an dieser Stelle sehr und bin mir der Lückenhaftigkeit dieses Textes bewusst. Aus einer einzigen Urzelle erwuchs alles Leben, bis heute. Einfach alles ist aus dieser einzigen Zelle entstanden: das ganze Leben ist allein das Werk ihrer Möglichkeiten. Und damit ist die Zelle und nicht der Australopithecus unsere Lebenslinie, aus der wir entstanden sind. Alles Leben ist dieser Urzelle zu verdanken. Sie ist der Dirigentenstab des Lebens und bestimmt auch über unsere Gene, wie man heute weiß.
Führen wir uns einmal vor Augen, dass diese Urzelle sich immer wieder duplizierte, kleine und große Lebewesen erschuf, komplexe und nicht so komplexe Lebewesen, fleischfressende und blattfressende, schwefelabsorbierende und wasserfilternde Lebewesen. Doch eines, und das ist das Wesentliche für unseren Artikel hier, hat nie geendet: die Übertragung der inneren Information der Zelle auf alle weiteren Zellen, die je auf diesem Planeten gelebt haben. Folglich gab es nie ein Artensterben aus dem heraus das Leben wieder von Anfang an alles hätte neu erfinden müssen. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Informationen, die in jeder einzelnen Zelle Deines Körpers vorhanden sind – und Du hast ungefähr 50 bis 80 Billionen davon – die gesamten Lebensinformationen besitzen, die seit Anbeginn des Lebens auf diesem Planet jemals gelebt hat.
3 Milliarden Jahre gesammelte Information, zusammengepresst in jedem einzelnen homo sapiens. Dazu ein hochkomplex agieren könnendes Gehirn. Und Du glaubst ernsthaft daran, dass man Probleme nicht lösen kann? Bullshit, ganz großer Bullshit ist das! Deine in Dir existierende Natur hat bisher alle Probleme gelöst. Von diesem Problemlösen bist letztlich Du, Ich, ja wir alle hier eine Lösung in Gestalt eines Lebewesens. Alles Leben das es bis heute hierher geschafft hat, ist die beste Lösung aller Probleme, die je existiert haben. Wäre es nicht so, dann wären wir nicht hier.
Jetzt habe ich doch glatt noch etwas vergessen. Ich habe tiefgestapelt! Es wird noch besser. Vor der ganzen Lebensentstehung auf diesem Planeten haben sich vor gut 13 oder 14 Milliarden Jahren Materieteilchen zusammengefunden und Atome geformt. Aus Quantenplasma entstand alles. Auch unsere Zellen, alle Information. Du hast also ein Wissen in Dir, dass 13 Milliarden Jahre Erfahrung und Entstehen in sich birgt. Wir alle sind diese Information in Gestalt von Lebewesen. Und jetzt frage ich Dich vollen Ernstes: Warum gehen wir eigentlich in die Schule? Warum müssen wir eigentlich einen Beruf erlernen? Warum sagt Dir Deine Gesellschaft, was Du zu tun oder zu lassen hast? Warum lassen wir uns das alles gefallen? Denn rechneten wir das alles mal hoch, dann können wir WISSENSCHAFTLICH schon sagen, dass das Leben seit einer langen Zeit als Konserve in uns schlummert. Wir sind das gesamte Leben, die gesamte In-Formation des gesamten Universums. Das ist kein Geschwurbel, keine Esoterik. Das ist wissenschaftliche Erkenntnis und sie ist jedem zugänglich. Klar, das ist ein bisschen pathetisch geschrieben, aber so ungefähr trifft das doch zu. Und warum soll ich dann von mir denken, dass ich keine Probleme lösen kann?
Leben ist Problemlösen. Das ist sein Wesen! Doch wir werden dazu konditioniert, dass nur die Experten Probleme lösen können und wir uns deren Informationen, via Euros, bemächtigen können. Was für ein riesenhafter und allumspannender Betrug! Wir werden über unsere Bildungssysteme dazu konditioniert, in Schubläden zu denken, in der Artenvielfalt den Sinn des Lebens zu erblicken. Doch das ist ein völlig falscher Blick auf das alles hier. Es gibt weder eine Artenvielfalt, noch kämpfen die Arten untereinander um das alles hier. Es ist das Leben selbst, dass sich in allem zeigt und damit alles zusammen Eins ist. Das fällt uns schwer, überhaupt zu denken. Denn um das alles als Eines zu denken, zu begreifen, ist unser Gehirn ja nicht entstanden. Der chinesische Philosoph und Berater Lao Tse nannte das „das Dao“.
Das, was Du fütterst, das wird Dich lenken und leiten. Oft schrecken wir vor uns selbst zurück, vor unserem Tun, in neue Welten einzutauchen. Wir empfinden Unbehagen, weil das Altgewohnte schon so sicher schien. Sicherheit ist uns wichtig. Unsicherheit meiden wir. Daher ist Wandel, daher sind Lösungen oft so schwer, weil sie Neues und damit auch Unsicherheiten in uns hervorholen. Jeder Mensch lebt mit seinen eigenen Frames, spricht in seinen Metaphern und gibt Worten eine spezifische Bedeutung. Diese Konditionierung des eigenen individuellen Lebens ist der Ursprung von Streit und Zweikampf zwischen uns Menschen. Verschwende nicht weiter Deine Energien darauf. Lenke sie auf das, was sich wirklich lohnt. Auf Dein Weiterkommen. Weiterkommen bedeutet jedoch für uns alle, dass wir dorthin gelangen, wo es uns gut oder besser geht. Das aber bedeutet auch, dass ich alles lassen muss, was mich nicht weiterkommen lässt. Was Dir nicht gut tut, das tue niemals auf Dauer. Das scheint mir in dieser Bewegung der Aufklärung, der Demokratie und des Friedens – die unbeachtetste Übung überhaupt zu sein. Loszulassen von allem, was mir nichts bringt ausser Nachteile.
Weiter geht es im zweiten Teil.
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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