Tagesdosis 11.12.2018 – Bahnsteigkarten statt Gelbwesten?

Ein Kommentar von Mathias Bröckers.

Mein Fiat “Punto” kam unlängst ohne Beanstandungen durch den TÜV, nur eine fehlende Gelbweste wurde angemahnt. Die muss ich dringend besorgen – für das Auto, aber auch weil ich das Manifest der Gelbwesten gelesen habe. Anders als in den Medien oft kolportiert gehen die Forderungen der Bewegung weit über einen Stopp der Benzinpreiserhöhungen hinaus – der sechsmonatige Aufschub, den die Regierung dann schnell verkündet hat, wird die Proteste deshalb auch nicht stoppen.

“Abgeordnete Frankreichs, wir übermitteln Ihnen die Direktiven des Volkes, damit Sie diese in Gesetze umsetzen. Abgeordnete, verschaffen Sie unserer Stimme Gehör in der Nationalvaersammlung!” heißt es in dem von den Protestierenden an Parlament und Presse übermittelten Kommuniqué – und wie die Bewegung selbst sind auch ihre Forderungen nicht von Parteien oder NGOs gesteuert, sie kommen nicht von “links” oder “rechts”, sie kommen von unten. Und sind gerichtet gegen eine Regierung und ein Wirtschaftssystem, in dem 20% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben und sich nicht einmal mehr ihre Lebensmittel leisten können.

Der als strahlender Hoffnungsträger gehypte Emmanuel Macron steht nach 18 Monaten Amtszeit so schlecht da wie kein französischer Präsident vor ihm und sein desolater Umgang mit den Protesten wird die Zustimmung weiter sinken lassen. Dass er sich hinsetzt und beginnt, die Direktiven der “Gelbwesten” abzuarbeiten ist bei einem Muster-Zögling der Finanzelite und des Rothschild-Konzerns schwer vorstellbar, denn es widerspricht den Direktiven derer, die ihn als Präsident aufgebaut haben. Weiter Aussitzen und Ignorieren kann Macron die Proteste aber auch nicht – mit der Ankündigung die von ihm abgeschaffte Vermögenssteuer  möglicherweise wieder einzuführen, deuteten sich nun schon weitere Zugeständnisse an. Die “Gelbwesten” zeigen also Wirkung, auch wenn sie in den Medien hierzulande meist nur als randalierende Gewalttäter gezeigt werden. Ihre Forderungen sind in weiten Teilen 1:1 übertragbar und würden auch in Deutschland eine Mehrheit finden – da aber die Deutschen bevor sie revolutionäre Forderungen stellen bekanntlich immer eine Bahnsteigkarte lösen, ist damit nicht zu rechnen.

Schon warnen Linke und Transatl-Antifa vor brauner Unterwanderung der gelben Westen und dass man sich nicht mit ihnen soldiarisieren sollte – wär ja auch noch schöner, Demonstrieren ohne Bahnsteigkarte und Segen aus Brainwashington. Und die Kostüme für die Farbenrevolution werden nicht von irgendwelchen NGOs verteilt, sondern kommen einfach aus dem Kofferraum – das geht ja gar nicht!

Tja, da war der Franzmann dem Teutonen  halt schon immer voraus: wenn er die Faxen dicke hat,  haut er auf den Putz und geht auf die Barrikaden – und überwindet, wie man an den Forderungen des Kommuniqués sehen kann, die Gegensätze zwischen Parteien, Ideologien und Lagern. Wohin der Aufstand führt, ist noch nicht abzusehen; dass er von oben kleingemacht, diffamiert, gespalten werden soll,  ist erwartbar; dass er dennoch weiter geht, bis seine Forderungen abgearbeitet und auf den Weg gebracht sind, kann man nur wünschen. Denn bei den Protestierenden handelt es sich nicht um „Ultralinke“ oder „Ultrarechte“, sondern – wie es der Sicherheitsberater des ehemaligen Präsidenten Sarkozy, Alain Bauer, ausgedrückt hat –  um das „Ultravolk“. Und das unterscheidet sich von den Hiesigen, die völkische Parolen grölen und sich „Volk“ nennen, in einem ganz zentralen Punkt: das „Ultravolk“ in Frankreich macht für die Missstände im Land nicht die Minderheit von Flüchtlingen verantwortlich, sondern die Regierung und den Staat. Es sucht sich keinen wohlfeilen Sündenbock, der noch ärmer und abgehängter ist als sie, sondern richtet sich gegen die Verantwortlichen.  Das „Ultravolk“ tritt nicht nach unten, sondern kämpft gegen oben. Nicht nur die offiziellen deutschen Volksvertreter, sondern alle, die in Deutschland gerne „Wir sind das Volk!“ rufen, sollten dringend davon lernen….

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