Ein Kommentar von Ullrich Mies.
Weite Teile der Bevölkerungen der „westlichen Wertegemeinschaft” nehmen die Herrschaftsfraktionen ihrer Gesellschaften als Krebsgeschwür wahr. In der Konsequenz zerrinnt den Regierungen die Legitimation unter den Händen. Daher betreiben sie zu Lasten ihrer sogenannten Souveräne einen immer größeren Aufwand, um die eigene formale Restlegitimation abzusichern. Dazu ist ihnen jedes Mittel Recht.
Da die Printmedien aus den unterschiedlichsten Gründen — insbesondere jedoch wegen ihres gigantischen Glaubwürdigkeitsverlusts im Nachgang zur Ukraine-Krise — immer weiter an Bedeutung verlieren, haben die Herrschenden das Internet und die alternativen Medien als große Gefahr für sich selbst erkannt. Schaut man sich beispielsweise die Entwicklung der Quartalsauflagen des vom angeblichen „Flaggschiff der Demokratie“ zum NATO-Kampf-Medium verkommenen SPIEGEL(1) der Jahre 2015 bis 2019 an, so schrumpfte die Druckauflage in diesem Zeitraum von 1,031 Millionen (1. Quartal 2015) auf 750.079 (1. Quartal 2019). Das bedeutet einen Rückgang um 27,25 %. Die Lage bei der schon immer transatlantisch positionierten konservativen FAZ sieht nicht viel besser aus, dort ging die Druckauflage von 330.455 (1. Quartal 2015) auf 245.014 (1. Quartal 2019) zurück, also um 25,86 %(2).
Bei der Konzern- und NATO-freundlichen Süddeutschen Zeitung stellt sich der schleichende Schrumpfungsprozess wie folgt dar: von 447.783 (1. Quartal 2015), auf 340.979 (1. Quartal 2019), ein Druckauflagenverlust in Höhe von 23,85 %(3).
Nicht dass die Zeitungsmacher, besser, die Eigentümer der Blätter, aus dem Schrumpfungsprozess ihrer Medien etwas gelernt und ihre politische Ausrichtung korrigiert hätten, nein! Als ideologische Kampfmaschinen des marktradikalen Kapitalismus sowie des US-, NATO- und EU-Imperialismus machen sie so weiter wie bisher. Als russophobe Überzeugungstäter und in Kooperation mit den Politkasten wollen sie den Endsieg des sozialdarwinistischen Elitenfaschismus(4) als Klassenkampf von oben sicherstellen. Sie haben Geld genug und die schrumpfenden Auflagen sind der billig in Kauf genommene Preis dieser Klassenkampfstrategie. Vor allem sind all diese Mainstream-Blätter der Echo-Raum des Herrschaftsdiskurses, in dem die politischen Entscheidungsträger darin bestätigt werden, genau so weiter zu machen, wie bisher — koste es, was es wolle. Um die verheerenden Zustände, in die uns die Herrschaftscliquen geführt haben, als unabwendbares Schicksal erscheinen zu lassen, arbeiten sie daran, die Massen der Tiefenverblödung zu unterziehen und das um seine Privilegien ängstlich besorgte Bürgertum bei der marktradikalen und kriegstreiberischen Stange zu halten. Beim informierten und nicht korrumpierten Segment der Bevölkerung haben die Herrschaftskasten längst jegliche Legitimation verloren. Und darum versuchen sie, mit allen möglichen Zersetzungs- und Denunziationspraktiken ihre Gegner in Schach zu halten, damit diese in der Minderheit und einflusslos bleiben.
Die Mainstream-Medien haben ihre Funktion als Kontrollinstanz der Mächtigen schon lange verloren. Da vom Herrschaftsdiskurs abweichende Meinungen in aller Regel keine Chance haben, in den geschlossenen Echo-Kammern Gehör zu finden, vermuten die Mächtigen ihre Widersacher zu Recht im Internet. Die Herrschenden haben dazu gelernt und begriffen: wesentliche Voraussetzung zur Aufrechterhaltung ihres korrupten, globalisierten, marktradikalen Regimes und ihres demokratiefreien EU-Projekts ist, die Deutungshoheit des Weltgeschehens unter ihrer Kontrolle zu halten. Das funktioniert aber immer weniger, denn im Netz sind tausende Aktivisten den Verbrechen der Herrschaftskasten auf der Spur. Dort werden sie delegitimiert. Und darum haben sie das Internet und die soziale Medien längst als das entscheidende Schlachtfeld der Zukunft auf dem für sie so wichtigen Terrain des information- und cyber-warfare ausgemacht.
Die sozialen Medien sind zu weiten Teilen der Ort, wo den Mächtigen ihre Definitions- und Meinungshoheit abhanden kam. Aufklärer der Extraklasse wie Julian Assange, Edward Snowden, Glenn Greenwald und viele andere sowie deutsche Internet-Medien wie KenFM, Nachdenkseiten, Rubikon, Neue Rheinische Zeitung, Neue Debatte, scharf-links, Linke Zeitung, Labournet, um nur einige zu nennen, werden als Feinde der „westlichen Werteordnung“ in den Dreck gezogen.
Und genau an dieser Stelle kommen die Geheimdienste als Untergrund-Organisationen des anti-demokratischen Tiefen Staates und Hilfsdienste für bedrängte, korrupte Wirtschafts- und Politkriminelle ins Spiel. Die Dienste sollen die weitere Erosion der politischen Legitimation in den westlichen Fassadendemokratien zumindest aufhalten.
Und so ist es kein Wunder, dass beispielsweise der britische Geheimdienst GCHQ Undercover-Denunzianten als Mitarbeiter sucht, um „Gegner online zu frustrieren“(5). Das liest sich in der Annonce des Guardian dann so(6):
„Du bist der Erste, der sieht, was im Trend liegt. Jetzt sei der Erste, der sich uns anschließt.
Von Social Media-Websites bis hin zu Nachrichten-Apps hat das Internet die Art und Weise, wie wir uns verbinden, kommunizieren und verhalten, drastisch verändert. Tatsächlich sind die bisher zwei getrennten Online- und Offline-Welten heute ein und dasselbe. Aber trotz allem gibt es immer noch Menschen auf der ganzen Welt, die das Internet nutzen, um unsere Werte und unsere Sicherheit zu bedrohen.
Um dies zu verhindern, haben wir die Rolle des verdeckten Online-Betreibers geschaffen. Es ist eine Chance, an vorderster Front der verdeckten Online-Fähigkeiten der Nation zu stehen und dein Wissen über alles online zu nutzen, um kriminelle Aktivitäten zu bekämpfen. Möglicherweise unterbrichst du die terroristische Kommunikation, schützt Kinder vor der dunklen Seite des Netzes, verhinderst Cyberangriffe oder frustrierst Gruppen, die versuchen, Einzelpersonen zu radikalisieren. Auch wenn dies wie eine technologische Rolle erscheinen mag, geht es doch eigentlich nur um den Menschen. Über das Verständnis, wie sich Menschen verhalten und was sie antreibt. Also wirst du deine emotionale Intelligenz nutzen, um nationale Bedrohungen abzuwehren. Anschließend arbeitest du mit Menschen im gesamten Team zusammen, darunter Technologen und Verhaltensforscher, um Strategien zu entwickeln, die unsere Gegner stören, abschrecken und frustrieren. Und wir sorgen dafür, dass alles, was du tust, im Rahmen des Gesetzes geschieht.
[…]
Deine Arbeit wird uns nicht nur helfen, unsere Gegner zu stören — sie wird die Menschen im ganzen Land in Sicherheit halten. Aber keine Sorge, es liegt nicht nur an dir. Du wirst von deinem Team ständig unterstützt und du erhältst sogar einen Mentor, der dir die Möglichkeit gibt, deine Cyberfähigkeiten zu erforschen und zu entwickeln. Du lernst auch, wie man Internetbedrohungen und die Bedeutung digitaler Daten erkennt und wie man die verschiedenen Technologien optimal nutzt. […]“
Dem Kommentar zum Telepolis-Artikel „Geheimdienst verhöhnt die (angebliche) demokratische Willensbildung“ kann ich mich nur anschließen. Am 04.07.2019 schreibt „Irwisch”:
„Allen [Trollen, U.M.] gemeinsam ist die große Neigung zu Beleidigungen und Herabsetzungen ihrer Diskussionsgegner. Kein relevanter Artikel entgeht diesen Trollen, die meiner Überzeugung nach größtenteils dafür bezahlt werden, Diskussionen zu stören und zartere Gemüter von der Teilnahme abzuschrecken. Das ist meines Empfindens nach ein äußerst widerwärtiges Verhalten, weil es dazu beiträgt, Menschen zu entmutigen, ihre Ansichten darzulegen.“(7)
Genau darum geht es den Geheimdiensten als Agenturen der Herrschaftscliquen.
Quellen
2 https://www.ivw.eu/aw/print/qa/titel/1056
3 https://www.ivw.eu/aw/print/qa/titel/1221
4 Ullrich Mies, Transatlantischer Elitenfaschismus, Rubikon, 22.02.2019: https://www.rubikon.news/artikel/transatlantischer-elitenfaschismus
5 Albrecht Müller, Geheimdienst verhöhnt die (angebliche) demokratische Willensbildung, Nachdenkseiten 05.07.2019: https://www.nachdenkseiten.de/?p=53042; siehe ferner:
Peter Mühlbauer, Britischer Geheimdienst GCHQ sucht Mitarbeiter, die “Gegner” online „frustrieren“, Telepolis 04.07.2019:
6 https://jobs.theguardian.com/job/6933386/covert-online-operators/; siehe auch:
7 Peter Mühlbauer, Britischer Geheimdienst GCHQ sucht Mitarbeiter, a.a.O.
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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