Ein Kommentar von Bernhard Loyen.
Ein alter Mensch stirbt. Das passiert täglich, weltweit. Manch Mensch stirbt anonym. Viele Menschen sterben in Anwesenheit ihrer Liebsten, im Kreise der Familie. Manch Mensch erhält zusätzliche Aufmerksamkeit durch den gesellschaftlichen Status, ausgehend einer vermeintlich herausragenden Lebensleistung.
Dieser Sonderstatus resultiert aus der Tatsache, wodurch sich der zu Betrauernde in individueller Rückschau hervorgetan hat. Was hat der, bzw. die Verstorbene im Rahmen nachweislicher Funktionen für die Nachwelt hinterlassen, um einer breiteren medialen Betrachtung gerecht zu werden?
Am 30. November 2018 verstarb George H. W. Bush. Ihm widerfuhr ein weltweites mediales Gedenken. Es lässt sich resümieren, annähernd durchgehend positiv wurde die Lebensleistung dieses Mannes reflektiert und vor allem honoriert. Warum ist dem so? Beschränken wir uns auf die Medien in Deutschland und ihrer Reminiszenz an diese Person, den Gentleman-Präsidenten, so die Zeitung Die Zeit am 01.12.2018.
Der Artikel startet mit der inzwischen in hiesigen Medien so beliebten Trivialbetrachtung: Ach, könnte man seufzen, säße nur heute einer wie er im Weißen Haus in Washington. Dann wäre dort statt eines Mannes mit orangefarbener Tolle, wilden Ausfällen und verwirrender Programmatik ein Herr zu sehen. Ein eleganter, gut aussehender Neuengländer, der im Gegensatz zum aktuellen Amtsinhaber auf seine, die 41. Präsidentschaft, vorbereitet war wie kaum einer seiner Vorgänger oder Nachfolger. Und dem gerade wir Deutschen ungeheuer viel zu verdanken haben. (1)
Die erste Information bezieht sich auf den Job als CIA Chef der USA in den Jahren 1976/77. Der Dank der Deutschen basiert auf seiner Rolle im Rahmen der Deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990.
Dazu die Bild: Er war ein Glücksfall für Deutschland (2)
Tagesschau.de erinnert, bzw. informiert: Heute gilt George Herbert Walker Bush unter Historikern als einer der außenpolitisch erfolgreichsten US-Präsidenten. Schon vor seiner Wahl hatte er wichtige außenpolitische Erfahrungen gesammelt: in den 80er Jahren war Bush acht Jahre lang Vizepräsident unter Ronald Reagan. Davor CIA-Chef sowie Botschafter bei den Vereinten Nationen und in China. (3)
Zusammenfassend findet man kaum Hinweise auf negative Aspekte der Person George Bush, senior (Bezugnehmend auf seinen Sohn, den späteren 43. US Präsidenten George W. Bush, junior).
Nun stieß ich am letzten Sonntag, drei Tage nach der Beerdigung Bushs auf eine Trauerbotschaft in der Berliner Zeitung. Sie war großzügiger im erworbenem Format und enthielt folgenden Text: Senat und Abgeordnetenhaus von Berlin trauern um George Herbert Walker Bush. Ich las und lernte, der Verstorbene war Ehrenbürger der Stadt. Der Senat weiß, dass die Berliner_Innen nie den Anteil vergessen werden, den er an der der friedlichen Wiedervereinigung und Einheit Berlins hatte. Der Senat, stellvertretend erwähnt durch Bürgermeister Michael Müller (SPD) und dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses Ralf Wieland (SPD) weiß zudem, dass die Menschen aus diesem Grund in Berlin trauern würden. Mit einem Gefühl eines außerordentlichen Respekts um diesen Staatsmann.
Da muss ich entschieden widersprechen. Ich empfinde keine Trauer, auch keinen Respekt zum Tode von George Bush, senior. Dafür gibt es Gründe.
Am 7. Oktober 1976, dem CIA Dienstjahr von George Bush, senior, explodierte fünf Minuten nach dem Start in Barbados eine kubanische Linienmaschine. Alle 73 Passagiere und Besatzungsmitglieder starben. Aus deklassifiziertem CIA-Material geht im Jahre 2017 hervor, dass es für die US-Behörden als erwiesen galt, dass der Exilkubaner und ehemalige CIA-Mitarbeiter Luis Posada Carriles den Anschlag, dieses Attentat auf das kubanische Flugzeug geplant hatte. (4)
Thema Iran-Contra-Affäre: In den letzten Tagen seiner Präsidentschaft begnadigte Bush sechs Angeklagte in der Iran-Contra-Affäre, darunter den ehemaligen Verteidigungsminister Caspar Weinberger, und zwar am Vorabend von Weinbergers Prozess wegen Meineids und Behinderung der Justiz. Zudem weigerte er sich standhaft auszusagen und behinderte so die Untersuchung. (5)
Es gilt bis heute das Argument der Verschwörungstheorie, wie die tödliche Droge Crack auf den US Amerikanischen Markt gespült wurde. Eine wesentliche Rolle dieses Phänomens spielt US Präsident Ronald Reagan, in leitender Unterstützung seines Vizepräsidenten George Bush, senior. Ich empfehle unbedingt die verlinkte Dokumentation: The Story Of Hip-Hop And The Crack Generation (6). Im September 1989 wandte sich der US-Vizepräsident via Fernsehansprache an die Nation und hielt ein Säckchen mit Crack in die Kamera.(7) Die Droge sei in einem Park gleich gegenüber dem Weissen Haus beschlagnahmt worden. Bush nutzte die Gelegenheit, um eine Erhöhung der Ausgaben für den Drogenkrieg um 1,5 Milliarden Dollar zu fordern:«Wir brauchen mehr Gefängnisse, mehr Gerichte, mehr Staatsanwälte. Recherchen der «Washington Post» ergaben später, dass Bundesagenten den Drogendealer dorthin gelockt hatten.
Erster Irakkrieg: 1992 wurde geschätzt, dass der Golfkrieg von Bush,senior den Tod von 158.000 Irakern verursacht hatte, darunter 13.000 sofortige zivile Todesfälle und 70.000 Todesfälle durch die Schäden an Strom- und Kläranlagen. Die US-Staatsangestellte, die dies publik machte, wurde von ihren Vorgesetzten mit Entlassung bedroht, wegen der Veröffentlichung angeblich «falscher Informationen».(8)
Nun verwies die Traueranzeige in der Berliner Zeitung auf eine vermeintlich historische Rede Bushs. Die Mainzer Rede im Mai 1989.
Zitate: Heute möchte ich nicht nur über unsere gemeinsame Verteidigung, sondern über unsere gemeinsamen Werte sprechen…Zuerst gab es die Vision und damit ein Konzept von freien Völkern, die in Europa und Nordamerika zum Schutz ihrer Werte zusammenarbeiten. Dann wurden die Risiken und Lasten aufgeteilt und der sowjetische Expansionismus realistisch eingeschätzt…Heute übernehmen wir darüber hinaus noch eine gemeinsame Aufgabe – als Partner in einer Führungsrolle. Und natürlich ist diese Führungsrolle fest mit einem weiteren Element verbunden – Verantwortung… Und unsere Verantwortung besteht darin, daß wir vorausschauen und die Verheißungen der Zukunft verwirklichen können. Wir sollten ihnen allen Grund geben, um der Menschheit willen das Wettrüsten einzustellen. Wir müssen uns jedoch auch Herausforderungen außerhalb des traditionellen Bereichs der NATO stellen. Die Grundlage dauerhafter Sicherheit erwächst nicht von Panzern, Truppen oder Stacheldraht. Sie wird auf gemeinsame Werte und Vereinbarungen gegründet, die freie Völker verbinden. (9)
Wenn man fast dreißig Jahre später diese Rede betrachtet, mit dem Wissen der Ereignisse seit 1990, der katastrophalen Entwicklung weltweit, den millionenfachen Ermordungen durch US initiierte Kriege, angefangen in Jugoslawien. Später im arabischen und afrikanischen Raum, der Nato-Osterweiterung, kann man schlicht nur resümieren: Der Mann wusste sehr genau wovon er sprach.
Diesen Rückblick wollte der Berliner Senat nicht erwägen. Er finanzierte für 1695€ (Seite 6,(10)) eine Lobhudelei, unter ungebetener Einbeziehung der gesamten Berliner Bevölkerung. Der Abschlusssatz der Traueranzeige lautet: Berlin wird das Wirken seines Ehrenbürgers nie vergessen und ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Dies sei doch bitte jedem Berliner selbst überlassen.
Quellen:
- https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-12/george-bush-us-praesident-gestorben-nachruf
- https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/ex-us-praesident-george-h-w-bush-gestorben-58759010.bild.html
- https://www.tagesschau.de/ausland/bushgeorge-senior-nachruf-101.html
- https://deutsch.rt.com/nordamerika/60989-freigabe-von-cia-akten-usa-attentat-kuba/
- https://nsarchive2.gwu.edu//NSAEBB/NSAEBB365/index.htmhttps://www.youtube.com/watch?v=f7Jbwcdagfk
- https://www.youtube.com/watch?v=f7Jbwcdagfk
- https://www.youtube.com/watch?v=KjCPX5eQwik
- https://www.watson.ch/international/usa/703081494-kriegsverbrechen-rassismus-behinderung-der-justiz-das-vermaechtnis-von-george-h-w-bush
- http://www.chronik-der-mauer.de/material/178891/rede-von-us-praesident-george-bush-in-mainz-31-mai-1989
- http://www.berliner-zeitung-online.de/exchange/mediadata/BLZ_Traueranzeigen.pdf
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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