Ein Kommentar von Rainer Rupp.
Aus Protest gegen den Massenmord an der irakischen Zivilbevölkerung war heute vor 20 Jahren der hochrangige deutsche Diplomat Hans-Christof Graf von Sponeck von seinem Posten als Leiter des humanitären UNO-Hilfsprogramms im Irak zurückgetreten, auf den er 1998 berufen worden war. Mit diesem verzweifelten Schritt wollte er die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf das von den USA willkürlich durchgesetzte, entsetzliche Leiden der irakischen Zivilbevölkerung aufmerksam machen, eine direkte Folge der von Washington seit dem ersten US-Irak-Krieg 1990/91 betriebenen Wirtschaftssanktionen. Sein Protest war – wie nicht anders zu erwarten – leider vergeblich.
In den Jahren zuvor hatte sich von Sponeck wiederholt für ein Ende der Sanktionen eingesetzt. Ihm ging es darum, die humanitäre Hilfe von der Frage der von Irak geforderten Abrüstung zu trennen. Damit traf er auf scharfen Widerspruch der USA und ihres britischen Schoßhündchens Tony Blair, damals Premierminister Großbritanniens. Stattdessen warfen ihm London und Washington vor, er überschreite seine Kompetenzen. Beide Staaten drängten bei der UNO auf seine Ablösung. Trotzdem wurde von Sponecks Arbeitsvertrag noch kurz vor seinem Rücktritt vom UNO-Generalsekretär persönlich verlängert.
Hans von Sponeck war eine der wenigen, mutigen Stimmen an der Spitze der UNO, die unerschrocken die massenmörderische Sanktionspolitik der USA und Großbritanniens aufgedeckt hat und die Regierungen in London und Washington beschuldigte, mit Leid der Zivilbevölkerung Politik machen zu wollen. Das Ziel der westlichen Kriegstreiber war nämlich, mit den Sanktionen und den menschlichen Tragödien die irakische Gesellschaft zu destabilisieren und den Sturz Saddam Husseins herbeizuführen.
Infolge der irakischen Invasion in Kuwait hatten im August 1990 die USA und Großbritannien im UNO-Sicherheitsrat umfassende Wirtschaftssanktionen gegen Irak durchgesetzt. Deren Auswirkungen trafen weniger den Regierungsapparat von Saddam Hussein. Stattdessen erwiesen sie sich als besonders tödlich für die Bevölkerung. Der größte Killer war das verseuchte Wasser. Denn die angeblich für ihre „humanitäre“ Kriegsführung berüchtigte US-Luftwaffe hatte ganz gezielt die Trinkwasser-Reservoire des Landes zerstört, was für sich allein bereits ein schlimmes Kriegsverbrechen darstellt. Und dann verhinderte Washington über mehr als ein Jahrzehnt ganz gezielt mit Sanktionen den Import von Material, das für die Wiederaufbereitung der Trinkwasseranlagen im Irak notwendig gewesen wäre. Die Folge war, dass wegen des versuchten Wassers vor allem Kinder, Alte und Schwache massenhaft an Krankheiten dahinsiechten.
Der Menschenverachtende Zynismus der „humanitären“ US-Kriegstreiber offenbarte sich exemplarisch am 12. Mai 1996, als in der US-TV-Nachrichtensendung „60-Minutes“ die damalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen und spätere US-Außenministerin Madeleine Albright von der Moderatorin Lesley Steel zur Lage in Irak interviewt wurde. Albright faselte wie üblich von Demokratie, freien Märkten und Menschenrechten, welche die USA dem Irak bringen müssten.
Aber unter Bezugnahme auf einen kurz zuvor veröffentlichten UNO-Bericht, dass in Folge der Sanktionen bereits „eine halbe Million Kinder gestorben“ waren, fragte die Moderatorin „Ist der Preis das wert? Ich meine, das sind mehr Kinder als in Hiroshima.” Albright antwortete: (1) “Ich denke, das ist eine sehr schwierige Wahl, aber der Preis ist es wert.”
Tatsächlich sind 500.000 tote irakische Kinder mehr als fast fünfmal die Gesamtzahl der Toten von Hiroshima. Diese mit der Wirkung von Atomwaffen durchaus gleichzusetzende Sanktionswaffe haben die USA seither noch in vielen anderen Ländern mit tödlichem Erfolg eingesetzt.
Tatsächlich hat keine der in den letzten Jahrzehnten eingesetzten Kriegswaffen mehr unschuldige Menschen getötet als die so harmlos klingenden US-Wirtschaftssanktionen, die gegen alle Länder eingesetzt werden, die sich der Willkür des US-Imperiums nicht unterwerfen wollten. Zu allem Überfluss ist es dem Verbrecher-Regime in Washington dabei stets gelungen, unter Ausnutzung seiner Dominanz in der globalen Finanzwirtschaft und begleitet von entsprechenden Drohungen, selbst widerstrebende Verbündete auf US-Linie zu zwingen und den amerikanischen Sanktionsvorgaben zu folgen.
Dass diese völkerrechtswidrigen, höchst kriminellen US-Erpressungen, kombiniert mit Massenmord an Zivilisten immer noch funktionieren, ohne dass man im Wertewesten einen Aufschrei der Empörung hört, zeigt sich aktuell am Beispiel der Sanktionen gegen Iran, Syrien, Venezuela, Nordkorea, etc.
Zwar hat die angeblich so starke und unabhängige Europäischen Union wegen des US-Sanktionsdiktats gegen Iran protestiert, aber nur verbal. Das lächerliche EU-Programm INSTEX (2), um wenigstens weiterhin den Schein von Handelsbeziehungen mit dem Iran aufrecht zu erhalten, ist so ineffizient, dass es keiner weiteren Erklärung bedarf. Wichtig ist, dass flächendeckend die Wirtschaftseinheiten der EU kriecherisch die Sanktionsbefehle aus Washington penibel befolgen, um den angedrohten, schweren finanziellen US-Strafen zu entgehen, wie sie z.B. im Jahr 2014 Präsident Obama gegen die größte Bank Frankreichs verhängt hatte.
Im Juli 2014 wurde der französische Finanzkonzern “BNP PARIBAS” von der US-Justiz dazu verurteilt, 9 Milliarden US-Dollar Strafe zu zahlen, weil er einige Jahre zuvor westlichen Firmen ganz normale Geschäftskredite in Dollar gegeben hatte, um Exporte nach Cuba und Iran zu finanzieren. Nach französischem und EU-Recht war das absolut nicht strafbar. Die Bank, unterstützt von der französischen Regierung, wehrte sich gegen diese „unfaire“ Praxis Washingtons mit Händen und Füssen. Vergeblich. Am Ende bekannte sich die Bank vor einem US-Gericht schuldig und zahlte die ungeheuer hohe Strafe. Denn die BNP Parisbas hatte keine Alternative, sonst wäre sie vom Zugang zur US-Finanzindustrie und deren internationalen Infrastruktur ausgeschlossen worden, was für sie als global operierende Bank das Ende bedeutet hätte.
Der damalige US-Justizminister Holder lobte die bis dahin höchste Strafe, die je gegen eine ausländische Firma für eine Umgehung der US-Sanktionen verhängt worden war. Tatsächlich sind es hauptsächlich Washingtons Drohungen, die ausländischen Firmen von den US-Finanz- und Warenmärkten auszusperren, welche die internationale Gefolgschaft für die illegalen US-Sanktionen erzwingt. So ist das auch aktuell im Fall Iran:
Durch Washingtons wiederholte Verschärfung der Sanktionen im Laufe des letzten Jahres wurden z.B. urplötzlich alte und kranke Menschen des 80 Millionen Volkes von der Versorgung mit lebensrettenden Medikamenten ausgeschlossen. Denn die drohenden US-Milliardenstrafen hatten ihre „abschreckende Wirkung“ auf die europäischen und asiatischen Pharmakonzerne und auf die Banken, über die die iranischen Zahlungen für die Lieferungen abgewickelt worden wären, nicht verfehlt.
Wie viele Menschen allein infolge dieser fehlenden Medikamente bereits gestorben sind und wie viele Tausende oder Zig Tausende von Unschuldigen in Folge der Sanktionen noch sterben werden, wird in den „Qualitätsmedien“ des doch so „humanitären“ Westens nicht thematisiert. Denn die Massenvernichtungswaffe „Sanktionen“ tötet leise und die Opfer bleiben für die westliche Öffentlichkeit unsichtbar. Die selbsternannten Eliten des scheinheiligen Wertewestens können mit den von ihnen in den betroffenen Ländern mit angerichteten, menschlichen Katastrophen ganz gut leben, solange die Wähler zu Hause nichts von ihren abscheulichen Verbrechen erfahren. Dass das nicht geschieht, dafür sorgen auch hierzulande Heerscharen von willigen Presstituierten der angeblich „freien“ Presse.
Allerdings gibt es in der Gestalt von China und Russland einen Hoffnungsschimmer, dass das doch noch nicht das Ende der Geschichte ist. Das wollen uns zwar Apologeten der „Neuen Weltordnung“ seit fast 30 Jahren weismachen, nachdem 1990/91 der damalige US-Präsidenten George H.W. Bush die gewaltsame, neo-liberale Globalisierung aus der Taufe gehobenen hatte. Aber inzwischen formiert sich auch innerhalb des Westens der Widerstand dank alternativer Medien wie KenFm und Nachdenkseiten oder auch Russia Today oder Sputnik.
Aber zurück zu dem eingangs genannten, menschlich integren, deutschen Diplomaten Hans von Sponeck. Er war für einige Jahre in der UNO unter anderem für das Irak-Programm „Öl-für-Lebensmittel“ verantwortlich. Das erlaubt dem Irak, eine kleine Menge Öl zu ver- und mit dem Erlös Lebensmittel für die Bevölkerung einzukaufen. Dies hat zwar das Leid der Massen etwas gelindert, aber es reichte längst nicht aus, um die Grundbedürfnisse der 22 Millionen Iraker zu decken. Selbst die US-freundliche Organisation „Human Rights Watch“ hatte Anfang des Jahres 2000 den Weltsicherheitsrat zur Aufhebung der meisten gegen Irak verhängten Sanktionen aufgefordert.
Von Sponeck war bereits der zweite Leiter des humanitären UNO-Hilfswerkes für den Irak, der aus Protest gegen die inhumanen Sanktionen zurückgetreten war. Auch sein Vorgänger, der irische Diplomat Denis Halliday, hatte die Sanktionspolitik einer vernichtenden Kritik unterzogen, weil sie unschuldige Menschen massenhaft tötete. Auch der Vertreter des UN-Welternährungsprogramm Doktor Hannush hatte ein Jahr zuvor, 1999, nach einem Besuch im Irak erklärt: “Nach meinen Schätzungen sind seit Einführung des Embargos etwa 1,200,000 Irakis an den Folgen gestorben. Das ist das Äquivalent von 10 leisen Hiroshima-Bomben”.
Auch der ehem. US-Generalstaatsanwalt Ramsey Clark hatte bei einem Besuch im Irak Anfang des Jahres 2000 die Wirtschaftssanktionen gegen den Irak als „die gefährlichsten Massenvernichtungswaffen der Welt“ bezeichnet. (Quelle: Jordan Times, 1/16/00, Autor: Amy Henderson) Clark hatte eine 60-köpfige Delegation angeführt, die für etwa 2 Millionen Dollar Medikamente in den Irak gebracht hatte. Alle amerikanischen Bürger, die an dieser echten humanitären Aktion teilnahmen, riskierten nach amerikanischem Gesetz wegen Embargobruchs eine Strafe von einer Million Dollar und/oder 12 Jahre Gefängnis.
Mutige Menschen wie von Sponeck, Denis Halliday oder Ramsey Clark, die versucht hatten im Irak die menschliche Tragödie zu lindern, sind damals wie heute den Menschenverachtenden „humanitären“ US-Kriegern ein Dorn im Auge. George Bush Senior, als ehemaliger CIA-Chef und US-Präsident quasi von Berufs wegen der Chef-Humanist des westlichen Wertegemeinschaft weilte damals etwa zur gleiche Zeit wie Ramsey Clark in der Golfregion, allerdings auf der US-Air Base „AHMAD AL-JABER“ in Kuwait. Dort besuchte er seine mutigen “Jungs”, die ohne Gefahr für ihr eigenes Leben oder Gesundheit alltäglich ihre Bombenlast über dem wehrlosen Irak abwarfen und dabei bereits viele Hunderte von Zivilisten umgebracht hatten. Dafür lobte sie Bush in höchsten Tönen: “Ich bin ja so froh, hier bei Euch zu sein”, wird Bush von der Nachrichtenagentur AFP zitiert. Und er fuhr fort: “In meinen Augen verrichtet Ihr hier das Werk Gottes”. (Quelle: 19 Jan.2000 AFP, AHMAD AL-JABER AIR BASE, Kuwait)
Dagegen verrichten Leute wie von Sponeck sowohl in den Augen der damaligen US-Regierung wie der heutigen pures Teufelswerk.
Quellen:
- https://www.youtube.com/watch?v=bntsfiAXMEE
- https://www.dw.com/en/eu-mechanism-for-trade-with-iran-now-operational/a-49407662
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.
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Bildhinweis: serkan senturk/ Shutterstock
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