Ein Kommentar von Ernst Wolff.
Die Einwohner der 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind vom 23. bis zum 26. Mai aufgefordert, ihre Stimme für ein neues Europaparlament abzugeben. Politik und Medien werden die Wahl wie immer mit großem Aufwand begleiten und die Teilnahme daran als grundsätzliche Zustimmung zu einer Organisation darstellen, die sich alle fünf Jahre dem Willen der Mehrheit ihrer Bürger unterwirft.
Die Wirklichkeit hinter dieser vermeintlich so demokratischen Fassade sieht anders aus: Wer an der Wahl teilnimmt – ob als Kandidat oder als Stimmberechtigter – der unterstützt nichts anderes als ein höchst aufwändig inszeniertes Spektakel zur Täuschung der Öffentlichkeit.
Die Zukunft Europas wird nämlich nicht in Straßburg entschieden, sondern in Frankfurt und London, und zwar in den Vorstandsetagen von Großbanken, Hedgefonds und EZB. Das Europäische Parlament ist nichts als eine Art Puppentheater für austauschbare politische Marionetten, deren Hauptaufgabe darin besteht, die europäische Öffentlichkeit durch abgekartete Schaukämpfe von den entscheidenden Akteuren und den tatsächlichen Schauplätzen des Geschehens abzulenken.
Das Demokratieverständnis der EU zeigt sich unter anderem darin, dass die Stimmabgabe der Wahlberechtigten weder auf die Zusammensetzung der höchsten Institution der EU, der EU-Kommission, noch auf die Ernennung des Chefs der wichtigsten EU-Bank, der EZB, einen direkten Einfluss hat, da die Bürokraten in diesen Spitzenpositionen nicht gewählt, sondern von den Regierungen der Mitgliedsländer ernannt und vom EU-Parlament nur bestätigt werden.
Wie die EU mit Wahlergebnissen verfährt, die den Interessen der internationalen Finanzelite zuwider laufen, zeigt sich zurzeit in Großbritannien: Dort haben vor 33 Monaten 17,4 Millionen Bürger in einem Referendum für einen Auftritt aus der EU gestimmt – ohne dass die EU bisher einen einzigen Schritt in diese Richtung unternommen hätte.
Großbritannien ist kein Einzelfall: In Griechenland wurde im Juli 2015 ein Referendum über ein von der Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF vorgelegtes Austeritätsprogramm mehrheitlich von der Bevölkerung abgelehnt. Die Antwort der EU: Der griechischen Bevölkerung wurde in den folgenden Jahren das härteste Austeritätsprogramm, das es je auf europäischem Boden gegeben hat, auferlegt.
Ganze Staaten wurden im Zuge der Eurokrise unter die Zwangsverwaltung der von niemandem gewählten Bürokraten der Troika gestellt. Mit Mario Monti und Loukas Papadimos wurden in Italien und Griechenland ehemalige Goldman-Sachs-Banker, die den Wählern als „Technokraten“ präsentiert wurden, als Regierungschefs eingesetzt.
Als sich im griechischen Wahlkampf zur Jahreswende 2014/2015 ein Sieg der austeritätskritischen Syriza-Bewegung abzeichnete, wurde das Land von der EZB kurzerhand mit Billigung der EU von allen Kapitalströmen abgeschnitten.
Nicht weniger undemokratisch geht es in Brüssel zu. Die EU-Hauptstadt ist nicht nur Sitz ihrer Gremien, sondern Heimat einer Vielzahl von Lobbyisten, deren wichtigste Aufgabe darin besteht, politische Entscheidungen zugunsten ihrer Auftraggeber aus der Hochfinanz und der Industrie zu beeinflussen. Organisationen wie zum Beispiel der „Round Table of Industrialists“, ein Verband der einflussreichsten Konzernchefs in Europa, liefern der EU – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – bei der Abfassung von Gesetzen und Richtlinien eigene Vorlagen.
Sollten bindende Richtlinien von der Politik nicht gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen sein – wie zum Beispiel die 2016 eingeführte Ersetzung des Bail-out von insolventen Finanzinstituten durch ein Bail-in – dann werden sie von der EU wie im vergangenen Jahr in Italien einfach ignoriert.
Die EU ist – wie sie bereits vor über 20 Jahren durch ihren Kriegseinsatz in Jugoslawien gezeigt hat – weder das vielgepriesene „Friedensprojekt“, noch ist sie eine Vertretung der Interessen der arbeitenden europäischen Bevölkerung. Sie ist ein Instrument, mit der die internationale Finanzelite ihre Herrschaft über Europa ausübt.
Deshalb ist auch die Besetzung ihres Chefpostens kein Zufall. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verfügte unter allen Kandidaten über die besten Referenzen: Zwanzig Dienstjahre als Finanzminister in Europas größter Steueroase Luxemburg.
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