Wahlkampfgetöse: SPD zaubert Zehn-Punkte-Plan aus der Tasche. CDU und CSU scheint das nicht zu jucken. Hauptsache die Wirtschaft wächst weiter.
von Susan Bonath.
G20 ist vorbei, der Feind im undefinierten linksautonomen »schwarzen Block« verortet, schon läutet die SPD die letzte Runde im Bundestagswahlkampf ein. Ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz steht am Montagmorgen im Zentrum der medialen Berichterstattung. In der SPD-Zentrale, dem Willy-Brandt-Haus in Berlin, hatte dieser ein »Zehn-Punkte-Programm« hervorgeholt. Damit will die SPD Deutschlands »Zukunft gestalten«.
Wie Spiegel online schreibt, stehen im Zentrum des Papiers »mehr Geld für Infrastruktur, weniger befristete Jobs und keine Hilfe für störrische EU-Partner«. Der Staat, so findet Schulz, solle mehr investieren. In schnelle Internetverbindungen zum Beispiel, in Straßen, Schienen, erneuerbare Energien und Bildung.
»Neben der Schuldenbremse brauchen wir eine Mindestdrehzahl an Investitionen«, zitiert das Blatt den Kanzlerkandidaten. Kurz: Der Staat soll keine neuen Schulden aufnehmen und zugleich Firmen, die sich in strukturschwachen Regionen ansiedeln, mit höheren Fördermitteln beglücken.
Mit Industrie und Handwerk will Schulz eine »Investitionsallianz« schmieden. Die Unternehmen sollen »die Herausforderungen der Digitalisierung« besser meistern können. Den Behörden will er Arbeit abnehmen. In fünf Jahren, so heißt es, solle der brave Bürger über ein sogenanntes Deutschlandportal »Formalitäten leicht und unbürokratisch abwickeln«.
Mit einem »Pakt für anständige Löhne« will die SPD die Wirtschaft motivieren, den Boom prekärer Jobs zu dämpfen. Schon »in den ersten 50 Tagen nach meinem Amtsantritt« will der erwartungsfrohe Kandidat das ewig währende SPD-Versprechen von »kostenfreier Bildung von der Kita bis zur Hochschule« angehen. Auch für die Älteren beschwört Martin Schulz gute Zeiten herauf: Seine Partei plane, das Rentenniveau bis 2030 auf dem jetzigen Stand von 48 Prozent zu »stabilisieren«.
Mit EU-Staaten, die nicht genügend Flüchtlinge aufnehmen, kennt die Schulz´ Partei kein Pardon mehr. Diese sollen künftig weniger Geld aus den Töpfen der Europäischen Finanzplanung erhalten. Obwohl durch SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit vorangetrieben, beteuern die Sozialdemokraten, das erklärte NATO-Ziel abzulehnen. Danach hat sich Deutschland verpflichtet, den Militäretat bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes – 62 Milliarden Euro – fast zu verdoppeln.
Kaum ist die neue Katze aus dem Sack, schielt die Presse auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. Was die CDU-Frau an der Spitze wohl dazu sagt? »Nichts«, konstatiert der Tagesspiegel nach ihrem Interview am Sonntagabend mit der ARD. »Merkel verweigert den Wahlkampf«, titelt das Blatt lustlos.
Betrachtet man Angela Merkel ganz unemotional als Mitglied der regierenden Union, ist das natürlich Blödsinn. Seit Wochen tönen CDU und CSU mit künftiger »Vollbeschäftigung in Deutschland«. So nennen die Verwalter des kapitalistischen Systems eine Arbeitslosenquote von unter drei Prozent.
Sind die Statistikfälscher weiterhin so fleißig, erscheint das erklärte Ziel von CDU und CSU durchaus erreichbar. Monat für Monat bejubelt die Bundesagentur für Arbeit sinkende Arbeitslosenzahlen. Dahinter stecken zahlreiche Tricks: Hartz-IV-aufstockende Niedriglöhner, krankgemeldete Erwerbslose und solche,die in Maßnahmen und Ein-Euro-Jobs geparkt sind, werden einfach weg definiert. Fast 2,8 Millionen der 4,43 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Bezieher zählen darum nicht als »arbeitslos«. Mitten im angeblichen »Jobwunder« klettert ihre Zahl seit Monaten. Inklusive Kindern leben 6,4 Millionen Menschen von Hartz IV.
Kurz gesagt: Die Lohnabhängigen sollen weitere Opfer bringen für das deutsche Wirtschaftswunder. Es wirkt bereits: Glaubt man dem heutigen Bericht von Springers Welt online, prognostiziert die Industrie für 2017 ein Rekord-Wachstum von 2,3 Prozent. Diesen Weg der Unionsparteien trägt die SPD seit 2013 mit.
Angesichts der Wahlumfragen stehen alle Zeichen auf Fortsetzung der Großen Koalition. Erfahrungsgemäß landet mehr als die Hälfte alles Gesagten nach der Wahl ohnehin unterm Tisch. Kapitalismus im Endstadium ist halt alternativlos.
Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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