Ein Kommentar von Dirk Pohlmann.
Der Trump-Putin Gipfel hat eine unangenehme Wahrheit zu Tage befördert. Die einzige Supermacht der Welt kann nicht mehr ernst genommen werden. Das ist eine beunruhigende und brandgefährliche Situation. Die treffendste Beschreibung für den augenblicklichen Zustand der USA ist das Bild der losgerissenen Kanone, die bei schwerer See unkontrolliert über das Deck eines Segelschiffes rollt und alles zermalmt, was ihr im Weg steht. Die USA halten sich für „exzeptionell“, als von Gott bestimmt einzigartig und zum Herrschen ausersehen. Aber seit einiger Zeit fürchten die US Eliten den Verlust ihrer absoluten, weltweiten Vormacht, das Zerbröseln der „Full Spectrum Dominance“. Und diese Mischung aus Angst und Größenwahn macht sie zur Gefahr für den Rest der Welt.
Nur einige Stimmen zum Gipfeltreffen von Trump und Putin, den Chefs der mit jeweils 7000 Atomsprengköpfen mit weitem Abstand tödlichsten Atommächte der Welt, von deren Verständigung die Existenz des Planeten abhängt. An dieser Tatsache, dem Zwang zur Verständigung, hat sich auch seit dem Ende des Kalten Krieges nichts geändert. Aber die US Politik und die US Medien fordern jetzt von Trump die totale Konfrontation mit Putin. Sie wollen dem US Präsidenten vorschreiben, dass Diplomatie mit Russland nur noch die Verlautbarung von möglichst wüsten Anklagen sein kann, ein Verhalten, das im Kalten Krieg, als Russland oder genauer die Sowjetunion noch als Supermacht betrachtet werden musste, unvorstellbar war.
Chuck Schumer, der Minderheitsführer der Demokraten im US Senat sagte am Tag des Gipfels, dass die einzige Erklärung für Trumps Verhalten sei, dass Putin gefährliche Informationen über ihn besäße. Trumps Handlungen seien „schändlich“, er habe „die Widersacher der USA gestärkt und gleichzeitig die Verteidigung der USA und ihrer Alliierten untergraben.“
Der selbe Chuck Schumer pries Donald Trump noch vor kurzem für die Verlegung der US Botschaft nach Jerusalem und sagte im März 2018 vor der AIPAC (American Israel Public Affairs Conference), dass es keinen Frieden im Nahen Osten gäbe, weil zu viele Palästinenser und Araber keinen jüdischen Staat im Nahen Osten wollten. Die Juden wüssten aus der Torah, dass ihnen dieses Land gehöre, aber das Poblem sei, dass die Palästinenser und Araber nicht an die Torah glaubten.
John McCain, republikanischer US Senator aus Arizona und Obamas geschlagener Konkurrent um das Präsidentenamt, nannte das Trump-Putin-Gipfeltreffen “eine der schändlichsten Darbietungen eines US Präsidenten seit Menschengedenken.“ „Der Schaden, der durch Trumps Naivität, Egoismus, falsche Annahme der russischen Gleichwertigkeit und seine Sympathie für Autokraten“ entstanden sei, sei schwer einzuschätzen.
John McCain hatte im Dezember 2016 die Schmutzakte des ehemaligen MI6 Agenten Christopher Steele an das FBI übergeben, die vom demokratischen Wahlkampfteam um Hillary Clinton in Auftrag gegeben worden war, angeblich um Trump „vor ungerechtfertigten Verschwörungstheorien zu schützen“ oder den Kreml daran zu hindern, die Vorwürfe zu nutzen, falls sie echt sein sollten.
Mitarbeiter von Christopher Steele ist Pablo Miller, der die Überläufer Alexander Litwinenko und Sergej Skripal als Führungsoffizier bearbeitete. Die Skripal Affäre ist ein weiterer Baustein der „Putin ist der Satan“-Kampagne, die derzeit medial inszeniert wird.
Es gibt noch viele andere durchgeknallte Äußerungen zum Gipfeltreffen, wie „an Hochverrat grenzend“, Trump wolle „sein Vaterland verkaufen“ und er habe sich „vor einem Tyrannen selbst erniedrigt“. Man reibt sich die Augen und Ohren. Die gleichen Medien, die bei Aufdeckung der zahlreichen historischen Verbrechen des US Imperiums stets sofort von „Verschwörungstheorien“ sprechen, lassen keine Möglichkeit aus, Politiker kritiklos wilde Behauptungen als Tatsachen darstellen zu lassen und knüpfen selbst angebliche Beweisketten aus wilden Behauptungen – wenn es nur gegen Trump geht.
Eine Kaskade inszenierter Medienereignisse lief genau zum Gipfeltreffen an, wie zum Beispiel die Anklage gegen 12 russische „Agenten“, die angeblich die US Wahl beeinflusst hatten. Ihnen wird seit 2017 vorgeworfen, unstrittig echte Emails veröffentlicht zu haben, die davon handeln, dass Hillary Clinton ihren Konkurrenten Bernie Sanders mit schmutzigen Tricks aus dem Weg räumen wollte. Mehrere Zeugen haben angegeben, dass die Emails von einem Informanten aus dem Wahlkampfteam Clintons an Wikileaks übergeben wurden, aber US Geheimdienste, die extra Software entwickelt haben, um die Herkunft von Datenlecks zu Täuschungszwecken beliebigen Quellen zuschreiben zu können, berufen sich darauf, dass die Herkunft der Datenlecks nach Russland weise.
Einen Tag vor dem Gipfel wurde jetzt eine 29 jährige angebliche russische Agentin mit Studentenvisum verhaftet. Ihr Vergehen: sie habe im Auftrag eines “hochrangigen russischen Regierungsmitarbeiters“ Zugang zur einflussreichen US Waffenlobby NRA gesucht und zwei mal versucht, „geheime Treffen“ zwischen Putin und Trump zu arrangieren. Was ja eine der Hauptaktivitäten von 29 jährigen Studentinnen ist, wie wir alle wissen: Geheime Gipfeltreffen arrangieren. Und die Schwerkraft zu beseitigen, natürlich.
Wenn man noch einen Nachweis brauchte, dass die US Politik insgesamt, nicht nur US Präsident Trump, hysterisch ist und letztlich nur noch mit psychiatrischen Kategorien beschrieben werden kann – hier ist er.
Wenn man noch einen Nachweis brauchte, dass die US McMedien eine beleidigte Meute sind, die jede Gelegenheit nutzt, um sich an Trump für die miese Behandlung zu rächen – hier ist er.
Die US McMedien hatten ihre Glaubwürdigkeit bereits mit der Veröffentlichung gefälschter Beweise und gelogener Behauptungen im Vorfeld der US Invasion im Irak 2003 auf Hitler-Tagebuch-Niveau minimiert. Jetzt liefern sie eine Berichterstattung, die man nur noch als Kampagnenjournalismus bezeichnen kann.
Und die deutschen Medien folgen. Der Terrorismus und Geheimdienst-Experte sowie stellvertretende Chefredakteur des ZDF Elmar Theveßen sagte anlässlich des NATO Gipfels in einem Kommentar: Trumps Lügen zerstörten das Fundament der NATO. Und das Fundament der NATO sei Vertrauen.
Wie bitte? Welchen Anlass gibt es, dem Angriffskriegsbündnis NATO zu vertrauen, außer wenn man stellvertretender Chefredakteur ist und die NATO-Nähe Garant für die Karriere in den deutschen McMedien ist?
Als Gorbatschow ankündigte, dem westlichen Militärbündnis das schlimmste anzutun, was möglich sei, nämlich ihm den Feind Sowjetunion zu entziehen, war das leider mehr als ein intelligenter Satz.
Die Ankündigung sorgte wirklich für Zukunftsangst in Brüssel. Die Lösung für die unübersehbare Sinnlosigkeit des Fortbestehens der NATO nach der Auflösung des Warschauer Paktes war die Neudefinition der Aufgabe. „Out of Area or Out of Business“ war damals das Slogan. Entweder man verabschiedete sich vom „Verteidigungsbündnis“ und plante zukünftig aggressive Auslandseinsätze zur Machtprojektion der westlichen Führungsmächte, oder man würde überflüssig und abgeräumt. Die NATO musste ein neue Aufgabe für ihr immenses Waffenarsenal finden. Aber gegen diese Idee stand das Völkerrecht und die UNO. Institutionen, zu denen die westlichen Mächte jahrzehntelang Lippenbekenntisse abgegeben hatten und die ihnen jetzt im Weg standen, beim Plan zur Vorherrschaft über den Planeten.
Eigentlich, wenn die Lippenbekenntnisse etwas wert gewesen wären, hätte nach dem Ende des Kalten Krieges erstmals in der Weltgeschichte die Möglichkeit bestanden, eine neue Stufe der Zivilsation zu erreichen. Die UN hätten reformiert werden können und größere Macht bekommen können. Falls die USA es ernst gemeint hätten mit Freedom, Democracy und der Herrschaft des Rechtes. Oder mit Immanuel Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“, die die Bedingungen der Möglichkeit für eine friedliche Welt vorgedacht hatte: Republiken, dass hieß zu Kants Zeiten schlicht: keine Monarchien, also volkssouveräne Staaten, die das interne Gewaltmonopol auf einen Zusammenschluss freier Nationen übertragen hätten. Mit anderen Worten: Militärische Gewalt nicht mehr als politsches Machtinstrument, Krieg nicht mehr als Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln, sondern nur noch als Polizeimaßnahme nach Gerichtsbeschluss, so wie innerhalb eines Staates. Die Herrschaft des Rechts als friedensstiftende Maßnahme.
Aber die USA wollten genau das Gegenteil. Sie sahen sich als Sieger, sie sahen sich als die Guten, die Macht von Gottes Gnaden, und sie wollten herrschen. Alleine. Sie würden die Regeln vorgeben. Paul Wolfowitz formulierte das 1994 in seiner Doktrin, die an die Presse durchgestochen wurde, was heftige Reaktionen erzeugte. Denn Wolfowitz formulierte in brutaler Offenheit, worum es ging, und er warnte auch die Europäer, sie sollten die Vormacht der USA nicht antasten. Mit dem Ende des Kalten Krieges war die Möglichkeit für die USA gekommen, ihre Vorstellung der zukünftigen Welt durchzusetzen. Weltweiter Kapitalismus. Nicht unbedingt weltweite Demokratie, man hatte ja Verbündete wie z.B. Saudi Arabien. Demokratie war nur als Mittel gut, um Länder für den Kapitalismus zugänglich zu machen, wie es die Farbrevolutionen in ehemaligen Ostblockstaaten ermöglichten. Wenn es bereits Kapitalimus gab, war Demokratie nicht nötig. Aber Krieg wurde zum Mittel der Wahl, auch um das sozialistische, neutrale Jugoslawien zu zerschlagen, in verschiedene Kleinststaaten.
Totale Herrschaft war immer das Ziel. In den 80er Jahren hatten republikanische US Politiker und die israelische Rechtspartei Likud bereits an einer gemeinsamen Möglichkeit gebastelt, das Gewaltverbot der Vereinten Nationen und das Völkerrecht zu umgehen. Man hatte den „Internationalen Terrorismus“ als neuen Feind ausersehen, der das möglich machen sollte. Der Kampf gegen den ominösen „Terrorismus“ bot ungeahnte Möglichkeiten, über Ausnahmezustandsregelungen militärisch aktiv werden zu können, damit hatten die Israelis Erfahrung. Wenn es keinen Terrorismus gab, dann musste man ihn ermöglichen. Nach dem 11. September wurde zum ersten Mal der NATO-Verteidigungsfall ausgerufen – und das gesamte Arsenal der juristischen Möglichkeiten in Stellung gebracht, um dem wahren Zweck zu dienen. 911 war -mindestens- ein willkommener Anlass.
Aber welchen Anlass gibt es, der NATO zu vertrauen? Etwa den unendlichen Krieg in Afghanistan nach 911? Afghanistan hat sich zum weltweit bedeutendsten Hauptexporteur von Heroin entwickelt, seit dort die westliche Wertegemeinschaft die Kontrolle ausübt. Je mehr Geld sie für die Bekämpfung des Mohnanbaus bereit stellt, um so mehr Heroin wird produziert, mittlerweile 90% der weltweiten Drogenmenge. Und Frieden herrscht dort nicht.
Welchen Anlass gibt es, der NATO zu vertrauen? Wegen des zusammengelogenen Krieges im Irak, der das Land ins Chaos gestürzt hat, mit über 1 Million Toten?
Wegen des Krieges gegen Libyen, dem vielleicht schändlichsten Angriff überhaupt, der aus dem autoritär regierten Land mit dem höchsten Lebensstandard in Afrika einen unregierbaren Katastrophenstaat gemacht hat? Und der Flüchtlinge erstmals in bisher unvorstellbarer Zahl produzierte? Ein Problem, dass die USA angezettelt haben, dass Europa in unversöhnliche Lager teilt wie kein anderes derzeit. Wolfowitz siegt immer noch.
Soll man der NATO vertrauen, weil sie mittlerweile das Werkzeug ist, um dem Finanzkapital den benötigten freien Zugang zu allen Ländern der Welt zu ermöglichen?
Ist das nicht auch der Grund für den Hass auf Russland? Mit dem durch massive Wahlintervention der USA ermöglichten Sieg von Boris Jelzin und die damit verbundene Zerschlagung der Sowjetunion hatte sich die Finanzmagnaten des angloamerikanischen Raumes erhofft, die ungeheuren Rohstoffvorkommen der ehemaligen UdSSR ihrem System einverleiben zu können. Die neuen Oligarchen wie Chodorkowski waren die nützlichen Helfer. Chodorkowski, als politischer Gefangener Putins bezeichnet, hatte Exxon 40% Beteiligung an seiner Firma Yukos für 25 Milliarden US Dollar angeboten und damit einen an „Hochverrat“ grenzenden Deal vorgeschlagen, den Putin vereitelte. In den USA hätte der Deal unter umgekehrten Vorzeichen nicht verhindert werden müssen. Abgesehen davon, dass er illegal gewesen wäre, niemand hätte so einen Affront gegen die Macht gewagt, weil das den sofortigen sozialen Tod in der Geschäftswelt bedeutet hätte. Mindestens.
Russland ist keine Supermacht mehr. Barack Obama hat Russland als „Regionalmacht“ bezeichnet, um es zu beleidigen. Aber Putin hat die geopolitischen Pläne der USA in Syrien durchkreuzt. Putin hat verhindert, dass Russland komplett in den Herrschaftsbereich der angloamerikanischen Finanzelite eingefügt wurde. Dafür soll er bestraft werden. Politisch, wirtschaftlich, flankiert von Medienkampagnen. Wenn es nötig ist, auch durch einen Anschlag. Auch darüber wurde bereits öffentlich diskutiert.
Die NATO ist kein Verteidigungsbündnis mehr. Sie ist ein angloamerikanisches Bündnis, dass mit Unterstützung ehemaliger Kolonialmächte Angriffskriege plant. Eine Organisation, die auf dem Müllhaufen der Geschichte gehört.
Was ich hier schreibe, ist keine Aussenseitermeinung. Eine Mehrheit der Deutschen möchte einen Abzug der Anglo-Amerikaner aus Deutschland und ein besseres Verhältnis zu Russland.
Aber warum hören wir diese Argumente dann nicht in den freiesten Medien, die Deutschland jemals hatte, Halleluja? Warum führen solche Äußerungen zur Beschäftigungslosigkeit in den deutschen McMedien, während das wahrheitswidrige Lobpreisen der USA immer noch karrierefördernd ist?
Für welche „Öffentlichkeit“ arbeiten unsere Medien eigentlich? Wer ist ihr Kunde? Wer ist ihr König? Welche Macht soll der Empfänger über den Sender haben? Durch welche demokratischen Verfahren entsteht die Macht der Sender? Wer kontrolliert, ob sie ihre Aufgabe erfüllen?
Helsinki ist ein Warnsignal. Aber für ganz andere Gefahren, als die, von denen wir jetzt hören.
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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