Tagesdosis 2.3.2018 – Selbstlose Helfer der Essener Tafel sind Opfer von SPD-Rassismusvorwürfen (Podcast)

Ein Kommentar von Rainer Rupp.

Die widerwärtige Hetze gegen die Essener Tafel und ihre Unterstützer entlarvt Heuchelei und Pharisäertum unserer selbernannten „Polit-Elite“. Diese Scheinheiligkeit tritt besonders stark bei Vertretern der SPD und anderen Parteien zutage, die sich unter dem Mäntelchen angeblich linker politischer Korrektheit auf das hohe moralische Ross schwingen, um von dort gegen die Leute zu hetzen, die vor Ort in den sozialen Brennpunkten die Reste des verblieben Kitts zu bewahren versuchen, der unsere Gesellschaft noch zusammenhält.

Die Nachricht, dass die Essener Tafel aus Kapazitätsgründen momentan keine nichtdeutschen Neumitglieder akzeptiert ist, liegt bereits einige Tage zurück. Da sie das vollkommene Versagen der staatlichen Fürsorgepflicht reflektiert, wäre sie nach der kurzen medialen Empörung über den Rassismus der Essener schon längst im Gedächtnis des Mainstreams entsorgt worden. Wenn da die Fraktionschefin der Linkspartei Sahra Wagenknecht es nicht gewagt hätte, die staatlich verordneten Ursachen dieser schändlichen Situation öffentlich zu thematisieren.

Sofort hagelte es Kritik aus allen Richtungen. Für die Gegner Wagenknechts, in den beiden konservativen, „christlichen“ Unionen, vor allem aber aus der SPD, von den Grünen und aus Teilen ihrer eigenen Partei waren ihre Äußerungen ein gefundenes Fressen. Denn mit etwas Geschick konnten ihre Aussagen zumindest für naive Menschen wie Lieschen Müller und ihren Freund Otto Ahnungslos in die Nähe von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und AfD gerückt werden.

„Streit um Essener Tafel: Wagenknecht zeigt erneut, dass sie bei der AfD besser aufgehoben ist“, titelte z.B. am 25.2. die deutsche Ausgabe der „links-liberal“ firmierenden Hetzpostille Huffington Post. Und am 27. 2. warf ein gewisser Christoph Vandreier vom trotzkistischen „World Wide Socialist Web“ unter dem Titel „Sahra Wagenknecht unterstützt fremdenfeindliche Kampagne“, der Fraktionschefin der Linken im Bundestag vor: “sich an die Spitze einer flüchtlingsfeindlichen Kampagne“ gestellt zu haben, „die die soziale Katastrophe den Schwächsten der Gesellschaft anlastet.“

Was war nun tatsächlich geschehen? Der Grund für die politische und mediale Aufregung war, dass die Essener Tafel einen Stopp für neue „Gäste“ mit ausländischer Herkunft verhängt hat, weil innerhalb der letzten zwei Jahren der Ausländeranteil unter den mittlerweile 6.000 „Gästen“ von 35 auf 75 Prozent angestiegen war. Junge, teils aggressive Flüchtlinge verdrängten – den Aussagen der Tafel-Mitarbeiter zufolge – mit bedrohlichen Haltungen zunehmend die einheimischen Alten und Schwachen, die Rentner und Alleinerziehenden, die alle um die Reste vom Tisch der Konsumgesellschaft immer härter konkurrierten. Mit dem offiziell verordneten und ständig wiederholten Mantra: „Wir schaffen das“ aber ohne ausreichende, zusätzliche finanzielle Mittel für Kosten für die neu Hinzugekommen zu kompensieren, war das Drama vorprogrammiert. Die Leiter der Essener Tafel zogen die Notbremse.

In dieser ausweglosen Situation verfügten die Helfer in Essen die – nota bene – „vorläufige“ Neuaufnahme von Ausländern zu stoppen, denn in Ermangelung zusätzlicher Zuwendungen wäre das auf Kosten der einheimischen Bedürftigen gegangen. Durch die Tatsache, dass Frau Wagenknecht die Entscheidung der Essener Tafel unterstützt hat und stattdessen die eigentlichen Verantwortlichen in der Bundespolitik für die erschreckende, soziale Notlage beim Namen genannt hat, wird sie nun von links bis konservativ der Rechtslastigkeit, der AfD-Nähe oder gar des „Rassismus“ beschuldigt.

Laut Wagenknecht war der Streit um die Tafel in Essen eine Folge der Zerstörung des Sozialstaates sowie der vielen Rentenkürzungen und der Einführung von Hartz IV. “Dass es in einem reichen Land wie Deutschland inzwischen Verteilungskonflikte um den Zugang zu abgelaufenen Lebensmitteln gibt, ist doch der eigentliche Skandal! Nein, es geht ja nicht um bevorzugen, sondern es geht darum, dass nicht ausgerechnet diejenigen, denen es sowieso nicht gut geht, jetzt auch noch die Lasten der Zuwanderung tragen. Und das ist die Konsequenz der Politik der Bundesregierung.”

Erst unlängst hatte Wagenknecht zu Recht beklagt, dass sich die Möchtegern-GroKo-Koalitionäre bei ihren Verhandlungen über alles Mögliche gestritten haben, nur nicht über wirklich wesentliche Fragen, die über die Zukunft der großen Mehrheit der einfachen Menschen in unserem Land entscheiden. Tatsächlich wurden Konzepte gegen die wachsende Altersarmut, gegen die zunehmende Kinderarmut, gegen die sich rasch verbreiternde Kluft zwischen Arm und Reich, gegen die horrende Wohnungsnot, für die Lösung der illegalen Migration, usw. usf. von den GroKo-Koalitionären nicht entwickelt.

Diese brennenden Probleme betreffen die abgehobene, selbst ernannte Polit-Elite nicht. Vor den Wahlen schlagen sie natürlich auch dazu etwas Schaum, aber danach wird das alles am liebsten wieder ganz schnell vergessen. Und wenn dann die Probleme wie in Essen offen zutage treten und nicht mehr ignoriert werden können, dann wird scheinheilig schnell die Rassismus- oder die Extremismus-Keule geschwungen gegen alle, die es wagen, Kritik zu üben. Von diesen heuchlerischen Angriffen wurden sogar die selbstlosen Helfer der Essener Tafel nicht verschont, wie einige nachfolgende Beispiele zeigen.

Der SPD-Sozialpolitiker Karl Lauterbach twitterte z.B.: „Essener Tafel überzeugt nicht. Hunger ist für jeden gleich. Schade, Ausländerhass sogar bei den Ärmsten angekommen“. Und die geschäftsführende Bundessozialministerin Katarina Barley ermahnte die Essener: „Bedürftigkeit muss das Maß sein und nicht der Reisepass“. Die Berliner SPD-Politikerin und Staatssekretärin Chebli ließ per Twitter wissen: „Mir läuft es kalt den Rücken runter. Essen nur für Deutsche. Migranten ausgeschlossen“.

Mit erfrischender Direktheit entlarvt Jens Berger hier auf dem Blog „Nachdenkseiten“ diese ekelige Heuchelei der SPD-Pharisäer. Er verweist darauf, dass „die Tafeln ja nicht aus dem Vollen schöpfen, sondern Missstände verwalten, die von der Politik zu verantworten“ seien. Genau darum sei es „auch besonders schäbig, wenn ausgerechnet die Politiker, die für die katastrophalen Rahmenbedingungen mitverantwortlich sind, sich nun von einem erhobenen moralischen Standpunkt aus als Kritiker eben jener Helfer vor Ort hervortun, die ehrenamtlich die Folgen der gänzlich unmoralischen Politik zu mildern versuchen“. Damit trifft Berger den Nagel auf den Kopf. Weiter im O-Ton Bergers:

„Wie viel intellektuelle Verwahrlosung braucht es, um als SPD-Politiker durch die Blume den Menschen Rassismus vorzuwerfen, die durch ihr zivilgesellschaftliches Engagement die Folgen der Armut lindern, die von eben jenen Politikern selbst massiv verursacht wurde? Ausgerechnet den Mitarbeitern der Essener Tafeln nun Rassismus vorzuwerfen, … ist schäbig und dumm.

Tatsächlich stellen die Ereignisse aus Essen ein Warnsignal dar für die viel beschworene „Stabilität“ in Deutschland, ein Land, in dem wir laut Frau Merkel „gut und gerne leben“. Da konnte die „Wir-schaffend-das – Kanzlerin“ nicht abseits stehen und musste ihren eigenen Senf dazu geben: In einem Interview mit RTL-„Aktuell“ am Montagabend lehnte sie Aufnahmestopps für Ausländer bei den „Tafeln“ als „nicht gut“ ab. „Da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen“, mahnte sie. Zugleich musste die Kanzlerin aber einräumen, dass sie nicht wusste, „wie viele Menschen auf so etwas (wie Tafeln) angewiesen sind“, was auf eine gehörige Portion von gleichgültiger Unwissenheit Merkels bezüglich der sozialen Schlüsselproblem in unserem Land schließen lässt.

Jens Berger hat Recht, wenn er die „Polit-Eliten“ unseres Landes beschuldigt, „die Augen vor den Folgen ihrer Politik zu schließen und nun ausgerechnet auf diejenigen einzuprügeln, die den letzten Kitt unserer Gesellschaft zusammenhalten“. Dieses Verhalten sei „widerwärtig“ und zeuge von einer intellektuellen und moralischen „Verwahrlosung“ dieser so genannten „Eliten“.

Tatsächlich sind im letzten Viertel Jahrhundert infolge der wahnwitzigen, neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik aufeinander folgender Bundesregierungen die einstigen Errungenschaften des Sozialstaates entweder zerstört oder bis zur Unkenntlichkeit deformiert worden. Wenn sich nun in Essen Rentner, Hartz IVer und allein erziehende Mütter in Konkurrenz zu Flüchtlingen und Asylanten um weggeworfenes Essen streiten, dann sehen wir im Moment nur die Spitze eines bis tief in die Gesellschaft reichenden, riesigen Eisbergs. Die jüngste Entwicklung in der inzwischen bettelarm gesparten Großstadtkommune Essen lassen erahnen, was den anderen städtischen Ballungszentren in Deutschland noch bevorsteht.

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