Tagesdosis 21.12.2018 – Ex-SPD-Ministerin – Verfrühter Aprilscherz oder Zynismus pur?

Ein Kommentar von Rainer Rupp.

Von Wahl zu Wahl stürzt die alte Tante SPD immer tiefer ab. Jüngst Umfragen sehen sie inzwischen bei 15 Prozent. Nicht nur an den Wahlurnen macht sich der Schwund bemerkbar, sondern auch bei den Mitgliederzahlen. Neben den politischen Folgen hat diese Entwicklung für die Partei schwerwiegende finanzielle Konsequenzen. Die Einnahmen aus den Wählerstimmen sind dramatisch eingebrochen. Nicht viel besser sieht es bei den schwindenden Mitgliedsbeiträgen aus. Medienberichten zufolge sieht sich die SPD inzwischen mit dem Problem konfrontiert, ihren aufgeblähten Parteiapparat mit immer weniger Mitteln finanziell liquide zu halten. Droht der Partei nun nach dem politischen, auch  nun ein finanzieller Absturz . Der Bankrott droht.

Wer sich wundert, wie die Traditionspartei SPD soweit herunterkommen konnte, der braucht sich nur ihre zunehmend verkommene Führungsmannschaft in den Jahrzehnten seit Willy Brandt anzuschauen. Das begann mit dem Falken Helmut Schmidt, der die Stationierung der hochgefährlichen, nuklearen US-Mittelstrecken Raketen vom Typ Pershing 2 in Deutschland betrieben hatte, über Gerhard Schröder, der wegen seiner erfolgreichen Sozialabbau-Hartz IV-Agenda noch heute von CDU und FDP über den grünen Klee gelobt wird, bis hin zur aktuellen SPD-Führungsmannschaft, angefangen mit dem politischen Leichtgewicht, dafür aber stets hipp geschniegelten Außenminister Heiko Maas, über Finanzminister Olaf Scholz, den Liebesdiener des Großkapitals, bis hin zur schaumschlagenden Vorsitzenden Andrea Nahles.

Sie alle sind einfach total geil darauf, an den Futtertrögen der so genannten „Regierungsverantwortung“ und in Tandem mit dem Kapital gegen die Interessen der kleinen Leute (früher mal Arbeiterklasse) in Deutschland zu regieren. Sich in der Opposition für die Belange der Arbeiter und kleinen Angestellten einzusetzen ist, laut dem ehemaligen SPD-Bonzen Müntefering „Scheiße“ (im Februar 2004). Wes Geistes Kind diese „SPD Eliten“ tatsächlich sind, zeigte jüngst ein Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die frühere SPD-Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Der Titel lautete „Nach 20 Jahren im Bundestag: Brigitte Zypries fängt ganz neu an.“(1)

Der FAZ-Autor Falk Heunemann berichtet über viele Absätze überwiegend sachlich und teils mit bewunderndem Unterton über die vielen Verdienste von Frau Zypries: „Sie hatte in Peking den chinesischen Premierminister getroffen, in Paris mit französischen Ministern über die Zukunft von Opel diskutiert und mit dem Bundeskabinett die Digitale Agenda für Deutschland beschlossen. Sie war die erste Bundeswirtschaftsministerin, davor Bundesjustizministerin, verhandelte als Staatssekretärin die Gehälter für die öffentlich Angestellten und koordinierte jahrelange die Luft- und Raumfahrtpolitik der Bundesrepublik. 38 Jahre im öffentlichen Dienst, 20 Jahre Mitglied der Bundesregierung, zwölf Jahre Bundestagsabgeordnete für die SPD, immer direkt gewählt über die Erststimme.“

Toll! Welche Karriere! Und auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag ist Frau Zypries weiterhin sehr umtriebig. Unter anderem plant sie nun die Gründung eines Unternehmens. „Finanzielle Sorgen“ müsse sich Zypries „nicht machen“, heißt es weiter in dem FAZ-Artikel, „nachdem sie als Bundesministerin rund 18.000 Euro monatlich als Gehalt erhielt, Übergangsgeld kassierte und für die Zukunft mit einer Pension von etwa 10.000 Euro rechnen kann. … Heute, sagt sie, könne sie es sich leisten, Unternehmerin zu werden.“

Allerdings hat Frau Zypries auch ein soziales Herz. Der FAZ-Artikel erzählt weiter: „Ihre Gedanken kreisten immer noch viel um das Thema finanzielle Sicherheit. Allerdings weniger um die eigene, sondern um die von Durchschnittsverdienern, vor allem Frauen, heißt es“. Als Bundesjustizministerin habe sie unter anderem das Unterhaltsrecht für Geschiedene reformiert. „Scheidung ist mit das größte Armutsrisiko“, habe sie damals schon erkannt. Und kaum eine Frau sorge vor. Doch auch viele Männer würden sich viel zu wenig darum kümmern.

Und jetzt kommt der Teil, wo ich misstrauisch wurde und nochmals das Datum des FAZ-Artikels überprüfte. Es geht dabei darum, mit welch grandioser Geschäftsidee für ein Start-up Frau Zypries die zunehmende Altersarmut in unserem Land überwinden will. Da der Artikel aber bereits am 25.10.2018 im Wirtschaftsteil der FAZ erscheinen war, war der 1. April noch weit weg. Dennoch bin ich sicher, dass es dem Leser oder Hörer der nun folgenden Zeilen nicht anders geht als mir. Weiter im O-Ton der FAZ:

„Die Idee zu ihrem Start-up sei ihr dann auf dem ministerialen Flur gekommen, erzählt Zypries. Mit Mitarbeitern habe sie darüber geredet, wie man ohne große Mühen regelmäßig etwas Geld zur Seite legen könne. Und da sei das Gespräch auf die Pfand Bons (für Flaschen und Dosen) und die Treuepunkte in Supermärkten gekommen. „Dafür gibt es zu viele unnütze Prämien“. Sie hätte gern Altersvorsorge statt Teflonpfannen.“

„Ihr schwebt eine App vor, mit der man etwa die Strichcodes der Pfand Bons direkt einliest und dann der Betrag auf ein Vorsorgekonto übertragen wird. …. Wenn diese Kleinbeträge dann angespart würden, sei das weniger mühsam, als wenn man extra einen Fonds-Sparplan oder ein Riester-Produkt studieren und auswählen muss. „Es geht um einen niederschwelligen Einstieg in die Altersvorsorge“, sagt Zypries.“

„Was mit dem gesparten Geld passieren soll, daran tüftelt sie noch. Sie plant dazu eine Zielgruppenbefragung. Ein Tagesgeldkonto wäre sicher und einfach. Reizvoll fände sie aber auch günstige Indexfonds. Die bringen mehr Rendite und könnten den Deutschen vermitteln, dass Aktien per se nichts Schlimmes sind. Deshalb führe sie bereits Gespräche mit Direktbanken, wie sie erzählt.“

Zur Erinnerung: Frau Zypries war fast drei Jahre Mitglied im Kabinett von Bundeskanzler Schröder tätig und hat während dieser Zeit kräftig mitgeholfen, die gesetzliche Rentenversicherung zugunsten privater Banken und Finanzdienstleister zu demontieren. Zur vielgelobten Agenda 2010 gehörte nicht nur eine empfindliche Rentenkürzung über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, sondern auch die Schaffung eines der „der besten Niedriglohnsektoren, die es in Europa gibt“ (Kanzler Schröder 2005 auf dem World Economic Forum in Davos).(2)

Pocht jetzt plötzlich ein soziales Herz in der Brust von Frau Zypries? Es scheint, als ob sie den von ihr mitangerichteten Schaden wieder gut machen möchte. Aber das will sie unverkennbar auf sozialdemokratische Weise. Denn das Grundübel will sie nicht bekämpfen, nämlich die auch von der SPD durchgesetzte, neoliberale Verarmungspolitik der Bundesregierungen der letzten 14 Jahre. Sie setzt sich auch nicht für höhere Löhne und eine Abschaffung von Hartz IV ein. Nein, mit ihrem Hirn-Furz einer Smart Phone -App, um mit dem Erlös eingescannter Flaschenpfand Bons Aktien für ein Vorsorgekonto zu kaufen, verhöhnt sie alle Menschen, die in prekären materiellen Verhältnissen leben.

Der Politikwissenschaftler Frank Graf hat die Initiative von Frau Zypries in dem vierzehntägig erscheinenden Heft „Ossietzky“ treffend zusammengefasst –  „ Ein philanthropisches Meisterstück (3): Zum einen hätten die Durchschnittsverdiener bereits in jungen Jahren einen Anreiz, sich in der für ihr Rentenalter unabdingbaren Zivilisationstechnik des Flaschensammelns zu üben, zum anderen kann die angesparte Summe auf die im Rentenalter zu erwartende Grundsicherung angerechnet werden und so die Sozialkassen entlasten. – Das letzte Pfund, mit dem die einst sozialdemokratische SPD noch wuchern kann, ist das Flaschenpfand.“

Quellen:

  1. https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/wirtschaft/brigitte-zypries-faengt-ganz-neu-an-15854770.html
  2. http://www.gewerkschaft-von-unten.de/Rede_Davos.pdf
  3. http://www.ossietzky.net/24-2018&textfile=4608

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