Ein Kommentar von Dirk Pohlmann.
„Erfüllen Sie unsere Bedingungen oder sie bekommen es mit den großartigsten Sanktionen der Geschichte zu tun“. Das sind die Worte des US Außenministers Mike Pompeo an die iranische Regierung. Iran soll sich 12 Forderungen der USA unterwerfen. Die Betonung liegt auf „unterwerfen“.
All das, nachdem der Iran 2015 in 20 Verhandlungsmonaten mit den USA, China, Russland, Großbritannien, Frankreich, also den UN Sicherheitsratsmitgliedern, sowie Deutschland als Einzelstaat und der gesamten EU einen Vertrag ausgearbeitet und unterschrieben hatte.
Wenn man Jura studiert, hört man von meist konservativen Menschen mit Brillen und Silberhaaren feierlich vorgetragene lateinische Merksätze wie „Pacta sunt servanda“ (Verträge müssen eingehalten werden). Sie gelten seit dem römischen Reich und werden auch in alle Zukunft gelten, so lange die Zivilisation Bestand hat, Amen.
Das mit der Zivilisation ist der Haken bei der Sache. Diese Regel gilt nicht mehr in Trumps USA. Dort heißt die Regel: „Wir unterschreiben nur Verträge mit Verhandlungspartnern, die nicht davon ausgehen, dass wir uns an die Verträge halten. Aber jede Verletzung des Abkommens durch die Vertragspartner ist ein Kriegsgrund.“ Das ist jetzt natürlich etwas plakativ und pointiert ausgedrückt. Was Trump wirklich meint ist: „Ich bin das Gesetz. Was kümmert mich mein blödes Geschwätz von gestern? Will jemand was auf die Fresse?“
Das liegt daran, dass die derzeit in der US-Regierung beschäftigten Republikaner gar keine Konservativen (conservare= bewahren) sind, sondern in der Tradition von Großgrundbesitzern stehen, die nach dem Abschlachten der Indianer und Büffel neue, internationale Tätigkeitsfelder für ihre unternehmerische Weitsicht suchen.
Die Neocons sind keine Konservativen, sondern gewaltverliebte Revolutionäre, die ihre größenwahnsinnigen Weltveränderungspläne nach Irak, Libyen und Syrien (daran wird derzeit noch gearbeitet) jetzt auch im Iran verwirklichen wollen. Nach dem 11. September lief in Washington der Satz um: „Alle wollen nach Baghdad. Richtige Männer wollen nach Teheran.“
Sicher, es gibt auch in den USA ehrenwerte Konservative und friedliche Demokraten, aber leider haben die es in den letzten Jahrzehnten nicht in die US-Regierungen geschafft.
Statt dessen erleben wir jetzt, wie „Amerika wieder großartig gemacht wird“ (Make America great again.) Bis der Arzt kommt. Oder der 3. Weltkrieg.
Oder der tödliche Flugunfall. Eine der wichtigsten Sanktionsmaßnahmen der USA gegen den Iran ist der Luftverkehr. Die iranischen Fluglinien haben uralte amerikanische Flugzeuge, bekommen aber nur selten Ersatzteile. Deswegen kam es im Iran in den letzten 25 Jahren zu über 200 Unfällen und Abstürzen.
Das einzig wirklich große Geschäft, dass eine US Firma mit dem Iran nach dem Vertragsabschluss und der Lockerung der Sanktionen abschließen wollten, war dementsprechend der Verkauf von 110 Boeing Jets im Wert von 20 Milliarden US Dollar an Iran Air und Aseman Airlines. Doch daraus wird jetzt nichts mehr.
Ansonsten haben die USA an Iran 2017 Güter im Wert von 138 Mio US$ ausgeführt und für 63 Millionen US$ importiert. Das entspricht etwa einem Hundertstel des Handelsvolumens mit Kolumbien. Ohne Kokaineinfuhren natürlich.
Wer die US Sanktionen also wirklich zu spüren bekommt, sind neben dem Iran Firmen aus europäischen Staaten, deren Ein- und Ausfuhren 2017 bei etwa 10 und 11 Milliarden Euro lagen. „Europa schlagen und den Iran treffen!“ Das ist clever. Aber behandelt man so „Freunde und Bündispartner“?
Auch ohne die von Pompeo ausgestoßenen pompösen Warnungen der USA an die Europäer, dass die von ihnen erfundenen Sanktionen auch für Vasallenstaaten des Großraumes gelten, sonst… – könnte Airbus nicht an die Stelle von Boeing treten. Denn wo Airbus draufsteht, ist 10% USA drin, Bauteile amerikanischer Fertigung.
Die USA behalten sich seit Jahrzehnten das Recht vor, Ausfuhren von europäischen Gütern in Länder zu verbieten, die ihnen nicht gefallen, wenn darin US Komponenten verbaut sind. Und die Europäer halten sich daran, um die wichtigeren Handelsbeziehungen zu den USA nicht zu gefährden.
Eigentlich wollte Airbus genau wie Boeing große Geschäfte mit dem Iran abschließen: 100 Flugzeuge für 19 Milliarden US$. Auch daraus wird jetzt nichts mehr.
Der Flugverkehr im Iran wird also lebensgefährlich bleiben. Denn außer Boeing und Airbus gibt es keine anderen Hersteller von großen Passagierjets. Wie wir ja alle wissen, erzeugt die Marktwirtschaft wesensgemäß Vielfalt und lebendige Konkurrenz. Genau wie Vollbeschäftigung und steigende Lebensstandards für alle. So wie die westlichen Demokratien weltweit Kriege abschaffen und Frieden bringen.
In Zukunft werden wohl die Chinesen als dritter Anbieter von Verkehrsflugzeugen am Markt erscheinen, was dann aber sicher als „unfairer Handelskrieg“ angeprangert werden muss – und US-Sanktionen nach sich ziehen wird. Denn die USA stehen felsenfest zum Freihandel – solange sie ihn dominieren.
Zu den 12 Forderungen der USA gehört auch, dass die Iraner überhaupt kein Uran mehr anreichern, auch nicht in minimalen Mengen für zivile Zwecke, wie im bisherigen Vertrag vereinbart war. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu wollte jüngst sogar mit einer seiner gefürchteten Präsentationen beweisen, dass der Iran lügt, wenn er sagt, dass er die Atomenergie nur für zivile Zwecke braucht. Er sprach von einem geheimen Atomprogramm der Iraner, das es noch immer gebe, vor einer Folie mit zwei riesigen Wörtern: „Iran lügt“.
Die Israelis haben guten Grund anzunehmen, dass die iranische Regierung lügt, denn genau so sind sie selbst zu Atomwaffen gekommen. Die israelischen Regierungen schworen bis 1967 Stein und Bein, dass niemand in Israel vorhabe, eine Bombe zu bauen. Das Land bräuchte aber dringend Atomenergie, um die Wüste zu begrünen. An dieser Version hielten die israelischen Regierungen fest – bis sie die Atombombe hatten.
Weitere Forderungen der USA sind der Abzug des Irans aus Syrien, die Einstellung der Unterstützung der Hisbollah und die Beendigung der Entwicklung und des Verkaufs von Raketen. An sich lobenswerte Forderungen, wenn es so etwas wie gleiches Recht für alle gäbe, aber das Problem hatten wir ja bereits behandelt. Bei Mike Pompeo klingt das auf trumpisch so: „Wir werden die iranischen Agenten und ihre Schergen überall auf der Welt aufspüren und zermalmen. Der Iran wird nie wieder freie Hand haben, den mittleren Osten zu dominieren.“
Darum geht es. Den Iran als Macht im mittleren Osten auszuschalten. Es ist das gemeinsame Ziel der Allianz von Israel, Saudi-Arabien und den USA.
Die Sanktionen sind nur die Ouvertüre. Es geht wieder einmal um Regime Change. Das Ziel ist klar. 2015 schrieb Trumps Sicherheitsberater John Bolton einen Artikel in der New York Times mit der Überschrift: „To stop the Iranian bomb, bomb Iran (Um die iranische Bombe zu stoppen muss der Iran bombardiert werden): „Die unausweichliche Schlussfolgerung ist, dass der Iran sein Nuklearprogramm nicht verhandeln wird. Noch werden Sanktionen den Aufbau eines umfangreichen und tiefgestaffelten iranischen Waffenarsenals verhindern.“ Die Triade USA, Israel und Saudi-Arabien wird das Ziel Ausschaltung des Irans mit allem Mitteln verfolgen.
Wohin diese Politik führt, ist selbsterklärend. Der römische Lehrsatz „Pacta sunt servanda“ „Verträge müssen eingehalten werden“, war und ist kein moralisches Wort zum Sonntag, kein Appell an die Barmherzigkeit von Regierungen, sondern eine Erinnerung, dass diese Regel kluger Pragmatismus ist, Erfahrungswissen, weil man mit anderen Methoden eher früher als später in Teufels Küche landet.
Anders ausgedrückt: Wenn Sie Kim Jong Un wären, würden sie mit den USA einen Vertrag abschließen, ihre Nuklearwaffen aufgeben und auf die Vertragstreue der USA vertrauen?
Wohin führt diese amerikanische Politik? Welchen Wert werden Verhandlungen und Verträge in Zukunft haben, wenn sie nicht eingehalten werden?
Und wenn Sie Bundeskanzler wären, würde Sie weiter auf eine unipolare Weltordnung unter der klugen und weisen Führung des Welthegemons USA setzen? Oder würden Sie sich langsam auch mal in Russland, China, Indien, Südafrika und Brasilien nach Freunden umschauen?
Quellen
Komplette Rede von Mike Pompeo:
https://www.timesofisrael.com/we-expect-regime-will-come-to-its-senses-full-text-of-pompeo-on-iran-strategy/
Handelsvolumen USA Iran:
https://www.census.gov/foreign-trade/balance/c5070.html
Handel EU Iran:
http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/countries/iran/
Flugzeugverkäufe:
https://abcnews.go.com/International/wireStory/european-businesses-affected-us-sanctions-iran-55037149
Flugzeugunfälle im Iran:
http://thehill.com/blogs/congress-blog/foreign-policy/215406-sanctions-cause-iranian-airplane-crashes
Wie Israel zur Bombe kam:
http://www.mepc.org/israel-and-bomb https://consortiumnews.com/2016/09/11/how-israel-stole-the-bomb/
Bolton:
https://thinkprogress.org/scariest-things-john-bolton-said-1d7911538261/
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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