Ein Kommentar von Mathias Bröckers.
Vergangene Woche hat der Bundestag die Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten beschlossen. Dieser soll künftig ressortübergreifende Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung von Antisemitismus koordinieren und für aktuelle und historische Formen des Antisemitismus sensibilisieren.
So sieht es ein gemeinsamer Antrag von Union, SPD, FDP und Grünen vor, der die Notwendigkeit eines solchen Beauftragten unter anderem mit der Gefahr eines durch Zuwanderung erstarkenden Antisemitismus begründet. Neben der neuen Stelle werden weitere Maßnahmen vorgeschlagen, etwa Ausländer, die zu antisemitischem Hass aufrufen, bevorzugt abzuschieben. Auch die AfD-Fraktion hat dem Antrag zugestimmt, die „Linke“ hat sich aus Protest enthalten, weil sie bei der Ausarbeitung des Antrags nicht beteiligt worden ist. Die Union hatte darauf gedrängt, „extreme“ Parteien bei der Abfassung auszuschließen und damit das nicht nach einer „Lex AfD“ aussah durfte auch die Linke, die den Antrag mitgetragen hätte, nicht dabei sein.
In welchem Ministerium die neu geschaffene Stelle angesiedelt wird ist noch unklar, ebenso wie die Person, die sie besetzen wird. Davon wird natürlich abhängen, was ein Bundesbeauftragter in dieser Position bewirken kann. Aufrufe zu rassistischem Hass und Gewalt fallen ja auch jetzt schon unter das Strafrecht, ebenso wie die öffentliche Leugnung des Holocausts; auch bisher schon können verurteilte Straftäter ohne deutsche Staatsbürgerschaft leichter abgeschoben werden als ihre gesetzestreuen Landsleute. Was der neue Funktionsträger da zusätzlich tun soll und welche „Maßnahmen“ ergriffen werden sollen, um den Judenhass einzudämmen, ist ebenfalls noch offen – und auch wenn es grundsätzlich gut ist, wenn eine Regierung einen Posten schafft, der gegen Antisemitismus vorgehen will, ist die einstimmige Resolution des Parlaments nur klassische Symbolpolitik. Wie auch das selbst gemalte Israel-Fähnchen, das im letzten Jahr bei einer Demo am Brandenburger Tor von einigen Jugendliche angezündet wurde und das jetzt sämtliche Medien-Veröffentlichungen zu dem neuen Bundesbeauftragten begleitet.
Soll dieser jetzt etwa dafür sorgen, dass das Verbrennen von Fahnen strafbar wird ? Dass die vermutlich palästinensischen Demonstranten nach Donald Trumps Provokation, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, vor dem Brandenburger Tor ein Israel-Fähnchen verbrannten, war und ist nichts Illegales. Das Verbrennen von Fahnen ist in Deutschland erlaubt. Nur bei der heimischen Flagge, die als Staatssymbol unter besonderem Schutz vor Verunglimpfung steht, macht das Gesetz eine Ausnahme. Ansonsten dürfen alle Fahnen der Welt – sofern sie nicht an offiziellen Gebäuden, Botschaften oder dergleichen hängen – nach Belieben abgefackelt werden. Auch dies ist ein symbolisches Ritual, das von politischen Demonstranten ebenso gerne durchgeführt wird wie von Fußballfans.
Dass Fahnen verfassungswidriger Organisationen, allen voran die Symbole des Dritten Reichs, in Deutschland nicht geduldet werden, ist nachvollziehbar und vernünftig, das rituelle Verbrennen von Flaggen aber sollte um des liberalen Rechtsstaats willen weiter erlaubt bleiben – auch wenn es sich um die israelische Flagge handelt.
Zumal zum 1. Januar 2018 gerade der Paragraph 103 des Strafgesetzbuchs gestrichen wurde, der die „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ unter Strafe stellte. Anlass für die Abschaffung des unzeitgemäßen Paragraphen war die Klage des türkischen Präsidenten Erdogan, der sich von einem obszönen Gedicht des ZDF-Kabarettisten Böhmermann beleidigt fühlte. Auf Vertreter ausländischer Staaten darf also laut Gesetz aus allen satirischen Rohren gefeuert werden – auch wenn es sich um den israelischen Präsidenten handelt.
Oder müsste ein Schmähgedicht, das Bibi Nethanjahu irgendwelchen Ziegenficker-Schweinkram anhängt, jetzt vom Antisemitismusbeauftragten geahndet werden ? Oder der nächste Auftritt Roger Waters’ von Pink Floyd, weil sich der für die BDS-Kampagne, den Boykott israelischer Produkte, einsetzt ? Wo hört notwendige Kritik an der völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik Israels auf und fängt einzudämmender Antisemitismus an ? Ist es okay, die jüngsten israelischen Gesetze zur Eheschließung zwischen jüdischen und arabischen Partnern als „rassistisch“ zu bezeichnen, oder ist das schon Judenhass ? Wenn das Existenzrecht Israels aus nachvollziehbaren Gründen zur Staatsräson Deutschlands gehört, ist es dann antisemitisch, auf den Landesgrenzen dieser Existenz zu bestehen und die Einhaltung des Völkerrechts zu fordern ?
Ein Bundesbeauftragter, der mehr tun will als mit ernstem Gesicht Phrasen zu verlautbaren, hat einen langen Fragenkatalog abzuarbeiten. Notwendig wäre das in der Tat, denn der Dissens (und der Hass) ist auf diesem Feld extrem – dumpfer Antisemitismus in der uralten Tradition der Verfolgung jüdischer Minderheiten auf der einen Seite, und auf der anderen ein rasender Philosemitismus, der mit Blindheit für die aktuelle Apartheid gegenüber der palästinensischen Minderheit geschlagen ist. Dazu eine rechts-zionistische Regierung in Israel, die jede Kritik von außen grundsätzlich als Antisemitismus deklariert.
Auch – natürlich – die Verwendung von Begriffen wie „Apartheid“, selbst wenn die Diskriminierung von Nicht-Juden in den besetzten Gebieten damit ziemlich genau beschrieben ist. Wer da als Bundesbeauftragter nicht als verlängerter Arm einer der Kriegsparteien wirken und weiter Öl ins Feuer gießen will, sondern die Konflikte entspannen und die Toleranz fördern möchte, muss zuallererst für eine saubere Klärung der Begriffe sorgen.
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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